Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, mir kommt es so vor, als versuchten dieser Tage nicht nur Sie, sondern auch die Herren Stoiber, Schröder und Voscherau, sich gegenseitig unter den Tisch zu saufen, was den innenpolitischen Stammtisch angeht. Anders kann ich auch die Art, wie Sie hier weiter diskutieren, nicht nachvollziehen.
Sie haben heute zwar häufig dieses Hamburger Plakat angesprochen, das jeder kritisieren mag. Aber dieses Plakat wird in Hamburg bei weitem nicht so kritisch gesehen wie die Kampagne, die Sie hier mit Ihrer Politik und den genannten Innenministern bzw. dem Bürgermeister von Hamburg ausgelöst haben. Sie haben erreicht, daß Rechtsextremisten in Hamburg, wo genau diese Vorstellungen eine Akzeptanz finden, mit solchen Plakaten auftreten können. Ich meine, daß letztendlich Sie dafür verantwortlich sind, daß Rechtsextremisten und Neofaschisten in den Städten wieder so frech Plakate kleben.
Eine traurige Nachricht in diesem Zusammenhang ist - sie sollte von solchen Auseinandersetzungen nicht losgelöst gesehen werden -, daß im ersten Halbjahr die Zahl der Anschläge von Rechtsextremisten mit antisemitischem Inhalt wieder angestiegen ist. Das sollte man sich einmal vergegenwärtigen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang zu zwei weiteren Punkten Stellung nehmen. Die Bundesregierung läßt wirklich keine Möglichkeit aus, das soziale Netz zu zerschneiden. Innenminister Kanther hat auch heute wieder deutlich gemacht, daß er dieses durch ein Sicherheitsnetz ersetzen möchte. Zusammen mit seinen sozialdemokratischen Kollegen aus Niedersachsen, Bremen und Hamburg - ich denke, da ist die Diskussion längst weiter, als hier teilweise auch vom Kollegen Schily getan wird - will Innenminister Kanther den Bundesgrenzschutz auf die Jagd nach den sozialen Verlierern Ihrer neoliberalen Politik schicken. Gemeint sind Ausländerinnen und Ausländer, Jugendliche, Bettler und Obdachlose. Die PDS hält überhaupt nichts von dieser Kampagne, die Sie jetzt à la New York starten wollen.
Ulla Jelpke
Der zweite Punkt. In einer faktisch großen Koalition wollen CDU/CSU und SPD den großen Lauschangriff einführen. Von Herrn Schily ist heute sehr plastisch dargelegt worden, warum man in einer großer Koalition zunächst das Grundrecht auf Asyl gekillt hat und jetzt auch die Unverletzbarkeit der Wohnung killen wird, obwohl doch die Argumentation sehr hanebüchen war, die Kollege Schily vorgetragen hat.
All dies muß man in dem Zusammenhang sehen, daß dies im Jahr des Antirassismus stattfindet. Dieses Jahr ist meiner Meinung nach zu einer Farce geworden, wenn man sieht, welche Taten der Hauptkoordinator, Innenminister Kanther, der dafür verantwortlich ist, in diesem Jahr vollbracht hat, zum Beispiel die Einführung der Kindervisa-Verordnung und das Asylbewerberleistungsgesetz. Dadurch werden die Leistungen an Flüchtlinge unter das Niveau der Sozialhilfe gedrückt. Die CSU will die Erteilung von Arbeitserlaubnissen zudem erneut verschärfen.
Es ist darauf hinzuweisen, welche Verschlechterungen vor der Sommerpause im Bereich der Ausländergesetzgebung , insbesondere die Verschlimmbesserung für nichtdeutsche Ehefrauen bzw. Partner in § 19 des Ausländergesetzes, durchgesetzt wurden. Nichts hat sich im Bereich der Staatsbürgerschaft getan. Ich frage mich, welchen Beitrag es überhaupt zum Jahr des Antirassismus gibt.
Statt dessen - das hat Herr Kanther hier stolz ausgeführt - sind die Mittel entsprechend gestiegen, wenn es darum geht, die Grenzen abzuschotten. Allein beim BGS sind seit 1992 die Ausgaben um zwei Drittel, also um 60 Prozent, gestiegen.
In den letzten Jahren hatten wir folgende Politik: Erst schickt man die Vietnamesen weg. Dann müssen die Bürgerkriegsflüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zurück. Jetzt sollen es die palästinensischen Flüchtlinge sein. Man fragt sich, wer die nächsten sein werden.
Zum Schluß möchte ich einen weiteren Punkt ansprechen, der immer wieder von mir angeführt wird, wenn es um die sogenannten Minderheiten in Osteuropa geht. Die Vertriebenenverbände werden auch in diesem Jahr wieder 170 Millionen DM bekommen. Zum Teil ist das für die Aussiedler und Aussiedlerinnen natürlich nicht zufriedenstellend. Sie haben im übrigen dazu aufgerufen, anläßlich der Bundestagswahlen die Republikaner zu wählen, weil die Bundesregierung ihren Forderungen zuwenig nachkommt.
Es geht, wie Sie wissen, beispielsweise um die Angriffe der Vertriebenenverbände auf den Bundespräsidenten Herzog, der am „Tag der Heimat" als „Vaterlandsverräter" beschimpft worden ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die SPD - der Kollege Körper, der leider nicht mehr da ist - dies zum Anlaß genommen hat, zu sagen, daß man genau prüfen werde, ob Verbände, die rechtsextremistische Aussagen machen bzw. Propaganda betreiben, noch Geld bekommen sollen oder nicht. Ich sehe das im Moment nicht.