Rede von
Dr.
R. Werner
Schuster
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nein, Herr Pinger. So sehr ich Sie schätze, muß ich Ihnen sagen, daß es eine Bringschuld ist. Die Frage, ob er eingeflogen kommt und uns seine Themen unterbreitet, ob er an unserem Dialogprozeß teilnimmt, in dem wir - wie Sie wissen - unter Schwierigkeiten versuchen, uns zu einigen, ist primär seine Sache und nicht die Sache des Ausschusses. Wir haben dieses Problem im Ausschuß wiederholt thematisiert und wiederholt einstimmig darum gebeten, daß er regelmäßiger kommt.
Fünftens. Herr Minister, wenn es schon weniger Geld gibt, dann gilt auch für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit: Das Geld dafür muß effektiver und nachhaltiger ausgegeben werden.
Wir alle stecken als Entwicklungspolitiker gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern in einer Legitimationsproblematik. Wir brauchen vorzeigbare Erfolge; sonst sind unsere Wählerinnen und Wähler nicht mehr bereit, solche Typen wie mich und wie manche von Ihnen zu wählen.
Unser Problem ist, daß wir für das Anliegen der dritten Welt werben müssen. Und doch überfahren wir unsere Partner im Süden häufig und überfordern sie mit unseren Angeboten. Herr Minister, ich schlage Ihnen vor: Tun Sie einmal das, was wir jetzt auf unserer Reise nach Westafrika wieder gemacht haben. Sprechen Sie einmal informell mit den dort tätigen deutschen Entwicklungshelfern. Ihnen würden die Ohren klingen. Denn diese haben zum Teil sehr
konstruktive Vorschläge. Sie wissen, wo man etwas ändern müßte. Aber sie trauen sich nicht, weil sie um ihren Job fürchten müssen. Ich habe das vor Jahren einmal als das Problem der zwei Wahrheiten bezeichnet. Ich kann Ihnen nur empfehlen, mit deutschen Entwicklungshelfern vor Ort zu sprechen. Sie machen einen strategischen Fehler, wenn Sie auf dieses Feedback verzichten.
Sechstens. Machen Sie es sich nicht zu einfach, Herr Minister, indem Sie sagen: Es ist die Aufgabe der SPD und der Grünen als Opposition zu kritisieren. Können Sie eigentlich noch ruhig schlafen, nachdem Sie dieses Büchlein mit dem Titel „Die Wirklichkeit der deutschen Entwicklungshilfe" gelesen haben? Oder sollten Ihre lieben Mitarbeiter Ihnen dieses Büchlein gar vorenthalten haben? Es ist nicht unqualifiziert, wie Sie behauptet haben. Es steht sehr viel Nachdenkenswertes darin, auch wenn ich manche Passage nicht teile.
In diesem Buch steht als zentrale Forderung: „Entwicklungspolitik muß Querschnittsaufgabe werden",
wie es die SPD in ihrem Gesetzentwurf verlangt und wie Sie, Herr Laschet, es auch formulieren. Aber dann, Herr Minister, muß man eben kämpfen und darf nicht kneifen. Denn kein Finanzminister - weder eine grüne noch eine rote Ministerin bzw. Minister - wird uns so viele Mittel für die EZ geben, um das wieder gutzumachen, was all die Borcherts, Waigels und Rexrodts im Süden verkehrt machen.
Das ist der Punkt. Deswegen brauchen wir endlich ein kompetentes „Querschnittsministerium".
Siebtens. Zum Schluß die Conclusio: Wir brauchen eine Reform des BMZ an Haupt und Gliedern. Wir brauchen einen Minister und ein BMZ, die sich nicht schämen, offensiv zu sagen: Jawohl, unser oberstes Ziel ist es, die Interessenvertretung von 5 Milliarden Menschen im Süden - immerhin 80 Prozent der Weltbevölkerung - und vor allem derjenigen 1,3 Milliarden Menschen zu sein, die unterhalb der Armutsgrenze leben.
Meine Damen und Herren, zu Recht sind wir stolz auf die Wertvorstellungen unseres Grundgesetzes. Dort steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das gilt doch auch für die Menschen im Süden - oder?
Ich bedanke mich.