Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf mich den Glückwünschen an den Kollegen Schmitt für die F.D.P.-Fraktion ausdrücklich anschließen. Ich verzeihe ihm deswegen sogar die Rede, die er gerade gehalten hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die öffentlichen Haushalte sind - wir wissen das - strukturell in hohem Maße belastet und die Bürger mit Steuern und Abgaben überlastet. In dieser Zeit müssen sich Politiker zu ihrer Gesamtverantwortung für unser Land bekennen. Auch ein Entwicklungspolitiker kann nicht vor die Bürger treten und ausschließlich ressortbezogene Interessen vertreten.
Für das Jahr 1998 sind im Einzelplan 23 7,64 Milliarden DM vorgesehen. Dies entspricht nicht ganz dem Ansatz von 1997, ist aber mehr, als man angesichts der angespannten Haushaltslage erwarten konnte. Im Vergleich zum Haushalt 1997 liegt der
Roland Kohn
Anteil des Einzelplans am Gesamthaushalt 1998 weiterhin bei 1,7 Prozent.
Um es ganz deutlich zu sagen: Deutschland gehört damit auch in Zukunft zu den Staaten, die in hervorgehobener Weise weltweit Verantwortung übernehmen. Der Einzelplan 23 beweist, daß wir auch in finanziell schwierigen Zeiten gewillt sind, unser entwicklungspolitisches Engagement fortzusetzen. Dafür gebührt insbesondere unserem erfolgreichen Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger ausdrücklich Dank.
Ich bleibe dabei: Wir Liberalen lehnen eine Beurteilung der Entwicklungspolitik nach rein quantitativen Maßstäben ab. Es kommt auf die Qualität von Entwicklungspolitik an. Deswegen, Frau Kollegin Tröscher, kann ich es, ehrlich gesagt, nicht mehr hören, daß dieses 0,7-Prozent-Ziel wie eine Monstranz durch die Gegend getragen wird. Die Wahrheit ist, daß keine Regierung in Deutschland, wie immer sie aussehen wird, in der Lage sein würde, dieses Ziel zu erreichen. Ich finde, es wäre ein Gebot der Ehrlichkeit, den Menschen darüber die Wahrheit zu sagen und nicht zu versuchen, sie hinter die Fichte zu führen.
Wir Liberalen engagieren uns für die Entwicklungspolitik aus einer ethisch-humanitären Überzeugung heraus,
aber auch deshalb, weil wir ein Land mit weltweiten Interessen und einer gewachsenen internationalen Verantwortung sind. Um so problematischer ist es, daß das Interesse der Deutschen - der Bürger, der Medien, aber auch von Teilen der Politik - an internationalen Beziehungen rückläufig ist. Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung.
Wir haben aber auch ein legitimes Eigeninteresse daran, diesen Ländern zu hellen. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß sich Deutschland nicht von den Folgen abschotten kann, die Armut, ungebremstes Bevölkerungswachstum, Umweltzerstörung, Bürgerkrieg oder Drogenanbau in den Entwicklungsländern bedeuten. Das beweist die immer größer werdende Zahl von Flüchtlingen und Auswanderern, die auch nach Europa streben.
Ziel muß es deshalb sein, Probleme dort zu bekämpfen, wo sie entstehen. Für uns ist Entwicklungspolitik Teil einer Politik globaler Zukunftssicherung. Wir wollen einen Beitrag zum Frieden, zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen leisten.
Entwicklungspolitik - ich sage das deutlich - ist nicht der Transfer riesiger Geldmengen. Entwicklungspolitik als weltweite Sozialhilfe wäre zum Scheitern verurteilt. Natürlich müssen wir dort helfen, wo Notsituationen entstehen. Aber Entwicklungspolitik muß beim Aufbau leistungsfähiger und menschenwürdiger politischer, wirtschaftlicher und sozialer Strukturen helfen. Wir wollen die Menschen in die Lage versetzen, sich selbst helfen zu können. Vornehmstes Ziel der Entwicklungspolitik muß es nämlich bleiben, sich selbst überflüssig zu machen.
Freier Handel und privates Kapital haben für die Entwicklung von Entwicklungsländern mittlerweile weit größere Bedeutung erlangt als die öffentliche Entwicklungshilfe. Der gestern vorgelegte Bericht der Weltbank weist dies in eindrucksvollen Ziffern noch einmal aus.
Wir Liberalen drängen deshalb auf die Öffnung insbesondere auch unserer Märkte für Produkte aus den Entwicklungsländern. Die europäische Handelspolitik muß verändert, Handelshemmnisse müssen abgebaut werden, und protektionistische Maßnahmen und Subventionierungen, beispielsweise von Agrarexporten der EU, müssen ein Ende haben. Es gibt aus der Vergangenheit ganz schlimme Beispiele.
Auf der anderen Seite müssen die Entwicklungsländer auch ihre eigenen Hausaufgaben machen. Ich spreche hier von der Eigenverantwortung der Eliten in diesen Ländern, die dafür zu sorgen haben, daß ihre Staaten die Chancen der Teilnahme am freien Welthandel auch tatsächlich nutzen und im Wettbewerb um Kapital, Investitionen und Arbeitsplätze bestehen können.
Wir Liberalen fordern die strikte Bindung entwicklungspolitischer Zusammenarbeit an den Gesichtspunkt guter Regierungsführung. Das möchte ich insbesondere an die Adresse des Kollegen Schmitt sagen, der hier eben abenteuerliche Dinge über die Entwicklungspolitik der Bundesregierung vorgetragen hat.
Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, daß in zukünftigen Abmachungen die Bundesregierung über Entwicklungszusammenarbeit eine Klausel aufnehmen will, in der sich beide Partner zu effektiven Maßnahmen gegen Korruption verpflichten. Korruption ist eines der Krebsübel der Entwicklung. Deswegen ist diese Entscheidung überfällig.
Das gleiche gilt auch für Länder, die straffällig gewordene Flüchtlinge nicht aufnehmen wollen. Klaus Kinkel hat richtigerweise gesagt: Wer die Ampel bei völkerrechtlich gebotener Wiederaufnahme eigener Staatsangehöriger auf Rot stellt, darf sich nicht wundern, wenn über entwicklungspolitische Leistungen nachgedacht wird.
Aber wir müssen auch im Inland noch sparsamer mit Mitteln der Steuerzahler umgehen. Alle Institutionen und Organisationen, die ihre entwicklungspolitische Arbeit teilweise oder ganz aus öffentlichen Geldern finanzieren, müssen auf die aktuellen Haushaltszwänge reagieren.
Auch sie müssen in Zukunft über die eigenen Ziele und Aufgaben nachdenken. Alle vermeintlichen oder tatsächlichen Besitzstände gehören auf den Prüfstand.
Roland Kohn
Nichtregierungsorganisationen leisten neben den staatlichen Einrichtungen einen wichtigen Beitrag zum Bild der deutschen Entwicklungspolitik. Das begrüßen wir Liberalen ausdrücklich.
Aber auch für sie gilt wie für alle staatlichen Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit: Wir brauchen mehr Transparenz und Ergebnisorientierung. Wir brauchen verbesserte Kooperation und Koordinierung. Wir brauchen Wirksamkeitsanalysen und Erfolgskontrollen, die Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien bis hin zur Vergabe von Fördermitteln im Wettbewerb der Durchführungsorganisationen bei Geber- und Partnerländern. Dies alles trägt dazu bei, Entwicklungspolitik wirksamer zu machen.