Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach vielen engagierten Debatten hier im Hause ist es erfreulich, festzustellen, daß unsere Soldaten wissen, daß der Einsatz der Bundeswehr von einer großen Mehrheit des Deutschen Bundestages getragen wird.
Auch wir als F.D.P. möchten heute noch einmal unsere anerkennenden Worte zum großen Engage-
ment der Bundeswehr beim Oder-Einsatz aussprechen. Genauso würdigen wir den Beitrag der Bundeswehr beim SFOR-Einsatz, der übrigens auch zeigt, daß unsere Soldaten wissen, welch große Verantwortung sie in diesem Einsatz übernommen haben.
In diesem Zusammenhang, Frau Kollegin Beer, ist es wirklich unerträglich, das zu hören, was Sie hier gesagt haben. Es ist eine Zumutung für die große Mehrheit des Hauses - ja, ich schaue auch hier in Richtung SPD; Herr Kolbow hat vorhin auch schon zu Recht etwas dazu gesagt -, das ertragen zu müssen, was Sie uns heute hier gesagt haben.
Der vorliegende Haushaltsentwurf für den Verteidigungshaushalt 1998 mit einem Umfang von 46,7 Milliarden DM zeigt, daß es dem Bundesverteidigungsminister gelungen ist, sich mit großem Engagement für seinen Etat einzusetzen und weitere Kürzungen zu verhindern. Das wird von seiten der F.D.P. begrüßt.
In den anstehenden Haushaltsberatungen werden wir als F.D.P. uns dafür einsetzen, daß es keine Eingriffe in die Ausbildung gibt, daß es keine Eingriffe in den Übungsbetrieb gibt und daß die notwendigen Investitionen, die in diesem Haushaltsentwurf bei zirka 24 Prozent liegen, dazu genutzt werden, in der Ausstattung das finanziell Machbare zu erreichen.
Bei den Haushaltsberatungen muß sehr sorgfältig darauf geachtet werden, daß es bei der Bundeswehr nicht zu Soldaten erster und zweiter Klasse kommt. Es muß dem Eindruck entgegengewirkt werden, daß es bei der Ausstattung eine einseitige Bevorzugung der Krisenreaktionskräfte gibt und es durch diese bevorzugte Ausstattung der Krisenreaktionskräfte innerhalb unserer Bundeswehr zu einer Zwei-Klassen-Armee kommt.
Deswegen sage ich hier für die F.D.P.: Der Einsatz der Krisenreaktionskräfte ist ohne den Einsatz und den Dienst der im Inland eingesetzten Soldaten nicht denkbar.
Um die gesamte Bundeswehr modern und einsatzbereit zu halten, brauchen wir ein gesundes Verhältnis von Betriebskosten zu Investitionen. Dafür setzen wir uns ein. Es kann nicht verschwiegen werden, daß der Haushaltsentwurf für 1998 nicht alles das bietet, was wir erwartet haben, nämlich einen Investitionsanteil von 30 Prozent. Wenn wir jetzt im Haushaltsentwurf einen Investitionsanteil von 24 Prozent haben, muß es Zielsetzung der Haushaltsberatungen sein, dafür zu sorgen, daß Heer, Luftwaffe und Marine genügend Mittel erhalten, um ihre Ausbildungs- und Einsatzfähigkeit zu sichern.
Jürgen Koppelin
Herr Minister, der Zustand des Materials in vielen Bereichen wirft bei den Soldaten die Frage auf - das erfährt man bei jedem Truppenbesuch -, ob noch so ausgebildet wird, daß jederzeit der Auftrag der Bundeswehr zu erfüllen ist. Der Zustand des Materials bei der Bundeswehr kann dazu führen, daß die Motivation unserer Soldaten in wenigen Jahren erheblich schlechter sein wird.
Was sagen wir eigentlich einem Soldaten, der die ersten Wochen seiner Bundeswehrzeit den ganzen Tag Dienst im Trainingsanzug machen muß, weil die Bundeswehr nicht in der Lage ist, ihm die entsprechende Kleidung zur Verfügung zu stellen? Was sagen wir dem Soldaten, der in Kantinen essen muß, die den Charme eines Bahnhofswartesaals dritter Klasse haben? Fast überall haben wir einen ungenügenden baulichen Zustand. Wie begründen wir gegenüber den Soldaten, daß die Bundeswehr inzwischen viele Küchen hat, die nur noch mit Ausnahmegenehmigung arbeiten dürfen und erhebliche hygienische Mängel aufweisen? Wir als F.D.P. werden versuchen, auch in den Haushaltsberatungen unseren Beitrag dazu zu leisten, daß es hier Verbesserungen gibt.
An den Behauptungen des Bundesverteidigungsministeriums, daß es 1996 zum Beispiel bei der Betriebsstoffversorgung keine Probleme gegeben hat, daß es bei der Munitionsversorgung für Manöver, Übungs- und Gefechtsmunition keine gravierenden Probleme gegeben hat, sind - so meine ich - Zweifel angebracht.
In vielen Bereichen gibt es Engpässe. Diese Engpässe sind 1996 und auch 1997 nicht behoben worden. Das Ausschlachten von Fahrzeugen und Geräten - bei der Bundeswehr nennt man dies Kannibalismus - ist inzwischen zum Tagesgeschäft geworden und sollte uns alle besorgt stimmen. Die auf diese Weise gewonnenen Ersatzteile sind nicht die so dringend benötigten neuen Ersatzteile, sondern haben oft auch schon Materialermüdungen vorzuweisen.
Die vorgesehenen Ansätze für die Materialerhaltung haben sich zwar gegenüber dem Vorjahr verbessert, sie sind jedoch nach unserer Auffassung nach wie vor nicht ausreichend.
Mit dem Haushaltsplan 1998 sollen wir im investiven Bereich einige wesentliche Großvorhaben auf den Weg bringen; das ist schon erwähnt worden. Es geht einmal um die Serieneinführung des Unterstützungshubschraubers „Tiger/Uhu" . Sie kann ebenso begonnen werden wie die Beschaffung des NATO-Hubschraubers „NH 90". Die Beschaffung eines Einsatzgruppenversorgers für die Marine wird auf den Weg gebracht. Ebenso werden die Vorhaben Fregatte 124 und U-Boot 212 fortgesetzt.
Bedauerlich ist, daß die notwendigen Beschaffungsvorhaben, die wir begrüßen, nun durch eine Diskussion um die Beschaffung des Eurofighters überlagert werden. Ich meine, daß es doch unstrittig ist, daß die Bundeswehr einen Nachfolgebedarf wegen der heute bereits mangelhaften Einsatzbereitschaft des Waffensystems „Phantom" hat. Jedoch stellen wir bei der Entscheidung über den Eurofighter Fragen, die einer Beantwortung durch das Ministerium bedürfen: Warum müssen 180 Flugzeuge beschafft werden, obwohl nur sieben Staffeln mit dem Flugzeug ausgerüstet werden sollen? Das ergäbe dann eine andere Zahl. Ist es nicht so, daß man die Stückzahl 180 nur genommen hat, um den 30 prozentigen Arbeitsanteil bei der DASA zu halten, daß also keine verteidigungspolitische Entscheidung zugrunde liegt? Ist es nicht so, daß es bei der Entwicklung des Eurofighters noch immer erhebliche technische Probleme zu lösen gibt? Ich nenne hier den Gewichtsaufwuchs, die Radarleistung und auch die Flugkontrollsoftware. Ist es nicht so, daß über die Beschaffung des Flugzeuges erst dann entschieden werden kann, wenn die gesamte Flugerprobungszeit von über 4000 Flugstunden durchgeführt wurde? Zur Zeit sind erst etwas über 400 Stunden absolviert. Auch die Kosten der Bewaffnung des Eurofighters sind - so meinen wir - nach wie vor unklar. Diese Fragen können in der nächsten Zeit vom Verteidigungsministerium durchaus noch zufriedenstellend beantwortet werden. Aber Sie sollten sie beantworten, genauso wie wir als Haushälter und auch die Verteidigungspolitiker erwarten können, daß wir eine Beschaffungsvorlage bekommen, die bis heute nicht vorliegt.
Dem Haushälter stellt sich auch die Frage, warum im Haushaltsplan 1998 zwar ein Betrag für die Beschaffung des Waffensystems ausgewiesen wurde, nicht jedoch - da muß ich dem Kollegen Austermann widersprechen, wir sind da anderer Auffassung - eine Verpflichtungsermächtigung für die Jahre darauf. Was ich beim NH 90 und beim „Uhu" mache, muß ich doch auch beim Eurofighter machen. Das wäre dann notwendig, wenn man dieses Projekt will. Ich sage noch einmal: Der Bedarf an einem neuen Jagdflugzeug dürfte im Grundsatz nicht streitig sein, aber es müssen bei der Beschaffung des Flugzeuges Kosten und Technik kritisch hinterfragt werden dürfen. Ich erwarte insofern eine Beschaffungsvorlage, damit wir vernünftig über Kosten und Technik diskutieren können.
Ich will noch einen anderen Bereich ansprechen, der mir wichtig erscheint; er ist auch hier in der Debatte schon erwähnt worden. Das sind im Truppenalltag die Rahmenbedingungen für die politische Bildung bei den Streitkräften. Nicht nur die Vorgänge in Hammelburg und einzelne Vorfälle, die Sie, Frau Kollegin Beer - ich sehe sie jetzt nicht, sie ist anscheinend gleich wieder davongeeilt -, nicht auf die gesamte Bundeswehr übertragen können, sollten uns darüber nachdenken lassen, ob wir genügend für die politische Bildung in der Bundeswehr tun.
Für die politische Bildung in der Bundeswehr gibt es zur Zeit keinen gesonderten Haushaltstitel. Es wäre die Frage, ob wir in den Haushaltsberatungen einen zusätzlichen Haushaltstitel schaffen; denn politische Bildung in der Bundeswehr kann nicht nur aus dem Bezahlen von Vortragshonoraren oder von Tageszeitungsabonnements bestehen. Die Bedeutung der politischen Bildung ist unbestritten. Wenn die Haushaltsberatungen ergeben, daß es notwendig wird, noch zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, so werden wir uns als F.D.P. dafür einsetzen und
Jürgen Koppelin
stark machen. Dem staatsbürgerlichen Unterricht und der politischen Bildung in den Streitkräften muß in den nächsten Jahren eine verstärkte Bedeutung zukommen.