Frau Kollegin, Sie wollen Ihre Ernsthaftigkeit als Gesprächspartnerin im Bereich der Bundeswehr doch nicht in Frage stellen, indem Sie behaupten, es gebe nur 4 000 Offiziere in der Bundeswehr.
Abgesehen davon, daß die Frage zu diesem Zeitpunkt völlig fehl am Platz ist - wir haben gerade über das Jagdflugzeug geredet, da reden Sie von der Zahl der Offiziere -, ist mir der Sinn Ihrer Fragestellung überhaupt nicht ersichtlich.
Ich möchte zu meinem roten Faden zurückkehren, um vorzutragen, was ich gerne sagen möchte.
Also: Die Kollegin Matthäus-Maier hat hier im Zusammenhang mit der beabsichtigten Beschaffung des Eurofighters von einer „bajuwarischen Selbstbedienung " gesprochen. Ich bin der letzte, der die großen Anstrengungen des Freistaates Bayern bei der Sicherung und dem Erhalt von Arbeitsplätzen sowie der Förderung neuer Technologien nicht erkennen würde. Aber wer sich mit Wehrtechnik und Beschaffung der letzten Jahre befaßt hat, wird wissen, daß Flugzeuge nicht nur südlich des Mains und Schiffe nicht nur nördlich der Weser gebaut und ausgestattet werden. Am Bau der Fregatte sind baden-württembergische und bayerische Firmen ebenso beteiligt wie die großen deutschen Werften. Der Eurofighter sichert unser Land und erhält etwa 18 000 'Arbeitsplätze in ganz Deutschland, viele auch in mittelständischen Betrieben nördlich der Elbe.
Der Zeitpunkt steht vor der Tür, wo Sie Farbe bekennen und eine Entscheidung treffen müssen. Es reicht nicht aus, sich bei den Betriebsräten anzubiedern, weil es um Arbeitsplätze geht; vielmehr müssen Sie ganz klar sagen, was Sie wollen.
- Daß Sie sich vor etwa 20 Jahren festgelegt haben, ist mir klar. Bei Ihnen warten wir auch nicht auf Einsicht. Aber ich gehe davon aus, daß der eine oder andere hier noch eine vernünftige Entscheidung mitträgt.
Sie sollten sich von den vielen überflüssigen Redebeiträgen Ihrer Kollegin Matthäus-Maier zu diesem Thema entfernen. Wenn Sie nach Vorliegen der Beschaffungsvorlage ja sagen, dann hat sie in den letzten sieben, acht Jahren ständig Unfug erzählt.
Neben dem Eurofighter sind als wichtige weitere Großvorhaben, die im kommenden Jahr mitfinanziert werden, der Unterstützungshubschrauber UHU, der jetzt in Serie anläuft und die alten, nicht mehr einsatzfähigen Hubschrauber ersetzt, und die Beschaffung des NATO-Hubschraubers und der Panzerhaubitze hervorzuheben. Die Vorhaben Gefechtübungszentrum, Fregatte 124 und U-Boot 212 werden fortgesetzt.
Die vorgeschlagenen Ausgaben für die Materialerhaltung tragen der angespannten Situation beim Heer Rechnung. Wir haben diese Mittel im letzten Jahr verstärkt, und ich bin sehr dafür, daß wir diese Praxis in diesem Jahr fortführen. Das durch Haushaltsbewirtschaftung bedingte Stop-and-Go der letzten Jahre hat zu erheblicher Verunsicherung beigetragen. Unsere Vertragspartner in der Industrie, in der Wirtschaft und bei den Werkstätten müssen auf absehbare Zeit wissen, woran sie mit der Bundeswehr sind. Es wird keine neue Hängepartie bis Ende des Jahres und darüber hinaus geben.
Wir werden im Bereich der sonstigen Betriebsausgaben Eingriffe in Aus- und Fortbildung und Übungsbetrieb vermeiden. Im investiven Bereich beruht die Reduzierung der Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Erprobung auf dem planmäßigen Rückgang bei dem Entwicklungsaufwand für den Eurofighter. Das gehört in den Zusammenhang der Debatte um den Eurofighter: In dem Maß, in dem die Serienproduktion anläuft, werden die Mittel für die
Dietrich Austermann
Entwicklung reduziert, im kommenden Jahr um 250 Millionen DM.
Abweichend von der bisherigen Planung waren aus Haushaltsgründen gleichwohl einige Dinge als nicht so dringlich anzusehen. Sie können verschoben werden. Ich sage das klar als Abgeordneter, der aus Norddeutschland kommt: Noch in diesem Jahr wird trotz einer Verschiebung des Einsatzgruppenversorgers der Vertrag mit den Bietern, die die Ausschreibung gewonnen haben, unterschrieben.
Ich halte den vorliegenden Entwurf des Einzelplans 14 für eine gute Grundlage für die parlamentarischen Beratungen, mit dem die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr auch im personellen Bereich gesichert ist. Es bleibt bei 340 000 Soldaten. Wir schließen uns nicht den jahrelangen Forderungen der SPD an, eine Freiwilligenarmee von etwa 200 000 sei das Ziel der Zukunft.
Die SPD pirscht sich jetzt an die Regierungsverantwortung heran. Die Wortmeldungen zu diesem Thema machten deutlich: Die Gegner der Wehrpflicht - Herr Opel und andere - haben Sprechverbot, und man gab sich staatstragend, um deutlich zu machen, daß man es mit der Bundeswehr gut meint.
Im Rahmen des neuen Haushalts stellen wir beträchtliche Mittel zur Verbesserung der Beförderungssituation der Unteroffiziere und der Offiziere des Truppendienstes zur Verfügung. Es bleibt bei 340 000 Soldaten und 140 000 zivilen Mitarbeitern und Stellen.
Wir sagen ein klares Ja zur Wehrpflicht. Das sage ich auch an den Koalitionspartner gerichtet.
Es ist falsch, aus einem veränderten, aktuellen Bedrohungsszenarium, aus dem Augenblick heraus direkt auf die Möglichkeit zur Verkleinerung der Streitkräfte zu schließen. Genauso falsch ist die Behauptung, weniger, aber professioneller ausgebildete Freiwillige würden mehr leisten als unsere Wehrpflichtigen.
Einen direkten Vergleich mit den Erfahrungen in den Armeen anderer Länder zu ziehen, halte ich nicht für richtig. Deutschland muß auch die Erfahrungen der Vergangenheit berücksichtigen. Wir haben in den letzten 40 Jahren Loyalität im Bündnis eingefordert. Ich denke, Gleiches müssen wir jetzt gewähren. Tatsache ist, daß wir, bezogen auf die Bevölkerungszahl, eine der kleinsten Armeen Europas haben.
Was die Kosten angeht: Wer behauptet - das wäre falsch -, eine verkleinerte Freiwilligenarmee sei billiger als unsere derzeitige Mischstruktur aus Freiwilligen und Wehrpflichtigen, der muß sich die Frage gefallen lassen, ob sie die gleichen Fähigkeiten wie unsere Bundeswehr behalten würde oder welche vernachlässigt werden sollen.
Wir halten am aktiven Umfang der Bundeswehr fest, der sich an der jetzigen Größenordnung orientiert und der nur mit der allgemeinen Wehrpflicht machbar, das heißt für einen Haushaltspolitiker, auch bezahlbar ist. Die Alternative wäre - das ist das System Opel -: Armee halbieren und die Hälfte der Standorte schließen. Spätestens dann setzt Gott sei Dank auch bei den Genossen das Denken ein.
In letzter Zeit ist - auch das sollten Sie wissen - die Attraktivität des Wehrdienstes gestiegen. Die Zahl der Verweigerer geht zurück. Ich sage für mich persönlich: Für mich ist die ganze Debatte um die Frage „Wehrpflicht ja oder nein" bei dem Einsatz im Oderbruch versenkt worden.
Die Wehrpflichtarmee ist in der Politik und in der Gesellschaft fest verankert. Sie ist nicht nur Garant einer größtmöglichen gesellschaftlichen Integration, sondern sie steht auch für weitestgehende gesellschaftliche Kontrolle.
Deswegen bin ich skeptisch, ob es richtig ist, bestimmte junge Leute, die sich auf einem politischen Irrweg befinden, von vornherein auszusortieren. Das Problem, diese zu erkennen, ist nicht leicht. Nicht jeder Glatzkopf ist ein Radikaler, wie man bei jedem Bundesligaspiel erkennen kann.
Die Bundeswehr ist kein Hort für Rechtsradikale und wird es auch nicht werden. Wenn man die Zahl der rechtsextremen Vorkommnisse im Jahre 1996 betrachtet, so stellt man fest, daß es ganze 46 Meldungen und 59 Ermittlungen gab. Prozentual ist dies bei 340 000 Bundeswehrangehörigen noch nicht einmal als Stelle hinter dem Komma zu erkennen.
Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr bleibt, daß der Plafond des Einzelplans mittelfristig moderat steigt. Dies hat die Regierung in ihrem Finanzplan vorgesehen. Wir sind dem Finanzminister dafür dankbar; denn es darf nicht übersehen werden, daß der Verteidigungshaushalt im vergangenen Jahr überproportional zur Konsolidierung der Staatsfinanzen beigetragen hat. Weitere Einschnitte gefährden die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Die Gefährdung hochqualifizierter Arbeitsplätze in der wehrtechnischen Industrie Deutschlands erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.
Ich bekunde meine volle Sympathie für die Kollegen, die sich engagiert im Förderkreis „Heer" und in anderen Einrichtungen betätigen. Diese Arbeit halte ich für sinnvoll. Wir wollen die Zusammenarbeit mit der Industrie.
Wenn man sich allein vor Augen hält, daß nach der Wiedervereinigung in Ost und West die Zahl der Menschen, die im Bereich Sicherheit gearbeitet haben, um etwa 800 000 zurückgegangen ist - in Ost und West jeweils etwa 400 000 -, dann ist es an der Zeit, daß wir deutlich machen, mit welcher Politik im Verteidigungsbereich wir Strukturen erhalten wollen und wie wir uns die Position in der Zukunft denken. Dazu brauchen wir verläßliche Partner auch in der Industrie.
Lassen Sie mich schließen. Insgesamt läßt der vorliegende Entwurf den Streitkräften den erforderlichen Raum für eine den Verhältnissen angemessene Entwicklung und Zukunftsfähigkeit. Veränderte Aufgabenstruktur unserer Armee, die vielfältigen humanitären und UN-Einsätze, eine weitge-
Dietrich Austermann
hende Übereinstimmung in letzter Zeit in der Wahrnehmung dieser Aufgaben durch unsere Soldaten und zivilen Mitarbeiter sollten dazu führen, daß wir die Beratung über den Verteidigungsetat im Haushaltsausschuß in größtmöglichem Einvernehmen vornehmen. Unsere Soldaten und die zivilen Mitarbeiter haben nichts anderes verdient.
Herzlichen Dank.