Ja, natürlich, Herr Kollege. Sie haben ja gestern schon gehört, daß auch wir eine pluralistische Partei sind.
Herr Kollege Zierer in der CSU, Sie in der F.D.P., der Kollege Opel in meiner Partei treten für die sogenannte Freiwilligenarmee unter Ruhen der Wehrpflicht ein. Ich halte das für falsch. Ich zitiere Sie nur deshalb, weil Sie ja in einer Koalition sitzen und weil Sie als Koalitionsabgeordneter natürlich auch mit Ihren Entscheidungen für Ausgaben, zum Beispiel für den Eurofighter, dem Verteidigungsminister erhebliche Sorgen machen. Diese Sorgen macht uns der Kollege Opel nicht, denn er berät uns mit seinem Sachverstand. In einer Frage folgen wir ihm halt nicht.
Ihr Denkverbot, Herr Minister, ist also kontraproduktiv. Es scheint so zu sein, daß sich selbst Mitglieder der Regierungskoalition sinnvollen Argumenten für eine neue Wehrstruktur nicht verschließen können. Hinzu kommt offener Widerspruch von seiten der Bundeswehr, die die geringe Investitionsquote öffentlich kritisiert. So ist es Ihnen selbst beim Forum der „Welt am Sonntag" gegangen, als Sie sagten, es gebe keinen Militär, den Sie kennten und der Ihnen in dieser Frage widerspreche. Prompt stand ein Oberstleutnant auf - hoffentlich wird seine Karriere dadurch nicht geknickt -, der sagte, die Bundeswehr laufe Gefahr, „ein Koloß auf tönernen technologischen Füßen zu werden", wenn es mit dem Verteidigungsetat so weitergehe. So ist die Lage.
Das bisherige Tabuisieren des Themas muß also zu Ende gehen, die offen ausgebrochene Kritik muß alle zum Umdenken anregen. Auch der Verteidigungsminister muß sein Schönreden beenden. Wenn die Bundeswehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, als integraler Bestandteil der Gesellschaft effektiv erhalten bleiben soll, müssen intelligente Reformen zur zukunftsweisenden Modernisierung her. Die so gewonnenen Haushaltsmittel könnten dann effizienter in Ausbildung und Material investiert werden. Damit wäre auch gleichzeitig eine innovative Weiterentwicklung der Wehrpflicht möglich.
Selbst ein renommierter Experte wie Professor Dr. Huber von der Universität der Bundeswehr in München plädiert für eine Reduzierung der Bundeswehr um 15 bis 20 Prozent. Lesen Sie einmal - auch für die offene Debatte im Verteidigungsausschuß - das, was in der neuesten Ausgabe der „Zeitschrift für Wehrtechnik" steht. Er sagt:
... eine erneute Reduzierung der Bundeswehr um etwa 15 bis 20 Prozent stellt keine Gefährdung der Wehrgerechtigkeit und damit der Wehrpflicht dar.
Ich füge hinzu: Es schafft Investitionsspielräume, und die neue sicherheitspolitische Lage erlaubt dies auch.
Eine neue Wehrstruktur kann auch aufgabengerecht und bündnispolitisch verträglich sein. Die Personalkosten könnten verringert und die Investitionsanteile heraufgesetzt werden. Dadurch bekäme die Bundeswehr endlich wieder eine gesunde Struktur.
Ich sage an dieser Stelle, daß wir darüber reden wollen. Wir wollen darüber parteiübergreifend diskutieren und im Interesse der Soldatinnen und Soldaten und ihrer Familien einen Konsens erzielen. Hier ist kein Hauruckverfahren verlangt. Der Sozialverträglichkeit räumen wir einen wesentlichen Stellenwert ein, weil es hier natürlich auch um die Standorte und die Regionalverträglichkeit geht.
Dies wäre zu machen, wenn wir uns alle miteinander anstrengten und nicht abrupt, wenn man dieses Thema anspricht, von seiten des Herrn Bundesministers eine Mauer der Feindlichkeit errichtet würde. Ich fordere Sie auf: Öffnen Sie sich, Herr Rühe! Diskutieren Sie mit uns, im Interesse der Streitkräfte und einer sinnvollen Verwendung von Geld, der Modernität und Zukunftsreformen auch im Bereich der Verteidigungspolitik!
Walter Kolbow
Es bleibt natürlich nicht aus, auch auf den eurofighter einzugehen.
Das ist eine unendliche Geschichte. In den Medien wird viel über das größte Rüstungsprojekt in der Geschichte der Republik geschrieben; es gibt auch einen Kommentar in der „SZ" vom 8. September. Es wird viel gemutmaßt. Ich meine, alle Spekulationen dienen der Sache nicht, weder der Bundeswehr, die ein Luftverteidigungsflugzeug als Nachfolger für die „Phantom" braucht, noch unserer wehrtechnischen Industrie und den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die um ihre Arbeitsplätze bangen.
Diese unendliche Geschichte hat zum größten Teil die Bundesregierung insgesamt zu verantworten, insbesondere aber der Finanzminister als Herr der Haushaltslöcher und natürlich auch Sie, Herr Rühe, als Ressortverantwortlicher, als Verteidigungsminister. Durch die sprunghafte Planung, durch unsolide Haushaltspolitik und durch handwerkliche Fehler haben Sie dieses Projekt in noch schwierigere Fahrwasser gebracht, als es ohnehin schon war.
Sie kündigen seit 1995 eine Beschaffungsvorlage für dieses Flugzeug an, die wir bis heute noch nicht gesehen haben. Statt dessen sind im Entwurf des Verteidigungshaushaltes für die Beschaffung des Jagdflugzeuges 847 Millionen DM eingestellt.
Sie haben im Finanzpoker • mit Herrn Waigel um den Eurofighter verloren; das war einer der wenigen Siege, die der Finanzminister errungen hat. Das Projekt muß jetzt allein aus dem Verteidigungsetat bezahlt werden. Sie bekommen keine zusätzliche Mark vom Finanzminister, keine Anteile aus den DASA-Rückflüssen für geleistete Subventionen. Das war also ein völliger Einbruch, eine volle Verdrängung in den Verteidigungsetat.
- Bitte.