Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es läßt sich nicht leugnen, daß mancher Punkt, den Frau Gysi hier eben angesprochen hat, ein Punkt ist, den auch wir kritisieren. Deshalb muß ich Ihnen jenseits aller Volksfrontgeschichten sagen: Wir stehen hinter manchem dieser Punkte. Was meine Haltung zur PDS ist, ist wahrscheinlich allen bekannt.
Insgesamt aber stimme ich dem zu, was Herr Riedl vorhin gesagt hat, daß wir uns in den zentralen Fragen der Außenpolitik hier einig sind und daß dies gerade angesichts der zerrütteten innenpolitischen Situation in unserem Land ein wichtiger Punkt ist.
Nach den tiefen Umbrüchen in Europa, nach dem Zusammenbruch des sowjetkommunistischen Systems ist gerade dieses Jahr von besonderen und sehr zentralen und wichtigen Entscheidungen geprägt, an die ich noch einmal erinnern möchte: an die Grundakte der NATO mit Rußland, die, wie ich denke, eine ganz zentrale Voraussetzung für die Zukunft und für die Bedeutung Rußlands und seine Präsenz in Europa ist, gleichermaßen aber auch der Vertrag mit der Ukraine, die Öffnung der NATO sowie die wichtigen Entscheidungen und Vorschläge der Kommission für die Erweiterung der Europäischen Union.
Neue Strukturen der Integration und Kooperation zeichnen sich ab, durch welche das Zusammenleben in Europa ein neues Gesicht erhält. Wenn der Herr Außenminister jetzt hier gewesen wäre,
hätte ich sogar gesagt, daß er daran einen nicht unwichtigen Anteil hat. - Er ist doch da; mein Dank geht dann doch an ihn.
In der Grundakte der NATO wurde die besondere Bedeutung Rußlands für die europäische Entwicklung anerkannt. Es wird für uns jetzt wichtig sein, daß wir dies inhaltlich mit Leben füllen und nicht sagen: Dieses eine haben wir geschafft, und jetzt lassen wir sie links liegen.
Ebenfalls ist es so, daß die Ukraine geheure Erwartungen an uns hegt. Wir werden nicht alle und schon gar nicht alle gleich erfüllen können. Doch wir sollten uns bemühen, auch hier die Kontakte intensiver, als es in der Vergangenheit geschehen ist, zu halten.
Mit dieser Neugestaltung der verbindlichen Kooperation mit Rußland und der Ukraine ist nun die Integration der Staaten Ostmitteleuropas die zentrale Herausforderung europäischer Politik. Die Öffnung und Erweiterung der eigenen Strukturen sind schon deshalb schwieriger, weil die damit verbundenen Probleme nicht allein unsere Beziehungen nach außen betreffen, sondern weil wir damit selbst zur Veränderung herausgefordert sind.
Allzuleicht ist es, Versprechungen nach außen zu machen. Es wird darauf ankommen, die damit verbundenen Veränderungen innerhalb unserer eigenen Strukturen auch wirklich ernst anzugehen und durchzusetzen. Daß dies oft nicht ganz einfach ist, hat gerade die zu Ende gegangene Regierungskonferenz mit ihren recht mageren Ergebnissen im institutionellen Bereich gezeigt. Hier wird es darauf ankommen, noch in diesem Jahrzehnt zu tragfähigeren Ergebnissen zu kommen, um den Erweiterungsprozeß, den wir alle brauchen und wollen, nicht zu behindern.
Ich komme zuerst zur NATO. Der Beschluß der NATO-Öffnung kann in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden. Damit ist der sehnlichste Wunsch der betroffenen Staaten in Erfüllung gegangen. Wenn alles gutgeht, wird die NATO an ihrem 50. Jahrestag drei neue Mitglieder haben. Wir als Deutsche sollten insofern dazu beitragen, als wir diese Verträge nach ihrem Abschluß so bald wie möglich - ich frage uns: warum nicht als erste? - ratifizieren.
Wir Sozialdemokraten hätten uns in Madrid einen größeren Wurf gewünscht und bedauern es sehr, daß Slowenien und Rumänien nicht mit eingeladen wurden.
Um so wichtiger ist der Schritt weiterer Öffnung und daß der intensive Kontakt mit den Ländern, die daran interessiert sind, weiter gepflegt und ausgebaut wird. Das gilt auch für die baltischen Staaten, deren Wille zur Integration nicht mit einer aussichtslosen Perspektive beantwortet werden darf.
Für die innere Entwicklung der betreffenden Staaten noch wichtiger als die NATO-Öffnung ist jedoch die EU-Osterweiterung, betrifft sie doch alle Bereiche der Gesellschaft und nicht nur - wie oft gedacht - der Wirtschaft. Die Kommission hat die Beitrittsanträge und den erreichten Entwicklungsstand der zehn ostmitteleuropäischen Staaten gründlich geprüft und im vergangenen Juli in der von ihr vorgelegten Agenda 2000 die Aufnahme der Verhandlungen mit Estland, Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik und Slowenien befürwortet.
Markus Meckel
Die Kommission hat den mutigen und meines Erachtens richtigen Schritt der Differenzierung der Kandidaten unternommen und ist zu klaren Aussagen gelangt. Die SPD hat in ihrer Präsidiumserklärung diese Entscheidung ausdrücklich begrüßt.
Wir fordern die Bundesregierung auf, bei dem Europäischen Rat in Luxemburg im Dezember, bei dem endgültig über die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen entschieden wird, die Vorschläge der Kommission tatkräftig zu unterstützen.
Wichtig ist es jedoch auch, hervorzuheben, daß die Kommission nicht nur vorgeschlagen hat, mit welchen Ländern im Januar die Verhandlungen beginnen sollen, sondern daß sie auch die Länder nicht aus dem Blick verloren hat, die noch mehr Schwierigkeiten haben, den Transformationsprozeß zu bewältigen und die Anpassung an den „acquis communautaire" zu schaffen. Auch für sie soll mehr als bisher getan werden, um die Heranführungsstrategie zu verstärken. Ich halte das auch für dringend notwendig, denn gerade diese Länder, die in ihrer Entwicklung in der zweiten Reihe stehen, brauchen eine verbindliche Beitrittsperspektive. Die Verhandungen sollen beginnen, sobald im jeweiligen Land die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Daß die Kommission einen nächsten Bericht für Ende 1998 ankündigt, ist dafür ein wichtiger Punkt.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir von der Europäischen Kommission gerade hinsichtlich der Perspektive der Erweiterung gegenüber Polen und der Tschechischen Republik angesichts der Katastrophe des Hochwassers, die diese Länder noch sehr viel stärker getroffen hat als Deutschland, noch mehr erwarten, als bisher getan wurde. Bisher wurden nur Mittel umgewidmet. Hier braucht es aber stärkere und substantielle Hilfe.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind uns vermutlich alle darin einig, daß die Integration der ostmitteleuropäischen Staaten und die Kooperation wichtig sind für die Stabilisierung Europas. Gleichzeitig ist jedoch klar, daß die makropolitischen Strukturen nicht ausreichen, um Demokratie entwickeln zu lassen. Es braucht einen breiten gesellschaftlichen Kontakt, es braucht mikropolitische Entwicklungen, um hier gesellschaftspolitisch noch mehr zu tun., als bisher getan wurde. Die gesellschaftspolitische Dimension der Außenpolitik muß deutlich verstärkt werden.
Dies ist keine neue Erkenntnis. Auch im Haushalt des Auswärtigen Amtes ist dies deutlich zu erkennen, wobei ich an den DAAD, an manche Projekte der Kulturpolitik oder eben auch an die parteinahen Stiftungen denke. Doch - damit knüpfe ich an das an, was Frau Gysi gesagt hat - gerade in diesem Bereich wurde - wie wir finden - eklatant gekürzt.
Nehmen wir die politischen Stiftungen, und zwar allesamt, die in Ostmitteleuropa und Osteuropa eine ganz wichtige Arbeit leisten. Die Mittel für ihre Arbeit werden im neuen Haushalt um 10 Prozent reduziert. Auch die Mittel des BMZ werden gekürzt. Außerdem ist die Unsicherheit, die jedes Jahr neu eintritt, eine schwerwiegende Belastung für die Arbeit in diesen Ländern.