Herr Kollege Irmer, wir haben das sehr oft diskutiert. Der sogenannte kritische Dialog mit dem Iran ist besonders als Medienereignis gescheitert. Eine richtige Wortwahl aus der Tradition der deutschen Philosophie heraus ordnet das Wort „kritisch" richtig ein; das ist ganz unstreitig. Nur, so war es in keiner Zeitung zu lesen, vielleicht weil die Journalisten der Zeitungen, die darüber berichten wollten, Kant nicht gelesen haben. Aber da besteht dann eine Mitverantwortung der Politik. Begriffe, die in den Medien nicht richtig verstanden werden, sollte man nicht gebrauchen. Das ist der Fehler.
- Herr Minister, ich habe gesagt, Sie haben mitgewirkt. Das können Sie nicht bestreiten.
Das Ganze hat allerdings eine positive Seite - das füge ich ausdrücklich hinzu -, nämlich die Solidarität der EU-Staaten mit Deutschland gegenüber dem Iran. Auch alles, was nicht ganz gut geht, hat doch wieder etwas Gutes. In diesem Sinne wollten Sie mich das ja fragen.
Ich glaube nur, daß Versuche und Anstrengungen, mit möglichst allen Staaten Netze aufzubauen, keinen auszuschließen und keinen zu bevorzugen, ein geeigneterer Weg sind, als den Eindruck entstehen zu lassen, ein Land ist besonders wesentlich.
- Ich glaube, daß ich versucht habe, Ihre Frage zu beantworten. Danke für Ihren Respekt, daß Sie so lange gestanden haben, Herr Kollege.
Damit komme ich zu Algerien, Herr Außenminister. Ihr Urteil teilen wir. Ich gehe aber einen Schritt weiter. Ich glaube, in unserer informationell und in der Verpflichtung auf die Menschenrechte vernetzten Welt können wir es nicht mehr hinnehmen, daß die algerische Regierung uns sagt: Das geht keinen etwas an, außer uns selbst,
daß sie fortfährt, die Presseberichterstattung einzuschränken und sich damit selbst schadet,
nämlich Gerüchte aufkommen läßt, es könnten Militärkräfte in diesem Lande sein - ob sie von der Regierung kontrolliert werden können oder nicht, sei dahingestellt -, die verantwortlich sind. Ich meine, die Bundesregierung sollte zusammen mit der EU einen Versuch machen, damit der algerischen Republik deutlich gemacht wird: Die UNO möchte sehen, was dort passiert, und auch die EU als Teilnehmer am Barcelona-Prozeß möchte sehen, was dort passiert.
Dann kann man mit der algerischen Regierung und allen auf die Menschenrechte verpflichteten Kräfte dort darüber sprechen, wie unter Beachtung nationaler Souveränität geholfen werden kann.
Damit bin ich zum Schluß noch einmal bei den Medien. Ich habe die positiven Dinge genannt; ich nenne auch die negativen. Unsere Politik gegenüber den Staaten der Nah- und Mittelost-Region wird auch dadurch beeinträchtigt, daß sich Abgeordnete, Menschen, die in der Zeitung stehen wollen, bis hin zu Diplomaten in ihrer Einstellung, welcher der islamischen Staaten denn nun gut oder schlecht ist, davon leiten lassen, was zufällig in der Weltpresse aufgeblasen wird. Was Journalisten, die das kennen - nehmen wir Herrn Scholl-Latour -, dazu sagen, ist beängstigend. Wir müssen ein ganz dichtes Geflecht von Beziehungen der Regierungen, der Diplomaten, von Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen aufbauen, das Beziehungen zu diesen Staaten auch unabhängig von spektakulär aufgeblasenen Nachrichten jedes einzelnen Tages ermöglicht. Davon hängt die Sicherheit Europas ab, nachdem es seine geopolitische Gestalt durch die Osterweiterung wiedergefunden hat - ein Aspekt, den ich deshalb nicht genannt habe, weil mein Kollege Meckel darüber sprechen wird.
Herzlichen Dank.