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ID1318802400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/188 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 188. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. September 1997 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten der Republik Jemen und seiner Delegation 16996 D Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1998 (Haushaltsgesetz 1998) (Drucksache 13/8200) . . 16959 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1997 bis 2001 (Drucksache 13/8201) 16959 B Rudolf Scharping SPD 16959 B Michael Glos CDU/CSU 16965 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16970 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 16977 B Dr. Gregor Gysi PDS 16983 A, 16987 A Dr. Mathias Schubert SPD 16986 D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16987 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 16996 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . 17000 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 17005 D, 17013 D Wolfgang Thierse SPD 17013 B Dr. Gregor Gysi PDS (Erklärung nach § 30 GO) 17014 A Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 17014 C Dr. Christoph Zöpel SPD 17017 B Ulrich Irmer F.D.P 17018 D, 17021 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . . 17020A Dr. Eberhard Brecht SPD 17022 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17023 D Ulrich Irmer F.D.P 17025 A Andrea Gysi PDS 17026 A Markus Meckel SPD 17027 A Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU 17028 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 17029 A Walter Kolbow SPD 17032 C Jürgen Koppelin F.D.P. . . . 17034 A, 17058 A Paul Breuer CDU/CSU . . 17035 B, 17039 A Ernst Kastning SPD 17036 A, 17037 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . 17037 A Dieter Heistermann SPD 17038 D Brigitte Schulte (Hameln) SPD . . . 17039 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17041 A Jürgen Koppelin F.D.P 17042 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 17044 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 17048 C Adelheid Tröscher SPD . . . . 17050 B, 17052 D Armin Laschet CDU/CSU 17052 B Michael von Schmude CDU/CSU . . . 17053 A Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17055 B Roland Kohn F.D.P. 17056 D Otto Schily SPD 17058 C Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . 17058D Dr. Willibald Jacob PDS 17059 B Dr. Winfried Pinger CDU/CSU 17060 B Dr. R. Werner. Schuster SPD 17061 A Dr. Winfried Pinger CDU/CSU . . . 17062A Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 17063 A Manfred Kanther, Bundesminister BMI 17064 C Otto Schily SPD 17067 A Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 17070D Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17073 A Ina Albowitz F.D.P. 17074 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . 17076A Ulla Jelpke PDS 17076 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 17077 C Gunter Weißgerber SPD 17080 A Manfred Kolbe CDU/CSU 17082 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17083 C Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 17085 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 17086 C Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 17087 C Norbert Geis CDU/CSU 17089 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 17090 C Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes (Drucksache 13/7955) 17045 C b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Oktober 1996 zur Änderung des Abkommens vom 8. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über niederländische Kriegsgräber in der Bundesrepublik Deutschland (Kriegsgräberabkommen) (Drucksache 13/7991) 17045 C c) Antrag der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wesertunnel-Planungen beenden (Drucksache 13/7963) 17045 C d) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gedenken und Erinnern durch die Kennzeichnung historisch bedeutsamer Orte im Berliner Parlaments- und Regierungsviertel (Drucksache 13/4182) . . 17045D e) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Halo Saibold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Ute Vogt (Pforzheim), Freimut Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: 60. Jahrestag der Bombardierung von Guernica/Gernika (Drucksache 13/7509) 17045 D Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. September 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Costa Rica über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7609, 13/8354) . 17046 A b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. August 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Paraguay über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7610, 13/8355) . 17046B c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. Oktober 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7611, 13/8356) 17046 B d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. September 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Simbabwe über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7612, 13/8357) 17046 C e) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. September 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Südafrika über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7613, 13/8358) . 17046 C f) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Usbekistan über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7614, 13/8359) . . . 17046D g) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Januar 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung Hongkongs zur Förderung und zum gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7615, 13/8360) 17046 D h) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Dezember 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- ' land und Barbados über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/ 7616, 13/8361) 17047A i) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Honduras über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7617, 13/8362) 17047 A j) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. Februar 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ghana über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7620, 13/8363) 17047 B k) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. Februar 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Moldau über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7621, 13/8364) 17047 B l) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Vietnam über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/7622, 13/8365) . 17047 C m) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung statistischer Rechtsvorschriften (3. Statistikbereinigungsgesetz) (Drucksachen 13/7392, 13/8384) . . . 17047 D n) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich), Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fahrrad-Fahrbereitschaft für den Deutschen Bundestag in Bonn (Drucksachen 13/3328, 13/8078) 17048 A o) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission zur Entwicklung des sozialen Dialogs auf Gemeinschaftsebene (Drucksachen 13/6129 Nr. 1.29, 13/ 7960) 17048 A p) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 226 zu Petitionen (Regelung im Einigungsvertrag, wonach einige mineralische Rohstoffe als bergfreie Bodenschätze gelten) (Drucksache 13/8068) 17048 B Nächste Sitzung 17091 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17093* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Gerhard Jüttemann (PDS) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zur Sammelübersicht 226 zu Petitionen - Regelung im Einigungsvertrag, wonach einige mineralische Rohstoffe als bergfreie Bodenschätze gelten - (Tagesordnungspunkt 4 p) . . . . 17093* C Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 188. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1997 16959 188. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. September 1997 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 10.9. 97 ** Behrendt, Wolfgang SPD 10. 9. 97* Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 10. 9. 97 ** 90/DIE GRÜNEN Eßmann, Heinz Dieter CDU/CSU 10. 9. 97 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 9. 97 ** Friedhoff, Paul K. F.D.P. 10.9. 97 Günther (Duisburg), Horst CDU/CSU 10. 9. 97 Marx, Dorle SPD 10. 9. 97 Müller (Düsseldorf), SPD 10. 9. 97 Michael PoB, Joachim SPD 10. 9. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 9. 97 * Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 10. 9. 97 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 10.9.97 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schloten, Dieter SPD 10. 9. 97 ** Schmidt (Aachen), Ulla SPD 10. 9. 97** Schmidt (Fürth), CDU/CSU 10. 9. 97 ** Christian Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 10. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Schütze (Berlin), CDU/CSU 10. 9. 97 Diethard Sebastian, Wilhelm Josef CDU/CSU 10. 9. 97 Terborg, Margitta SPD 10. 9. 97 * Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 10. 9. 97 Tippach, Steffen PDS 10. 9. 97 Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 10. 9. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 10. 9. 97* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 98. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Gerhard Jüttemann (PDS) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zur Sammelübersicht 226 zu Petitionen - Regelung im Einigungsvertrag, wonach einige mineralische Rohstoffe als bergfreie Bodenschätze gelten - (Tagesordnungspunkt 4 p) Ich stimme der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses nicht zu, weil ich dringenden Handlungsbedarf sehe. Ich stimme nicht zu, weil zwar das Bergrecht inzwischen vereinheitlicht ist, jedoch infolge der Bestandsschutz-Klausel für bereits erteilte Gewinnungsrechte die Benachteiligung von Eigentümern sowie die schweren Beeinträchtigungen ganzer Gemeinden sowie von Natur und Umwelt in vielen Fällen anhalten. Auch würde sonst eine Ungleichbehandlung fortgeschrieben. Ich lehne die Beschlußempfehlung auch deshalb ab, weil die Begründung von 1990 für das unterschiedliche Bergrecht für die jetzige Zeit ohnehin nicht mehr angeführt werden kann. Es gibt heute keinerlei Engpässe hinsichtlich der Rohstoffversorgung für das Bauwesen im Osten, die Sonderregelungen notwendig machen würden. Ich stimme deshalb nicht zu, weil dringend Erfordernis besteht, Rechtsgleichheit nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis herzustellen, damit in Zukunft teilweise irreparable Schäden an touristisch nutzbaren Landschaften, wie in einigen Fällen geschehen, nicht wieder infolge bergrechtlicher Bestimmungen eintreten können. Ich stimme auch deshalb nicht zu, weil es notwendig ist, daß im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern Möglichkeiten geschaffen werden müssen, um alle genehmigten Abbauvorhaben neuen Planfeststellungsverfahren mit umfassender Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, ebenso genehmigte Vorhaben, wo der Abbau noch nicht begonnen hat.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mich meinem eigentlichen Thema zuwende, möchte ich im Nachklang zu dem, was Kollege Schubert soeben in seiner Kurzintervention gesagt hat, eine Bemerkung machen. Ich finde es skandalös und unerhört, wie Sie, Herr Gysi, hier mit den Sorgen der Menschen im Oderbruch umgehen. Ich finde es skandalös - Ihre Wortwahl war interessant -, daß Sie vor dem frei gewählten Deutschen Bundestag sagen: Wenn die Leute bei Ihnen gespendet hätten, hätte man kontrollieren können, was gespendet worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das ist genau das, was Sie gerne hätten. Sie mögen noch so beredt hier am Rednerpult sprechen - es ist unbestreitbar, daß Sie das können -, aber das schimmert immer wieder durch. Es ist gut, daß dies so ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich habe dies noch einmal aufgegriffen, damit Millionen Fernsehzuschauer zur Kenntnis nehmen können, wer die Gruppe der PDS im Deutschen Bundestag führt und daß sich nichts, aber auch gar nichts in deren Denken geändert hat. Das ist das, was wesentlich ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Da wir dieses Thema aber kurz angesprochen haben: Es liegt im Interesse dieses Hauses, daß wir den Spendern in Deutschland noch einmal unseren gemeinsamen Dank aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es sind weit über 100 Milllionen DM in diesen wenigen Wochen gespendet worden. Das ist eine großartige Leistung. Das zeigt, daß die Herzen der Menschen nicht versteinert sind, wie immer wieder behauptet wurde. Es zeigt ein Zweites: daß sich das, was die Deutschen aus ihrer Überzeugung und mit ihrem Herzen bereit sind zu tun, sehr gut in vergleichbare Beispiele anderer Länder einreihen läßt. Dies ist eine Erfahrung, auf die wir in Deutschland stolz sein können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, der Etat des Bundeskanzlers ist aus der Sicht der Opposition die Gelegenheit zur Generalabrechnung, aus der Sicht der Bundesregierung, des Regierungschefs und der Regierungskoalition geht es darum, Rechenschaft abzulegen und darüber zu sprechen, was wir getan haben, und auch über das, was nicht so gut gelungen ist. Ich habe da gar keine Probleme.
    Wir haben heute schon starke Worte gehört. Kollege Scharping war schon so sehr in Erregung, daß ich ihn kaum mehr habe verstehen können. Der Vertreter der Grünen, Herr Fischer, hat das geboten, was er immer bietet, wenn er zur Sache nichts zu sagen hat und wenn er von einem wichtigen Tatbestand ablenken will, nämlich davon, daß er hier Reformen fordert, aber immer kneift, wenn es um die Verwirklichung von Reformen geht. Ich kenne wenige Mitglie-

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    der des Deutschen Bundestages, die dies so virtuos handhaben, nämlich hier so zu reden, aber draußen ganz anders zu sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Abgeordneter Fischer, wenn Sie hier so über Energiepolitik sprechen, nachdem Sie wie ein Hetzer aufgetreten sind, als die Bergarbeiter in Bonn waren

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ja, dann kommen einem die Tränen! Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegenteil!)

    - ich kann das noch viel schärfer formulieren -, dann ist darin die ganze Erbärmlichkeit Ihrer Politik zu sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden in der vor uns liegenden Zeit genug Gelegenheit haben, dies den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland zu sagen.
    Herr Abgeordneter Scharping, Sie haben gewaltig zugeschlagen. Wir alle sind fast zusammengebrochen. Um in Ihrer Sprache zu bleiben: Ich habe mich nur mühsam hierhergeschleppt; aber ich bin da.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Was Sie hier Jahr für Jahr vortragen, ist vor allem in einem Punkt bemerkenswert. Sie sprechen viel von der Gemeinschaft und von den moralischen Notwendigkeiten. Aber in jeder vierten Passage Ihrer Rede haben Sie schlicht und einfach den alten Sozialneid geschürt. Das ist das, was Sie tun, nicht mehr und nicht weniger.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)

    Daß Sie uns bekämpfen, ist Ihr Job. Dagegen habe ich nichts zu sagen. Aber die Art und Weise, in der Sie beispielsweise mit den Kollegen der F.D.P. umgehen, ist schon sehr erstaunlich.

    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Zuruf von der SPD: Viel zu milde!)

    Sie sind doch heilfroh, Herr Scharping, daß diese „Klientelpartei" bereit war, Ihren Nachfolger in Mainz ins Amt zu hieven. Das ist ein praktisches Beispiel. Wenn Sie die Möglichkeit hätten - was die Zahlenverhältnisse nicht hergeben -, mit der F.D.P. an die Regierung zu kommen, dann wären die Freien Demokraten für Sie die Allergrößten.

    (Zurufe von der SPD: Nein!)

    Lassen Sie doch dieses Spiel! Ich habe noch in Erinnerung, wie es 1982, 1983 war, als Sie vom Verrat der Freien Demokraten sprachen. In Wirklichkeit haben doch Sie selbst Helmut Schmidt gestürzt und niemand sonst.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Mittelpunkt Ihrer Kritik steht in diesen Tagen vor allem der Kollege Waigel. Ich lasse jetzt die Kommentierung Ihrer herabsetzenden Bemerkungen weg, von denen Sie genau wissen, daß sie blanker Unsinn sind. Sie machen das nur, um Stimmung in Ihren eigenen Reihen zu erzeugen.

    (Lachen bei der SPD Uta Titze-Stecher [SPD]: Was machen denn Sie?)

    - Sie brauchen doch diese Stimmung; denn Sie wollen noch eine Menge Wahlen gewinnen. Aber Sie werden sie nicht gewinnen. Das wissen auch Sie.

    (Lachen bei der SPD Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Moment brauchen Sie die Stimmung!)

    Theo Waigel hat als Bundesfinanzminister in dieser Zeit eines der schwierigsten Ämter - das liegt in der Natur der Sache -, das wir in der Bundesrepublik Deutschland zu vergeben haben. Das Amt des Bundesfinanzministers ist schwierig. Das weiß heutzutage auch jeder Landesfinanzminister, und jeder Kämmerer in jeder deutschen Stadt wird Ihnen das bestätigen. Theo Waigel hat in diesen Jahren eine exzellente Arbeit gemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Er hat diese Aufgabe mit großem persönlichen Mut und großem Sachverstand gemeistert. Dafür bin ich ihm besonders dankbar.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber es reicht! Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Abschiedsbrief!)

    Wenn ich mich an die Stationen in diesen Jahren seit 1989 erinnere, dann denke ich daran, daß Theo Waigel zusammen mit Wolfgang Schäuble die entscheidende Last beim Aushandeln der Verträge über die deutsche Einheit getragen hat - als viele von Ihnen weggetaucht waren, weil sie zudecken mußten, daß sie die deutsche Einheit in Wahrheit überhaupt nicht wollten. Theo Waigel hat seine Pflicht getan, und zwar in einer guten Weise.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der SPD: Aber acht Jahre sind genug!)

    Darüber hinaus hat er einen ganz wesentlichen Beitrag zur europäischen Einigung geleistet. Auch das ist für einen deutschen Finanzminister keine einfache Sache. Schließlich geht es nicht zuletzt um die Frage, wie wir uns als die größte Industrienation in Europa gerecht an den Kosten für Europa beteiligen; eine Frage, die verständlicherweise hierzulande bei vielen anders beantwortet wird als innerhalb der Europäischen Union. Auch das hat er mit Bravour gemacht.
    Sein Name steht für den Stabilitätspakt.

    (Zuruf von der SPD: Stand!)

    Das ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für die Schaffung des Euro. Auch das muß gewürdigt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Sie wissen doch so gut wie ich, daß er nicht nur bei den Fachkollegen, sondern auch in der breiten internationalen Öffentlichkeit in hohem Ansehen steht.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh! Lesen Sie doch einmal die Zeitung!)

    - Sicher, im Vergleich zu einer Demonstration auf der Startbahn West ist das keine Größenordnung. Da sitzen Sie doch im Grunde immer noch. Das ist noch immer Ihr Stil, den Sie als Arbeit ausgeben.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)

    Theo Waigel ist in der EU, beim EWS und überall sonst

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bundesbank!)

    hoch geachtet. In diesen Tagen hat einer, den Sie doch verstehen müßten, nämlich der Finanz- und Wirtschaftsminister der Französischen Republik, Strauss-Kahn, gesagt:
    Theo Waigel hat - gerade weil er so lange dabei ist - hat bestimmt mit am meisten getan für die europäische Integration in Währungsfragen.
    Er verdient es, der deutsche Finanzminister zu sein, der bei der Einführung des Euro in führender Position dabei war.
    Das ist ein guter Wunsch. Ich denke, die deutschen Wähler werden mithelfen, daß das so kommt; daran habe ich gar keinen Zweifel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Weil ich gerade bei der legendären Internationalität der deutschen Sozialdemokratie bin - Sie sind ja der Vorsitzende der europäischen Sozialdemokraten, Herr Abgeordneter Scharping -, möchte ich Ihnen - es hat mich sehr verwundert, daß so etwas denkbar ist - doch einmal vortragen, was in diesen Tagen in einer großen französischen Zeitung, im ,,L'Express", zu lesen war.

    (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: Tragen Sie keine Lügen vor!)

    - Ich trage hier keine Lügen vor; ich zitiere den „L'Express".
    Da wird zitiert

    (Karl Diller [SPD]: Jetzt kommt das Original: auf französisch!)

    - Herr Lafontaine, Sie können das ja nachher berichtigen -, daß Herr Lafontaine seinem französischen Kollegen, dem Ersten Sekretär der PS, François Hollande, anvertraut hat:
    Ihr französischen Sozialisten habt unter den Flitterwochen von Giscard mit unserem Parteiführer Helmut Schmidt gelitten. Wir deutschen Sozialisten haben unter der Freundschaft zwischen Mitterrand und dem Christdemokraten Kohl gelitten. Sorgt dafür, daß Jospin und Kohl sich nicht zu gut verstehen. Sonst werden wir bei den Bundestagswahlen im September '98 Schwierigkeiten haben.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Herr Ministerpräsident Lafontaine, so wie ich Sie kenne, werden Sie das gleich bestreiten. Aber ich kann Ihnen, auch wenn Sie es bestreiten, versichern: Es gibt keinen einzigen sozialdemokratischen Regierungschef in der Europäischen Union, der Ihren Wahlsieg wünscht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Moment sind Sie ja unterwegs, um politische Leitfiguren, die Sie selbst ja nicht haben, in unser Land zu holen. Glauben Sie im Ernst, daß beispielsweise der britische Premierminister Freude an einer Koalition hätte, die Sie oder ein anderer mit Herrn Fischer und den Grünen bilden würde?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Yes, Sir!)

    Eine Politik, wie sie rot-grüne Pseudoreformer vertreten, wird nirgendwo in Europa von Sozialdemokraten verstanden. Das ist doch die Realität.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Your Royal Highness, we would be very glad! Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: Das mußt du übersetzen!)

    Meine Damen und Herren, Sie werden in den nächsten Monaten viel Gelegenheit haben, das alles zu sagen. Sie haben hier wieder die Forderung nach Neuwahlen erhoben. Natürlich wissen Sie genauso gut wie ich, daß es jetzt keine Neuwahlen gibt. Denn wenn Sie sie bekämen, wären Sie doch in einer Verlegenheit. Sie brauchen doch noch die paar Monate, um einen Kanzlerkandidaten zu finden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen ist das anders?)

    Herr Schröder muß doch noch die Bewährungsprobe der Landtagswahl bestehen. Jetzt nehmen Sie doch dem guten Mann nicht die Chance, sich zu bewähren.
    Im übrigen haben Sie noch viel Gelegenheit Wahlkampf zu führen, wenn Ihnen danach ist; zunächst in diesen Tagen in Hamburg. Im nächsten Jahr haben wir die Wahlen in Niedersachsen und dann in Sachsen-Anhalt. Dort werden Sie den Wählern erläutern müssen, wie es mit Ihrem Probelauf mit dem Modell SPD-Grüne-PDS ist, jener PDS, deren wahrer Geist sich auf dem Hamburger Plakat ganz offen zeigt. Auch das muß noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Ferner werden wir im nächsten Jahr in Bayern, dann die Bundestagswahl und die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern haben.
    Wenn Sie also wollen, können Sie zwölf Monate Wahlkampf machen. Ich halte das aber für unsinnig, weil wir bei den großen notwendigen Reformen eine

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Menge zu tun haben. Deswegen bin ich der Meinung, daß wir jetzt unsere Arbeit machen sollten. In einigen Punkten gibt es vielleicht eine Chance zu mehr Gemeinsamkeit. Dann soll mir das recht sein.
    Gestern hat die verehrte Frau Kollegin, die für Sie gesprochen hat - und heute Herr Scharping wieder -, den alten Hut mit dem „Aussitzen" gebracht. Wissen Sie, allmählich könnte doch auch Ihnen etwas Neues einfallen. Wirklich! Wenn Sie von nichts anderem als vom „Aussitzen" reden können, na gut.
    Herr Scharping, Sie und auch andere lassen heute die gesamte Amtszeit der jetzigen Bundesregierung und der regierenden Koalition Revue passieren. Das kann man machen; ich habe nichts dagegen. Nur muß ich Ihnen dann sagen, daß diese Koalition in diesen Jahren eine Menge in ausgesprochen positiver Weise „ausgesessen" hat. Sie war entscheidend an den Veränderungen in Deutschland und in Europa sowie auch an den weltweiten Veränderungen beteiligt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber jetzt reicht es!)

    Mit der Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses 1983 ist die Voraussetzung für den Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums geschaffen worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir hätten keine Chance auf die deutsche Einheit, auf die Freiheit der Tschechen, der Slowaken, der Polen, der Ungarn, der Rumänen oder etwa der Ukrainer und auch nicht auf die Veränderungen in Rußland gehabt, wenn damals die Entscheidung nicht so getroffen worden wäre, wie sie durch unser Handeln gegen Ihren erbitterten Widerstand durchgesetzt wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es kommt mir schon eigenartig vor, wenn Männer, die in entscheidenden Stunden der Geschichte unseres Volkes in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts so total fehlgeleitet waren wie Sie, Herr Lafontaine - Sie haben doch damals gesagt, ein vereintes Deutschland in der NATO sei ein „historischer Schwachsinn", um nur eines Ihrer Glanzzitate zu bringen - uns heute Ratschläge geben wollen, was wir in dieser veränderten Welt besser machen können. Mit Ihnen in der Verantwortung hätte es diese Veränderungen überhaupt nicht gegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dann ging es in den vergangenen Jahren um die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft - dazu werde ich gleich etwas sagen -, um die europäische Einigung und die Modernisierung des Standortes Deutschland. Es ist nicht meine Sache, jetzt diese gesamte Periode unserer Geschichte hier darzustellen. Nur, Sie haben nicht mitgemacht. Sie haben auch nicht bei der entscheidenden Aufgabe mitgemacht, bei der es jetzt erneut um Entscheidungen geht: bei der europäischen Einigung.
    Als wir 1982 mit dieser Koalition die Bundesregierung übernommen haben, war das meistgebrauchte
    Wort in Europa Eurosklerose. Wir haben in wenigen Jahren die Einheitliche Europäische Akte, den Durchbruch zum Gemeinsamen Binnenmarkt und 1992 den Vertrag von Maastricht möglich gemacht. Lesen Sie doch einmal nach, was Sie in der Debatte um Maastricht gesagt haben. Es war nichts anderes, als die Sache schlechtzumachen,

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ist doch überhaupt nicht wahr!)

    und das ist auch heute noch Ihre Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, dies alles ist keine Voraussetzung dafür, daß Sie heute sagen könnten, Sie würden, wenn Sie die Regierung übernähmen, beispielsweise in der internationalen Politik erfolgreich sein.
    Am heutigen Tag kann ich als Bundeskanzler etwas sagen, was niemand vor mir sagen konnte - ich bin dankbar dafür, und es ist wahrlich nicht mein Verdienst allein -: Wir haben noch nie in unserer Geschichte so exzellente Beziehungen zu London, zu Washington, zu Paris und zu Moskau gehabt. Das ist das Ergebnis unserer Friedens- und Außenpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dann war heute viel die Rede davon, welche Entwicklungen unser Land vor der deutschen Einheit genommen hat. Dabei wird von Ihnen, vor allem von der SPD, verschwiegen, daß in den Jahren vom 1. Oktober 1982 an, vor allem ab 1983 bis zum Tag der deutschen Einheit, überhaupt erst die ökonomischen Voraussetzungen geschaffen wurden, um die deutsche Einheit finanziell einigermaßen bewältigen zu können.
    Wir haben in diesen wenigen Jahren die Staatsquote von über 50 Prozent auf 46 Prozent zurückgeführt. Das war der niedrigste Stand seit 1974.

    (Zuruf von der SPD: Und dann hochgefahren!)

    - Hochgefahren haben Sie sie doch. Sie waren doch bis 1982 an der Regierung.

    (Karl Diller [SPD]: Wie hoch ist sie jetzt?)

    Die Steuer- und Abgabenquote ist von 43 Prozent bis 1990 auf gut 40 Prozent zurückgeführt worden.

    (Karl Diller [SPD]: Und jetzt?)

    - Dazu sage ich gleich etwas. - Die Steuerzahler - dagegen waren Sie ja auch, so wie Sie heute dagegen sind - sind in den 80er Jahren um 60 Milliarden DM entlastet worden. Ferner haben wir in diesen Jahren 3 Millionen neue Arbeitsplätze in der alten Bundesrepublik Deutschland geschaffen.
    Weil Sie dauernd falsch zitieren, will ich auch das noch einmal sagen: Es gibt eine Erklärung der Vertreter der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Bundesregierung - durch mich in jener Sitzung vertreten -, daß es unser gemeinsames Ziel ist, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren. Hören

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Sie also auf, zu sagen, dies sei allein eine Sache der Bundesregierung!

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie persönlich! Karl Diller [SPD]: Was steht denn in Ihrer Kabinettsvorlage?)

    Alle in diesem Bereich Verantwortlichen haben sich dieses Ziel gesetzt. Ich denke auch, daß es durchaus klug ist, sich in einer für unser ganzes Land so dramatisch wichtigen Frage ein Ziel zu setzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aha!)

    Bei all dem, was Sie jetzt an Anmerkungen machen und an Vorwürfen erheben, verschweigen Sie, daß uns das Geschenk der deutschen Einheit - Gott sei Dank - in eine neue Situation gebracht hat. Das gilt für viele Bereiche: Die Finanzlage der Bundesrepublik mußte im wiedervereinten Deutschland notwendigerweise eine andere sein, und wir mußten vorübergehend höhere. finanzielle Belastungen we- gen des Strukturwandels und vieler anderer Dinge auf uns nehmen.
    Wir haben von 1991 bis Ende 1997 netto 900 Milliarden DM an öffentlichen Transfers in die neuen Länder geleistet. Das ist richtig; ich stehe dazu. Die Priorität für den Aufbau Ost muß bleiben. Das war, ist und bleibt Ziel unserer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Daß das Auswirkungen auf den Haushalt hat, ergibt sich doch ganz von selbst.
    Was Sie regelmäßig verschweigen, auch in der heutigen Debatte, ist, daß wir nicht nur für Deutschland die notwendigen Opfer in Sachen Einheit bringen mußten, sondern daß wir auch den Ländern in Mittel-, Ost- und Südosteuropa erhebliche Unterstützung haben zukommen lassen, und zwar aus gelebter Solidarität. In alle diese Länder sind insgesamt gut 180 Milliarden DM geflossen. Das ist mehr, als jedes andere Land der Welt für diese Länder aufgebracht hat. Das ist unsere Leistung, und darauf sind wir stolz.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wer gerne vom Frieden redet, muß anerkennen, daß diese Hilfe eine wahre Investition in den Frieden ist.
    In der Debatte ist indirekt noch ein anderes Thema angeklungen: Wenn wir über die Probleme des Arbeitsmarktes reden, dann ist es nur fair - das Wort „fair" ist ebenfalls in dieser Debatte gefallen -, auch einmal die Veränderung der Bevölkerung in Deutschland in diesen Jahren zu betrachten. Wir hatten in den vergangenen Jahren eine Zuwanderung nach Deutschland, die höher war als in das klassische Einwanderungsland USA. Im Jahr 1995 zum Beispiel wanderten 720000 Personen in die USA ein, nach Deutschland kamen 1,1 Millionen Menschen. Natürlich waren es nicht 1,1 Millionen, die sofort einen Arbeitsplatz suchten; unter ihnen waren Kinder, Alte, ganz verschiedene Gruppen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aussiedler!)

    Daß dies angesichts unserer gesamtgesellschaftlichen Lage für den Arbeitsmarkt aktuell eine ganz erhebliche zusätzliche Belastung ist - ich sehe es übrigens auf lange Sicht mehr als eine Chance denn als eine Belastung -, das erklärt sich von selbst. Wenn Sie also über Arbeitslose reden, dann sagen Sie bitte die Wahrheit. Wir haben uns in den vergangenen Jahren um mehr Probleme anderer Menschen gekümmert als alle anderen Länder in Europa. Darauf sind wir stolz. Das ist gelebte Solidarität - im Gegensatz zum Schüren von Neid, wie es hier geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Abgeordneter Scharping, Sie haben die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen angesprochen. Wir haben zu viele; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Hören Sie aber bitte auf, in einer solchen Weise darüber zu reden, wie Sie es getan haben. Wenn Sie die Zahlen in den Ländern Europas vergleichen, dann werden Sie feststellen, daß die Bundesrepublik Deutschland mit knapp 10 Prozent jugendlichen Arbeitslosen - Gott sei Dank - an viertletzter Stelle steht. Die Liste wird von Spanien mit 41 Prozent angeführt; sogar die Niederlande liegen mit 11 Prozent noch vor uns, Großbritannien sogar mit 15 Prozent. Das heißt doch, daß es nicht stimmt, daß in diesem Lande für junge Leute nichts getan wird. Wir haben zu viele jugendliche Arbeitslose. Aber der Vergleich mit dem Ausland, den Sie angeführt haben, ist völlig inakzeptabel und entspricht in gar keiner Weise der Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dann lassen Sie mich ein Wort zum Thema Lehrstellen sagen. So einfach, wie das hier dargestellt wurde, ist es natürlich nicht. Wieso reden Sie eigentlich, wenn Sie von Lehrstellen sprechen, immer über die Bundesregierung und nicht über die Landesregierungen?
    Als ich gestern die Statistik las, habe ich mir schon die Frage gestellt: Woher kommt es eigentlich, daß Nordrhein-Westfalen, vor allem im Kernbereich des Ruhrgebietes, so miserabel abschneidet? Was haben Sie eigentlich getan? Ich war lang genug selbst Ministerpräsident. Ich weiß, was ich selbst auf diesem Gebiet als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident getan habe. Ich komme gleich auf einen Punkt zu sprechen, den Sie mit bedenken müssen.
    Wir machen jetzt die bittere Erfahrung - das ist ganz unstreitig, alle sagen es, die etwas damit zu tun haben, und ich halte das für eine schlimme Sache -, daß rund 10 Prozent der Abgänger unserer Hauptschulen nicht ausbildungsfähig - wie dieses schreckliche Wort heißt - sind. Das hören Sie von den Kammern, das hören Sie von den Handwerksmeistern, das hören Sie überall.
    Meine Damen und Herren, das ist doch eine Anklage gegen das deutsche Bildungssystem, die uns

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    eigentlich von den Stühlen reißen müßte: 10 Prozent der 15jährigen Jugendlichen sind nicht ausbildungsfähig! Da reden Sie immer von den Lohnzusatzkosten und dem, was die Bundesanstalt in Nürnberg machen soll. In deren Etat sind 850 Millionen DM zur Verbesserung der Ausbildungschancen dieser jungen Leute vorgesehen! Dabei ist das doch eine Sache der Schulen in Deutschland. Es ist eine Sache der Mehrheit im Bundesrat - ich schließe die anderen nicht aus -, daß sich die Ministerpräsidenten darum kümmern, diesen absolut unmöglichen Zustand zu beenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Was ist jetzt konkret im Lehrstellenbereich geschehen, oder was geschieht noch? Zunächst einmal können wir eine höchst erfreuliche Entwicklung feststellen - ich kann nicht verstehen, wie manche in der Wirtschaft so tun, als sei das eine Heimsuchung -: Wir haben noch für sechs oder sieben Jahre geburtenstarke Jahrgänge. Das bedeutet in diesen Jahren im Blick auf die Ausbildung eine besondere Herausforderung, wenn die Jugendlichen in die Welt der Erwachsenen kommen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Dann haben Sie Pech gehabt!)

    - Ich würde an Ihrer Stelle einen solchen Zwischenruf nicht machen. Er ist ziemlich entlarvend.
    Das heißt, wir haben bis zum Jahr 2005 noch geburtenstarke Jahrgänge. Dann wird es steil abbrechen, und wir werden dann mit Wehmut feststellen, daß wir weniger junge Leute als Stellen haben.
    Meine Damen und Herren, wir haben ein Zweites zu beobachten. Nach dem ersten Zahlenbild zeichnet sich ab - ich muß sagen, ich bin darüber nicht böse -, daß ganz offensichtlich auch bei denen, die Abitur machen, mehr und mehr die Überlegung angestellt wird, statt eines akademischen Studiums einen Beruf anzustreben, der eine Lehre voraussetzt. Viele wählen sogar die Reihenfolge: erst Lehre und dann akademisches Studium. Diese Überlegungen haben zugenommen. Das ist doch eigentlich eine Entwicklung, die wir die ganzen Jahre über befürwortet haben. Es kann doch nicht falsch sein, daß neben dem akademischen Ausbildungsweg jetzt auch der nichtakademische Weg im Denken junger Leute in Deutschland an Prestige gewinnt. Das ist doch im höchsten Maße erwünscht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dann haben wir die unbestreitbare Schwierigkeit - ob wir das wollen oder nicht; kein Mensch kann das ändern, es sei denn, wir führen ein Meldewesen ein, das ebenso unmenschlich wie bürokratisch ist -, daß sich viele junge Leute - leider ohne von ihren eigenen Eltern anders angehalten zu werden - für drei oder vier Ausbildungsplätze bewerben, dann einen Platz annehmen und über Wochen hinaus die anderen Plätze nicht freigeben. Wir wissen sehr genau, daß die Zahl dieser Fälle beachtlich ist. Deswegen wissen wir auch, daß heute niemand, der fair und ehrlich ist, sagen kann: Wir brauchen jetzt noch genauso soundso viele Stellen.
    Nach allem, was ich sehe - und ich habe Zutrauen zu den Zahlen -, scheint es so zu sein, daß wir im Augenblick noch 35 000 bis 40 000 Stellen brauchen. Aber auch wenn wir das erreichen, ist das kein Grund, die Anstrengungen einzustellen. Selbst wenn wir nämlich 100 Prozent der Bewerberstellen nachweisen, ist das Problem noch nicht für alle jungen Leute gelöst; denn wir sprechen hier über bundesweite Zahlen, und regional haben wir völlig unterschiedliche Verhältnisse.
    Es nützt uns also nichts, wenn wir nur eine auf den Bund bezogene Zahl haben, die befriedigend ist. Vielmehr müssen wir darüber nachdenken, was wir tun können, um dort, wo Stellen vorhanden sind, junge Leute auch hinzubringen. Ferner müssen wir die Akzeptanz dieser Stellen entsprechend verbessern.
    Wenn in wichtigen deutschen Großbetrieben der Chemie viele Stellen für Chemikanten - das ist einer der höchstbezahlten Ausbildungsberufe - bereits im zweiten Jahr nicht besetzt werden können, dann muß man den jungen Leuten sagen: Es ist nicht gut, wenn ihr euch nur noch für sieben, acht Berufe interessiert und für andere nicht.
    Es gibt viele Bereiche, in denen noch eine Nachfrage nach Bewerbern besteht. Dies ist eine Aufgabe, bei der wir gemeinsam etwas tun müssen, der Bund, die Länder, die Gemeinden und natürlich die Wirtschaft. Wer ja sagt zum dualen System, der muß auch im Bereich der Wirtschaft alles tun, um den Erfordernissen eines dualen Systems Rechnung zu tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Man kann nicht das duale System haben wollen und gleichzeitig die Lehrlingsfrage dem Staat überlassen. Das ist auch - aber nicht nur - die Sache des Staates, und insofern sind wir alle gemeinsam gefragt.
    Ich sage Ihnen allerdings auch: Was Sie im Hinblick auf eine Abgabe planen - ich habe das der Zeitung entnommen; ich kenne den Entwurf nicht -, wird nichts werden. Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie kaum jemanden in der SPD, der vor Ort mit den Problemen zu tun hat, finden, der sich dafür ausspricht, diesen Weg zu gehen. Ich zitiere jetzt nicht Ihren Konkurrenten, Herr Ministerpräsident Lafontaine. Er macht es vielleicht nur, um Ihnen jetzt Konkurrenz zu machen. Ihn zu zitieren wäre mir zu einfach. Ich finde, daß die sachliche Begründung, die angeführt wird, in gar keiner Weise ausreichend ist.
    Eine letzte Bemerkung zum Thema Lehrstellen, die uns nachdenklich machen sollte. Wir reden heute und in den kommenden Tagen mit Recht über die unerträgliche Höhe der Arbeitslosigkeit. Wenn Sie sich die Zahl, über 4 Millionen, einmal genau anschauen und feststellen, wie viele Langzeitarbeitslose darunter sind - -

    (Zuruf von der SPD)

    - Wenn Sie hier immer dazwischenschreien, kommen Sie einer Lösung des Problems wirklich nicht näher. Ich kann Sie nur bewundern, wie oft Sie solche Töne von sich geben.

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Wenn wir bei über 4 Millionen Arbeitslosen davon ausgehen müssen, daß darunter rund 1,4 Millionen sogenannte Langzeitarbeitslose sind, und wenn wir aus allen Unterlagen wissen, daß die Hälfte dieser Langzeitarbeitslosen, rund 700000, keine qualifizierte Berufsausbildung hat, dann ist es unsere eigentliche soziale Aufgabe, möglichst alle, die es können und die es wollen - beides ist wichtig -, in eine Ausbildungsstelle zu bringen.
    Wir müssen ganz offen den Betrieben sagen - auch das gehört dazu -: Wir erwarten von euch, daß ihr junge Leute ausbildet, aber wir können in dieser Lage nicht erwarten, daß ihr automatisch eine Arbeitsplatzgarantie gebt. Das zu sagen gehört auch zur Ehrlichkeit. Ich glaube, wenn wir uns wirklich gemeinsam dieser Aufgabe widmen, dann haben wir die große Chance, vielleicht nicht für alle, aber doch für die allermeisten jungen Leute eine Ausbildungsstelle zu bekommen.
    Wir müssen noch über ein weiteres Problem nachdenken, nämlich darüber, wie wir die Mobilität junger Leute, die einen Ausbildungsplatz suchen, fördern können. Es ist nicht zu verstehen, daß wir einer Studentin oder einem Studenten, die 18 oder 19 Jahre alt sind, sagen, daß sie nicht nur zu der nächstgelegenen Universität gehen sollten, sondern daß sie sich in ganz Deutschland umsehen müssen, während es auf der anderen Seite bisher nicht gelungen ist - ich sage das jetzt gar nicht als Vorwurf; ich sage das auch an meine eigene Adresse; ich sage das an unser aller Adresse -, bei Ausbildungsplatzsuchenden im Bereich des Handwerks eine ähnliche Einstellung hervorzurufen. Es geht darum, daß auch diese jungen Leute sagen: Wenn ich in meiner Stadt keinen Ausbildungsplatz finden kann, dann suche ich mir einen in einer anderen Stadt. Das war übrigens in den 50er Jahren in Deutschland völlig selbstverständlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir brauchen eine erstklassige Ausbildung, um die neuen Herausforderungen zu bestehen.

    (Karl Diller [SPD]: Der Innenminister macht dabei die Augen zu! Unglaublich!)

    - Das stimmt doch gar nicht, was Sie da sagen. Der Innenminister und mit ihm die gesamte Bundesregierung haben die Zahl der Ausbildungsstellen im öffentlichen Dienst sehr drastisch erhöht.

    (Karl Diller [SPD]: Aber er macht dauernd die Augen zu, während Sie reden!)

    Meine Damen und Herren, die Globalisierung mit all ihren Konsequenzen für den internationalen Wettbewerb ist das eigentliche Thema, wenn wir darüber reden, wie wir mehr Arbeitsplätze schaffen können. Es hat keinen Sinn, darum herumzureden: Die Zahlen haben sich dramatisch verändert. Wir hatten im Jahre 1980 ein Welthandelsvolumen von knapp 2000 Milliarden US-Dollar. Das ist bis zum Jahre 1996 auf 5300 Milliarden US-Dollar gestiegen.
    Das für uns Alarmierende ist, daß sich der Anteil der asiatischen Wachstumsmärkte am Welthandel verdoppelt hat, während der deutsche Anteil in den letzten Jahren zurückgefallen ist. Wir brauchen nicht
    über Arbeitsplätze zu sprechen, wenn wir nicht entsprechende Veränderungen vornehmen, wenn wir uns nicht im klaren darüber sind, daß wir nicht nur, aber auch über den Export einen neuen Aufbruch brauchen.
    Dafür muß man in der Gesellschaft die entsprechenden Regelungen treffen. Wir haben das getan. Das Reformprogramm der Bundesregierung kann sich auf diesem Weg zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit sehr gut sehen lassen.
    Hier ist die Privatisierung kritisiert worden. Meine Damen und Herren, die ganze Welt unternimmt solche Schritte der Privatisierung. Was hier bei der Telekom kritisiert wurde, verstehe ich überhaupt nicht. Diese Privatisierung wird weltweit als ein großer Erfolg gefeiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Diejenigen, die dazu gesprochen haben, wissen auch ganz genau, daß das, was an Aktienwerten im Portefeuille der Bundesregierung bleibt, den Gegenwert für die zukünftige Versorgung der Angestellten und Beamten der Post darstellt. Sie wissen das ganz genau. Trotzdem sagen Sie hier das Gegenteil, um Stimmung im Land zu machen.
    Wir haben mit der Privatisierung der Bahn einen entscheidenden Schritt getan. Sie haben mitgeholfen.
    Wir haben die Privatisierung der Lufthansa so vorgenommen, daß in diesen Tagen jeder erkennen kann: Das ist ein großer Erfolg.
    Ich weiß gar nicht, warum Sie dies alles kritisieren. Hier ist doch moderne Reformpolitik auf den Weg gebracht worden. Sie brauchen uns dafür nicht zu loben; das erwarte ich von Ihnen nicht. Aber Sie können wenigstens die Wahrheit sagen und zugeben: Das ist gelungen. Wenn Sie das nicht sagen wollen, sagen Sie besser gar nichts; denn was hier gesagt wird, ist ziemlich absurd, und zwar auf allen Gebieten.

    (Karl Diller [SPD]: Kein Beifall!)

    Ich spreche die Novelle der Gentechnik an. Meine Damen und Herren, was hat es für eine Aufregung darüber gegeben. Wie haben Sie im ganzen Land gegen das Gentechnikgesetz gehetzt! Es ist durchgesetzt worden. Sie können der neuesten Entwicklung entnehmen, daß wir in deutschen Betrieben in relativ kurzer Zeit die Rückkehr der Gentechniklabors in großer Zahl, in größerer Zahl, als wir erwartet haben, zu verzeichnen haben.
    Ich nenne ein anderes Beispiel, was Sie gleich zum Aufschrei bringen wird. Was haben Sie hier im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall alles aufgeführt! Ich habe immer gesagt: Mir wäre lieber gewesen, die Tarifpartner hätten das von sich aus gemacht. Sie haben es jedoch nicht gemacht.
    Tatsache ist aber - Sie reden doch immer von der Entlastung der Unternehmen -, daß diese Entscheidung mit den Folgewirkungen in den Tarifen - auch dort, wo das Gesetz gar nicht auf die Tarife überzu-

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    greifen braucht - eine Entlastung von insgesamt über 10 Milliarden DM gebracht hat. Zum Bild der Bundesrepublik gehört doch auch, daß wir gegenwärtig die niedrigsten Krankenfehlzeiten der letzten 20 Jahre haben.

    (Zustimmung bei der F.D.P.)

    Das alles ist doch die Wahrheit. Sie reden aber überhaupt nicht über all diese Entwicklungen, die notwendige Fortschritte gebracht haben.
    Jetzt geht es um die Steuerreform. Meine Damen und Herren, es ist jedem klar: Wir haben zwei unterschiedliche Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. Das gehört zur Normalität einer Demokratie. Das ist in unserem Grundgesetz geregelt. Also müssen wir miteinander reden. Sie haben dieses Gespräch bisher verweigert. Ich stelle jetzt fest, daß zumindest eine gewisse Hoffnung - von mehr will ich nicht sprechen - besteht, daß es wenigstens zu einem Gespräch kommt.
    Sie werden doch nicht bestreiten können, daß das, was hier jetzt in Sachen Steuerreform ansteht - wie immer man die Details beurteilen mag -, für das Flottmachen der deutschen Wirtschaft, für den Stopp der Arbeitslosigkeit, für die Schaffung neuer Arbeitsplätze existentiell ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich kann Sie nur einladen, diesen Versuch zu machen.
    Als wir hier zu einer Sondersitzung zusammengekommen sind, habe ich gehört: Diese Sitzung ist gänzlich unnötig. Nach wenigen Tagen hat sich gezeigt, wie richtig sie war. In Wahrheit haben Sie ja gestern aus gutem Grund - auch wenn Sie das nachher zurückgenommen haben - zugestimmt. Es war ja nur klug, daß Sie Bereitschaft gezeigt haben, mit uns zu reden. Wie will Herr Voscherau im Wahlkampf in Hamburg den Leuten jetzt glaubhaft machen, daß Sie bei den Steuern etwas verändern wollen, wenn Sie noch nicht einmal bereit sind, das Gespräch zu suchen? Das ist doch einfachste, tumbe Parteitaktik. Sie haben ja nur dagegenstimmen wollen, weil Sie sicher waren, daß wir dafürstimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In einer ähnlichen Situation sind wir bei der Rentenreform. Es geht gar nicht um die Frage, ob die hier sitzenden Parteien die Rentenreform wollen oder nicht. Vielmehr geht es um die objektiven Gegebenheiten. Angesichts der heutigen Entwicklung - neben Italien ist Deutschland in der EU das Land mit der niedrigsten Geburtenrate; zudem zieht, höchst erfreulich, das Lebensalter deutlich an - müssen wir Konsequenzen ziehen.
    Es kann im übrigen nicht sein, daß man dies alles bei den Reformen im Gesundheitssystem nicht gelten läßt. Wir wollen nicht - ich schon überhaupt nicht -, daß in Deutschland, wie zum Teil in anderen Ländern Europas, Gesetze verabschiedet werden, nach denen jemand, der mehr als 70 Jahre alt ist, keinen Anspruch darauf hat, von der Allgemeinen Ortskrankenkasse zum Beispiel einen Bypass bezahlt zu bekommen. Das kann nicht das Ziel unserer Sozial- und Gesundheitspolitik sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Angesichts der demographischen Veränderungen muß man doch Anpassungen vornehmen. Das ist eben richtig angemerkt worden: Wir müssen die ältere Generation und die junge Generation gleichermaßen im Blick haben, damit letztere später nicht unter der Last dessen, was sie zu tragen hat, zusammenbricht.
    Daß eine solche Sichtweise klug ist, ergibt sich ja aus einer anderen Erfahrung - auch darüber ist bisher kein Wort verloren worden -: In diesen Tagen ist die erste Bilanz der Pflegeversicherung vorgelegt worden. Meine Damen und Herren, das ist eine Erfolgsstory. Dadurch konnten die Kommunen rund 10 Milliarden DM einsparen. Vor allem hat sich die Pflegeversicherung nicht nur als ökonomisch sinnvoll erwiesen, sondern sie ist in menschlicher Hinsicht richtig und notwendig.
    Mein japanischer Kollege Hashimoto hat mich gebeten, Experten aus unserem Land nach Japan zu schicken - dieses Land ist in einer ähnlichen Situation; durch die Altersstruktur ist es noch stärker belastet als wir -, um dort zu erläutern, wie die Deutschen vorgegangen sind. Das ist doch ein Zeichen dafür, daß diese Reform großartig gelungen ist. Auch das gehört zum Bild der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieses törichte Gerede vom sozialen Kahlschlag ist schon deswegen absurd, weil es durch die Zahlen widerlegt werden kann. Mehr als jede dritte Mark unseres Sozialprodukts - das sind mehr als 1 Billion DM - wird jährlich für Sozialleistungen ausgegeben. Das entspricht 14 000 DM je Einwohner. Von einer Abschaffung des Sozialstaates kann also gar keine Rede sein. Wir sprechen vom Umbau des Sozialstaats, damit wir ihn auf Dauer bezahlen können.
    Da wir nun darüber reden, spreche ich erneut eine Einladung an Sie aus. Wieso müssen alle Strukturen so bleiben, wie sie gewachsen sind? Ich habe eben mit Erstaunen gehört, daß Sie überlegen, was man an deutschen Universitäten alles verbessern könnte. Machen Sie es doch! Sie brauchen doch den Bund überhaupt nicht dazu. Herr Scharping, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz kann den Universitäten durch ein eigenes Haushaltsrecht mehr Autorität und mehr Souveränität geben.

    (Karl Diller [SPD]: Hat er schon längst gemacht!)

    - Das hat er so natürlich nicht getan.

    (Karl Diller [SPD]: Doch! Bei der Budgetierung schon lange!)

    Es kann doch nicht richtig sein, daß wir es uns angesichts unserer Altersgruppierung leisten, daß der junge Akademiker durchschnittlich mit 29 oder 30 Jahren in das Berufsleben einsteigt und

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    mit 60 oder 62 Jahren in Pension geht, wobei seine Lebenserwartung bei 76 oder 77 Jahren liegt.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!) Das sind eigentlich ganz einfache Rechnungen.

    Es muß uns doch zu denken geben, daß alle EULänder - niemand wird ja behaupten wollen, sie bildeten schlechter aus als wir - ihre jungen Leute im Durchschnitt mit 25 Jahren aus der Universität entlassen, also vier bis fünf Jahre früher. Ich lade Sie von der SPD ein, einmal in Ihrer eigenen Partei darüber nachzudenken, was es bedeutet, daß in diesem Bereich Änderungen vorgenommen werden müssen. Das ist Sache der Bundesländer. Dazu braucht man den Bund überhaupt nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn die Hilfe des Bundes notwendig ist, biete ich Ihnen für die Bundesregierung an: Wir werden alles tun, um auf diesem Weg hilfreich zu sein.
    Es ist offenkundig, daß sich die Früchte unserer Reformpolitik zeigen. Die Wirtschaftsperspektive für das Jahr 1997 ist spürbar besser geworden. Die deutsche Wirtschaft geht wieder auf Wachstumskurs, das Bruttosozialprodukt wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Wachstumsrate von 2,5 Prozent erreichen.
    Im nächsten Jahr wird es eine weitere Verbesserung geben. Die Auftragsbücher der Unternehmen zeigen das ebenso wie die Auslastung der Kapazitäten. Nach meiner festen Überzeugung wird das noch in diesem Jahr erste Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Das gilt natürlich in besonderer Weise für den Export.
    In der heutigen Debatte sind zum Teil schon seltsame Dinge behauptet worden. Daß die Frage des Exports negativ bewertet wird, kann ich nicht verstehen. Jeder fünfte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom Export ab, und wir werden die über 4 Millionen Arbeitsplätze, die wir zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit brauchen, nicht bekommen, wenn wir nicht in der Lage sind, die notwendigen Impulse sowohl aus dem Export als auch aus der Binnenkonjunktur zu nutzen.
    Ich stelle mit Befriedigung fest - ich hätte mir gewünscht, das wäre schon früher möglich gewesen -, daß eine ganze Reihe von Tarifverträgen dieser Entwicklung Rechnung trägt. Der Vertrag in der chemischen Industrie ist ein Beispiel, das für viele andere steht. Deswegen kann ich nur sagen: Hoffentlich macht dieses Beispiel Schule.
    Morgen wird die Automobilausstellung in Frankfurt eröffnet. Wenn Sie die heutigen Berichte dazu lesen, werden Sie feststellen, daß in einem enormen Umfang Aufträge eingehen, daß auch neue Arbeitsplätze entstehen. Ich fand besonders bemerkenswert, daß der größte Konzern der Welt, General Motors angekündigt hat, in den nächsten Jahren 17 Milliarden DM in Deutschland zu investieren. Die Begründung
    ist, daß Deutschland ein erstklassiger Standort in der Welt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Trotz der Steuergesetze!)

    - Der Chef von General Motors - mit ihm habe ich dieses Thema besprochen - ist allerdings davon ausgegangen, daß wir die zwei überfälligen Reformen im Bereich des Steuersystems und der Alterssicherung vornehmen. Er hat recht, und wir werden sie vornehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Mann hat recht, wenn er sich darauf verläßt; denn er weiß eines: Wenn Sie jetzt blockieren, egal, ob bei der Steuer, was ich mir wirklich nicht wünsche, oder bei der Altersversorgung, dann werden wir über diese Frage im nächsten Jahr eine Wahlentscheidung bekommen, und diese verlieren Sie. Deshalb sind seine Investitionen sicher. Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben null Chancen bei dieser Bundestagswahl - das gebe ich heute im Bundestag zu Protokoll -, wenn Sie in der Frage der Steuerpolitik Ihre Verweigerung fortsetzen; denn immer mehr Menschen begreifen, daß es einen Zusammenhang zwischen dem Abbau der Arbeitslosigkeit, vernünftigen Investitionen und den Steuern gibt. Deswegen werden wir die Steuerreform durchsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben noch einen weiteren wichtigen Punkt in den nächsten anderthalb Jahren zu erledigen, der sehr viel für das Investitionsklima und die Beschäftigung ausmacht. Das ist der pünktliche Start des Euro am 1. Januar 1999. Über 50 wichtige Repräsentanten der deutschen Wirtschaftswissenschaft haben den einfachen Satz geprägt: Der Euro stärkt Wachstum und sichert Arbeitsplätze.
    Damit das ganz klar ist: Die Bundesregierung wird alles tun, was sie tun kann, daß der Euro zum vereinbarten Zeitpunkt eingeführt und eine dauerhaft stabile Währung sein wird.
    Die Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrags stehen dabei überhaupt nicht zur Disposition. Wir werden uns nicht auf die Diskussion einlassen, wir würden die Stabilität der Währung wegen Europa opfern. Wir wollen beides: eine stabile Währung und den Euro zum richtigen Zeitpunkt. Wir haben eine gute Chance, das zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dabei kann ich sehr wohl verstehen - das geht quer durch alle politischen Lager -, daß diese dramatische Veränderung, nach 50 Jahren D-Mark eine neue Währung einzuführen, vielen im Land schwerfällt. Wir werden die Entscheidung über die Teilnehmer der Währungsunion zu einem Zeitpunkt treffen, an dem wir im nächsten Jahr den 50. Jahrestag, den Geburtstag der D-Mark feiern.

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Es ist doch ganz natürlich, daß im Blick auf die Entwicklung der letzten 50 Jahre darüber diskutiert wird. Diese 50 Jahre haben den Deutschen im freien Teil unseres Vaterlandes Frieden, Freiheit und beachtlichen Wohlstand gebracht. Die Deutschen in der damaligen DDR haben 1990 zum Beispiel in Leipzig auf ihre Transparente geschrieben: Wenn die D-Mark nicht nach Leipzig kommt, dann gehen die Leipziger zur D-Mark. Dafür, daß unter diesen Umständen über die Einführung des Euro diskutiert wird, bitte ich auch außerhalb der deutschen Staatsgrenzen um Verständnis. Mancher, der darüber redet, kennt nicht die psychologische Situation in unserem Land.
    Dennoch: Es gibt zu dieser Politik keine Alternative. Ich kann nur warnend sagen: Diejenigen, die sich gegen diese Politik wenden und dieses Thema bei Wahlkämpfen ausnutzen wollen, werden erleben, daß es einen dramatischen Einbruch für ihre Position geben wird. Die große Mehrheit der Deutschen hat längst begriffen, daß der Wohlstand und die friedliche Zukunft unseres Landes mit der Europäischen Währungsunion und überhaupt mit der Europäischen Union zusammenhängen. Dies ist der Kurs der Koalition und der Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist heute schon darüber gesprochen worden - ich möchte wenigstens einen kurzen Satz zu diesem Thema ausführen -, daß auch das Thema Innere Sicherheit etwas mit dem Standort Deutschland zu tun hat. Ich will von mir aus nur sagen: Ich würde es begrüßen, wenn die Ankündigungen aus dem Bundesrat jetzt Wirklichkeit würden und wenn es nicht nur wegen der Hamburger Wahl solche Äußerungen gäbe. Diese Ankündigungen sollten schnell in die Tat umgesetzt werden.
    Beispielsweise möchte ich gerne den Ministerpräsidenten von Niedersachsen auffordern, sein von jedem Fachmann als übel und miserabel bezeichnetes Polizeigesetz noch vor der Wahl zu ändern. Wir schreiben jetzt September.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wer Bundeskanzler werden will, wird wohl noch in der Lage sein, ein Landesgesetz binnen vier Wochen auszuarbeiten und im Oktober im Landtag einzubringen.

    (Lachen bei der SPD)

    Dann können wir ermessen, ob das Sprüche wegen des Wahltages waren oder ob das wirklich so gemeint ist. Es ist an der Zeit, daß sich all jene innerhalb der SPD - es sind nicht wenige; es gab immer auch andere Stimmen; das muß man fairerweise hinzufügen -, die endlich entdeckt haben, wie wichtig der innere Frieden für das Land ist, jetzt auf den Weg machen und dieses Thema nun wirklich in Angriff nehmen, und zwar in der Form, daß die Bürger damit zufrieden sein können.
    Wir haben noch knapp über 12 Monate bis zur Bundestagswahl. Sie wollen heute diese Gelegenheit nutzen, um uns zu testen. Das Ergebnis des Tests ist
    ziemlich einfach. Sie reden, und wir handeln. Das ist die Antwort.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie können auch durchs Land ziehen und dies verkünden. Vor vier Jahren um die gleiche Zeit haben Sie mir zugerufen: Sie werden es nicht mehr wagen, sich in den neuen Ländern zu zeigen. Ich gebe Ihnen jetzt das gleiche Versprechen wie damals: Ich werde auf all den Straßen und Plätzen wieder sein, wo ich 1990 und später war.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden dabei alles tun, daß gerade auch die Menschen in den neuen Ländern begreifen - sie begreifen es, wie aus jeder Umfrage erkennbar ist -, daß diese freiheitliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ihr Glück und ihre Zukunft bedeutet. Das Gemeinsame der Deutschen, das sich in den kritischen Tagen im Oderbruch gezeigt hat, ist ein Symbol dafür, daß dieses Land nicht so ist, wie manche es gerne beschreiben oder für ihre Propaganda gerne verzerrt darstellen möchten. Die Mehrheit der Deutschen macht sich auf den Weg ins nächste Jahrhundert; denn sie ist bereit, sich durch notwendige Reformen eine gute Zukunft zu sichern.
    Wir, die Koalition, F.D.P., CSU und CDU, und die Bundesregierung machen uns natürlich mit besonderer Freude auf diesen Weg. Wir sind guter Dinge.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne haben der Präsident der Republik Jemen, Herr Generalleutnant Ali Abdallah Saleh, und seine Delegation Platz genommen.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Präsident, ich begrüße Sie, die begleitenden Herren Minister und insbesondere unsere Kollegen Parlamentarier im Namen des Deutschen Bundestages sehr herzlich.
Mit großer Aufmerksamkeit haben wir die Entwicklung Ihres Landes in den letzten Jahren verfolgt. Unsere Anerkennung gilt den ermutigenden Fortschritten des Reform- und Demokratisierungsprozesses. Herr Präsident, wir wünschen Ihnen und Ihrem Land, daß Sie auch für die noch offenen Fragen und Problembereiche angemessene Lösungen zum Wohle aller Menschen im Jemen finden werden.
Für Ihren Besuch in Deutschland wünsche ich Ihnen alles Gute. Möge er dazu beitragen, die engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu vertiefen.

(Beifall im ganzen Hause)

Das Wort hat jetzt Herr Ministerpräsident Lafontaine.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Lafontaine


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Herren! Der Bundeskanzler hat soeben noch einmal den Finanzminister verteidigt und in Schutz genommen sowie seine Leistungen für die deutsche Finanzpolitik zu würdigen versucht. Ebenso hat er in seiner Ansprache dargelegt, was er seit 1982 auf den Weg gebracht hat. Über beidem lag so etwas wie ein Hauch von Abschied.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Da ist der Wunsch Vater des Gedankens!)

    Als der Bundeskanzler den Finanzminister und seine Leistungen gewürdigt hat, stellte ich mir die Frage, was eigentlich vorausgegangen sein muß, damit es immer wieder zu diesem demonstrativen Schulterschluß kommt, der unverkennbar etwas von einem schlechten Gewissen an sich hat.

    (Beifall bei der SPD Michael Glos [CDU/ CSU]: Wissen Sie überhaupt, was das ist?)

    Um dies zu belegen und da wir heute so zitierfreudig sind, zitiere ich die „Welt am Sonntag", die sich zu diesem Sachverhalt durch den Mund des Bundesfinanzministers äußert. Waigel zu Kohl hinsichtlich der Neubewertung der Goldreserven:
    Das blieb an mir hängen, und wie war es wirklich? Ich wollte die Aktion im März abbrechen, und du warst für die Fortsetzung, wolltest die Sache zu Ende bringen.
    Und dann - Waigel wörtlich - war Freund Helmut ) „in den Büschen", als es darum ging, die Sache durchzustehen.

    (Lachen bei der SPD)

    Dieses Zitat aus der „Welt am Sonntag", die in der Regel beste Kontakte zu Ihnen hat, ist bis zum heutigen Tag nicht dementiert. Wer von seinem Finanzminister verlangt, daß er eine solch zweifelhafte Aktion durchzieht, und nachher in den Büschen zu finden ist, der hat es im Grunde genommen verwirkt, noch Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nun haben Sie dargelegt, was Sie in den zurückliegenden Jahren alles getan haben. Nur, Sie kommen an der Bilanz nicht vorbei. Wir sagen nicht, daß Sie in den zurückliegenden Jahren nichts getan hätten. Aber es ist eine Tatsache, daß Sie die höchste Arbeitslosigkeit, die höchsten Schulden und die höchste Steuer- und Abgabenlast nach dem Krieg zu verantworten haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Saarland!)

    Das ist Ihre Bilanz und nicht das, was Sie hier an beschönigenden Reden vorgetragen haben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Saarland!)

    Nun ist es bekannt, daß Angriffe aus der Opposition in der Regel von Ihnen abgewiesen werden. Es ist ebenso bekannt - das gilt für alle Parteien —, daß Angriffe aus den eigenen Reihen eher zum Nachdenken veranlassen.
    Nun hat sich kürzlich ein prominenter Christdemokrat, der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, zu Ihrer Regierungszeit geäußert. Dieser ehemalige Bundespräsident hat ein hohes Ansehen, wie Sie wissen. Sie sollten sich mit seinen Anmerkungen zumindest selbstkritisch auseinandersetzen und hier nicht so viel Selbstgefälligkeit verbreiten. Wenn Sie sich im übrigen hier hinstellen und so tun, als ob Sie die Wahl schon gewonnen hätten, wenn Sie sich dessen ganz sicher sind, sage ich den Wählerinnen und Wählern: Es ist gut, daß einer so selbstgefällig ist und glaubt, er habe den Sieg schon in der Tasche. Dies paßt uns in den Kram. Aber Hochmut kommt vor dem Fall, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Richard von Weizsäcker sagt:
    Jedenfalls haben wir nun schon sehr lange ein politisches System in der Regierungsverantwortung,
    - das ist, wie Sie richtig erkannt haben, eine vornehme Umschreibung Ihres Namens -

    (Heiterkeit bei der SPD)

    das die von der Demokratie angebotenen Mittel zur Erringung und Bewahrung der Macht auf eine bisher nie gekannte Höhe der Perfektion getrieben hat. Die Konzentration der Kräfte zur Machterhaltung übersteigt bei weitem die offene konzeptionelle Pionierarbeit, von geistiger Führung ganz zu schweigen.
    Es war kein Wunder, daß Sie hier wieder versucht haben, Wahlkampf zu machen und Siegeszuversicht zu verbreiten statt Konzepte vorzustellen, wie jetzt die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen sei, wie jetzt die Steuerreform durchzuführen sei, wie jetzt die Rentenreform durchzuführen sei, wie jetzt die ökologische Steuerreform durchzuführen sei und wie jetzt die Lehrstellenmisere zu bekämpfen sei.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Nein, kein Wort davon. Sie beschäftigen sich immer nur mit dem Machterhalt. Hier ist die Analyse Richard von Weizsäckers absolut treffend: Ihnen geht die Macht vor der Lösung der Probleme und vor den Sachfragen. Das ist der Fehler Ihrer Regierungsarbeit in all den Jahren.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Richard von Weizsäcker fährt fort:
    Auch leidet die Glaubwürdigkeit der politischen
    Führung darunter, wenn nicht offen über die ungelösten Probleme gesprochen wird. Und die

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Mehrzahl der Probleme sind ungelöst und werden durch Gesundbeten
    - hier hätte er sagen können: durch Ihr Gesundbeten - nicht besser.
    Die Mehrzahl der Probleme ist ungelöst, aber das eigentliche Problem ist, daß Sie so mit der Wahrheit und der Wahrhaftigkeit umgehen, daß kein offener, ehrlicher, demokratischer Dialog mehr möglich ist. Das ist eine Fehlentwicklung der letzten Jahre, die dringend korrigiert werden muß.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Daß Sie überhaupt noch im Zusammenhang mit der Steuerpolitik glauben, an irgend jemanden kritische Aufforderungen richten zu können, ist im Grunde genommen unfaßbar. Keine Regierung auf der ganzen Welt hat sich in der Steuerpolitik ein solches Desaster, ein solches Rein und Raus, eine solche Serie von Lügen gegenüber der Bevölkerung erlaubt wie Ihre Regierung. Und dann stellen Sie sich hier hin und appellieren an andere, seriöse Steuerpolitik zu machen!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Widerspruch bei der CDU/ CSU)

    Es ist unglaublich, wie wenig Sie in der Lage sind, Ihre eigenen Fehler kritisch aufzuarbeiten.
    Sie sagen immer, Sie hätten als einziger die deutsche Einheit gewollt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Absahner!)

    Wenn man Ihnen zuhört, sind Sie der einzige, der die Entwicklung in Gang gesetzt hat, die zur deutschen Einheit geführt hat. Übernehmen Sie sich doch nicht so! Daß der Kommunismus zusammengebrochen ist, hat viele Gründe, aber zuallerletzt den Grund Helmut Kohl. Übernehmen Sie sich nicht so.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Sie haben diejenigen, denen es um die innere Einheit ging, um das konkrete Schicksal der Menschen, um die Frage, wie es mit der Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern sein wird, diffamiert und haben statt dessen Ihren harten Kurs durchgesetzt, der im Grunde genommen auf Grund ökonomischer Fehlentscheidungen Massenarbeitslosigkeit in den neuen Ländern zur Folge hatte; und das wußten Sie. Sie haben trotzdem diese Entscheidungen durchgesetzt, weil Ihr Ziel nur Machterhalt und Machtgewinn war und nicht die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie haben doch bei der Steuerpolitik ungezählte Male von hier aus gesagt: Wegen der Einheit brauchen wir keine Steuern zu erhöhen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Portokasse!)

    Da begann eine Serie von politischen Unwahrheiten. 17mal haben Sie seitdem die Steuern erhöht. Wo gibt es ein ähnliches Beispiel in der ganzen Welt, daß eine Regierung einer Bevölkerung sagt, es muß keine Steuer erhöht werden, aber seitdem 17mal die Steuern erhöht wurden?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Mit der F.D.P.!)

    - Mit der F.D.P. selbstverständlich. Sie war immer dabei, wie sie immer gern dabeisein will. Diesmal wird sie auch bei der Niederlage dabeisein. Insofern rundet sich das Bild dann ab. Sie ist immer dabei.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Als Sie dann die ersten Steuererhöhungen durchführen mußten, haben Sie wiederum die Unwahrheit gesagt. Sie sagten: Es ist wegen des Golfkrieges.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das weiß ich sehr wohl noch!)

    Diese Lüge erhielten Sie noch aufrecht, als mittlerweile jeder wußte, daß es eine völlig unzureichende Begründung war. Als der Golfkrieg dann als Begründung nicht mehr ausreichte, kam die dritte Unwahrheit: Sie sagten, Sie müßten die Mehrwertsteuer wegen Europa erhöhen. Diese Nummer steht uns ja noch bevor, daß Sie die Mehrwertsteuer wieder wegen Europa erhöhen müssen. Nein, Sie brauchten diese Serie von Steuererhöhungen wegen Ihrer Fehleinschätzungen, Ihrer falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sie schoben es immer auf unredliche und unehrliche Weise auf andere Gründe. Das ist zunächst einmal die Ursache dafür, daß Sie sich hoffnungslos verheddert haben.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Dann kam die traurige Geschichte um den Solidaritätszuschlag.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Rein raus!)

    Da steht das Wort „Solidarität" am Anfang. Zunächst wurde also der Solidaritätszuschlag erhoben, dann abgeschafft, dann wieder erhoben. Danach gab es eine Serie von Versprechungen, daß er jetzt doch wegfallen solle. Ich mache mir ausdrücklich die Kritik derer zu eigen, die sagen: Muß man, wenn man bei Steuersenkungen anfängt, unbedingt diese Steuer zunächst ins Visier nehmen? Denn daß die Menschen in den neuen Ländern wissen, daß wir noch jahrelang erhebliche Hilfen geben müssen, um dort den Aufbau zu unterstützen, das ist unstreitig.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt hat er es begriffen!)

    - Jetzt hat er es begriffen, sagen Sie Schnösel da? Ich
    habe hier gesagt, Steuererhöhungen sind unver-

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    meidlich, um die deutsche Einheit zu finanzieren, während Sie das Volk belogen haben.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Widerspruch bei der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein blockflötender Schnösel!)

    Wenn man beim Solidaritätszuschlag beginnt, dann sind selbstverständlich Fragen notwendig. Sicherlich gibt es ökonomische Gründe, die dafür sprechen, die Steuern weiter zu senken. Dazu ist ja bereits einiges gesagt worden. Wenn Sie aber, meine Damen und Herren, Steuersenkungen wollen, muß klar sein - hier liegt der weitere Fehler -, daß Sie nicht das Mandat haben, für Länder und Gemeinden einfach Steuersenkungen zu beschließen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Das ist der Irrtum Ihrer Steuerpolitik. Sie haben dazu gar nicht das Mandat. Sie tun immer so, als hätten Sie dazu' ein Mandat und könnten über Länder- und Gemeindehaushalte verfügen. Sie haben dazu überhaupt nicht das Mandat. Die Vertretung der Interessen der Länder- und Gemeindehaushalte erfolgt im deutschen Bundesrat. Wenn der eine irrsinnige Steuerpolitik nicht mitmacht, stellt das die Wahrung der berechtigten Interessen der Länder und der Gemeinden dar.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Zurufe von der CDU/CSU)

    Warum Ihre Steuerpolitik so total unglaubwürdig ist, will ich Ihnen hier kurz darlegen. Als Sie das Petersberger Konzept vorstellten, bekamen Sie zunächst einige gute Kritiken. Wer hört nicht gerne, daß die Steuern um 30 Milliarden DM gesenkt werden sollen? Aber dann kam eine neue Steuerschätzung. Wir hatten geraten, sie abzuwarten, das wäre vernünftig gewesen, dann wären Sie nicht so in Widersprüche verstrickt worden und hätten nicht Gesetze vorgelegt, die keiner mehr ernst nimmt. Wir baten darum, die Steuerschätzung abzuwarten, um dann auf seriöser Grundlage argumentieren zu können. Diese Steuerschätzung ergab ein Minus von rund 20 Milliarden DM. Daraufhin hätte man doch erwarten können, daß vernünftige Menschen ihre Steuerpläne revidieren und sagen, wenn jetzt plötzlich 20 Milliarden DM fehlen, müssen wir es uns noch einmal überlegen, ob wir Steuersenkungen von 30 Milliarden DM aufrechterhalten können.
    Jetzt steht die nächste Steuerschätzung ins Haus. Darin sind weitere 10 Milliarden DM Steuerausfall avisiert, also genau das Volumen des Ausfalls, das Sie für die nächsten Jahre versprochen haben. Man hätte doch erwarten können, daß Sie darauf reagieren und sagen: Unsere Kalkulationen waren falsch; wir überarbeiten diese Kalkulationen und legen ein neues Konzept vor. Aber weil Sie untereinander zutiefst zerstritten sind und sowieso an keine einzige Zahl mehr glauben, ist das auch egal. Sie tragen hier Versprechungen vor, die völlig unhaltbar sind. Das weiß mittlerweile die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wenn Sie Steuern senken wollen - hier sieht man die Unehrlichkeit, die ich Ihnen vorwerfe, Herr Bundeskanzler, die Unwahrhaftigkeit, die in den letzten Jahren schlimm war, insbesondere in der Steuerpolitik, und die den demokratischen Dialog erschwert -, dann können Sie den Solidaritätszuschlag senken, ohne daß Sie die SPD brauchen und ohne daß irgend jemand Sie blockiert. Sie haben doch gesagt, Sie würden handeln, wir würden nur reden. Nun handeln Sie doch! Aber belügen Sie nicht ständig das Volk und verstecken Sie sich nicht ständig hinter dem Bundesrat. Es ist unglaublich, was hier in den letzten Monaten vorexerziert worden ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Soli-Absenkung können Sie ohne die SPD und ohne den Bundesrat machen.

    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Sind Sie denn dafür?)

    Sie können sie aber nicht machen, weil Sie in etwa eine Ahnung haben, wie die Bundesfinanzen sich entwickeln. Das wird wirklich ein hervorragendes Erbe, das da angetreten werden muß.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Erblast!)

    Wenn die nächste Steuerschätzung da ist, wird es ganz verheerend.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Darauf freuen Sie sich schon!?)

    Sie verschleiern die wirkliche Situation des Bundeshaushaltes, indem Sie das Tafelsilber verkloppen. Die Wahrheit über den Bundeshaushalt ist gar nicht bekannt - durch Nebenhaushalte, durch künstliche Buchungen. In Wirklichkeit ist der Bundeshaushalt in viel, viel schlechterem Zustand, als die Zahlen das oberflächlich ausweisen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich hätte gerne einmal erleben wollen, was geschehen wäre, wenn ein sozialdemokratischer Finanzminister ein solches Zahlenwerk vorgelegt hätte.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das muß Ihnen doch noch gut in Erinnerung sein!)

    Sie von der F.D.P. stehen wiederum als die betrogenen Betrüger da. Denn Sie kriegen die Solidaritätszuschlagsabsenkung nicht hin.

    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Sind Sie denn für die Senkung oder gegen die Senkung? Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen! Gegen!)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Sehen Sie, alle außer der F.D.P. - sie sagt: 5 Prozent wollen Steuersenkungen hören; der Rest interessiert uns nicht - haben gesagt: Das ist nicht machbar.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist „alle"? Abg. Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    - Selbstverständlich, Sie kommen gleich dran.
    Von der Koalition hören Sie immer wieder: Das geht aber nur, wenn gegenfinanziert wird. Dann ist eine sinnvolle Frage: Wo erhöht man Steuern, um das Lieblingskind der F.D.P. zu finanzieren? Ist es wirklich sinnvoll, beispielsweise Unternehmenssteuersubventionen zu streichen, um den Solidaritätszuschlag zu senken? Das ist eine sachliche Frage.
    Meine Damen und Herren, genau an dieser Stelle sind Sie einfach der Unwahrheit überführt. Sie können den Soli senken. Weil Sie sich nicht einigen können, schimpfen Sie unwahrhaftig auf den Bundesrat und lenken damit von Ihrem eigenen Versagen und Ihrer eigenen Verantwortung ab.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)