Rede von
Klaus-Jürgen
Warnick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den letzten Satz von Herrn Braun will ich gern aufnehmen: Für öffentliche Sitzungen bin ich sehr zu haben.
Nun zur Rede. Als unser aller Bauminister am vorigen Donnerstag in Berlin die Ergebnisse seines dreijährigen Wirkens vorstellte, präsentierte er voller Stolz eine aus seiner Sicht hervorragende Bilanz.
Aus meiner Sicht hat er wieder einmal vergessen, die rosarote Brille abzusetzen.
Dabei meine ich, vorhin die Forderung nach fairer Differenzierung in der Bewertung gehört zu haben.
Nun kann man ihm nicht absprechen, daß einiges von dem, was er als Erfolg der Bundesregierung verkauft, tatsächlich zur Verbesserung des Wohnungsangebotes beigetragen hat. Doch das ist wie immer nur die halbe Wahrheit. Die vielen Millionen Menschen, die sich mit den Schattenseiten seiner Politik herumschlagen müssen, würden den Klang seiner Siegesfanfaren wohl auch empfindlich stören.
Die Verlierer bundesdeutscher Gesetzgebung haben im Bauminister jedenfalls keinen Anwalt ihrer Interessen, und der Verlierer gibt es viele - seien es die Hunderttausende von Mieterinnen und Mietern, deren Wohnungen der Deutschbau, der Frankfurter Siedlungsgesellschaft, der Bahn, der Post, der Bundeswehr oder - im Osten - der TLG gehörten und zum Verkauf anstehen bzw. oft unter Preis an kaufkräftige Investoren verhökert wurden;
seien es die Menschen, deren Hunderttausende Wohnungen immer noch der Zwangsprivatisierung nach Altschuldenhilfegesetz unterliegen
und die schon seit vielen Jahren die bange Frage stellen, welcher Zwischenerwerber sich an ihren Wohnblöcken auf ihre Kosten gesundstoßen werde; seien es die vielen Wohngeldempfänger im Westen unseres Landes, denen trotz vollmundiger Töpferischer Versprechungen das Wohngeld indirekt immer weiter gekürzt wurde; seien es die immer noch über 1 Million Bürger Ostdeutschlands, die als verbliebene Opfer des verheerenden Prinzips Rückgabe vor Entschädigung auch nach sieben Jahren Einheitsversuch in unsicheren Wohn- und Nutzungsverhältnissen leben müssen, die Mieterinnen und Mieter, die vor allem im Altbaubestand großer Städte in Wohnungen leben, in die auf Grund eines Restitutionsantrages seit 1990 keine müde Mark für dringend notwendige Instandhaltung geflossen ist. Alles versehentlich vergessen, Herr Töpfer?
Aber Sie bevorzugen wohl, sich auf die Seite der Gewinner zu schlagen - Gewinner wie die kapitalkräftigen Banken und Immobiliengesellschaften, wie die westdeutschen Rechtsanwälte, Ärzte und Vermögensberater, die mit mehr als großzügigen Steuergeschenken à la Sonder-MA Ost am Markt vorbei superteure Villenviertel in den sächsischen oder brandenburgischen Boden geknallt haben: mit zweistelligem Milliardenaufwand steuerfinanzierter Leerstand. Kein Wort in des Bauministers Erfolgsstory zu den 452 000 Wohnungen, die in Ostdeutschland leerstehen und die in starkem Kontrast zu den Neubauzahlen von insgesamt nur 375 000 Wohnungen im Zeitraum von 1991 bis 1995 stehen.
Dies alles nicht zu sehen und nicht zu sagen, trotz unbestreitbarer Verbesserungen der Wohnqualität bei einem Teil - ich betone: bei einem Teil - der Bevölkerung, ist entweder fehlender Realitätssinn oder bewußte wahltaktische Schönfärberei.
Auch der Haushaltsansatz für 1998 läßt wohnungspolitisch nichts Gutes erahnen. Weiter verschlechterte Bedingungen für den sozialen Wohnungsbau, mangelhafte Finanzausstattung der Städte und Ge-
Klaus-Jürgen Warnick
meinden sowie massenhafter Verlust von Mietpreis-und Belegungsbindungen bei Sozialwohnungen sprechen eine deutliche Sprache.
Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau, eine töpfersche Tradition seit seinem Amtsantritt, sollen erneut radikal reduziert werden. Aus unserer Sicht wäre statt dessen eine Erhöhung notwendig gewesen.
Das Thema Wohngeld hat sich mittlerweile zum Trauerstück dieser Regierung entwickelt - wir sind heute schon mehrfach darauf eingegangen - und steht stellvertretend für die vielen anderen gebrochenen Versprechungen. Obwohl sich jeder Haushaltslaie an Hand der bisher vorliegenden Daten mühelos ausrechnen kann, daß die Ansätze für das Wohngeld auch 1998 nicht ausreichend sind, lügt sich die Koalition wieder in die eigenen Finanzen.
Daß ich bei 2,515 Milliarden DM, die per 31. August 1997 für das Wohngeld aufgebracht werden mußten, zum Ende des Jahres bei knapp 3,8 Milliarden DM lande, kann selbst ein mathematisch nicht besonders begabter Grundschüler schnell ermitteln. Da reichen die avisierten 3,5 Milliarden DM für 1998 nie aus. Oder wollen Sie uns allen Ernstes erklären, daß für das nächste Jahr weniger Wohngeld benötigt wird, weil die Zahl der Arbeitslosen und der Sozialhilfeempfänger spürbar zurückgeht? Wir würden es den Betroffenen von Herzen wünschen.
Die traurige Wahrheit ist, daß die Zahl der wohngeldberechtigten Menschen durch Ihre verfehlte Politik eher weiter steigen wird; es sei denn, Sie verringern die Zahl der Anspruchsberechtigten durch eine Verschlechterung der Wohngeldregelungen, was genau das Gegenteil von dem wäre, was Sie seit Jahren versprechen.
Wir lehnen Ihr Modell der Haushaltssanierung durch den krampfhaften und hektischen Verkauf von möglichst auch der letzten bundeseigenen Wohnung strikt ab. Mit solchen völlig untauglichen Instrumenten die Lücken im Haushalt 1997 und 1998 wenigstens oberflächlich zu stopfen, ist wohnungspolitisch mehr als unsinnig und hinterläßt eine schwere Hypothek für die Zukunft.
Zum Bonn-Berlin-Umzug möchte ich auf Grund der knappen Zeit nur zwei Sätze sagen. Wir fordern weiter einen möglichst schnellen und sparsamen Umzug. Trotzdem und deshalb sehen wir verschiedene Einsparmöglichkeiten, über die wir in den Ausschußberatungen reden müssen.
Natürlich stellt sich wie immer die Frage der Finanzierbarkeit unserer Forderungen. Die Lösung kann nicht im Einzelplan 25 gesucht und gefunden werden; sie kann nur in einem völlig anderen Grundansatz der Verteilung des produzierten Reichtums durch eine radikal veränderte Steuerpolitik bestehen.
Sollten unsere Änderungsvorschläge keine Mehrheit finden, was uns natürlich maßlos verwundern würde, lehnen die demokratischen Sozialisten den Einzelplan 25 aus den vorgenannten Gründen ab.
Ich danke Ihnen.