Rede von
Franziska
Eichstädt-Bohlig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Töpfer, ich bewundere wirklich Ihre Fähigkeit, wie Sie die größten Pleiten schönreden können.
Franziska Eichstädt-Bohlig
Meine Wahrnehmung von diesem Sommer - ich sage das ohne wahltaktische Aspekte - ist völlig anders. Wir haben es nämlich mit der Tatsache zu tun, daß die drei wesentlichen Säulen der Wohnungspolitik in diesem Sommer unbemerkt neben dem ganzen Sommertheater schlicht weggebrochen sind. Es ist wirklich genial, wie Sie das schönreden können.
Die erste Säule, die weggebrochen ist, ist das Wohngeld. Es ist doch absurd, wenn Sie sagen, daß das Wohngeld steigt.
Tatsache ist, daß das Wohngeld ein Faß ohne Boden ist, weil Sie seit 14 Jahren eine bescheuerte Wohnungspolitik machen und weil das jetzt mit der Arbeitslosigkeit zusammentrifft.
- Man kann es nicht anders sagen. Deswegen ist immer mehr Wohngeld für immer weniger Leistung und immer weniger Lösung der Probleme zu bezahlen.
Insofern ist es richtig, daß die Wohngeldkosten inzwischen enorm gestiegen sind, allein zwischen 1995 und 1996 um 13 Prozent; das ist besorgniserregend. Aber das Problem ist, daß die Wohngeldreform gerade deswegen überhaupt nicht mehr in Sicht ist. Sie haben auch erklärt, daß sie nicht mehr kommen wird. Im Gegenteil, Sie beabsichtigen, uns ein Gesetz vorzulegen, um die Wohngeldkosten in dem Sinn zu deckeln, daß die Kommunen letztlich die Differenz bezahlen - auch wenn Sie vorhin wieder versucht haben, das kosmetisch zu bereinigen. •
Die zweite Säule, die weggebrochen ist, ist der soziale Wohnungsbau. Auch da finde ich es nett, wenn Sie sagen: Ach, das ist ja gar nicht dramatisch. Tatsache ist, daß Sie zwar die Kosten für den Haushalt 1998 so gerade noch halten, die Verpflichtungsermächtigungen aber gegenüber 1996 halbiert und gegenüber 1997 um 30 Prozent gesenkt werden. Das heißt faktisch, daß von jetzt an überhaupt keine neuen Wohnungsbauprojekte mehr aufgelegt werden können; denn alles, was wir im nächsten Jahr noch an Geld zur Verfügung haben, sind aus diesem Jahr und aus dem Vorjahr gebundene Mittel.
Insofern haben wir im Bereich sozialer Wohnungsbau überhaupt keine gestaltende Wohnungspolitik, sondern wirklich nur das, was Frau Mertens gesagt hat, nämlich Konkursverwaltung. Das sollten Sie wirklich sehr ernst nehmen und jetzt nicht sagen, wer das behaupte, der rede von Wahlkampf oder sonst etwas.
Tatsache ist: Das Wohnungsbaureformgesetz, Herr Töpfer, ist die Begleitmusik zu diesem Konkurs. Da können Sie sagen, was Sie wollen. Natürlich stehen ein paar Sachen darin, die uns sympatisch sind. Es steht drin der Ausstieg aus der Kostenmiete. Das unterstützen wir.
Es steht drin die stärkere Konzentration auf den Bestand. Das unterstützen und fordern wir schon lange; wir freuen uns, daß Sie von uns lernen. Aber die Kernbotschaft dieses Gesetzes ist doch schlicht: Liebe Länder, macht euren Dreck alleine, seht zu, wie ihr klarkommt, und macht euch dazu die nötigen Richtlinien. Es wird also ein heilloses Tohuwabohu auf Grund dieses Gesetzes geben. Es ist schlicht eine Deregulierung, ein Ausstieg des Bundes aus dem sozialen Wohnungsbau.
Herr Kansy, auf Ihre Frage von vorhin: Reden wir doch in Zahlen. Wenn die Länder in diesem Jahr 12 Milliarden DM in den sozialen Wohnungsbau stecken, während der Bund 2,2 oder 2,3 Milliarden DM reinsteckt, dann ist das ein ganz anderes Niveau, auf dem abgebaut wird, als das, wovon wir in diesem Hause reden und wofür wir die Verantwortung haben.
Die dritte Säule sind die Steuersubventionen im Mietwohnungsbau. Ich habe mich eben erschrocken, daß sich Herr Willner immer noch nach den 7 Prozent degressiver AfA sehnt.
Unserer Meinung nach ist das nie eine Säule gewesen, sondern es ist letztlich eine kosten- und spekulationstreibende Fehlsubvention gewesen. Es ist höchste Zeit, daß zwischen Steuerrecht und Subventionen klare Regeln geschaffen werden und das auseinandergenommen wird.
Wir haben Ihnen dazu das Modell der Bauzulagen vorgeschlagen. Im Prinzip ist es bei der Eigenheimförderung und bei der Ostförderung jetzt endlich als Lernprozeß auch bei Ihnen angekommen. Wir fordern Sie auf - und da fordern wir auch gerade die SPD auf -, in Sachen Steuerreform in diesem Schritt endlich zu klaren Entscheidungen zu kommen und unserem Konzept zu folgen. Wir sind dagegen, daß da völlig abgebaut wird. Mit klaren Bauzulagen kann man mehr Subventionen effektiver, spekulations- und kostenneutraler einsetzen, als das bis heute der Fall ist.
Wir haben noch ein paar andere Säulen im Wohnungsbau, die momentan glücklicherweise nicht demontiert sind. Ich will sie wenigstens kurz nennen. Ich danke an dieser Stelle der CDU/CSU, daß sie es verhindert hat, daß die F.D.P. nun auch noch das Mietrecht demontiert und den Kündigungsschutz aushöhlt; das muß man ganz klar sagen. Ein Glück, denn sonst müßte ich Herrn Kohl dazu beglückwün-
Franziska Eichstädt-Bohlig
schen, daß er das auch noch aushalten will, wenn das Mietrecht jetzt praktisch gelockert wird.
Der nächste Punkt ist die Eigenheimförderung. Gerade weil Sie sie so hoch gelobt haben, Herr Willner: Wir sind nicht gegen Eigenheimförderung. Aber ich möchte noch einmal betonen, was ich hier schon einmal gesagt habe: Wir haben eine enorme Schieflage zwischen den Pflichtaufgaben Wohngeld, sozialer Wohnungsbau, Stadterneuerung - dazu kann ich aus Zeitgründen leider nichts mehr sagen - und der Eigenheimförderung. Tatsache ist, daß die Eigenheimförderung allein auf Bundesebene genausoviel Geld verschlingt wie alle anderen Fördervolumina zusammen. Das ist eine wohnungspolitische und sozialpolitische Schieflage, die wir uns nicht leisten können.
Von daher ist eine unserer zentralen Forderungen, die viel zu hohen Einkommensspitzen bei der Eigenheimförderung - 240 000 DM für Doppelverdiener - zu kappen. Dieses Geld muß in Wohngeld und andere Wohnungsbauförderungen umgewidmet werden. Ich bitte Sie, das endlich einmal ernst zu nehmen.
Ich mache es kurz: Unsere Forderungen sind ein wirklich grundsätzlicher Umstieg in der Wohnungsbauförderung. Wir wollen nicht mehr dieses Hoffen auf Wirtschaftswachstum und darauf, daß dann Steuergelder kommen, mit denen wir allen Problemen hinterhersubventionieren. Diese Zeiten sind vorbei.
- Sie lachen. Das ist die Politik, die Sie seit Jahren propagieren und fordern. Noch in der Diskussion um die Steuerreform haben Sie gefragt, wo denn mehr Wohngeld sei. Ich finde es zynisch von der F.D.P., auf der einen Seite Steuersenkungen zu fordern, auf der anderen Seite aber Mieterhöhungen zu verlangen und nach dem Wohngeld zu fragen.
- Das hat Herr Thiele - ich habe es extra für die heutige Diskussion nachgelesen - als Frage in der Anhörung zur Steuerreform eingebracht.
Unsere Forderungen heißen: Sicherung der preiswerten Bestände statt Billigstausverkauf - ich nenne die Stichworte Deutschbau, Frankfurter Siedlungsgesellschaft -; eine Wohnungsbaureform, die eine wirkliche Reform und kein Alibi für den Ausstieg ist; die Einführung der Wohnungsgemeinwirtschaft - ich habe es schon mehrfach gesagt - mit klarer Vermögensbindung für die öffentlichen Bestände und für das öffentliche Wohnungsvermögen, damit wir wenigstens auf diese Wohnungen einen dauerhaften Zugriff haben und preiswert Bestände halten können, anstatt immer weiter zu verteuern; die Konzentration der Förderung auf die wirklich Bedürftigen - da bin ich d'accord mit der Regelung, die im
Wohnungsreformgesetz steht, aber nicht mit dem dritten Förderweg, wie es nach Ihrem Haushalt für 1998 wieder geschieht -; die klare Umstellung der Steuersubventionen auf Bauzulagen; die Kürzung der Eigenheimzulage zugunsten des Wohngeldes.
Last, but not least fordern wir, daß endlich die Diskussion um die Ökosteuer geführt wird, weil wir nur darüber Wärmedämmungsprogramme und eine umfassende CO2-Minderung bekommen können.
- Das ist nichts Neues, aber das schafft Arbeitsplätze. Darauf hat Frau Hartenstein eben in der Debatte um den Umweltetat hingewiesen. Es ist ein Skandal, daß Sie sich dieser Diskussion ständig verweigern.