Rede von
Eva-Maria
Bulling-Schröter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Liebe. Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht ganz einfach, über den Haushalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu sprechen; denn mit 1,22 Milliarden DM, also nicht einmal 0,3 Prozent des Bundesetats, ist er aus ökologischen Gründen schon vom Volumen her nicht der Rede wert. Unter dem Aspekt einer nachhaltigen umweltverträglichen Entwicklung liegt es deshalb nahe, auch auf andere Teile des Bundeshaushalts Bezug zu nehmen. Die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien haben ja hierauf schon Bezug genommen; auch ich werde es nachher tun.
Doch auch an der Entwicklung des Einzelplans 16 selbst ist zu erkennen, welchen Stellenwert Umweltpolitik in Deutschland einnimmt. Wird der vorliegende Entwurf Realität, dann sinkt der Umweltetat - wenn ich ihn überhaupt so nennen darf; wir alle wissen, daß es zur Hälfte ein Atomhaushalt ist - im Vergleich zu 1995 um fast 11 Prozent. Allein im Vergleich zum laufenden Jahr reduziert er sich wiederum um 5,2 Prozent. Zieht man in Betracht, daß nur der Stammhaushalt des Einzelplans 16 und nicht der durch die Atomwirtschaft refinanzierte Bereich direkt oder indirekt etwas mit dem Schutz der Umwelt zu tun hat, wird das Bild noch krasser; denn der Stammhaushalt sinkt mit dem Etatentwurf 1998 im Vergleich zu 1995 sogar um 13,3 Prozent.
In dieser Lesung werde ich nicht auf Einzelheiten eingehen. Es ist wiederum offensichtlich, welches Kapitel hauptsächlicher Verlierer dieses Sparprogramms ist: der Block „Allgemeine Bewilligungen, Umweltschutz, Naturschutz ", welcher seit 1994 um
Eva Bulling-Schröter
ein Viertel gekürzt wurde. Am meisten hatten darunter die Investitionen zur Reduzierung von Umweltbelastungen zu leiden. Im Haushalt 1998 betragen sie nur noch 20 Prozent des Volumens von 1993. Dies ist eine Entwicklung, die angesichts der sich global verschärfenden Umweltprobleme unerklärlich ist. Sie wird natürlich mit der Haushaltslage und mit zahlreichen vermeintlichen Erfolgen und hoffnungsvollen Programmen im Umweltschutz begründet. Von der Koalition wird dabei allerdings geflissentlich übersehen: Die Bundesrepublik Deutschland ist mit ihrem gigantischen Ressourcenverbrauch und ihrer Wirtschaftskraft, die anderen Ländern ein ähnlich energie- und rohstoffverschlingendes Wirtschaftsmodell aufzwingt, nach wie vor eines der zentralen globalen Probleme.
Der Rohstoffverbrauch stieg in den alten Bundesländern von 1970 bis 1990 um 35 Prozent, das heißt durchschnittlich jährlich um 1 Prozent, der Primärenergieverbrauch ebenfalls jährlich um 1 Prozent, der Gütertransport gar um 1,5 Prozent. In den letzten Jahren hat sich die Situation deutlich geändert, allerdings nicht in Richtung der seit Anfang der 90er Jahre selbst von der Bundesregierung verbal aufgegriffenen Nachhaltigkeit. Der Ressourcenverbrauch ist zwischen 1990 und 1994 förmlich explodiert. Die Rohstoffentnahme pro Kopf der Bevölkerung ist in diesen vier Jahren laut Statistischem Bundesamt um durchschnittlich jährlich 6,6 Prozent auf 129 Prozent angestiegen. Der Gütertransport stieg stärker als früher, jährlich durchschnittlich um 1,9 Prozent. Genauso stieg der Kohlendioxidausstoß, welcher sich seit 1990 nicht - wie von der Bundesregierung behauptet - reduziert, sondern pro Kopf um 1,3 Prozent erhöht hat.
Unter diesen Vorzeichen sind nicht nur die Reduzierung des Umwelthaushalts, sondern auch die umweltrelevanten Entwicklungen in den anderen Einzelplänen kaum zu glauben. Während beispielsweise 100 Milliarden DM mehr für den Straßenbau zur Verfügung stehen, werden die Bundesmittel für die Bahn von Jahr zu Jahr gekürzt; das haben wir ja in der vorigen Debatte gehört. Daß sich die Deutsche Bahn für den Bundesanteil der Fehlinvestition Transrapid verschulden muß, ist einmal mehr ein Beweis dafür, wie sich ruinöse Finanzpolitik mit verfehlter Umweltpolitik verbinden kann.
Auch der Etat des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie zeigt, daß die Zeichen der Zeit nicht erkannt werden. Die Ausgaben für erneuerbare Energien, rationelle Energieverwendung, Umwandlungs- und Verbrennungstechnik, die sich im Haushalt 1997 drastisch um 18 Prozent reduzierten, werden im kommenden Jahr nicht wieder angehoben. Das paßt natürlich in die Strategie. Energiewirtschaftsgesetz und Stromeinspeisungsgesetz wurden vorher schon diskutiert.
Die Förderung der Meeres- und Polarforschung wird sogar weiter zusammengestrichen. Wir haben schon vor einem halben Jahr über diese Thematiken diskutiert. Die Erwärmung und die Probleme der Meere spielen keine Rolle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Etatentwurf 1998 ist auch aus umweltpolitischer Sicht kein Haushalt für die Zukunft. Wenn von Ihrer Seite Umweltschützerinnen und Umweltschützern provinzielles Müslidenken vorgeworfen wird, kann ich nur sagen: Lieber provinziell sein als umweltpolitische Standards dem Weltmarkt und Maastricht zu opfern.