Rede von
Hans Georg
Wagner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst, Herr Kollege Wissmann, zum Stichwort Kombiverkehr. Sie hätten durchaus sagen können, daß Sie ohne das Engagement der Opposition und ihr Einwirken auf die Koalition nicht in der Lage gewesen wären, den Kombiverkehr im Jahre 1998 auf Dritte auszudehnen. Das also war ein Erfolg der linken Seite dieses Hauses.
Die Ungereimtheiten bestehen aber nach wie vor, Herr Minister: Die Gegenfinanzierung in einer Größenordnung von 30 Millionen DM soll nämlich aus dem Kapitel der Wasserstraßen und aus dem Kapitel der Schienenwege erfolgen, nicht aber aus dem Kapitel der Straßen. Sie haben eben selbst gesagt, der Verkehr müsse von der Straße runter. Dieser Meinung sind wir alle. Aber dann sollte man konsequenterweise Mittel für den Straßenbau in Mittel zugunsten des Kombiverkehrs umleiten.
Meine Damen und Herren, gemeinhin wird ja gesagt, der Haushalt sei so etwas wie ein Schicksalsbuch der Nation. Ich kann nur sagen: Dieser Entwurf der Koalition ist kein Schicksalsbuch, sondern ein Schicksalsschlag für das ganze deutsche Volk.
Denn das, was eigentlich passieren müßte - nämlich dem Abbau der Arbeitslosigkeit wesentlich wirksamer zu begegnen -, findet nicht statt. Das Buch ist kein Buch mit sieben Siegeln, sondern, so meine ich jedenfalls, ein Beleg der kollektiven Verlogenheit dieser Koalition in Haushaltsfragen.
Es ist jedes Jahr dasselbe: Der Finanzminister sagt, der aktuelle Haushalt sei solide finanziert, sei seriös, helfe, den Abbau der Arbeitslosigkeit zu bewerkstelligen, und sei durchaus vernünftig. Bei den Fachministern ist es dasselbe. Auch sie sagen hier, der Einzelplan sei seriös, solide finanziert, helfe, die Arbeitslosigkeit abzubauen.
Dann beginnen die Beratungen im Haushaltsausschuß, und die Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen müssen weitere Einsparungen vornehmen. Das kommt wie das Amen in der Kirche, seit Theo Waigel Minister ist. Jedes Jahr muß noch ein bißchen mehr gespart werden.
Nach den Sparkorrekturen wird dann in der zweiten und dritten Lesung behauptet, nun sei aber die gefundene Fassung endgültig solide und seriös. Der Finanzminister freut sich und feiert mit uns allen in der Bierkneipe und sonstwo, und dann kommen die neuesten Steuerschätzungen, und alles ist wieder futsch.
Das ist der Ablauf, den ich im Deutschen Bundestag erlebe, seit ich Mitglied bin. Mit seriöser Haushaltspolitik, mit Klarheit und Wahrheit hat das alles nichts mehr zu tun.
Auch der Einzelplan 12, Herr Minister Wissmann, hat solche Floskeln parat. Sie sind alle zu widerlegen. Tatsache ist, daß der Investitionsanteil Ihres Einzelplans von Jahr zu Jahr mickriger wird, und das zu einem Zeitpunkt, wo der eigentliche Motor der Wirtschaft, die Bauwirtschaft, am Boden liegt.
Sind Entsendegesetz und Lohnfortzahlung für die Bauwirtschaft und ihre Arbeitnehmer schon schlimm
Hans Georg Wagner
genug, so ist die permanente Senkung der Bauinvestitionen ein schwerer Schlag für dieselben.
Immer sichtbarer wird das Mißverhältnis zwischen Ihren Aussagen und dem, was sich im Haushalt niederschlägt. Im klaren Verstoß gegen das Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes, wonach der Bund Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes finanziert, übertragen Sie der Deutschen Bahn AG permanent Finanzierungsausgaben für Investitionen in die Schiene. Sie schrammen hierbei haarscharf an verfassungsrechtlichen Bedenken vorbei.
Allein die Übertragung der Schieneninvestitionen von fast 3 Milliarden DM auf die Bahn AG mindert deren Möglichkeiten, dringende Neuanschaffungen, etwa Wagenmaterial, vorzunehmen. Hinzu kommen die Sperrvermerke im Schienenteil des Einzelplans: Alle Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen sind gesperrt. Im Straßenbauteil dagegen ist nicht eine einzige Sperre ausgebracht.
Wenn behauptet wird, diese Sperre sei wegen der Einzelzustimmung des Finanzministers angebracht worden, muß man fragen, warum Herr Waigel im Straßenbereich auf solche Abfragen verzichtet. Auch mit den Wasserstraßen wird wesentlich glimpflicher umgegangen.
Ich werde den Verdacht nicht los, daß hier der Versuch unternommen wird, die Deutsche Bahn AG in den Zustand zu versetzen, aus dem wir sie zu erlösen hofften, als die Bahnreform gemacht worden ist.
Wie schamlos die Bundesregierung mittlerweile geworden ist, zeigt das Thema Transrapid. Zunächst wird klammheimlich die Werbung für den Transrapid mit ähnlichem Gewicht versehen wie jene für die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Die Bevölkerung muß diesem Projekt gegenüber sehr ablehnend sein, wenn der große Entwurf neuester Bahntechnik ständiger neuer Reklame bedarf.
Das könnte man ja noch akzeptieren, wenn die Bundesregierung nicht auf besonders seltsame, unsere europäische Reputation stark strapazierende Art und Weise nun auch noch die EU für weitere Untersuchungen über die Einsatzfähigkeit des Transrapids melken wollte, und das ausgerechnet bei der Finanzierung von Gutachten über transeuropäische Verkehrsnetze.
Nun hat der Transrapid als nichtkompatibles Verkehrsinstrument mit den transeuropäischen Verkehrsnetzen soviel zu tun wie eine Kuh mit dem Klavierspielen. Hat nicht die Bundesregierung der EU-Kommission erst vor zwei Jahren die Finanzierung eben dieser transeuropäischen Netze aus nicht abgeflossenen EU-Mitteln verweigert? Da komme noch einer zurecht.
Eine entscheidende Frage ist: Muß der Transrapid auf der Strecke Hamburg-Berlin Benutzungsgebühren bezahlen? Die EU-Kommissare Karel van Miert und Neil Kinnock sind der Auffassung, daß aus Wettbewerbsgründen auch der Transrapid Benutzergebühren bezahlen müsse.
Der Kollege Albert Schmidt vom Bündnis 90/Die Grünen hat analog der Trassenbenutzungsgebühren für den ICE - er schätzt 20 DM pro Bahnkilometer - errechnet, daß dies in 20 Jahren eine Summe von 4 Milliarden DM erbringen müßte. Diese 4 Milliarden DM müßten in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen eingehen.
Albert Schmidt schließt daraus, daß bei Gleichbehandlung der neuen Technologie mit der konventionellen das ganze Konzept unwirtschaftlich würde. Da ist was dran.
Ich erwarte, daß spätestens im Berichterstattergespräch am 22. September Klarheit geschaffen wird, Herr Minister.
Dieser Tage waren die Hurra-Rufe bis in die letzten Stuben der Republik zu hören: Der Restverkauf der Lufthansa wird 5 Milliarden DM bringen, weit mehr als vermutet und veranschlagt. Darüber freut sich jeder. Wer jedoch meint, daß diese Mehreinnahmen in Höhe von etwa 1,5 Milliarden DM in dem Einzelplan landen, aus dem alle Ausgaben für die Lufthansa geleistet werden, sieht sich getäuscht: Die Mehreinnahmen kassiert der Finanzminister, die Mehrausgaben bezahlt der Verkehrsminister.
Wir sagen: Wer Ausgaben leisten muß, dem müssen auch die Einnahmen zufließen; denn nur so können sie sofort in arbeitsplatzsichernde Investitionen umgesetzt werden.
Mit amüsierter Verärgerung müssen wir den Ablauf der übrigen Privatisierung im Verkehrsbereich zur Kenntnis nehmen. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Einnahmen aus dem Verkauf von Wohnungen und Grundstücken weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Dies stellt ein erhebliches Haushaltsrisiko dar.
Mit dem Verzicht auf die Rückführung des Schuldenstandes des Bundeseisenbahnvermögens von 1998 bis zum Jahre 2000 schaffen Sie im Jahre 2001 ein Haushaltsrisiko von 7,8 Milliarden DM.
Ungläubig muß man auch das Durcheinander um den geplanten Großflughafen Berlin-Schönefeld verfolgen. Nachdem die Holding es schon in wenigen Jahren auf 500 Millionen DM Schulden gebracht hat, soll nunmehr die Privatisierung der Gesellschaft wie auch der Bau des Flughafens weltweit ausgeschrieben werden. Dabei verzichtet man bewußt auf den Erfahrungsschatz der Flughafen Frankfurt/ Main AG. Vom Ausbau Schönefelds sind rund 70 000 Menschen unmittelbar betroffen. Zahllose Verfahren werden dabei mit fraglichem Ergebnis durchzuführen sein.
Hinzu kommt der mit amerikanischem Geld finanzierte Großflughafen bei Stendal, den das Land Sachsen-Anhalt für 8,3 Milliarden DM plant. Ministerpräsident Höppner hat eine Zusammenarbeit
Hans Georg Wagner
vorgeschlagen, um die Effizienz des Ganzen zu steigern. Nun kommt noch der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle, der im Gange ist, in dieser Region hinzu.
Die Koalition der höchsten Arbeitslosigkeit in der Geschichte der Bundesrepublik, der größten Pleitewellen und der höchsten Schulden hat offenbar jegliche Zurückhaltung verloren. Ich meine deshalb, daß dieser Einzelplan, Herr Minister, wenig zu den konjunkturellen Notwendigkeiten beiträgt, daß er immer mehr kontraproduktiv wirkt, weil er offenbar als Steinbruch dieser Koalition zum Abbau der Schulden dienen soll.
Vielen Dank.