Rede von
Matthias
Wissmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf des Verkehrshaushalts für das Jahr 1998 gibt ein deutliches Signal. Auch unter schwierigen finanzpolitischen Bedingungen werden wir im Jahre 1998 das Investitionsniveau nicht nur halten, sondern - wie es der Bundesfinanzminister heute morgen gesagt hat - die Investitionen gegenüber 1997 sogar noch verstärken.
Mit einem Gesamtplafond für den Verkehrshaushalt im Jahr 1998 in Höhe von 43,15 Milliarden DM stehen gegenüber den im laufenden Jahr effektiv verfügbaren Haushaltsmitteln nur rund 350 Millionen DM weniger zur Verfügung, die wir ausnahmslos im nicht-investiven Bereich einsparen. Ich glaube, damit geben wir ebenfalls ein klares Signal: Sparen im nicht-investiven und Zulegen im investiven Bereich. Das brauchen wir verkehrs- und wirtschaftspolitisch.
Mit einem Investitionsvolumen von rund 19,64 Milliarden DM und einer Investitionsquote von 45,5 Prozent bleibt der Verkehrshaushalt größter Investitionshaushalt des Bundes.
Wie wichtig diese Verkehrsinvestitionen auch in der Einschätzung der Bürger des Landes sind, können viele Kolleginnen und Kollegen erfahren, wenn es um die Ortsumgehungen in ihrer Heimat geht oder um die Schienenstrecke im Fern- oder Nahverkehr.
Meine Damen und Herren, ich will bei dieser Gelegenheit sagen - da wir ja inzwischen fast überall in Deutschland eine große Klagewut haben und immer wieder Einwände gegen jede große Investitionsmaßnahme -: Wir, die Bundesregierung und diese Koalition, stehen dafür, daß große Verkehrsprojekte, Schiene und Straße, Wasserstraße, öffentlicher Nah-und Fernverkehr, auch gegen Widerstände durchgesetzt werden. Denn wir brauchen diese Modernisierung.
Es ist eine der Standortstärken Deutschlands, daß wir eine gute Infrastruktur haben. Wir müssen sie weiter modernisieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Perspektive können wir im wichtigsten Investitionsbereich des Bundes Kontinuität wahren und unsere Strategie fortsetzen, ein modernes Verkehrssystem weiterzuentwickeln, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen ist.
Erste Priorität behält daher nach wie vor der Auf-und Ausbau leistungsfähiger Verkehrswege in den neuen Bundesländern. Wer den Einsatz der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, wie es gelegentlich geschieht, als unzureichend kritisiert, sollte sich nur einige Zahlen vor Augen halten: Seit dem Sommer 1990 wurden für Verkehrsinvestitionen in ganz Deutschland 165 Milliarden DM aufgewandt, davon 72 Milliarden DM allein in den neuen Bundesländern, davon wiederum 23 Milliarden DM für die besonders wichtigen Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Berücksichtigt man noch den notwendigen Planungsvorlauf, so wird deutlich, mit welcher Energie hier in nur wenigen Jahren bereits eine gute Basis für die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern geschaffen worden ist.
Gelegentlich wird gemeckert und kritisiert, und manche Kritik ist sicher auch berechtigt. Aber ich finde, wir könnten gemeinsam stolz darauf sein, daß es in nur sieben Jahren gelungen ist, 5000 Kilometer Schiene und 11000 Kilometer Straße in den neuen Bundesländern auszubauen oder neu zu errichten.
Das ist eine beispielhafte Aufbauleistung, an der wir
anknüpfen müssen und die wir weiterführen werden.
Bei der Schiene zum Beispiel werden bis Ende dieses Jahres 51 Prozent des für die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit vorgesehenen Investitionsvolumens realisiert sein, und es werden 34 Prozent der für die Realisierung des Knotens Berlin eingeplanten Mittel ebenfalls umgesetzt sein. Bei diesem Einsatz wird es bleiben. Die vorrangige Finanzierung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit steht außer Frage. Alle Projekte sind inzwischen im Bau, fünf Projekte im Schienenbereich bereits in Betrieb.
Weil wir diesen Kurs fortsetzen wollen, war es wichtig, daß wir das Investitionsvolumen für die Verkehrswege nicht nur halten, sondern sogar leicht erhöhen konnten. Denn auf diese Weise haben wir auch für die alten Bundesländer einen - wenn auch geringen - zusätzlichen Investitionsspielraum gewonnen. So wird der Straßenbauplafond um rund 65 Millionen DM auf 10,2 Milliarden DM aufgestockt und auf dieser Höhe in der Finanzplanung bis 2001 fortgeschrieben. Damit stehen für Investitionen im Straßenbau im kommenden Jahr über 8,2 Milliarden DM zur Verfügung und in den Folgejahren jährlich rund 8,3 Milliarden DM. Mit der vorgesehenen Verstärkung und durch gleichzeitige Umschichtungen stehen für Maßnahmen des Bedarfsplans 1998 damit über 100 Millionen DM mehr zur Verfügung als 1997.
Mit diesem Haushaltsansatz und der Finanzplanung bis 2001 können wir die im Rahmen der Haushaltsberatung 1996 zugesagten 49 Baubeginne weiter finanzieren. Sichergestellt ist auch der Ausbau der A 2 Bielefeld-Hannover-Berlin und der A 7 südlich von Hannover rechtzeitig zum Beginn der Expo 2000 in Hannover.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle müssen uns vergegenwärtigen, daß die Investitionen, von denen ich hier spreche, die Schienen- und Straßenprojekte, die uns alle geläufig sind, in der schwie-
Bundesminister Matthias Wissmann
rigen Lage der deutschen Bauwirtschaft auch eine enorme wirtschaftspolitische Bedeutung haben. 1 Milliarde DM Investitionen im Verkehrsbereich bedeuten die Sicherung von zirka 12 500 Arbeitsplätzen, und in strukturschwachen Räumen gibt es noch einmal indirekte Arbeitsplatzeffekte von 3000 bis 5000 Arbeitsplätzen pro 1 Milliarde DM Investitionen.
Die Wahrheit ist: Der einzige große, stabile Investor im Tiefbau in Deutschland war in den letzten Jahren der Bund, und er wird es auch in den kommenden Jahren sein. Alle anderen öffentlichen Gebietskörperschaften, die Länder, nicht zuletzt die SPD-regierten Länder, die Regionen, die Landkreise, die Städte, haben ihre Bauinvestitionen zurückgefahren. Vor kurzem ist vom BDI zu Recht gesagt worden: Die einzige stabile Stütze für die deutsche Bauwirtschaft liegt gegenwärtig in der Fortsetzung des Tiefbaus durch den Bund.
Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung für Arbeitsplätze und Wirtschaftsentwicklung.
Wir gehen diesen Weg auch im Schienenbereich weiter. Das Investitionsvolumen von Bund und DB AG für die Schiene wird bei einem Haushaltsansatz von insgesamt rund 25 Milliarden DM auch 1998 rund 9 Milliarden DM betragen. Die geplanten Schieneninvestitionen in West- und Ostdeutschland sind unverzichtbarer Teil unserer Strategie zur Wiederbelebung des Schienenverkehrs, zur Innovationsstärkung der Bahn und zur Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene.
Im Rahmen unserer Zukunftsstrategie für die Schiene messen wir auch dem kombinierten Verkehr steigende Bedeutung zu. Kombinierter Verkehr heißt praktisch: Im Nah- und Regionalverkehr ist der Lkw als Lastesel unverzichtbar. Im Fernverkehr müssen das Binnenschiff und die Bahn steigende Transportmengen übernehmen. Eine moderne Terminalinfrastruktur ist hierfür eine wichtige Voraussetzung.
Mit der DB AG und dem Bundesfinanzministerium haben wir hierfür inzwischen erste große Investitionsentscheidungen mit einem Volumen von 570 Millionen DM getroffen. An sieben Standorten - Kornwestheim, Karlsruhe, Weil/Basel, Köln-Eifeltor, Großbeeren, Leipzig und Erfurt - werden in einer Größenordnung von rund 400 Millionen DM neue Umschlagbahnhöfe und Kombiterminals realisiert.
Weitere sechs Standorte - Rostock, Glauchau, Magdeburg, Bremerhaven, Frankfurt und Regensburg - können jetzt nach einer abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung ebenfalls angegangen werden.
Meine Damen und Herren, ich bin froh, daß Anregungen aus dem Haus aufgenommen werden konnten, daß wir im Haushalt 1998 erstmals die Möglichkeit haben, auch für Terminals, Kombi- und Umschlagbahnhöfe, die durch Dritte finanziert werden, Investitionsmittel des Bundes zu geben.
Wir modernisieren, wo wir können, weil wir glauben, daß die Gütertransportströme des 21. Jahrhunderts nicht ausschließlich auf die Straße gelenkt werden können, sondern stärker als bisher auf der Schiene abgewickelt werden müssen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht auch um einen klugen und ökologisch sensiblen Ausbau der Bundeswasserstraßen. Wir sehen für 1998 eine Steigerung der Mittel um 100 Millionen DM auf 1,2 Milliarden DM vor, womit wir in einer sensiblen und klugen Weise insbesondere das Verkehrsprojekt Nummer 17, also die Wasserstraßenverbindung Hannover-Magdeburg-Berlin, realisieren wollen.
Ich will auf ein Projekt hinweisen, das ebenfalls wichtig ist und für das ich gern die Zustimmung aus diesem Haus über die Koalitionsfraktionen hinaus hätte. Es geht darum, unsere großen Häfen, beispielsweise Bremen, Hamburg, aber auch Rostock, für den Weltmarkt des Containerschiffsverkehrs des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Diese großen Häfen müssen auch für die vierte Containergeneration, die gegenwärtig gebaut wird, erreichbar werden.
Deswegen richte ich an beide Oppositionsfraktionen die Bitte: Sorgen Sie endlich dafür, daß beispielsweise in Kiel jenes unselige Müslidenken eingestellt wird, das solche Ausbaumaßnahmen verhindern will. Das können wir weder beim Transrapid noch bei den Ausbaumaßnahmen für Hamburg brauchen. Wir würden Arbeitsplätze für das 21. Jahrhundert verhindern, statt sie zu ermöglichen.
Was wir in Kiel erleben, ist kleinliches, provinzielles, ängstliches Denken. Das ist nicht nur für Hainburg, nicht nur für die Modernisierung des Standorts Deutschland gefährlich, gefährlich wäre auch die Übertragung jenes Denkens auf Bonn.
Meine Damen und Herren, ein. Letztes: Wir haben erfreulicherweise, Anregungen aus allen Fraktionen dieses Hauses aufnehmend, im Haushalt eine Summe von 50 Millionen DM für Seeschiffahrtshilfen ausbringen können, in der Hoffnung, daß wir ein letztes Mal, bevor ein neues, besseres Steuerkonzept gilt, eine Überbrückungshilfe ermöglichen, um die deutsche Seeschiffahrt im internationalen, scharfen Wettbewerb lebensfähig zu erhalten, um zu verhindern, daß ausgeflaggt wird und die deutsche Flotte verschwindet. Ich bin froh, daß der Finanzausschuß ein Steuerkonzept beschlossen hat - Einführung einer Tonnagesteuer, Ermäßigungen der für die Seeleute abzuführenden Lohnsteuer -, das ab 1999 gelten soll.
Bundesminister Matthias Wissmann
Jetzt können Sie beweisen - es geht auch um die Frage, wie Sie mit der Steuerreform umgehen -, ob Sie nur die große Steuerreform nicht wollen, von der heute der Bundesfinanzminister gesprochen hat, oder ob Sie wenigstens bereit sind, die notwendigen Erneuerungsmaßnahmen in wichtigen Teilbereichen zu realisieren. Sie werden auch an der Küste Stellung nehmen müssen, ob Sie ein innovatives, in Steuerfragen verankertes Schiffahrtskonzept verhindern wollen oder ob Sie bereit sind, es mit uns gemeinsam durchzusetzen.
Es steht für die Schiffahrt und für die Arbeitsplätze dort viel auf dem Spiel.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich glaube, der Verkehrshaushalt macht deutlich, daß wir für Investitionen und Arbeitsplätze und für die Modernisierung unserer Infrastruktur die richtigen Zeichen setzen. Denn wir wissen doch hoffentlich alle gemeinsam, daß wir nicht nur an unseren Standortschwächen zu arbeiten haben, sondern auch unsere Standortstärken - dazu gehört die Infrastruktur - pflegen müssen, um in der Zukunft, im 21. Jahrhundert wettbewerbsfähig zu sein.