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    Plenarprotokoll 13/186 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 186. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. August 1997 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt: Erklärung durch die Bundesregierung: Die Hochwasserkatastrophe an der Oder und die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung 16823 B in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 1: a) Vereinbarte Debatte zur Hochwasserkatastrophe an der Oder 16823 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16823 D Dr. Manfred Stolpe, Ministerpräsident (Brandenburg) 16826 C Ulrich Junghanns CDU/CSU 16827 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16829 D Jürgen Türk F.D.P 16831 A Rolf Kutzmutz PDS 16832 C Dr. Mathias Schubert SPD 16833 C Tagesordnungspunkt 2: a) Vereinbarte Debatte zu Steuern und Arbeitsplätzen 16835 A b) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28 GG) (Drucksache 13/8340) 16835 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 16835 B Dr. Henning Voscherau, Präsident des Senats (Hamburg) 16839 C Johannes Selle CDU/CSU 16841 A Dr. Gerhard Stoltenberg CDU/CSU . 16841 D, 16842 A Dr. Gerhard Stoltenberg CDU/CSU . . . 16845 B Hans-Peter Repnik CDU/CSU 16845 D Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16848 C Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 16852 A Joachim Poß SPD 16852 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16853 A Peter Dreßen SPD 16855 D Dr. Gregor Gysi PDS 16856 C Dr. Peter Struck SPD 16859 C Joachim Hörster CDU/CSU 16859 D Tagesordnungspunkt 3: a) Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (Drucksachen 13/901, 13/7000, 13/7570, 13/7579, 13/8325) 16860 B b) Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Steuerreformgesetz 1998 (Drucksachen 13/7242, 13/7775, 13/8020, 13/8177, 13/8178, 13/8326) 16860 C c) Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Steuerreformgesetz 1999 (Drucksachen 13/7480, 13/7917, 13/8022, 13/8023, 13/8177, 13/8179, 13/8327) 16860 C Nächste Sitzung 16861 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16863* A Anlage 2 Erklärung nach §31 GO der Abgeordneten Bernd Reuter, Barbara Imhof, Erika Lotz, Erwin Horn, Brigitte Lange, Gerhard Rübenkönig, Gerd Höfer, Berthold Wittich, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Dr. R. Werner Schuster, Alfred Hartenbach, Joachim Tappe (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform 16864* A 186. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. August 1997 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 5. 8.97 Barnett, Doris SPD 5. 8. 97 Beck (Bremen), BÜNDNIS 5. 8. 97 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Bierstedt, Wolfgang PDS 5. 8. 97 Börnsen (Ritterhude), SPD 5. 8. 97 Arne Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 5. 8. 97 Böttcher, Maritta PDS 5. 8. 97 Bredehorn, Günther F.D.P. 5. 8. 97 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 5. 8. 97 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 5. 8. 97 Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 5. 8. 97 90/DIE GRÜNEN Caspers-Merk, Marion SPD 5. 8. 97 Conradi, Peter SPD 5. 8. 97 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 5. 8. 97 Graf von Einsiedel, PDS 5. 8. 97 Heinrich Eppelmann, Rainer CDU/CSU 5. 8. 97 Faße, Annette SPD 5. 8. 97 Fischer (Berlin), BÜNDNIS 5. 8. 97 Andrea 90/DIE GRÜNEN Friedrich, Horst F.D.P. 5. 8. 97 Ganseforth, Monika SPD 5. 8. 97 Geiger, Michaela CDU/CSU 5. 8. 97 Gilges, Konrad SPD 5. 8. 97 Gloser, Günter SPD 5. 8. 97 Großmann, Achim SPD 5. 8. 97 Günther (Plauen), F.D.P. 5. 8. 97 Joachim Gysi, Andrea PDS 5. 8. 97 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 5. 8. 97 Hartmann, Hanns-Peter PDS 5. 8. 97 Hauser (Esslingen), Otto CDU/CSU 5. 8. 97 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 5. 8. 97 Dr. Höll, Barbara PDS 5. 8. 97 Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 5. 8. 97 Dr. Jens, Uwe SPD 5. 8. 97 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 5. 8. 97 Dr.-Ing. Kansy, Dietmar CDU/CSU 5. 8. 97 Kauder, Volker CDU/CSU 5. 8. 97 Dr. Kiper, Manuel BÜNDNIS 5. 8. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Knake-Werner, Heidi PDS 5. 8. 97 Körper, Fritz Rudolf SPD 5. 8. 97 Kolbow, Walter SPD 5. 8. 97 Abgeordnete(r) entschuldigt bi! einschließlich Kossendey, Thomas CDU/CSU 5. 8. 97 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 5. 8. 97 Laumann, Karl-Josef CDU/CSU 5. 8.97 Lemke, Steffi BÜNDNIS 5. 8.97 90/DIE GRÜNEN Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 5. 8. 97 90/DIE GRÜNEN Löwisch, Sigrun CDU/CSU 5. 8. 97 Marschewski, Erwin CDU/CSU 5. 8. 97 Dr. Meister, Michael CDU/CSU 5. 8. 97 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 5. 8. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 5. 8. 97 Mogg, Ursula SPD 5. 8. 97 Müller (Berlin), PDS 5. 8. 97 Manfred Neumann (Bramsche), SPD 5. 8. 97 Volker Onur, Leyla SPD 5. 8. 97 Dr. Penner, Willfried SPD 5. 8. 97 Dr. Pfaff, Martin SPD 5. 8. 97 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 5. 8. 97 Richter, Roland CDU/CSU 5. 8. 97 Robbe, Reinhold SPD 5. 8. 97 Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 5. 8. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 5. 8. 97 Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 5. 8. 97 Schaich-Walch, Gudrun SPD 5. 8. 97 Dr. Scheer, Hermann SPD 5. 8. 97 Schild, Horst SPD 5. 8. 97 Schmidt (Aachen), Ulla SPD 5. 8. 97 Schumann, Richard SPD 5. 8. 97 Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 5. 8. 97 Gmünd), Dieter Seidenthal, Bodo SPD 5. 8. 97 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 5. 8. 97 Dr. Stadler, Max F.D.P. 5. 8. 97 Steen, Antje-Marie SPD 5. 8. 97 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 5. 8. 97 Tippach, Steffen PDS 5. 8. 97 Titze-Stecher, Uta SPD 5. 8. 97 Voigt (Frankfurt), SPD 5. 8. 97 Karsten D. Wagner, Hans Georg SPD 5. 8. 97 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 5. 8. 97 Welt, Jochen SPD 5. 8. 97 Wester, Hildegard SPD 5. 8. 97 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 5. 8. 97 Wilz, Bernd CDU/CSU 5. 8. 97 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 5. 8. 97 Wolf (München), Hanna SPD 5. 8. 97 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bernd Reuter, Barbara Imhof, Erika Lotz, Erwin Horn, Brigitte Lange, Gerhard Rübenkönig, Gerd Höfer, Berthold Wittich, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Dr. R. Werner Schuster, Alfred Hartenbach, Joachim Tappe (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (Drucksache 13/8325) Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses bezüglich der Kompensation für den Wegfall der Gewerbekapitalsteuer ist aus unserer Sicht nicht ausreichend befriedigend für einen Teil hessischer Kommunen. Die Ursache liegt darin, daß CDU/CSU und F.D.P. verhindert haben, daß 2,3 % der Umsatzsteuer den Gemeinden zur Kompensation zur Verfügung gestellt werden, wie es der SPD-Forderung entsprach. Vielmehr wollten CDU/CSU und F.D.P. ursprünglich nur 1,9 % zur Verfügung stellen. Angesichts des Verhaltens der Parteien der Bundesregierung mußte die 2,2 %-Kompensation als Kompromiß erst durchgekämpft werden. Es ist ein Erfolg der sozialdemokratischen Seite, daß die Gewerbeertragsteuer - entgegen Forderungen der F.D.P. - grundgesetzlich abgesichert wird und entsprechend sichergestellt wird, daß zur kommunalen Selbstverwaltung eine den Kommunen zustehende wirtschaftskraftbezogene und mit Hebesatzrecht versehene Steuerquelle gehört. Wir stimmen deshalb den Gesamtregelungen zu, auch weil die ostdeutschen Länder ohne entsprechenden Beschluß die Gewerbekapitalsteuer hätten einführen müssen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als diese Sondersitzung von der Regierungskoalition beantragt wurde, ging es noch nicht um den ersten Tagesordnungspunkt, sondern nur um den zweiten, mit dem wir uns jetzt beschäftigen. Der erste ist sozusagen auf Wunsch der SPD hinzugekommen, nachdem schon feststand, daß diese Sondersitzung abgehalten wird.
    Deshalb stimme ich der Kollegin Müller völlig zu und sage: Diese Sondersitzung des Deutschen Bundestages ist nichts anderes als die Wahlkampferöffnungsveranstaltung von CDU/CSU und F.D.P.

    (Beifall bei der PDS)

    Die Besonderheit besteht allerdings darin, daß ich zu dieser Wahlkampferöffnungsveranstaltung eingeladen bin. Das war bisher nicht der Fall. Insofern nehme ich diese Einladung wahr.

    (Heiterkeit bei der PDS)

    Ich füge allerdings hinzu, daß eigentlich Wahlkampferöffnungsveranstaltungen von den Parteien selbst zu finanzieren sind und nicht durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wie eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages.

    (Beifall bei der PDS)

    Denn es gibt ein logisches Argument, das Sie nicht aus der Welt bekommen. Daß so eine Sitzung teuer ist, das wissen wir alle. ,Ein zweites Vermittlungsverfahren, ob nun sinnvoll oder sinnlos, können Sie frühestens einleiten, nachdem wieder der Bundesrat getagt hat und über das Ergebnis des Vermittlungsausschusses beraten hat. Das tut er aber erst am 5. September.
    Deshalb war die Sondersitzung am heutigen Tage völlig überflüssig. Sie beschleunigt gar nichts. Sie hat nur Geld gekostet, das angeblich so knapp ist.

    (Beifall bei der PDS Rudolf Dreßler [SPD]: Genauso ist es!)

    Nun sind Sie ja mit der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses nicht zufrieden und kritisieren immer dessen Ergebnisse. Vielleicht - so behaupte ich - liegt das ja daran, daß der PDS, wie ich meine, grundgesetzwidrig der Platz im Vermittlungsausschuß vorenthalten wird. Wenn wir mitwirken könnten, kämen vielleicht doch vernünftigere Ergebnisse zustande. Immerhin wäre es einen Versuch wert.

    (Heiterkeit bei der PDS und der SPD Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Das war sehr stark!)

    Ich will Ihnen folgendes sagen: Wenn die F.D.P. nicht dabei wäre, was glauben Sie, was für Ergebnisse dann im Vermittlungsausschuß zustande kä-

    Dr. Gregor Gysi
    men? Darauf könnten wir uns vielleicht verständigen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der PDS und der SPD Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Ja, Steuererhöhungen!)

    Jetzt sage ich Ihnen zum Ernst der Sache einmal folgendes: Herr Bundeskanzler, mich stört wirklich, daß Sie in den letzten Tagen mehrfach davon gesprochen haben, der Bundesrat werde von der SPD zu parteipolitischen Zwecken mißbraucht. Worum geht es eigentlich? Es kommt doch auch niemand auf die Idee, der Mehrheit des Bundestages, wenn sie einen Antrag der Opposition ablehnt oder einen eigenen annimmt, vorzuwerfen, daß sie den Bundestag mißbrauche. Es ist doch ganz normal, daß in Gremien Mehrheiten entscheiden; das ist ein demokratisches Prinzip. Wenn der Bundestag einen Gesetzentwurf beim Bundesrat einbringt und dieser von seiner durch die Verfassung gegebenen Möglichkeit Gebrauch macht, nein zu sagen, was ist denn daran Mißbrauch? Wenn er zum Ja verpflichtet wäre, dann bräuchte man den Bundesrat nicht; denn dann hätte er gar keinen Entscheidungsspielraum.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich mache mir darüber sehr ernsthafte Gedanken. Nicht nur der Bundestag, sondern auch der Bundesrat ist aus demokratischen Wahlen hervorgegangen. Wenn Sie im Bundesrat die Mehrheit haben wollen, um über die Dinge so abstimmen zu können, wie Sie es gerne hätten, dann hätten Sie bei den Landtagswahlen eben erfolgreicher sein müssen.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS und der SPD)

    Es kommt noch folgendes hinzu: Welche Vorstellung steckt denn eigentlich hinter dem Mißbrauchsgedanken? Daß die SPD im Bundesrat nur dann eine richtige Politik machen würde, wenn sie Ihr Steuerkonzept gebilligt hätte. Nun, Herr Bundeskanzler, werden Sie aber doch nicht bestreiten können, daß Ihr Steuerkonzept Ihren politischen Vorstellungen entspricht; es ist Ausdruck der neoliberalen Politik dieser Bundesregierung und dieser Regierungskoalition. Wenn die SPD Ihrer Meinung nach moralisch verpflichtet wäre, dazu einfach ja zu sagen, frage ich Sie, wozu wir dann noch Wahlen bräuchten; denn dann gäbe es ja gar nichts mehr auszuwählen, weil die Steuerkonzepte immer völlig identisch wären, unabhängig davon, ob diese Koalition oder eine andere regieren würde. Deshalb sind die Argumente, die Sie da benutzen, demokratiegefährlich. Daher wundert es mich nicht, daß Herr Henkel fordert, den Bundesrat am besten gleich ganz abzuschaffen. Wenn schon, dann sollte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz weniger um mich und mehr um Herrn Henkel kümmern; das wäre für diese Gesellschaft sehr viel sinnvoller.

    (Beifall bei der PDS)

    Ich finde es ganz normal, daß man zu Ihrem Steuerkonzept nein sagt. Zunächst einmal ist es eine Tatsache, daß 45 Milliarden DM bisher nicht finanziert sind. Das heißt, Sie machen den Staat arm. Aber ein armer Staat kann Armut nicht mehr bekämpfen. Deshalb ist es nicht sinnvoll, diese Art von Politik zu betreiben, die Sie vorschlagen. Sie wollen die Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer senken; Sie haben schon die Vermögensteuer abgeschafft; Sie besteuern immer weniger die Gewinne der Unternehmen und der Banken.
    Ich frage mich, ob Sie schon vergessen haben, daß zum Beispiel die Abschaffung der Vermögensteuer und die Einführung des ganzen Steuerpakets mit der gleichen Argumentation hier beschlossen worden sind, die Sie, Herr Thiele, vorhin benutzt haben, um uns das Steuerkonzept irgendwie schmackhaft zu machen. Sie haben gesagt, die Wirtschaftstätigkeit werde dadurch belebt; dadurch stiegen die Einnahmen; Investitionen kämen zustande; dadurch entstünden mehr Arbeitsplätze. War das nicht auch Ihre Argumentation beim Sparpaket? War das nicht auch Ihre Argumentation bei den verschiedenen Gesundheitsreformen? War das nicht auch Ihre Argumentation bei der Abschaffung der Vermögensteuer? Wo sind denn die Arbeitsplätze? Wo sind denn die Investitionen? Dieses Konzept ist doch nun endgültig gescheitert. Deshalb kann man nicht heute ja zu diesem Konzept sagen.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Die Gewinne der Banken sind allein im letzten Jahr um 20 Prozent gestiegen. Allein im Jahre 1997 haben die Deutsche Bank und die Dresdner Bank durch die gestiegenen Provisionen beim schwungvoll gewachsenen Aktienhandel zusätzliche Milliardengewinne gemacht. Eine Steuerreform, die an diese Gewinne nicht herangeht, ist doch einfach inakzeptabel. Das hat mit Leistung gar nichts zu tun. Sie partizipieren einfach daran, daß mehr Leute Aktien kaufen. Das ist alles. Dadurch werden sie immer reicher.
    Sie können auch nicht leugnen, daß ein Drittel der geplanten Entlastungen nur einem Prozent der Bevölkerung zugute kommen soll. Ich habe es Ihnen schon einmal ausgerechnet: Ein Einkommensmillionär würde bei Ihrer Steuerreform im Jahr 127 000 DM Steuern sparen. Eine Bankkauffrau mit zwei Kindern würde im Jahr 74 DM Steuern sparen. Erklären Sie das einmal der Bankkauffrau. Wenn Sie noch die Mehrwertsteuer um 1 Prozentpunkt erhöhen, gibt die Bankkauffrau diese 74 DM schon im Januar aus und hat überhaupt nichts von Ihrer Steuerreform, außer einer Mehrbelastung, damit der andere, der Einkommensmillionär, 127 000 DM im Jahr sparen kann. Das ist völlig inakzeptabel.
    Ihr Steuerkonzept ist nicht solide finanziert, und es ist im höchsten Maße sozial ungerecht. Deshalb kann ich nur hoffen, daß die SPD auch im zweiten Vermittlungsverfahren nicht schwach wird, durchhält und bei ihrem Nein bleibt.

    (Beifall bei der PDS sowie des Abg. HansPeter Kemper [SPD])


    Dr. Gregor Gysi
    Eine wirkliche Reform müßte ganz andere Ansätze haben. Deshalb auch meine Kritik an dem Mehrheitsvorschlag des Vermittlungsausschusses zu den Lohnnebenkosten, Herr Ministerpräsident Lafontaine. Sie machen dabei im Grunde genommen dasselbe mit. Sie wollen die Lohnnebenkosten um einen Prozentpunkt reduzieren und gleichen dies durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer und der Mehrwertsteuer aus. Das heißt, die Arbeitslosen und die Lohnabhängigen bezahlen über die Mehrwertsteuer und die Mineralölsteuer letztlich die geringeren Lohnnebenkosten der Unternehmen. Ist das wirklich der Lösungsansatz? Das ist doch keine Reform. Sie gehen hier ein paar Prozentpunkte hoch und dort ein paar Prozentpunkte herunter.
    Lassen Sie uns doch einmal ernsthaft über eine Reform nachdenken, zum Beispiel über eine andere Bemessungsgrundlage. Wir müssen uns mit der Tatsache auseinandersetzen, daß immer weniger Beschäftigte in immer kürzerer Zeit immer mehr produzieren. Wenn das so ist, kann die Bruttolohnsumme nicht länger die Bemessungsgrundlage für die Einzahlungen der Unternehmen in die Versicherungssysteme sein.
    Wir haben vorgeschlagen, die Wertschöpfung, also das Betriebsergebnis, zur eigentlichen Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungskosten der Unternehmen zu machen. Das wäre auch wesentlich flexibler: Gehen die Gewinne hoch, müssen die Betriebe mehr einzahlen. Gehen die Gewinne runter, müssen sie weniger einzahlen, und die Einzahlungen sind nicht mehr abhängig von der Zahl der Beschäftigten. Damit wird nicht länger Arbeit bestraft, wie das heute immer noch der Fall ist.
    Wenn ein solcher Gedanke umgesetzt würde, wäre das eine Reform, aber es ist keine Reform, wenn Sie ein paar Prozentpunkte hoch- oder ein paar Prozentpunkte heruntergehen. Sie machen einfach immer eine neue Berechnung, je nach Situation. Das bedeutet Leben von der Hand in den Mund. Genau das ist das Konzept der Bundesregierung. Von diesem Konzept müssen wir uns trennen.
    Zu einer wirklichen Reform würde eine gerechte Besteuerung gehören. Dazu müßten wir gerade auch die hohen Gewinne der Banken und Versicherungen, die Spekulationsgewinne, große Vermögen und hohe Einkommen endlich gerecht besteuern. Dann hätten wir auch die finanziellen Mittel, die wir für eine soziale Grundsicherung und einen öffentlich finanzierten Beschäftigungssektor brauchen. Darüber würden auch wieder neue Steuereinnahmen für den Staat entstehen.
    Wir brauchen eine Förderung der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Gerade Sie von der F.D.P., aber auch Sie von der CDU/CSU erklären immer, daß Ihnen die kleinen und mittelständischen Unternehmen so sehr am Herzen liegen. Aber in Wirklichkeit machen Sie immer wieder Politik für große Unternehmen. Ein Beispiel dafür ist Ihr Vorgehen bei der Gewerbekapitalsteuer.
    Wir sind nicht gegen die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer. Sie ist sinnvoll, weil es eine Substanzsteuer ist, die uns nichts bringt. Aber vergessen wir eines nicht: Nur 16 Prozent der Unternehmen bezahlen nach Ihrem Kompromiß keine Gewerbekapitalsteuer mehr. Die anderen bezahlen sie schon längst nicht mehr. Sie wird nur noch von 16 Prozent der Unternehmen in den alten Bundesländern bezahlt. Das sind die Großunternehmen. Aber für alle Unternehmen, auch für die im Osten, wird die Gewerbeertragsteuer erhöht.
    Das heißt, alle Unternehmen, auch die kleinsten, finanzieren den Wegfall der Gewerbekapitalsteuer bei den großen Unternehmen. Das ist die Realität. Sie fördern nie die kleinen und mittelständischen Unternehmen, sondern immer die großen Konzerne, die Banken und die Versicherungen. Daran muß sich endlich etwas ändern.

    (Beifall bei der PDS)

    Es kann nicht dabei bleiben, daß nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die kleinen und mittelständischen Unternehmen die Bundesrepublik Deutschland finanzieren, während sich die Konzerne, die Banken und die Versicherungen aus der Finanzierung der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet haben.

    (Beifall bei der PDS)

    Natürlich brauchen wir eine Förderung der Kaufkraft.

    (Zuruf des Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl)

    - Ich finde es ganz rührend, Herr Bundeskanzler, daß Sie sich um meine Redezeit Gedanken machen und darauf hinweisen, daß der Präsident schlafe. Aber der Präsident schläft nicht. Er weiß, wie lang meine Redezeit ist. Darauf wird hier ganz korrekt geachtet. Damm, Herr Bundeskanzler, müssen Sie sich ausnahmsweise nicht kümmern.

    (Heiterkeit bei der PDS)

    Lassen Sie mich etwas sagen: In Wirklichkeit geht es nicht um eine Blockade des Bundesrates gegenüber dem Bundestag. Es geht um eine gesellschaftliche Blockade. Weder diskutieren wir über Probleme richtig, noch analysieren wir sie, noch kommen wir zu wirklichen Lösungsansätzen. Wir verfallen überwiegend in Polemik. Der Bundeskanzler hat angekündigt, uns in den nächsten 14 Monaten mit Polemik zu beschäftigen. Deshalb sind auch wir für Neuwahlen eingetreten.
    Allerdings muß ich die Kollegin Müller etwas fragen. Sie, Frau Kerstin Müller, haben sich hier hingestellt und vehement Neuwahlen gefordert. Aber im Juni 1997 gab es hier einen Antrag zu entscheiden. Dieser Antrag lautete: Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wird aufgefordert, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Gegen diesen Antrag hat aber nicht nur die Koalition gestimmt, sondern auch SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Damit haben

    Dr. Gregor Gysi
    Sie noch im Juni 1997 dem Bundeskanzler Ihr Vertrauen ausgesprochen.

    (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    - Na sicher, Sie haben den Antrag doch abgelehnt. Der Kanzler kann sich zu Recht freuen, daß Sie das getan haben. Dann aber ist es nicht besonders glaubwürdig, einen Monat später Neuwahlen zu fordern. Sie hätten damals unserem Antrag zustimmen müssen, sonst sind Sie als Opposition auch nicht glaubwürdig - wenn ich das hinzufügen darf.

    (Beifall bei der PDS Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

    - Einschließlich der Grünen, Herr Fischer.
    Wenn wir uns inzwischen einig sind, daß Neuwahlen erforderlich wären, dann frage ich mich allerdings, warum sich die Koalition so dagegen sperrt. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Schäuble, hat jetzt in einem Interview gesagt, Neuwahlen würden an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag nichts ändern. Das heißt: Er geht davon aus, die Regierungskoalition würde durch Neuwahlen bestätigt werden. Wenn Sie davon wirklich überzeugt sind, dann machen Sie es doch. Danach hätten Sie eine ganz andere moralische Rechtfertigung für Ihre politischen Forderungen. Im Augenblick glaubt Ihnen doch niemand mehr, daß Sie über eine Mehrheit in der Gesellschaft verfügen. Ich glaube, Sie glauben es auch nicht. Deshalb lehnen Sie Neuwahlen ab und gehen im Krebsgang bis zum 27. September 1998. Das aber ist eine Zumutung für die Bevölkerung.
    Deshalb sage ich: Man muß wissen, wann Schluß ist. Man muß wissen, wann eine Regierung ausgelaugt ist.

    (Beifall bei der PDS Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Ich finde es sehr gut, daß Sie mir dafür Beifall spenden. Wir fangen ja erst an, und zwar so richtig.

    (Beifall bei der PDS)

    Ihre Regierung aber ist nun schon seit 15 Jahren dran, im nächsten Jahr seit 16 Jahren. Jeder sollte wissen, wann es vorbei ist, wann man in Rente gehen und wann man sich im Leben Gutes gönnen kann. Das wünschen wir Ihnen allen.
    Wir brauchen Veränderungen, um den Problemstau aufzulösen. Ein Regierungswechsel ist nicht alles, aber er kann Signale für solche Veränderungen setzen. Deshalb brauchen wir ganz schnell Neuwahlen. Wenn Sie so sicher sind, daß Sie sie gewinnen werden, dann machen Sie sie doch! Wenn Sie aber in Wirklichkeit wissen, daß Sie sie verlieren werden, dann machen Sie sie auch. Schieben Sie die Niederlage nicht weiter hinaus! Es lebt sich leichter, wenn man dies schnell hinter sich hat.

    (Beifall bei der PDS)

    Deshalb: Geben Sie uns allen die Chance zu Neuwahlen in Ihrem und in unserem Interesse, damit es zu Veränderungen in dieser Gesellschaft kommt!
    Danke.

    (Beifall bei der PDS)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich habe in der zu Ende gehenden Debatte nur noch eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention. Das Wort hat der Kollege Dr. Struck.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Struck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir nehmen zur Kenntnis, daß die CDU/CSU-Fraktion diese Debatte nicht fortsetzen will. Das, Herr Präsident, beweist, übrigens auch die Reden von Herrn Waigel, Herrn Repnik und Herrn Thiele, wie überflüssig diese Debatte und auch diese Sondersitzung des Deutschen Bundestages waren.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Abg. Joachim Hörster [CDU/CSU] meldet sich zu Wort)