Rede von
Prof. Dr.
Jürgen
Rochlitz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herrn Lippold ist dafür zu danken, daß er mit seiner Rede einmal deutlich gemacht hat, wie die Position seiner Fraktion zu Umweltverbänden à la Greenpeace ist. Die Rede hat gezeigt, daß es heuchlerisch ist, was seine Fraktion in puncto Beteiligung von Umweltverbänden zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Naturschutzgesetz bisher ausgeführt hat.
Die gläubige Atomgemeinde hat mittlerweile eine ganze Reihe stattlicher Investitionsruinen und Flops zu beklagen. Dazu gehört auch Ihr geliebtes Atomkraftwerk, Frau Hellwig, mit dem schiefen Turm von Neckar-Westheim. Auf keinem anderen Sektor angeblicher High-Tech-Industrie sind so viele Milliarden buchstäblich ha den Sand gesetzt worden. Selbst die alten Ägypter haben bei ihrer High-Tech-Begräbnistechnik weniger Fehlchargen gehabt als die Atomgemeinde mit ihren Kernkraftkathedralen.
Wir sind froh, daß die neue Regierung in Frankreich diese Ruinenreihe nun mit der Aufgabe des Schnellen Brüters Superphénix verlängert. Da die
Dr. Jürgen Rochlitz
Brütertechnik auch in Japan an den ihr innewohnenden Mängeln gescheitert ist, gibt es weltweit kein funktionsfähiges Demonstrationsobjekt mehr. Es sollte auch in Zukunft keines mehr geben. Damit erübrigen sich eigentlich auch die Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague und in Großbritannien.
Es bleibt sowieso ein Rätsel, Herr Lippold, warum nach dem Mauer- und Zaunfall von Wackersdorf im Jahre 1989 und der schlüssigen Erkenntnis Ihrer Freunde, der Strombosse, Wiederaufbereitung rechne sich nicht, weiterhin am Konzept der Wiederaufbereitung in Frankreich festgehalten wurde.
Es waren, Frau Homburger, vor allem die Technikbesessenen, die Regierungen weltweit in den Wiederaufbereitungswahnsinn getrieben haben. Ihr alchimistischer Traum vom atomaren Recycling, ihre unkritische Begeisterung angesichts der angeblich unerschöpflichen Energiequellen des Schnellen Brüters haben uns in eine Sackgasse mit Milliardenverlusten geführt. Steuerzahler und Stromkunden haben die Zeche beglichen - bisher leider ohne aufzumukken.
Nun wird dank Greenpeace wieder einmal deutlich, daß das im Vergleich zu Wackersdorf „billige" La Hague wegen seiner einfachen, schmutzigen Entsorgung ins Meer die kostengünstigere Alternative beisteuern konnte. Es wird doch niemand der Verantwortlichen in den Umweltministerien, auch hier
im Haus, Herr Hirche, im Ernst bestreiten wollen, gewußt zu haben, warum La Hague günstiger ist als Wackersdorf.
Greenpeace hat deutlich gemacht, daß es im Kern mal wieder nicht nur um finanzielle Probleme geht. Die atombesessenen Befürworter haben wissend in Kauf genommen, daß bei der Wiederaufbereitung in Frankreich und Großbritannien die Meere radioaktiv verseucht werden. Dies wurde schon durch mancherlei Untersuchungen der Radioaktivität in der Nordsee und in der Irischen See belegt.
Die jetzige Aufdeckung, wie dramatisch und brutal diese Selbstverständlichkeit der Nutzung des Meeres als nukleare Kloake ist, verdanken wir Greenpeace.
- Was regen Sie sich eigentlich so auf, daß hier darüber debattiert wird? Es ist doch ganz normal, hier über solche Probleme zu diskutieren.
Wozu kümmern sich eigentlich NordseeschutzKonferenzen um die Verhinderung gefährlicher Einleitungen, wenn deren gefährlichste Form von radioaktiven Stoffen mit langen Halbwertszeiten von Nutznießern wie der Bundesrepublik achselzuckend hingenommen wird? Wir sprechen hier von einem Ausmaß an radioaktiven Emissionen in La Hague,
das größer ist als das sämtlicher deutscher Atommeiler zusammengenommen.
Warum wurden eigentlich die schon beim Fall von Wackersdorf vorgebrachten Kostenbedenken gegen die Wiederaufbereitung nicht ernst genommen? Wozu läßt eigentlich die Bundesrepublik jährlich tonnenweise Plutonium - das risikoreichste Teufelszeug überhaupt - produzieren, wenn bekannt ist, daß seine Weiternutzung in Brennstäben für Leichtwasserreaktoren blanker Kostenunsinn ist, und wenn bekannt ist, daß es allenfalls für Kriegsphantasten und organisierte Kriminalität interessant ist?
Wenn es finanziell und naturwissenschaftlich betrachtet Unsinn ist, aus einem Brennstab 29 Tonnen -29 Tonnen, Herr Lippold! - radioaktive Abfälle zu produzieren, und wenn aus ökologischen Gründen nicht zugelassen werden darf, daß von dieser radioaktiven Tonnage ein großer Teil ins Meer geleitet wird, dann muß diese zynische Politik der angeblich „schadlosen Verwertung" ohne Zögern aufgegeben werden,
und zwar schon vor einem wie auch immer gearteten Energiekonsens.
Immerhin hat uns ja dankenswerterweise das Umweltbundesamt dazu kürzlich Schützenhilfe geleistet. Wenn wir einen Weg zu einem zukunftsfähigen und nachhaltigen Deutschland beschreiten wollen - wozu es ja parteiübergreifende und internationale Einigkeit gibt -, dann benötigen wir dazu nach Meinung des Umweltbundesamtes die Atomenergie auf Dauer nicht; Herr Lippold, lesen Sie sich das mal durch! Weiter sagt das Umweltbundesamt:
Ein Ausbau der Kernenergie dürfte hingegen gerade die angebotsorientierten Strukturen unserer Energiewirtschaft stabilisieren, die ein Haupthemmnis für die zur Erreichung des Klimaschutzziels unabdingbare Effizienzverbesserung darstellen.
Dem ist meines Erachtens überhaupt nichts hinzuzufügen. Für die Wiederaufbereitungsanlage in La Hague gilt nach unserer Einschätzung vorrangig: Diese Technik muß schnellstens aufgegeben werden.
Danke schön.