Rede von
Horst
Kubatschka
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Hellwig, ich muß sagen: Sie haben komische Lieben. Ich liebe meine Frau, ich liebe meine Kinder, ich liebe meine Schwiegertochter, ich liebe meine Enkeltochter. Deswegen bin ich für den Aus-
Horst Kubatschka
stieg aus der Kernenergie; denn ich möchte meinen Enkelkindern solch ein Erbe nicht hinterlassen.
Außerdem noch ein Hinweis, Frau Kollegin: Ich hoffe, daß Ihr Liebling nicht auseinanderbricht; denn dort gab es sehr wohl Materialschwierigkeiten. Dann wäre es mit der Liebe sehr schnell vorbei.
Meinen Dank an Greenpeace. Sie haben mit ihrer Aktion wieder einmal deutlich gemacht, wie gefährlich die Kernenergie ist. Trotz Behinderung durch den Betreiber Cogema haben sie dafür gesorgt, daß die Wahrheit an den Tag gekommen ist. Unsere Zukunft wird gefährdet - und die unserer Kinder und Enkel.
Dazu zwei Beweise:
Erstens. Die radioaktiven Belastungen der Abwässer aus La Hague überschreiten die von der EU zugelassenen Werte.
Zweitens. Anfang dieses Jahres hat die Universität Besançon - und nicht Greenpeace; vor mir wurde schon darauf hingewiesen - Studien veröffentlicht, aus denen hervorgeht, daß eine dreifach erhöhte Leukämierate bei Kindern und Jugendlichen in der Region um die Wiederaufbereitungsanlage La Hague nachgewiesen wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wiederaufbereitung ist ein Irrweg, ein strahlender Irrweg und ein teurer noch dazu.
In zweifacher Hinsicht rechnet sich die Wiederaufbereitung nicht:
Erstens. Die Natur zahlt dafür. La Hague ist ein Beweis dafür, wie unsere Umwelt radioaktiv belastet wird.
Zweitens. Sie rechnet sich nicht einmal finanziell. Gutachten haben bewiesen, daß die Wiederaufbereitung mindestens zweimal teurer ist als die direkte Endablagerung. Es ist also wirtschaftlicher Unsinn.
Durch die Wiederaufbereitungsanlage wird die Endablagerung erschwert - ein erhöhtes Risiko. Durch die Wiederaufbereitung entsteht, bezogen auf das Volumen, mehr Abfall - ein erhöhtes Risiko. Durch die Wiederaufbereitungsanlage gewinnen wir waffenfähiges Material - ein erhöhtes Risiko.
Wir brauchen die Wiederaufbereitung auch nicht, weil der Traum des Schnellen Brüters ausgeträumt ist. Er hat keine Zukunft. Er hat nicht gehalten, was
uns die Theoretiker versprochen haben. Er brütet nicht ausreichend, er ist gefährlich, und seine Technik ist nicht zu beherrschen.
Im Chemieunterricht haben wir alle über die Reaktion von reinem Natrium mit Luft gestaunt.
Das war damals beeindruckend. Mich hat es zum Chemiestudium gebracht. Beim Schnellen Brüter wollen wir dieses Problem aber in den Griff bekommen. Japan hat gelernt, daß der Schnelle Brüter ausgebrütet hat. Frankreich zieht nach der Wahl die Konsequenzen. Es gibt keinen Phönix aus der Asche. Der Phönix ist verbrannt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD hält am Ausstieg aus der Kernenergie fest. Wir wollen uns aus dieser gefährlichen Sackgasse herausbegeben - und dies aus vier Gründen:
Erstens. Das Sicherheitsproblem ist nicht lösbar. Es wird immer ein Restrisiko bestehen. Dieses Restrisiko ist nicht beherrschbar. Der Traum des in sich sicheren Reaktors wird sich nicht erfüllen. Deshalb ist die SPD gegen den Europäischen Druckwasserreaktor.
Zweitens. Die Kernenergie ist nicht weltweit einsetzbar. Ich möchte Staaten wie dem Irak und dem Iran nicht waffenfähiges Material an die Hand geben.
Drittens. Die Endablagerung ist weltweit nicht gelöst. Seit über 50 Jahren benützen wir im zivilen Bereich die Kernenergie. Trotzdem haben wir weltweit das Problem, den Abfall sicher zu verwahren, nicht gelöst. Bisher zeichnet sich keine Lösung ab.
Viertens. Die Kernenergie verbaut die Zukunft. Sie bindet Finanzmittel, die für den Einsatz der erneuerbaren Energien dringend benötigt werden.
Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, die direkte Endablagerung als alleinigen Pfad der Entsorgung festzulegen und endlich den Weg freizumachen für den Ausstieg aus der Kernenergie und den Einstieg in die solare Zukunft, damit unsere Enkel und Urenkel eine Chance haben.