Rede von
Birgit
Homburger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte ja versucht sein, diese Aktuelle Stunde zu den Greenpeace-Vorwürfen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage für radioaktive Brennstoffe in La Hague als verfrüht anzusehen. Die Untersuchungen sind überhaupt nicht abgeschlossen. Eine Stellungnahme der französischen Regierung steht noch aus. Wir bewegen uns schlicht gesagt auf spekulativem Untergrund.
Deswegen denke ich, daß auch die Gefahr von falschen Vorverurteilungen relativ groß ist, und deswegen will ich diese Gelegenheit dazu nutzen, eine paar grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Thema zu machen.
Die erste Bemerkung: Auch wenn es sich um eine französische Anlage handelt, ist es sicherlich richtig, wenn wir uns um mögliche Belastungen der Meeresumwelt, die von dieser Anlage kommen, kümmern, und zwar nicht nur, weil dort auch deutsche Abfälle aufgearbeitet werden, sondern vor allem deswegen, weil die Meere grenzenlos sind und sich die Meeresanrainerstaaten insgesamt um ihren Schutz kümmern müssen.
Dafür gibt es das OSPARCOM-Übereinkommmen zum Schutz der Nordsee und des Nordostatlantiks. Dieses Übereinkommen ist für diese Sache einschlägig. Ich halte es deswegen für notwendig, daß sich die Bundesregierung ohne falsche Aufgeregtheit im Rahmen dieses Übereinkommens um Aufklärung der Vorwürfe von Greenpeace kümmert und, wenn nötig, auf die Einhaltung der zulässigen Grenzwerte drängt.
Dabei wünsche ich mir auch eine entsprechend konstruktive Mitarbeit der Anlagenbetreiber.
Zum zweiten. Ich bin der Meinung, daß die Grenzwerte des technisch Machbaren auch dann eingehalten werden müssen, wenn damit teure Nachrüstungsmaßnahmen verbunden wären. Auch der Kernenergie müssen ihre Folgekosten angelastet werden. Es kann nicht sein, daß Preisvorteil von Strom aus Kernenergie durch vermeidbare Umweltbelastungen erkauft wird.
Die dritte Bemerkung. Die Vorwürfe an die Bundesregierung und die Elektrizitätsversorgungsunternehmen wegen der Wiederaufarbeitung deutscher Brennstäbe in La Hague sind heuchlerisch. Und zwar hat die SPD-Regierung unter Helmut Schmidt die Zusammenarbeit mit La Hague 1979 völkerrechtlich abgesichert. Diese Koalition und diese Regierung haben das 1989 nur verlängert, nachdem die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf scheiterte.
Birgit Homburger
Heuchlerisch deshalb, weil SPD und Grüne die Elektrizitätsversorgungsunternehmen geradezu zwingen, diese radioaktiven Abfälle ins Ausland zu bringen. Die Wiederaufarbeitung in Hanau ist an der rot-grünen Landesregierung in Hessen gescheitert. Die direkte Endlagerung mit der dafür notwendigen Zwischenlagerung wird von SPD und Grünen blokkiert.
Frau Kollegin Müller, Sie reden hier, wir könnten in diesem Punkt einen Konsens erzielen. Darauf muß ich gleich noch einmal kommen. Ich habe bisher nicht den Eindruck gehabt, daß das von Ihrer Seite passiert, und das, obwohl sich gerade die SPD für die Entsorgungsoption eingesetzt hatte.
Wer also jede nationale Lösung in eigener Verantwortung bekämpft, hat meines Erachtens nicht das Recht, sich über die Entsorgung solcher Abfälle im Ausland moralisch zu entrüsten.
Der letzte Punkt, den ich anmerken möchte: Diese Diskussion zeigt wieder, wie notwendig ein Konsens über die Entsorgung der gebrauchten Kernbrennstoffe in Deutschland ist. Ich finde es schade, daß die durchaus zunächst erfolgversprechenden Gespräche des Frühjahres wegen der Uneinigkeit der SPD wieder zum Stillstand gekommen sind.
Unabhängig von der Frage des zukünftigen Energiemixes müssen wir eine nationale Entsorgung von radioaktiven Abfällen erreichen. Die Blockade aller deutschen Entsorgungswege mit dem Ziel, einen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu erzwingen, halte ich für unverantwortlich.
Ich bin der Meinung, daß für die im gesellschaftlichen Konsens errichteten Kernkraftwerke gerade auch im Interesse der künftigen Generation eine geordnete Entsorgung sichergestellt werden muß, Herr Kollege Müller. Auch in diesem Punkt haben SPD und Grüne bisher nur ihre Unfähigkeit zu verantwortlicher Politik unter Beweis gestellt.
Vielen Dank.