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ID1318510600

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    Plenarprotokoll 13/185 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 185. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 8. September 1997 16733 A Begrüßung einer Delegation der Knesset des Staates Israel 16733 B Tagesordnungspunkt 11: Erklärung durch die Bundesregierung zum Europäischen Rat in Amsterdam sowie zum Weltwirtschaftsgipfel in Denver und zur Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen . . 16733 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16733 C Rudolf Scharping SPD 16739 C Karl Lamers CDU/CSU 16743 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16746 A Dr. Helmut Haussmann F.D.P 16749 B Dr. Gregor Gysi PDS 16751 C Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 16743 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 16756 B Hartmut Schauerte CDU/CSU 16758 B Ernst Schwanhold SPD 16760 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16761 C Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 16763 C Birgit Homburger F D P. 16764 D Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) (Drucksache 13/8011) 16766 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Rudolf Dreßler, Ulrike Mascher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Strukturreform statt Leistungskürzungen in der Alterssicherung (Drucksache 13/8032) 16766 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Generationenvertrag neu verhandeln (Drucksache 13/8036) 16766 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 20: Antrag der Gruppe der PDS: Rentenversicherung stabilisieren und Reform 2000 vorbereiten (Drucksache 13/8044) 16767 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 16767 A Rudolf Dreßler SPD 16772 A, 16789 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . 16775 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16777A, 16799 D Dr. Gisela Babel F.D.P 16780 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16781 C Peter Dreßen SPD 16783 A Petra Bläss PDS 16783 D Julius Louven CDU/CSU 16786 B Ulrike Mascher SPD 16789 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16792 D Walter Hirche F.D.P 16793 D Gerd Andres SPD 16795 A Maria Eichhorn CDU/CSU 16796 A Margot von Renesse SPD . . . 16797 B, 16800 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 16798 C, D Heidemarie Lüth PDS 16801 A Volker Kauder CDU/CSU . . . 16801 D, 16806 D Ottmar Schreiner SPD 16803 C, 16807 A Hartmut Schauerte SPD 16805 D Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 16807 C Zusatztagesordnungspunkt 21: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu möglichen atomaren Verseuchungen des Meerwassers bei La Hague durch die Wiederaufbereitung deutschen Atommülls 16809 C Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16809 D Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 16810 C Jutta Müller (Völklingen) SPD 16811 B Birgit Homburger F D P. 16812 C Rolf Köhne PDS 16813 B Horst Kubatschka SPD 16813 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16814 D Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16815 D Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 16816 D Arne Fuhrmann SPD 16818 A Wolfgang Behrendt SPD 16818 D Nächste Sitzung 16819 D Berichtigung 16819 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 16821* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 16821 C 185. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 146. Sitzung, Seite 13 263 C, letzte Zeile: Statt „Drucksache 13/5555 Nr. 1.18" ist „Drucksache 13/5555 Nr. 2.21 " zu lesen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 27. 6. 97 * Bachmaier, Hermann SPD 27. 6. 97 Behrendt, Wolfgang SPD 27. 6. 97 * Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 27. 6. 97 Blunck, Lilo SPD 27. 6. 97 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 27. 6. 97 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 27. 6. 97 Caspers-Merk, Marion SPD 27. 6. 97 Graf von Einsiedel, PDS 27. 6. 97 Heinrich Fink, Ulf CDU/CSU 27. 6. 97 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 27. 6. 97 * Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 27. 6. 97 Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS 27. 6. 97 Horn, Erwin SPD 27. 6. 97 Hustedt, Michaele BÜNDNIS 27. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Jacob, Willibald PDS 27. 6. 97 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 27. 6. 97 * Knoche, Monika BÜNDNIS 27. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 27. 6. 97 Limbach, Editha CDU/CSU 27. 6. 97 Lohmann (Witten), Klaus SPD 27. 6. 97 Marten, Günter CDU/CSU 27. 6. 97 * Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 27. 6. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 27. 6. 97 Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 27. 6. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 27. 6. 97 * Reschke, Otto SPD 27.6. 97 Ronsöhr, CDU/CSU 27.6.97 Heinrich-Wilhelm von Schmude, Michael CDU/CSU 27. 6. 97 * Schultz (Everswinkel), SPD 27. 6. 97 Reinhard Seibel, Wilfried CDU/CSU 27. 6. 97 Simm, Erika SPD 27. 6. 97 Terborg, Margitta SPD 27. 6. 97 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 27. 6. 97 Vosen, Josef SPD 27. 6. 97 Wohlleben, Verena SPD 27. 6. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 27. 6. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Abgeordnete Dr. Gisela Babel hat ihre Unterschrift zu dem Antrag „Eckpunkte für die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen" - Drucksache 13/6591- zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritter Bericht der Bundesregierung über die Förderung der Frauen im Bundesdienst (Berichtszeitraum 1992 bis 1994) - Drucksache 13/5991 - Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1994 des wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen „Welt im Wandel: Die Gefährdung der Böden" - Drucksache 13/2221 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments 1996 - Drucksachen 13/7370, 13/7535 Nr. 1.2 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung 57. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 1996) - Drucksachen 13/7168, 13/7460 NL 2 - Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Innenausschuß Drucksache 13/7456 Nr. 2.5 Rechtsausschuß Drucksache 13/4466 Nr. 2.32 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7306 Nr. 1.1 Drucksache 13/7456 Nr. 2.7 Drucksache 13/7541 Nr. 1.2 Drucksache 13/7541 Nr. 1.3 Drucksache 13/7541 Nr. 1.4 Drucksache 13/7541 Nr. 1.5 Drucksache 13/7541 Nr. 1.6 Drucksache 13/7541 Nr. 1.7 Drucksache 13/7541 Nr. 2.1 Drucksache 13/7541 Nr. 2.9 Drucksache 13/7541 Nr. 2.11 Drucksache 13/7541 Nr. 2.14 Drucksache 13/7541 Nr. 2.20 16822* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/3216 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/4466 Nr. 2.3 Drucksache 13/6766 Nr. 2.20 Drucksache 13/6861 Nr. 2.15 Drucksache 13/7017 Nr. 2.6 Drucksache 13/7456 Nr. 1.5 Drucksache 13/7541 Nr. 2.7 Drucksache 13/7706 Nr. 2.12 Drucksache 13/7867 Nr. 1.6 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/7017 Nr. 1.3 Drucksache 13/7456 Nr. 1.1
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ottmar Schreiner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie scheinen wirklich am Ende zu sein. Ich habe selten eine Debatte erlebt, in der Sie zu so vielen Lügen, Halbwahrheiten und Halblügen Zuflucht nehmen mußten.

    (Zustimmung bei der SPD Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Oh!)

    Man kommt ja gar nicht dazu, sein eigenes Konzept vorzutragen, weil man zunächst das klarstellen muß, was an Lügenmärchen in den parlamentarischen Raum gestellt worden ist.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Dann lassen Sie es doch!)

    Ich will einmal mit den Behauptungen des Kollegen Hirche, der sich hier verdünnisiert hat, und des Kollegen Kauder anfangen. Beide haben gesagt, die SPD habe kein vernünftiges Konzept in Sachen Lohnnebenkosten.

    (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Ich behaupte das genaue Gegenteil: Es hat seit 1949 keine Bundesregierung und keine Koalition gegeben, die in diesem Hause die gesetzlichen Lohnnebenkosten in einem solchen Maße nach oben getrieben haben wie die jetzt regierende Koalition. Keine andere Regierung hat das getan.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie finanzieren bis zur Stunde die deutsche Einheit im wesentlichen über die Lohnnebenkosten. Wenn die F.D.P. ihr Gejammer über die hohen Lohnnebenkosten nur einigermaßen ernst nähme, dann dürfte

    Ottmar Schreiner
    sie nicht die Absenkung des Solidaritätsbeitrages - eines Steuerzuschlags - fordern, sondern sie müßte die Absenkung des Solidarzuschlags innerhalb der Sozialversicherung, also innerhalb der Lohnnebenkosten, fordern - der Steuerzuschlag wird zur Finanzierung der ökonomisch-sozialen Gestaltung der deutschen Einheit weiterhin gebraucht -; doch davon ist weit und breit keine Spur.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir waren die einzige Fraktion, die in diesem Parlament in den letzten Monaten und Jahren mehrfach Anträge mit dem Ziel der Absenkung der Lohnnebenkosten vorgetragen hat. Stichwort: ökologische Steuerreform. Das war eine eindeutige Umfinanzierung: weg von der Belastung des Faktors Arbeit, hin zu einer stärkeren Besteuerung des Faktors Energie. Bis weit in die Reihen der Koalition ist mit diesen Vorschlägen sympathisiert worden. Kurzum: Herr Schäuble fand in seinem eigenen Laden nie eine Mehrheit, mit der man die entsprechenden Vorschläge der SPD parlamentarisch hätte begleiten können.
    Bitte sehr: Es hat an solchen Vorschlägen überhaupt nicht gefehlt. Gefehlt hat es an dem Mehrheitswillen der hier regierenden Koalition.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Schreiner, denken Sie an die Stenographen? Sie sprechen so schnell, daß sie kaum folgen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Heiterkeit Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/ CDU]: Es wäre gar nicht schlimm, wenn das nicht festgehalten würde!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ottmar Schreiner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wenn Sie mir eine Minute mehr Redezeit geben, drossele ich das Tempo ein bißchen.
    Der Kollege Kauder hat der SPD vorgehalten, wir hätten in den letzten Jahren in Sachen Lebensarbeitszeit gewissermaßen einen Schlingerkurs gefahren, wir hätten im vorigen Jahr die Koalition kritisiert, als sie die Lebensarbeitszeiten angehoben hat, und hätten unsererseits im eigenen Rentenreformvorschlag die Option für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit eröffnet.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Langsam!)

    Letzteres, Herr Kollege Schäuble, ist richtig, und auch ersteres ist richtig. Wir haben seit 1989 immer wieder gesagt: Eine Lebensarbeitszeitverlängerung kommt für die sozialdemokratische Fraktion nur dann, aber auch dann nur möglicherweise: in Betracht, wenn es gelingt, den Arbeitsmarkt vorher in Ordnung zu bringen. Wir haben über Jahre die gleiche stringente Argumentation vorgetragen, daß es geradezu närrisch und widersinnig wäre, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit die Lebensarbeitszeit zu verlängern, weil eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit nichts anderes bedeutet, als das vorhandene Arbeitsvolumen auf noch weniger Schultern zu verteilen, das heißt, die Arbeitslosigkeit zusätzlich zu erhöhen.

    (Beifall bei der SPD)

    Bei 4,3 Millionen registrierten Arbeitslosen, Stand 1997, besteht nicht der allergeringste Bedarf, die Arbeitslosigkeit über falsche Arbeitszeitentscheidungen weiter nach oben zu treiben, Herr Kollege Kauder.

    (Beifall bei der SPD)

    Das war eine von uns über Jahre schlüssig vorgetragene Linie. Es macht überhaupt keinen Sinn, hier mit solchen Halbwahrheiten und Ammenmärchen zu versuchen, die eigene Position zu beschönigen.
    Nächster Punkt. Mich erstaunt immer wieder, mit welcher Leichtigkeit der Bundesarbeitsminister und die Koalition es schaffen, Probleme, die - auf Grund des demographischen Wandels - unstreitig nach dem Jahre 2015 entstehen werden, als jetzt zwingend zu lösende Probleme in den Vordergrund der Diskussion zu schieben und damit alle wirklichen Probleme erst einmal aus dem Tageslicht herauszunehmen. Der hier bereits mehrfach zitierte Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Deutschen Rentenversicherungsträger, der Kollege Erich Standfest, hat dies, Herr Minister, vor wenigen Wochen in einem Interview als ein Meisterstück der politischen Demagogie bezeichnet. Das ist in der Tat das, was hier abläuft,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    weil von den eigentlichen Kernproblemen, die auch die Finanzierbarkeit der Renten und der Altersversorgung insgesamt unmittelbar und zentral berühren, abgelenkt wird, nämlich von den Fragen: Gelingt es auf europäischer Ebene, das nationale Sozialstaatsmodell zu verankern? Gelingt es, die Massenarbeitslosigkeit drastisch zurückzuführen? Gelingt es, das sogenannte Normalarbeitsverhältnis in einer modernen Form als Finanzierungsgrundlage der Rentenversicherung zu erhalten? Das sind die drei zentralen Fragestellungen, von denen Sie ablenken, bei denen Sie Nebel werfen und eine Gespensterdiskussion zu einer Zeit führen, zu der diese Diskussion überhaupt nicht notwendig wäre.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sagen Sie mal was zum SPD-Konzept!)

    Nun zwei Dinge zur Generationengerechtigkeit. Es ist schon ein erstaunliches Verständnis von Generationengerechtigkeit, wenn man sagt: „Wir senken das Nettorentenniveau auf 64 Prozent ab." Dies geschieht vor dem Hintergrund hoher Massenarbeitslosigkeit. Das bedeutet, daß der jetzigen jungen Generation, der jetzigen beitragszahlenden Generation zugemutet wird, daß sie später eine Rente erhält, die sie unmittelbar in die Nähe der steuerfinanzierten Sozialhilfe führt. Was hat das eigentlich noch mit Generationengerechtigkeit zu tun? Sie betreiben das genaue Gegenteil.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Ottmar Schreiner
    Eine weitere Anmerkung zum Stichwort Generationengerechtigkeit. Die Besorgnisse der jungen Menschen in Deutschland beziehen sich nicht primär auf die Höhe der Beiträge, sondern auf die Sicherheit ihrer späteren Rentenanwartschaften. Die Jungen ziehen damit die rationale Konsequenz aus der immer wieder erlebten Erfahrung, daß die herrschenden politischen Kräfte in Deutschland entschlossen sind, den Sozialstaat weiter abzubauen, um damit ihre eigene Umverteilungspolitik zugunsten des oberen Drittels der Gesellschaft zu finanzieren, Stichwort: Verzicht auf die Vermögensteuer.
    Die jetzige Regierung - das ist der eigentliche Vorhalt - vermittelt den jungen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen eine politische Sozialisation in dem Sinne, daß Solidarität immer dann über Bord geworfen wird, wenn sie dringendst gebraucht wird und notwendig ist.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Unter diesen Bedingungen kann es bei der jungen Generation kein Vertrauen in die Fortdauer des Sozialstaats geben. Die subjektiv verständliche Reaktion heißt dann: Rette sich, wer kann.
    Die Bundesregierung nimmt die von ihr selbst verursachte Vertrauenskrise als Rechtfertigung für weitere Einschnitte. Indem die Bundesregierung fortlaufend die schlimmsten Befürchtungen bestätigt, macht sie den Vertrauensschaden bei der jungen Generation nur noch größer. Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis der Panik.
    Ich habe Ihnen die drei zentralen Problemkreise zu benennen versucht, vor deren Diskussion, Erörterung und Lösung Sie sich drücken. Nochmals: Das Kernthema, um das wirklich gestritten werden müßte, lautet, ob die sogenannte Globalisierung, ob der europäische Binnenmarkt eine wirtschaftsliberale Revolution erfordert, wie dies von seiten der Koalition immer wieder vorgetragen wird, oder ob das Sozialstaatsmodell, das in Deutschland über Jahrzehnte getragen hat, auch unter veränderten ökonomischen Bedingungen eine Zukunft hat. Das ist die zentrale Frage, von deren Beantwortung auch die weitere Finanzierbarkeit der Rente abhängt.
    Dies sollte jedem klar sein, der über aktuelle rentenpolitische Fragen diskutiert. Wer diesen gesellschaftspolitischen Hintergrund vernachlässigt und so tut, als ginge es nur um Beitragssätze, handelt politisch naiv. Deshalb kann die bevorstehende - „Rentenreform 1999", wie sie Arbeitsminister Blüm jetzt nennt, aussehen, wie sie mag - sie wird keine Ruhe schaffen. Eine Reform wird die andere ablösen, solange sich die Politik von der meines Erachtens illusionären und grundfalschen Vorstellung leiten läßt, daß niedrigere Löhne und niedrigere Sozialleistungen auf dem Weg über Standortvorteile zu mehr Beschäftigung führen.
    Die soziale Sicherung in Deutschland - und auch die Rentenversicherung - wird erst dann wieder eine sichere Perspektive haben, wenn es gelingt, im Rahmen der Europäischen Union den ruinösen Standortwettkampf um Deregulierung, niedrige Löhne, Sozialabbau und Steuererleichterungen für die Wohlhabenden zu stoppen und das Projekt Sozialstaat neu zu beleben, das auf der nationalstaatlichen Ebene kaum noch funktionieren kann.
    Meine Damen und Herren, es ist immer wieder auf die Höhe der Sozialleistungen hingewiesen worden. Vor wenigen Wochen hat der Bundesarbeitsminister an die Damen und Herren der Koalitionsfraktionen einen Brief geschickt. Diesem Brief konnte man zwei Botschaften entnehmen. Die erste Botschaft: Kein Land in der Europäischen Union hat in den letzten sieben Jahren so massiven Sozialabbau betrieben wie die Bundesrepublik Deutschland.
    Zweite Botschaft: Im internationalen Vergleich der Europäischen Union liegt die Sozialleistungsquote Westdeutschlands - nur sie ist vergleichbar - inzwischen im unteren Drittel, neben Portugal, Griechenland und Irland.