Rede von
Walter
Hirche
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
So ist es, Herr Kollege Andres. Ich spreche zu diesem Entwurf und Ihrer These von den versicherungsfremden Leistungen. Ich wollte dabei deutlich machen, daß wir eine Gesamtrechnung aufmachen müssen, daß nämlich die Leistungen, die in diesem Fall an Aussiedler gezahlt werden, weit unterhalb dessen liegen, was die Kinder von Aussiedlern oder aktive Aussiedler in das System insgesamt einzahlen. Wir haben also an dieser Stelle, wenn Sie so wollen, einen versicherungsfremden Überschuß. Das war das Thema, das ich hier deutlich machen wollte. Ich freue mich, daß ich das auf Grund Ihrer Zwischenfrage unterstreichen konnte.
Lassen Sie mich zu den Bundeszuschüssen deutlich sagen: Es gibt nicht nur Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, sondern auch zur Knappschaft und zur landwirtschaftlichen Rentenversicherung. Viele Söhne und Töchter von Bergarbeitern und Landwirten arbeiten nicht im Bergbau oder in der Landwirtschaft, sondern sind Beitragszahler bei der Arbeiter- oder Angestelltenversicherung. Fairerweise müßten die Zuschüsse zu all diesen Systemen zusammengerechnet werden.
Eine sachgerechte Diskussion mit sauberen Berechnungen der versicherungsfremden Leistungen und eine Berechnung aller Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungssystemen könnte damit enden, daß schon heute die Bundeszuschüsse die versicherungsfremden Leistungen übersteigen.
Wenn wir, Herr Kollege Andres, darüber diskutieren, mit Steuermitteln eine weitere Verringerung der Lohnzusatzkosten zu erreichen, dann hat das in erster Linie mit dem Thema Arbeitsplätze und Entlastung bei den Lohnzusatzkosten
und nicht mit Ihrer Argumentation, das sei versicherungsfremd, zu tun.
So laufen die Vorschläge der SPD darauf hinaus, die Einnahmen der Rentenkasse zu erhöhen, indem sie die Erwerbstätigen und die künftige Generation
höher belasten. Frau Fischer hat vorhin dazu besonders deutlich Stellung genommen. Die Vorschläge der Sozialdemokraten oder die Dreßlerschen Vorschläge - ich sage es vielleicht lieber eingeschränkt - suggerieren mit simplem Populismus, daß man so weitermachen kann wie bisher. Aber wir brauchen eine Begrenzung der Ausgaben, um Beitragsstabilität und Rentensicherheit zu gewährleisten.
Wenn die Pläne der SPD realisiert würden, bedeutete dies, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den nächsten Jahren gegenüber den Vorschlägen der Koalition mehr als 60 Milliarden DM aufbringen müßten. Das wäre eine Abkehr von jeder Politik der Arbeitsplatzsicherung.
Die F.D.P. hält an ihrem Ziel der Beitragsstabilität und der langfristigen Absenkung der Beiträge fest, weil nur so der arbeitsplatzvernichtende Anstieg der Lohnzusatzkosten gestoppt werden kann. Das Rentenniveau sinkt, und die Renten werden wegen einer Verteilung des Anspruchs auf mehr Lebensjahre langsamer steigen.
Es ist höchste Zeit, Wirtschafts- und Sozialpolitik endlich wieder als Einheit zu sehen.
Eine nur halbherzige Rentenreform, die das Ziel der Beitragssenkung verfehlte, würde Chancen für mehr Beschäftigung zunichte machen; denn die Arbeitslosen sind durch jede Entscheidung zur Rentenreform unmittelbar betroffen.
Insofern ist Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Rentenversicherung eine wesentliche Voraussetzung für mehr Arbeitsplätze in Deutschland und die Zukunftsfähigkeit des gesamten Rentensystems. Dieser Zusammenhang ist in den Diskussionen über die Rentenreform von den Sozialdemokraten leider immer wieder verwischt worden. Das Konzept der SPD - Herr Andres, ich weiß, daß Sie das persönlich nicht wollen - ist ein Abschied aus der Verantwortung für eine Politik für mehr Arbeitsplätze.
Klar ist auch, daß es nur einen Konsens über die tatsächliche Lösung der Probleme und keinen Formelkompromiß geben kann. Aus wirtschaftspolitischer Sicht bedeutet das: Alle Maßnahmen, die die Kosten für die Rentenversicherung in die Höhe treiben, haben katastrophale Folgen für den Standort Deutschland und die Arbeitsplätze.
Trotz dieser Grundsatzkritik fordern wir Sie auf, in den nächsten Gesprächsrunden daran mitzuwirken, daß wir eine gemeinsame Lösung finden. Es muß aber eine Lösung sein, die den Fakten standhält und nicht Dinge für machbar erklärt, die eigentlich nur wünschbar sind. Ich hoffe, daß wir zu dieser gemeinsamen Lösung kommen.
Vielen Dank.