Rede von
Walter
Hirche
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man über Rentenpolitik oder über Sozialpolitik diskutiert, dann muß man auch
Walter Hirche
über deren Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik diskutieren.
Es hat hier im Hause eine gemeinsame Auffassung gegeben, daß die Grundprobleme unserer Gesellschaft damit zusammenhängen, wie wir mehr Arbeitsplätze schaffen können, also wie wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen können. Ich denke, wir sind uns auch einig, daß die Lohnzusatzkosten und die Sozialversicherungsbeiträge dabei eine ganz wesentliche und zentrale Rolle spielen. Aus diesem Grunde beschäftigt sich die Koalition mit dem Thema der Begrenzung der Beiträge zur Rentenversicherung. Das ist angesichts der gestiegenen Lebenserwartung und der Probleme, die auf uns zukommen werden, notwendig.
Mir kommt in dieser Debatte der Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik ein wenig zu kurz, bei allem Verständnis dafür, daß Rentenpolitiker die Details der Rentenpolitik aushandeln. Aber das Wichtigste ist dieser Zusammenhang. Wenn wir jetzt nämlich die Sozialbeiträge senken können - Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es, das langfristig in den Griff zu bekommen -, dann wollen wir damit insgesamt drei Ziele erreichen:
Erstens. Wir senken die Arbeitskosten und verbessern damit die Voraussetzung für Beschäftigung. Das ist ein Beitrag zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit.
Zweitens. Wir wollen die Zukunftsfähigkeit des Rentensystems sichern.
Drittens. Wir wollen die derzeitigen Beitragszahler entlasten, und damit haben sie Mittel frei für eine langfristige private Zusatzvorsorge.
Mit diesen drei Maßnahmen werden die Interessen aller Generationen berücksichtigt. Auf diese Weise können wir auch den Generationenvertrag auf eine neue Grundlage stellen.
Wenn man die einschlägigen Papiere liest, dann muß man sagen, daß auch die SPD das Thema der Lohnzusatzkosten entdeckt hat. Aber wenn man sich die Lösung für dieses Problem anschaut, dann stellt man immer wieder fest, daß es dort zwar heißt, daß die Finanzierungsprobleme durch eine langfristig angelegte Strategie zur Erhöhung der Beschäftigung gelöst werden müßten. Das würde sich noch mit dem decken, was ich eben gesagt habe. Aber dann folgen immer Überlegungen, von denen man nur sagen kann, daß sie einem Horrorszenario für den Standort Deutschland entstammen. Ich denke etwa daran, daß wir Flexibilität in unserer Gesellschaft nicht nur erhalten, nein, vergrößern müssen.
Das Vorhaben, Selbständigkeit und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen, würde den deutschen Arbeitsmarkt eines der wenigen Instrumente zur Erreichung von Beweglichkeit berauben, die er gegenwärtig überhaupt noch hat.
Daß Sie diese Forderung gar noch mit dem Hinweis auf die Beseitigung falscher Anreize begründen, zeigt, daß zumindest die Autoren des SPD-Rentenpapiers von den Problemen der Wirtschaft Schlichtweg keine Ahnung haben. Ich möchte nicht wissen, was die hier heute schon öfter zitierten Herren Clement und Schröder oder Herr Mosdorf aus Ihrer Fraktion - ihn greife ich auch einmal heraus - zu einer solchen Position sagen würden.
- Herr Geißler, es ist ja immer noch erlaubt, einmal deutlich zu machen, daß es Widersprüche in einer Fraktion gibt, die für sich in Anspruch nimmt, wegweisende Lösungen zu haben.
Ich denke, daß wir immer wieder aufzeigen müssen, daß das kein Rezept für die Zukunft ist.
Wir brauchen Deregulierung und keine weitere Regulierung; das wäre ein Bärendienst an den Arbeitslosen.
Wir Freie Demokraten sind auch dagegen, daß unter dem Deckmantel sogenannter Umfinanzierung versicherungsfremder Leistungen Verschiebebahnhöfe eröffnet werden. Dies führt doch nur zu neuen Begehrlichkeiten und früher oder später dann zu Steuererhöhungen. Höhere Steuern würden weitere Arbeitsplätze aus dem Land treiben und den Freiraum für private Vorsorge nicht erweitern, sondern einengen.
Was sind denn überhaupt die als versicherungsfremd bezeichneten Leistungen? Frau Babel ist darauf ja schon eingegangen. Die Frage lautet zum Beispiel: Wäre der Beitragssatz zur Rentenversicherung niedriger, wenn wir in Deutschland keine Aussiedler aufgenommen hätten? Denn diese Beiträge tauchen dann ja immer in der Liste sogenannter versicherungsfremder Leistungen auf. Dazu muß man sagen: Das Gegenteil ist der Fall; hätten wir keine Aussiedler in Deutschland, fiele der Beitragssatz zur Rentenversicherung um 0,3 Prozentpunkte höher aus.
- Einen Satz noch.
Das heißt, die Ausgaben für die eingewanderten Rentner werden durch die Leistungen der ebenfalls eingewanderten Beschäftigten mehr als kompensiert.