Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Gipfeltreffen in Amsterdam und Denver gehen wichtige Signale für die Wirtschafts- und Finanzpolitik aus. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Europäischen Rates von Dublin im Dezember 1996 konnte Einvernehmen über alle notwendigen Entschließun-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
gen und Ratsverordnungen erzielt werden, die einen reibungslosen Übergang zur Währungsunion und deren erfolgreiches Funktionieren sichern.
Im Vorfeld des Europäischen Rats hatte es Irritationen gegeben. Einige haben einen Widerspruch zwischen der Stabilität des Euro und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit herstellen wollen. Aber Amsterdam hat gezeigt: Nach wie vor sind wir uns mit allen EU-Partnern - mit Großbritannien und auch mit der neuen französischen Regierung - in der Überzeugung einig: Preisstabilität und Haushaltsstabilität sind unabdingbare Voraussetzungen für dauerhaftes Wachstum und Beschäftigung.
In Deutschland ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oberstes Ziel der wirtschafts- und finanzpolitischen Anstrengungen. Es gibt keinen Gegensatz zwischen Konsolidierung und Stabilität auf der einen Seite und mehr Arbeitsplätzen auf der anderen Seite. Konsolidierung und Stabilität sind die Voraussetzungen für mehr Arbeitsplätze und für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Dementsprechend ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt, wie er seit Dublin genannt wird, in Amsterdam ohne jeden Abstrich so verabschiedet worden, wie ihn die Finanzminister auf ihrem informellen Treffen in Noordwijk vorbereitet hatten. Eine Neuverhandlung des Stabilitätspaktes stand in Amsterdam nicht zur Diskussion.
Ich nehme für uns, für die Finanzminister, in Anspruch, daß wir ähnlich wie in Maastricht auch jetzt durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt, durch EWS II und durch die Festlegung des rechtlichen Rahmens für den Euro die wichtige Voraussetzung dafür geschaffen haben, daß dieses säkulare politische Ereignis optimal vorbereitet worden ist und jetzt auch eintreten kann.
Auf EU-Ebene haben wir alles getan, damit Haushaltsdisziplin auf Dauer gesichert wird. Es wird keinen weichen Euro geben.
Wenn ausgerechnet Herr Fischer uns ermahnt, das Notwendige für Europa zu tun, dann kann ich nur sagen: Herr Fischer, wir haben für Europa gekämpft und uns für den Euro eingesetzt, als Sie noch mit Turnschuhen über die Startbahn West in Frankfurt gehüpft sind und mit dem Euro und allen anderen diesbezüglichen Dingen nichts am Hut gehabt haben.
Damals hatten Sie allerdings noch keine Weste, damit Sie rechtzeitig über die Bahn hüpfen konnten. Aber ich will mich hier in diesem Zusammenhang nicht näher mit Ihrer Vergangenheit beschäftigen. Das werden Sie tun müssen.
- Sie müssen wissen, ob Sie Ihre Reden hier auch nur annähernd mit dem Unfug und dem schlimmen Zeug in Verbindung bringen, das Sie noch vor zehn oder 15 Jahren von sich gegeben haben. So ein Mann will in Deutschland Außenminister werden! Um mit Heine zu sprechen: Denke ich an Fischer in der Nacht, bin ich, wenn ich an Deutschland denke, um meinen Schlaf gebracht. Aber dies wird Gott sei Dank nie eintreten.
- Herr Fischer, ich will Ihnen eines sagen: Edmund Stoiber hat für Europa und für dessen Stabilität innerhalb der Partei - im Rahmen unseres Streites stand er auf meiner Seite - mehr getan als Sie mit Ihrer unwahrhaftigen Polemik und Ihrer verlogenen Diskussion.
Nun sind die Dinge ziemlich klar. Im Vertrag stehen die Kriterien, im Protokoll die Zahlen. Dies ist durch den Stabilitätspakt ausgefüllt worden. Dort ist sogar erreicht worden, daß die Drei-Prozent-Defizitgrenze eine Obergrenze auch im Rahmen der Schwankungen der Konjunktur darstellt. Darüber gibt es keine abstrakte Diskussion.
Es gibt auch keinen automatischen Fahrplan. 1997 ist das Referenzjahr. Jedes Land hat die Chance, und jedes Land hat die Pflicht.
Für jedes Land gelten die gleichen Voraussetzungen.
Es zählen die Ist-Ergebnisse des Jahres 1997 und nicht Prognosen, Schätzungen und Quartalsabrechnungen.
Diese Ist-Zahlen liegen im März vor.
Die Bewertung nehmen die Europäische Kommission und das Europäische Währungsinstitut vor. Dann diskutieren darüber das Europäische Parlament, der Deutsche Bundestag sowie der Bundesrat und geben entsprechende Meinungen und Bewertungen ab.
- Im Gegensatz zu Ihnen hat sich die CSU mit Europa seit 1946 beschäftigt. Schon damals hat sich diese
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Partei aus ihrer bayerischen Sicht für Europa ausgesprochen.
Da haben Sie sich noch in anderen Sphären bewegt. Als Sie erstmals politisch dachten, befanden Sie sich in einer Denkkategorie, die für Europa eine Katastrophe gewesen wäre.
Ausgerechnet Sie wollen sich zum Lehrmeister für Europa machen? Wenn sie wenigstens an der Stelle Ihren Mund hielten!
Anfang Mai erfolgt die Entscheidung des Europäischen Rates, vorbereitet vom Ecofin.
- Herr Präsident, da ist ein Papagei. Es gibt Leute, die sich, wenn man ihnen die Begriffe Angebot und Nachfrage und eine Zahl aus dem kleinen Einmaleins beibringt, für Nationalökonomen halten. In Wirklichkeit sind sie politische Papageien. Diesmal meine ich damit Herrn Fischer.
Wir werden jedenfalls die Märkte beachten und keine ,,Weich-Euro"-Erwartung zulassen. Die Bundesregierung hat mit dem Stabilitätspakt die Stabilität gefestigt. Ein Aufweichen unserer Position findet nicht statt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, was die neue französische Regierung, der neue französische Finanzminister und auch der französische Premierminister gerade in den letzten Tagen gesagt haben. Heute kommt folgende Tickermeldung auf den Tisch:
Frankreichs neue Links-Regierung will die Voraussetzungen für eine Beteiligung am Euro zum vorgesehenen Zeitpunkt schaffen. Das haben am Donnerstag noch einmal ... Lionel Jospin und sein Wirtschafts- und Finanzminister Dominique Strauss-Kahn in Paris bekräftigt.
Weiter heißt es:
Der Wirtschafts- und Finanzminister nannte es „notwendig", das Defizit wie vorgeschrieben zu begrenzen.
Meine Damen und Herren, das zeigt, daß auch eines unserer wichtigsten Partnerländer daran interessiert ist, die Kriterien einzuhalten. Es ist eigentlich ein wichtiges Zeichen, daß Regierungen, unabhängig davon, ob sie konservativ, liberal oder sozialistisch gestaltet waren oder sind, in den letzten Jahren und auch jetzt an dem Ziel und auch an den Kriterien festhalten, damit der Euro von Anfang an akzeptiert und anerkannt wird und wir unserem Versprechen gerecht werden, der Euro werde genauso stark wie die D-Mark sein. Daran halten wir fest.
Daneben haben wir in Amsterdam einer separaten Entschließung des Europäischen Rates zu Wachstum und Beschäftigung zugestimmt. Sie ist nicht Bestandteil des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Diese Entschließung sieht unter anderem eine Verstärkung der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten vor. Die Europäische Investitionsbank wird zur Nutzung ihrer Programme für arbeitsplatzwirksame Projekte aufgefordert.
Dies bleibt in unser wirtschaftspolitisches Grundverständnis eingebettet: überzeugende Stabilitätspolitik und Fortsetzung der Strukturreformen. Mit diesem Verständnis konnten wir auch der Aufnahme eines Beschäftigungskapitels in den Vertrag zustimmen; dasselbe gilt für die sofortige Anwendung des darin vorgesehenen Koordinierungsverfahrens.
Meine Damen und Herren, die Entschließung des Europäischen Rates knüpft an die Strategie des Europäischen Rates von Essen 1994 an: Der Weg zu mehr Arbeitsplätzen führt nur über Strukturreformen in jedem Mitgliedstaat. Karl Schiller hat einmal gesagt: „Stability begins at home." Auch Beschäftigungspolitik beginnt zu Hause. Wer aber hier zu einer Steuerstrukturreform nein sagt, wer hier zu einer notwendigen Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme im Renten- und Gesundheitsbereich nein sagt, wer hier nicht bei der notwendigen Konsolidierung mitmacht, der hat doch kein Recht, über die Arbeitslosigkeit zu klagen. Sie sind leider die Mitschuldigen an dieser Negativentwicklung!
Der Gipfel hat gezeigt, daß der Einigungswille in der Europäischen Union stärker als alle Zweifel ist, die in seinem Vorfeld angemeldet wurden. EWS II ist ebenfalls ein wichtiger Fortschritt, der die Spaltung Europas verhindert, den Disziplinierungsdruck aller Beteiligten auf Stabilität und Konsolidierung beibehält und denen, die noch nicht teilnehmen können oder wollen, hilft, sich dem Anker Euro anzuschließen und sich auf einen späteren Beitritt vorzubereiten.
Gerade als ein überzeugter Föderalist bin ich froh, daß das geltende Subsidiaritätsprinzip auf deutsches Drängen hin durch ein Subsidiaritätsprotokoll ergänzt und konkretisiert wurde. Praktizierte Subsidiardität ist für uns notwendige Grundlage einer leistungsfähigen, bürgernahen Union, also ein Gegenprogramm zu zentralistischer Bevormundung durch Bürokratie. Die Stärkung der Subsidiarität ist auch ein Teil der Vorbereitung der Gemeinschaft auf ihre wachsende Vielfalt und Komplexität im Gefolge der Erweiterung.
In diesem Protokoll sind zwei weitere für mich wesentliche Aspekte aufgenommen worden, für die ich mich eingesetzt habe:
Die EU-Kommission muß künftig erläutern, warum die Finanzierung einer gemeinschaftlichen Maß-
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nahme teilweise oder vollständig aus dem Gemeinschaftshaushalt bestritten werden soll.
Sie muß ferner darauf achten, daß die finanzielle Belastung für die Bürger so gering wie möglich gehalten wird und außerdem in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Maßnahme angestrebten Ziel steht. Wir werden auf die genaue Einhaltung der Kriterien achten.
Diese neuen Regelungen im Subsidiaritätsprotokoll bedeuten eine Verbesserung im verantwortlichen Umgang mit öffentlichen Mitteln, an der gerade die Bundesrepublik als größter Nettozahler der Union ein fundamentales Interesse hat. Wir werden jetzt alles daransetzen, daß auch die finanzielle Struktur der Gemeinschaft ab 1999 gerechter gestaltet wird, als das bisher der Fall gewesen ist.
Meine Damen und Herren, die Signale, die von Amsterdam und Denver ausgehen, sind für die Wirtschafts- und Finanzpolitik deckungsgleich. Es führt kein Weg vorbei an Strukturreformen. Mehr Beschäftigung ist nur über eine Modernisierung unserer Volkswirtschaft erreichbar. Beschäftigungspolitik ist Reformpolitik, bedeutet Steuerreform und Reform unserer sozialen Sicherungssysteme. Wer sich diesen Reformen verweigert oder sie blockiert, versagt vor dieser Herausforderung und handelt verantwortungslos.
Die Regierung, diese Koalition, war sich in Amsterdam, in Denver und auch bei der Konferenz in New York ihrer nationalen und internationalen Verantwortung bewußt.
Ich danke Ihnen.