Rede von
Prof. Dr.
Helmut
Haussmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über das Problem, daß wichtige Ziele von Bürgern, nämlich Arbeit, Umwelt, Sicherheit, nicht mehr erreichbar sind mit den traditionellen nationalen Formen der Politik. Das heißt, daß alle Parteien die Aufgabe haben, den Menschen klarzumachen, daß ihre Ziele nur durch stärkeres internationales Denken, durch globales Verständnis erreichbar sind.
Die größte Gefahr, die ich derzeit in der deutschen Diskussion sehe, ist folgende: Wirtschaft und Wissenschaft globalisieren sich, aber ein Teil der deutschen Diskussion wird immer provinzieller.
Wir haben ausreichende Beispiele. Ganz nah liegt der Gedanke an Hannover, leider auch der an München. Nur, beim Euro-Populismus gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Herrn Stoiber und Herrn Schröder: Herr Stoiber ist wenigstens in der Lage, in seinem Bundesland die Maastricht-Kriterien zu erfüllen; Herr Schröder ist dazu nicht in der Lage.
Das eigentlich Beruhigende für mich und die F.D.P. ist: Es gab noch nie Bundeskanzler, die sich in einer so wichtigen internationalen Frage populistisch verhalten haben. Insofern werden die Ambitionen von Herrn Schröder und von Herrn Stoiber an diesem Projekt scheitern. Denn bei einem so wichtigen internationalen Projekt braucht man Klarheit, braucht man Verläßlichkeit.
Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß bei den Kriterien die Zahlen vor dem Komma, nicht die nach dem Komma stimmen. Deshalb muß man den Bürgern erklären, daß eine Inflationsrate unter 2 Prozent ein Hinweis auf den stabilen Euro ist, und sollte keine Kommadiskussion führen.
Herr Schröder hat sich in Sachen Populismus ja mittlerweile an die Spitze gesetzt. In seinem jüngsten Interview zieht er an allen anderen Populisten vorbei, indem er inzwischen eine Verschiebung der Währungsunion von bis zu fünf Jahren fordert.
Man muß sich das einmal vorstellen: Die Währungsunion beginnt dann im Jahre 2004. Herr Schröder wäre dann bereits im Pensionsalter. Dies ist eine gewisse Beruhigung für dieses wichtige Projekt.
Wenn ich Herrn Fischer so höre, wird mir erneut klar: Es ist wichtig, wer auf solchen internationalen Konferenzen ein so wichtiges Land persönlich repräsentiert. Da ist die deutsche Außenpolitik beim Außenminister Kinkel in guten Händen. Ich kann mir richtig vorstellen, wie Herr Fischer auf internationalen Gipfeln Frau Albright klarmacht, was Sache ist - der Vorsitzende einer Partei, die eine lange Tradition des Antiamerikanismus gepflegt hat,
die in der Bosnien-Frage eine völlige Kehrtwendung vollzogen hat, die noch vor kurzer Zeit gegen die NATO insgesamt war und die zunächst auch den Maastricht-Vertrag abgelehnt hat. Herr Fischer, Sie haben hier eine große Kurve vollzogen, einen riesigen Umfaller hinter sich.
Bis heute ist völlig offen, ob Ihre Fraktion dem Amsterdamer Vertrag zustimmt. Ich kann da nur Herrn Scharping loben, der sofort erklärt hat: Die Sozialde-
Dr. Helmut Haussmann
mokraten werden den neuen Vertrag ratifizieren. Insofern haben wir eine Zweidrittelmehrheit. Daher kommt es auf die innerparteiliche Diskussion der Grünen nicht an. Nur, Ihr großer Anspruch, in der Weltpolitik mitzubestimmen, erfordert zunächst einmal eine Klärung im eigenen Laden,
eine moderne, aufgeklärte Politik und Verständnis für die wichtigste Weltmacht, nämlich für Amerika. So weit sind Sie in Ihrer eigenen Partei noch lange nicht.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie auf dem Weltwirtschaftsgipfel Herr Schröder als Bundeskanzler Deutschland repräsentieren würde, ein Mann, der das wichtigste europäische Projekt als Monopolywährung bezeichnet hat und der nicht einmal in der Lage ist, in seinem eigenen Bundesland für Ordnung zu sorgen und die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Insofern bin ich beruhigt, daß auch in Zukunft auf Weltwirtschaftsgipfeln Bundeskanzler Kohl, Außenminister Kinkel, Finanzminister Waigel und Wirtschaftsminister Rexrodt unser Land repräsentieren werden.
Meine Damen und Herren, entscheidend ist - und das ist zu kurz gekommen -, daß es auf Dauer eine neue Weltordnung gibt. Dafür bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder bleiben die Vereinigten Staaten von Amerika die einzige Weltmacht, oder es entsteht eine andere Staatenverbindung in Asien oder in Europa, die in der Lage ist, eine globale Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika einzugehen.
Wer sich ärgert, daß das Umweltthema zu kurz kommt, wer sich ärgert, daß sich die Amerikaner hegemonial verhalten, wer sich ärgert, daß die Amerikaner ihre Art der Wirtschaftspolitik zum Vorbild machen, der muß zunächst zu Hause, hier vor Ort, dafür sorgen, daß wir erneut so fit, so wettbewerbsfähig werden, um international eine wichtige Rolle spielen zu können.
Es ist der eigentliche Skandal, daß Sie hier große Reden halten, daß Sie von uns selbstbewußtes Auftreten fordern, Sie aber zugleich in einer Dauerblockade dafür sorgen, daß wir uns weder in der Steuer- noch in der Renten- oder Sozialpolitik für den Weltmarkt fit machen können.
Das ist das eigentliche Ärgernis, und aus dieser Diskussion werden wir Sie nicht entlassen. Es ist einfach lächerlich, wenn wir auf internationalen Konferenzen rechtfertigen müssen, warum wir immer noch eine Gewerbekapitalsteuer haben. Wer, wie gestern
die Diskussion wieder gezeigt hat, für dieses Dauertheater, diesen Skandal,
die Gewerbekapitalsteuer nicht abzuschaffen, verantwortlich ist, der hat jedes Recht verwirkt, auf internationaler Ebene zu fordern, Deutschland solle härter auftreten.
Ihr innenpolitisches Verhalten und Ihr internationaler. Anspruch passen einfach nicht zusammen.
Wenn wir den Amsterdamer Gipfel darauf testen, inwieweit die Europäer für eine internationale, globale Partnerschaft mit Amerika fit werden, so gibt es zwei wesentliche Fortschritte. Auch hier möchte ich noch einmal ausdrücklich für die vorbereitenden Verhandlungen Herrn Hoyers danken.
Wir haben im Bereich des Europäischen Parlaments deutliche Fortschritte erreicht. Das ist ganz entscheidend. Das Europäische Parlament ist jetzt in 23 Bereichen in Mit-Entscheidungsverfahren einbezogen. Der Chef der Europäischen Kommission hat eine stärkere Stellung - das ist für seine Außenvertretung im globalen Bereich von allergrößter Bedeutung -, und wir haben im Innen- und Rechtsbereich den Weg zu mehr gemeinschaftlichen Lösungen gebahnt. Dies ist ein wesentlicher qualitativer Fortschritt.
Nicht zufrieden sind wir im institutionellen Bereich. Auf diesem Feld müssen wir weiter arbeiten; denn dies ist die Voraussetzung für die Erweiterung der Europäischen Union nach Mittel- und Osteuropa. Wir müssen darauf achten, daß die Länder in Mittel-und Osteuropa nicht den Eindruck bekommen, wir würden durch mangelnden Reformwillen im institutionellen Bereich, im Bereich der Agrarpolitik, im Bereich der Finanzpolitik, die Erweiterung der EU nach Mittel- und Osteuropa auf die lange Bank schieben.
Wir sind vital daran interessiert, es liegt im ureigensten Interesse der westeuropäischen Länder, die mittel- und osteuropäischen Länder aus demokratischen Gründen, aus Sicherheits-, aber vor allem auch aus ökonomischen Gründen innerhalb eines kurzen Zeitraums zu integrieren.
Darauf müssen wir auch die deutsche Bevölkerung vorbereiten. Die Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa bedeutet einen weiteren Schub an Strukturwandel; er bedeutet mehr Wettbewerb für Arbeitnehmer, für Freiberufler, für Landwirte. Wenn wir die Menschen nicht sehr früh auf die Vorteile einer Erweiterung vorbereiten, werden wir erneut - wie bei der europäischen Währung - ein Problem damit bekommen, daß die Menschen nicht verstehen, warum die europäische Integration so wichtig ist.
Dr. Helmut Haussmann
Ein weiterer wesentlicher Erfolg - das will ich auch noch einmal ausdrücklich an Herrn Waigel gerichtet sagen - ist die unveränderte Durchsetzung des Stabilitätspaktes. Es ist eigentlich tragisch, daß dieser wesentliche Fortschritt jetzt schon wieder in der deutschen Innenpolitik so zerredet wird. Die Durchsetzung des Stabilitätspaktes heißt für Menschen und Märkte: Die Voraussetzungen für einen stabilen Euro sind dauerhaft klar, der Euro kommt. Ich kann nur an das anschließen, was Herr Lamers zu Recht gesagt hat.
Das Reden von einem weichen Euro ist unverantwortlich, meine Damen und Herren. Ganz im Gegenteil: Dank der niedrigen Inflationsrate, dank der niedrigen Zinsen, dank eines möglichen großen Währungsgebietes gegenüber dem Dollar, dank des neuen Präsidenten Duisenberg, der nächste Woche sein Amt antritt, sind alle institutionellen und personellen Voraussetzungen dafür gegeben, daß die europäische Währung von Anfang an im fairen Wettbewerb mit dem Dollar zu einer stabilen Währung für Europa wird und damit eine entscheidende Voraussetzung für mehr Arbeitsplätze für Europäer und für Deutsche.
Das ist ein entscheidender Fortschritt. Den sollten wir nicht kleinreden.
Stabilität beginnt zu Hause. Wer eine neue Weltordnung will, der muß wissen, ob Amerika im nächsten Jahrhundert alleine bleibt, ob Asien der zweite Partner wird oder Europa. Wir dürfen nicht unterschätzen, daß die Flexibilität der Asiaten, die Nähe im pazifischen Bereich, ihre wirtschaftliche Dynamik und ihre Offenheit aus amerikanischer Sicht sehr attraktiv sind. Wenn wir Europäer uns nicht anstrengen, geschlossener aufzutreten, den Binnenmarkt mit einer stabilen Währung zu vollenden, dann dürfen wir uns nicht beklagen, wenn sich die Amerikaner in ihrer weltweiten Politik stärker auf Asien konzentrieren.
Die Chancen für die Europäer sind nach wie vor gegeben. Das erfordert aber, daß man die Menschen auf globale, auf internationale Zusammenhänge vorbereitet und daß man provinzielle politische Diskussionen unterläßt, die die Ängste nur schüren würden. Die Globalisierung ist insgesamt eine große Chance für ein Exportland wie die Bundesrepublik. Es gibt daran nichts Negatives. Der wirkliche Gewinner der Globalisierung ist aber die dritte Welt.
Wir müssen unsere Systeme, unsere Sozial-, Steuer- und Bildungssysteme, so vorbereiten, daß die Deutschen im internationalen Wettbewerb bestehen können und damit am Schluß Gewinner und nicht Verlierer sind.
Vielen Dank.