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    Plenarprotokoll 13/185 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 185. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 8. September 1997 16733 A Begrüßung einer Delegation der Knesset des Staates Israel 16733 B Tagesordnungspunkt 11: Erklärung durch die Bundesregierung zum Europäischen Rat in Amsterdam sowie zum Weltwirtschaftsgipfel in Denver und zur Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen . . 16733 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16733 C Rudolf Scharping SPD 16739 C Karl Lamers CDU/CSU 16743 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16746 A Dr. Helmut Haussmann F.D.P 16749 B Dr. Gregor Gysi PDS 16751 C Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 16743 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 16756 B Hartmut Schauerte CDU/CSU 16758 B Ernst Schwanhold SPD 16760 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16761 C Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 16763 C Birgit Homburger F D P. 16764 D Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) (Drucksache 13/8011) 16766 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Rudolf Dreßler, Ulrike Mascher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Strukturreform statt Leistungskürzungen in der Alterssicherung (Drucksache 13/8032) 16766 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Generationenvertrag neu verhandeln (Drucksache 13/8036) 16766 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 20: Antrag der Gruppe der PDS: Rentenversicherung stabilisieren und Reform 2000 vorbereiten (Drucksache 13/8044) 16767 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 16767 A Rudolf Dreßler SPD 16772 A, 16789 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . 16775 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16777A, 16799 D Dr. Gisela Babel F.D.P 16780 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16781 C Peter Dreßen SPD 16783 A Petra Bläss PDS 16783 D Julius Louven CDU/CSU 16786 B Ulrike Mascher SPD 16789 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16792 D Walter Hirche F.D.P 16793 D Gerd Andres SPD 16795 A Maria Eichhorn CDU/CSU 16796 A Margot von Renesse SPD . . . 16797 B, 16800 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 16798 C, D Heidemarie Lüth PDS 16801 A Volker Kauder CDU/CSU . . . 16801 D, 16806 D Ottmar Schreiner SPD 16803 C, 16807 A Hartmut Schauerte SPD 16805 D Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 16807 C Zusatztagesordnungspunkt 21: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu möglichen atomaren Verseuchungen des Meerwassers bei La Hague durch die Wiederaufbereitung deutschen Atommülls 16809 C Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16809 D Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 16810 C Jutta Müller (Völklingen) SPD 16811 B Birgit Homburger F D P. 16812 C Rolf Köhne PDS 16813 B Horst Kubatschka SPD 16813 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16814 D Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16815 D Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 16816 D Arne Fuhrmann SPD 16818 A Wolfgang Behrendt SPD 16818 D Nächste Sitzung 16819 D Berichtigung 16819 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 16821* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 16821 C 185. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 146. Sitzung, Seite 13 263 C, letzte Zeile: Statt „Drucksache 13/5555 Nr. 1.18" ist „Drucksache 13/5555 Nr. 2.21 " zu lesen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 27. 6. 97 * Bachmaier, Hermann SPD 27. 6. 97 Behrendt, Wolfgang SPD 27. 6. 97 * Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 27. 6. 97 Blunck, Lilo SPD 27. 6. 97 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 27. 6. 97 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 27. 6. 97 Caspers-Merk, Marion SPD 27. 6. 97 Graf von Einsiedel, PDS 27. 6. 97 Heinrich Fink, Ulf CDU/CSU 27. 6. 97 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 27. 6. 97 * Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 27. 6. 97 Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS 27. 6. 97 Horn, Erwin SPD 27. 6. 97 Hustedt, Michaele BÜNDNIS 27. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Jacob, Willibald PDS 27. 6. 97 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 27. 6. 97 * Knoche, Monika BÜNDNIS 27. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 27. 6. 97 Limbach, Editha CDU/CSU 27. 6. 97 Lohmann (Witten), Klaus SPD 27. 6. 97 Marten, Günter CDU/CSU 27. 6. 97 * Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 27. 6. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 27. 6. 97 Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 27. 6. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 27. 6. 97 * Reschke, Otto SPD 27.6. 97 Ronsöhr, CDU/CSU 27.6.97 Heinrich-Wilhelm von Schmude, Michael CDU/CSU 27. 6. 97 * Schultz (Everswinkel), SPD 27. 6. 97 Reinhard Seibel, Wilfried CDU/CSU 27. 6. 97 Simm, Erika SPD 27. 6. 97 Terborg, Margitta SPD 27. 6. 97 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 27. 6. 97 Vosen, Josef SPD 27. 6. 97 Wohlleben, Verena SPD 27. 6. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 27. 6. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Abgeordnete Dr. Gisela Babel hat ihre Unterschrift zu dem Antrag „Eckpunkte für die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen" - Drucksache 13/6591- zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritter Bericht der Bundesregierung über die Förderung der Frauen im Bundesdienst (Berichtszeitraum 1992 bis 1994) - Drucksache 13/5991 - Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1994 des wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen „Welt im Wandel: Die Gefährdung der Böden" - Drucksache 13/2221 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments 1996 - Drucksachen 13/7370, 13/7535 Nr. 1.2 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung 57. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 1996) - Drucksachen 13/7168, 13/7460 NL 2 - Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Innenausschuß Drucksache 13/7456 Nr. 2.5 Rechtsausschuß Drucksache 13/4466 Nr. 2.32 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7306 Nr. 1.1 Drucksache 13/7456 Nr. 2.7 Drucksache 13/7541 Nr. 1.2 Drucksache 13/7541 Nr. 1.3 Drucksache 13/7541 Nr. 1.4 Drucksache 13/7541 Nr. 1.5 Drucksache 13/7541 Nr. 1.6 Drucksache 13/7541 Nr. 1.7 Drucksache 13/7541 Nr. 2.1 Drucksache 13/7541 Nr. 2.9 Drucksache 13/7541 Nr. 2.11 Drucksache 13/7541 Nr. 2.14 Drucksache 13/7541 Nr. 2.20 16822* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/3216 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/4466 Nr. 2.3 Drucksache 13/6766 Nr. 2.20 Drucksache 13/6861 Nr. 2.15 Drucksache 13/7017 Nr. 2.6 Drucksache 13/7456 Nr. 1.5 Drucksache 13/7541 Nr. 2.7 Drucksache 13/7706 Nr. 2.12 Drucksache 13/7867 Nr. 1.6 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/7017 Nr. 1.3 Drucksache 13/7456 Nr. 1.1
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    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vergangenen Wochen standen im Zeichen einer Reihe von wichtigen internationalen Konferenzen. Dabei wurde deutlich, daß das Jahr 1997 ein Schlüsseljahr für die Fortentwicklung der internationalen Beziehungen und für eine neue Partnerschaft zwischen Ost und West, aber auch zwischen Nord und Süd ist. Es gilt, nach dem Ende des Ost-West-Konflikts die Chancen zu nutzen und gemeinsam eine Welt zu gestalten, in der man versucht, die globalen Probleme im Miteinander zu lösen. Es geht darum, daß sich die Staatengemeinschaft - in Europa und weltweit - auf die enormen Veränderungen einstellt, die sich an der Schwelle zum 21. Jahrhundert ergeben, daß neue Antworten - und zum Teil auch neue Strukturen - auf die Herausforderungen dieses Jahrhunderts gefunden werden. Fragen wie die Globalisierung der Wirtschaft - und damit die weltweite Arbeitsteilung - oder Probleme wie die weiter wachsende Umweltbelastung stellen sich nicht nur den einzelnen Ländern, sondern überall in der Welt. Sie erfordern notwendigerweise eine immer engere Zusammenarbeit über Grenzen und Kontinente hinweg. Es ist unübersehbar: Die Länder der Erde sind heute mehr denn je zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden.
    Für uns Deutsche sind vor allem zwei wichtige Gesichtspunkte auf den Konferenzen der vergangenen Wochen klargeworden:
    Erstens: An unser Land, an Deutschland, richten sich hohe Erwartungen. Deutschland genießt - weit über Europa hinaus - Wertschätzung und Vertrauen in einem Maße, wie es wohl noch nie zuvor der Fall gewesen ist. Dies nimmt uns in einer ganz besonderen Weise in die Pflicht. Das heißt, wir tragen nicht nur Verantwortung für unser eigenes Land, sondern eine besondere Verantwortung für die Entwicklung in der Welt.
    Zweitens: Im Zeitalter globaler Entwicklungen lassen sich Außen- und Innenpolitik noch weniger trennen als je zuvor. Das heißt, international mitgestalten kann nur der, der auch zu Hause zu Veränderungen bereit ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Deshalb muß die Politik der Reformen in unserem Lande fortgesetzt und auch durchgesetzt werden.
    Das Entstehen einer neuen Partnerschaft zwischen Ost und West hat sich insbesondere auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Denver deutlich widergespiegelt. Bei diesem Gipfel war Rußland von Anfang an dabei. Der russische Präsident Boris Jelzin hat auf Einladung von Präsident Clinton das diesjährige Treffen der Staats- und Regierungschefs eröffnet. Ich halte dies für einen Vorgang von großer politischer und psychologischer Bedeutung.
    Nachdem Rußland bereits seit dem Gipfel in München 1992 immer stärker in den Entscheidungsprozeß der G 7 eingebunden wurde, haben wir in diesem Jahr den Schritt zum Gipfel der Acht vollzogen. Dies ist ein klares Signal der Ermutigung für die demokratische und wirtschaftliche Reformpolitik Rußlands. Am Gelingen dieser Politik in Rußland - das gleiche gilt für die Entwicklung der Politik in den mittel- und osteuropäischen Reformstaaten insgesamt - hat Europa, insonderheit Deutschland als Land in der Mitte, ein ganz zentrales Interesse.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In Denver wurden die Anstrengungen Deutschlands, gerade Rußland und den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas insgesamt beim Aufbau und Ausbau von Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft zu helfen, von meinen Kollegen ausdrücklich gewürdigt.
    Eines der wichtigsten Themen bei den politischen Beratungen der Acht war der Friedensprozeß in Bosnien-Herzegowina. Wir waren uns darin einig, daß die politisch Verantwortlichen in Bosnien und Herzegowina wie auch in Kroatien und in der Bundesrepublik Jugoslawien ihren Verpflichtungen zur Umsetzung des Dayton-Abkommens bisher nicht ausreichend nachgekommen sind. Wir stimmten darin überein, daß wir alles versuchen sollten, den Druck auf alle Parteien weiter zu verstärken, damit das Abkommen vollständig verwirklicht wird.
    Unsere Unterstützung für den Wiederaufbau in dieser Region ist klar verbunden mit der Bereitschaft der dort Verantwortlichen zu einer wirklich konstruktiven Mitarbeit. Das Recht der Flüchtlinge und Vertriebenen auf Rückkehr in ihre Heimat muß gewährleistet sein. Daran hat Deutschland ein ganz besonderes Interesse. Mit der Aufnahme von mehr als 300 000 Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien hat unser Land einen großen humanitären Beitrag geleistet. Es war richtig, daß wir das getan haben. Bund, Länder und Gemeinden zusammen haben seit 1991 für die Betreuung dieser Flüchtlinge mehr als 15 Milliarden DM aufgewendet. Jeder erkennt: Es wäre sehr viel sinnvoller, wir könnten diese Mittel dazu verwenden, die Dörfer und Städte, die Fabrikationsstätten und Arbeitsplätze vor Ort aufzubauen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Vordergrund der Beratungen zu den Wirtschaftsfragen standen vor allem die Strukturreformen in den einzelnen Ländern der G 8, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und zur Alterssicherung. Es ist
    offenkundig, daß unter diesen Acht alle voneinander lernen können - auch wir in der Bundesrepublik Deutschland -, etwa von unseren amerikanischen Freunden und Partnern. Es ist auch offenkundig, daß es kein für alle gleichermaßen gültiges Patentrezept gibt; denn jedes Land hat seine eigene Geschichte und Tradition; in jedem Land gibt es mentale Unterschiede und unterschiedliche Strukturen. Daraus ergibt sich, daß die Hauptverantwortung in den einzelnen Ländern liegt - bei den Tarifpartnern wie auch bei der Politik. Vor Ort müssen die notwendigen Entscheidungen für mehr Investitionen getroffen werden, um vorhandene Arbeitsplätze zu sichern und neue aufzubauen.
    Wir haben jeweils über das berichtet, was im eigenen Land geschieht und geschehen muß. Die Gipfelteilnehmer haben die Erwartung - das kommt im Schlußkommuniqué deutlich zum Ausdruck -, daß wir in Deutschland die eingeleiteten Reformen vorantreiben. Das heißt - ich will das hier noch einmal betonen -: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir dürfen beispielsweise den zukunftsorientierten Umbau unseres Steuersystems nicht länger verzögern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir müssen uns gemeinsam anstrengen, zu einem vernünftigen Kompromiß zu finden, zu einem Kompromiß, der die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärkt und vor allem auch Chancen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze bietet.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, besondere Beachtung haben wir in Denver der Entwicklung in Afrika gewidmet. Trotz bedrückender Krisen und trotz erschreckender Bilder im Fernsehen sollte nicht übersehen werden, daß eine ganze Reihe von afrikanischen Ländern erfreuliche wirtschaftliche und politische Fortschritte erzielt hat. Eine beachtliche Zahl dieser Länder kommt in den Genuß zusätzlicher Schuldenerleichterungen, die wir beim letzten Wirtschaftsgipfel in Lyon vereinbart haben. Allerdings - und das muß betont werden - kann Hilfe von außen nur Hilfe zur Selbsthilfe sein.
    Ich denke, der wichtigste Beitrag, den die Industrieländer leisten können, ist das Engagement für offene Märkte, für ein liberales Welthandelssystem. Wir müssen unsere Anstrengungen in dieser Richtung in den kommenden Jahren weiter verstärken.
    Ein weiteres wichtiges Thema in Denver war die Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität, der Drogenmafia und der Korruption. Hier bestand Einigkeit über die Notwendigkeit eines sehr viel energischeren gemeinsamen Handelns. Ich will dies an den Zahlen deutlich machen, die dort genannt wurden. Es wurde darauf hingewiesen, daß Jahr für Jahr ungefähr 100 Milliarden Dollar aus illegalen Geschäften allein nach Europa eingeschleust werden. Angesichts solcher Zahlen ist für jedermann klar, daß wir handeln müssen. Wir haben vereinbart, daß der britische Premierminister Tony Blair auf dem nächsten Wirtschaftsgipfel, der im Mai 1998 in Birmingham stattfinden wird, den Kampf gegen die Kriminalität zu einem Schwerpunktthema macht und daß wir uns auf diesem Gipfel vor allem mit der Ver-

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    besserung der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet beschäftigen.
    Meine Damen und Herren, bei unseren Erörterungen in Denver hat der globale Umweltschutz eine Schlüsselrolle gespielt. Sie wissen, dieser Frage widmete sich auch die Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen in dieser Woche. Die Schicksalsfrage lautet: Wie können wir für eine wachsende Weltbevölkerung langfristig die natürlichen Lebensgrundlagen sichern? Für die Antwort auf diese Frage war die Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 von entscheidender Bedeutung. Manches wurde seither erreicht. Wahr ist aber auch, daß wir bis heute noch keine wirkliche Umkehr der globalen Umweltbelastungen erreichen konnten.
    Wir brauchen ein international abgestimmtes Vorgehen, wenn wir drohende Gefahren für das Weltklima abwenden und die lebenswichtigen Wälder für zukünftige Generationen erhalten wollen. Wir brauchen - das ist deutlich geworden - als Brücke zwischen Nord und Süd eine umfassende Partnerschaft für Umwelt und Entwicklung. In Denver wie auch in der UN-Vollversammlung in New York ging es darum, bestehende Blockaden in der internationalen Umweltpolitik aufzubrechen, die notwendigen Prioritäten zu setzen und so den globalen Umweltschutz ein Stück voranzubringen.
    In Amsterdam haben wir in der letzten Woche beim Europäischen Rat eine Reduktion der Treibhausgase in den Industrieländern bis zum Jahre 2010 um 15 Prozent gegenüber 1990 beschlossen. Gemeinsam mit meinen europäischen Kollegen bin ich deshalb in Denver dafür eingetreten, daß sich auch alle Staaten der G 8 hierzu verpflichten. Ich bedaure, daß es uns - jedenfalls in diesem Jahr - nicht gelungen ist, auch die Vereinigten Staaten und Japan hierfür zu gewinnen. Es besteht zwar Einigkeit über dieses Ziel und die Notwendigkeit von Maßnahmen. Aber in Denver war es nicht möglich, zu einer entsprechenden Beschlußfassung zu kommen. Wir dürfen jedoch in diesem Punkt nicht nachlassen. Die Bundesregierung wird gemeinsam mit ihren europäischen Partnern alles tun, um auf der Klimakonferenz in Kyoto Ende dieses Jahres die Vereinbarung zu treffen, bis zum Jahre 2010 eine deutliche Verminderung der Treibhausgase zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit der in Deutschland bereits erreichten Verminderung der CO2-Emissionen sind wir auf einem guten Weg.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie bitte?)

    Kein anderes großes Industrieland hat bisher vergleichbare Anstrengungen unternommen. Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist ja ungeheuerlich!)

    Meine Damen und Herren, in Denver haben die Acht die Notwendigkeit betont, auf der Grundlage hoher Standards ein internationales Abkommen zum Schutz und zur schonenden Nutzung der Wälder zu
    verabschieden. - In dieser Frage sind wir zu einem Ergebnis gekommen, das zumindest für mich befriedigend ist. - Wir haben viel Zeit verloren. Wenn man sich vor Augen hält, daß Jahr für Jahr 11 Millionen Hektar Wald abgeholzt werden - das entspricht ungefähr der Waldfläche der Bundesrepublik Deutschland -, dann hat man eine Vorstellung davon, wie uns die Zeit davonläuft. Ein Großteil dieser Wälder ist nicht mehr regenerierbar; das wissen wir. Deswegen ist es von größter Bedeutung, daß wir so rasch wie möglich zu einer verbindlichen Vereinbarung kommen.
    Entscheidend für den Erfolg einer globalen Strategie zum Schutz der Umwelt ist die Einbeziehung der Entwicklungs- und Schwellenländer. Die fehlende Anwendung moderner Technik führt dort zu hohen Umweltbelastungen. Mit Recht wurde deshalb auf der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen in New York der Zusammenhang von Umwelt und Entwicklung bekräftigt.
    Im Rahmen der Entwicklungshilfe hat Deutschland in den letzten sechs Jahren 5,3 Milliarden DM für Umweltschutzprojekte ausgegeben. Wir tragen zu 60 Prozent die Kosten für das Internationale Programm zum Schutz des brasilianischen Tropenwaldes. Kein anderes Land hat vergleichbare Leistungen erbracht.
    In der Vergangenheit hat häufig der Gegensatz zwischen Nord und Süd konkrete Fortschritte im globalen Umweltschutz behindert. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung habe ich die Initiative ergriffen und gemeinsam mit Brasiliens Staatspräsident Cardoso, dem südafrikanischen Vizepräsidenten Mbeki und dem Premierminister von Singapur konkrete Vorschläge zur Überwindung der Gegensätze unterbreitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir wollen damit deutlich machen, daß Länder aus Nord und Süd sehr wohl in der Lage sind, sich in den zentralen Fragen des globalen Umweltschutzes auf gemeinsames Handeln zu verständigen.
    Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang halte ich es für ganz wichtig, daß wir die Zusammenarbeit zwischen den Umweltorganisationen der Vereinten Nationen effektiver gestalten. Ich gehe davon aus, daß es zu diesem Zweck möglich ist - es gibt allein in diesem Bereich elf Sekretariate -, eine Art Dachorganisation für Umweltfragen zu schaffen.
    Mit dem erfolgreichen Abschluß des Europäischen Rates von Amsterdam sind wir beim Bau des Hauses Europa ein ganz wichtiges Stück vorangekommen. Der Vertrag von Amsterdam bildet eine gute Grundlage für eine handlungsfähige, bürgernahe und demokratisch verankerte Europäische Union. Er öffnet vor allem die Tür - dies ist für mich ein entscheidender Gesichtspunkt - für die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten und Süden. Entsprechend unserer Absprache beim Europäischen Rat 1995 in Madrid werden sechs Monate nach dem Abschluß des Vertrags von Amsterdam die Erweiterungsgespräche mit unseren Nachbarn in Mittel-, Ost- und Südosteuropa beginnen. Wir werden im Dezember

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    beim Europäischen Rat in Luxemburg die notwendigen Entscheidungen auf den Weg bringen.
    Von Amsterdam geht ein weiteres wichtiges Signal aus. Es heißt: Der Euro wird kommen. Der Stabilitäts-
    und Wachstumspakt ist ohne jede Abstriche verabschiedet worden.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ob sich das bis München herumgesprochen hat?)

    Ich bin sicher, daß wir, die Bundesrepublik Deutschland, gemeinsam mit anderen den Euro planmäßig einführen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir wollen dies pünktlich zum 1. Januar 1999 und unter voller Einhaltung der Kriterien von Maastricht tun.

    (Unruhe bei der SPD)

    - Ich weiß gar nicht, warum Sie dabei in Unruhe geraten. Haben Sie in der SPD mit diesem Thema Probleme?

    (Widerspruch bei der SPD) Ich habe damit keine Probleme.


    (Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU/ CSU)

    In der CDU Deutschlands gibt es keine Probleme, und auch in der Koalition gibt es keine Probleme.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und in der CSU?)

    Ich würde mich an Ihrer Stelle darum kümmern, daß Sie am Ende mit einem Kandidaten an die Öffentlichkeit treten, der ein klares Ja dazu sagt. Das scheint mir wichtig zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für uns ist klar: Der Euro ergänzt den Binnenmarkt und sichert so Arbeitsplätze. Wenn wir wollen, daß Europa - und vor allem auch Deutschland - im Wettbewerb der Märkte auch künftig seine gute Stellung behauptet, dann müssen wir gemäß unserer Verantwortung dafür sorgen, daß der Euro, wie verabredet, kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die einheitliche europäische Währung ist sowohl wirtschaftlich wie politisch von größter Bedeutung. Sie trägt dazu bei, die Europäische Union als Friedens- und Freiheitsordnung noch enger und unauflöslich zusammenzuschließen. Wer die Einführung des Euro verschieben will, muß wissen, daß dies möglicherweise eine Verschiebung für immer werden könnte. Dies können und wollen wir uns nicht leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Eine Aufgabe der Wirtschafts- und Währungsunion würde bedeuten, daß Europa in einem entscheidenden Augenblick seiner Entwicklung vor der großen Aufgabe kapitulierte - mit allen negativen Konsequenzen für Exporte, für Arbeitsplätze und Investitionen in Deutschland ebenso wie für den Fortgang der europäischen Integration. Wir alle müßten ein Scheitern des Euro teuer bezahlen. Das wäre ein Verschleudern der Zukunftschancen der künftigen Generation.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Deshalb steht für die Bundesregierung fest: Auf der Basis der Vereinbarung von Amsterdam werden wir auf dem Wege zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion weiter vorangehen. An dem vereinbarten Zeitplan und an den festgelegten Kriterien wird nicht gerüttelt werden. Der Euro wird kommen - als stabile Währung, als sichere Grundlage für eine gute wirtschaftliche Zukunft Europas.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte diese heutige Gelegenheit gerne nutzen, unseren Partnern und Freunden in der EU für ihren Einsatz zu danken, der den Erfolg von Amsterdam erst möglich gemacht hat. Mein erster und besonderer Dank geht an unsere Freunde und Partner in den Niederlanden. Es ist ein Glücksfall für Europa, daß in dieser Zeit wichtiger Weichenstellungen die Niederlande mit ihrem Ministerpräsidenten Wim Kok den Vorsitz führten.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

    Für die deutsche Seite will ich ganz besonders herzlich den Kollegen Kinkel und Waigel sowie dem Beauftragten für die Regierungskonferenz, Staatsminister Hoyer, danken, die alle mit enormem persönlichen Einsatz die Verhandlungen für die Bundesregierung geführt haben. In diesen Dank schließe ich auch alle beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesregierung ein, die in diesen Wochen ein gewaltiges Arbeitspensum leisten mußten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Vertrag von Amsterdam ist ein erneuter Beweis dafür, daß die Europäische Union auch in schwierigen Phasen Kurs hält und die Herausforderungen an der Schwelle des 21. Jahrhunderts mit Zuversicht und mit Augenmaß angeht. Ich hätte mir gewiß in einer Reihe von Punkten weitreichendere Ergebnisse gewünscht. Aber niemand von uns konnte glauben, daß in Amsterdam alle Probleme hätten gelöst werden können. Niemand kann in einer solchen historischen Situation seine Idealvorstellungen durchsetzen. Ohne Kompromisse kann es in einer Union mit 15 Mitgliedstaaten nicht gehen. Entscheidend bleibt aber, daß wir substantielle Fortschritte erzielt haben.
    Lassen Sie mich kurz auf einige wichtige Punkte des Vertrages eingehen.

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Erstens: Union und Bürger: Wir alle waren uns einig, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unsere derzeit dringendste Aufgabe ist. Dies haben wir auch dadurch unterstrichen, daß wir in den EU-Vertrag ein neues Beschäftigungskapitel aufgenommen und zusätzlich eine eigenständige Entschließung zu Wachstum und Beschäftigung in Amsterdam verabschiedet haben. Alle waren sich jedoch auch darüber einig, daß zuallererst auf nationaler Ebene die Weichen richtig gestellt werden müssen. Im Zentrum gemeinsamer europäischer Anstrengungen werden deshalb die Koordinierung des nationalen Handelns, der gegenseitige Informationsaustausch und „Pilotprojekte" im Rahmen bestehender Fonds stehen. Neue Gemeinschaftskompetenzen und neue Mittelübertragungen an die EU und damit europäische Ausgabenprogramme auf Kosten des Steuerzahlers wird es nicht geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Europäischen Investitionsbank kommt die Aufgabe zu, vorhandene Mittel verstärkt für beschäftigungsintensive Projekte zu nutzen.
    Wichtig war für uns die konsequente Fortführung und Weiterentwicklung der Strategie des Europäischen Rates von Essen 1994: Der Weg zu mehr Arbeitsplätzen führt vorrangig über Strukturreformen, vor allem durch mehr Flexibilität auf den Arbeitsmärkten. Die Konferenz in Amsterdam hat auch klargemacht: Es gibt keinen Gegensatz zwischen Stabilität und Beschäftigung. Wir sind uns mit unseren Partnern in der britischen und in der neuen französischen Regierung - mit allen EU-Partnern - einig: Preis- und Haushaltsstabilität sind gemeinsam unabdingbare Grundlage für dauerhaftes Wachstum und damit für mehr Arbeitsplätze.
    Meine Damen und Herren, die Probleme sind dort anzugehen, wo sie mit größter Aussicht auf Erfolg gelöst werden können. Dies entspricht zutiefst dem Gedanken des Subsidiaritätsprinzips. Es war ein Mares Ziel der deutschen Politik in Amsterdam, diesen fundamentalen Grundsatz in der Europäischen Union besser zu verankern und klarer zu definieren. So werden künftig Regelungen auf regionaler oder nationaler Ebene unbedingten Vorrang haben. Die Gemeinschaft darf und soll nur dann tätig werden, wenn ein Problembereich auf unterer Ebene nicht ausreichend geregelt werden kann und wenn er - das ist entscheidend - zugleich besser auf europäischer Ebene zu lösen wäre.
    Daneben konnten wir eine Reihe weiterer für uns wichtiger Anliegen durchsetzen.
    Ich nenne als Beispiel nur die Sicherung der Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie können sich vorstellen, wie sehr ich - der ich jeden Tag in den vollen Genuß der Arbeit dieser Rundfunkanstalten komme, - mich gefreut habe, auf diesem Gebiet einen besonderen Erfolg erreichen zu können.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Wir haben einen zweiten Punkt in einer langen Diskussion durchsetzen können. Das bewährte deutsche Sparkassensystem wird durch eine Erklärung zur Schlußakte geschützt. Ich füge hinzu, dazu waren extrem schwierige Verhandlungen notwendig.
    Dabei konnte ich erkennen - das finde ich gut und will es hier wiedergeben -, daß das deutsche Sparkassensystem bei den Kollegen in Europa hohes Ansehen und sehr viel Sympathie genießt. Ich muß allerdings hinzufügen: Dies gilt nicht in gleichem Maße für das Geschäftsgebaren der einen oder anderen Landesbank.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das kann man wohl sagen!)

    Unsere Verhandlungsposition in Amsterdam ist dadurch nicht gerade erleichtert worden.
    Da wir häufig hier im Deutschen Bundestag über das Verhältnis von Bund und Ländern diskutieren, gehört es dazu, hierzu einmal einen Satz zu sagen -mit dem Wunsch verbunden, daß sich auch die Landesregierungen die Vorbehalte, die in den Gesprächen in Amsterdam deutlich wurden, gelegentlich überlegen sollten. Ich glaube, das wird zur inneren Entwicklung in der Europäischen Union beitragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das ist sehr milde formuliert!)

    Zweitens ging es um die Schaffung eines „europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts." Auch im Bereich der Innen- und Justizpolitik, einem Schlüsselkapitel des neuen Vertrags, sind wir zu guten Ergebnissen gekommen. Sie gehen über das hinaus, was wir zu Beginn der Verhandlungen erwarten konnten. Damit haben wir aus unserer Sicht ein zentrales Ziel der Regierungskonferenz mindestens zum Teil erreicht.
    Es war allen klar: Der europaweit zunehmenden Bedrohung durch international organisierte Kriminalität, durch Drogenmafia und Terrorismus können wir nur gemeinsam begegnen. Die Kompetenzen von Europol sind gestärkt worden. Wir haben darüber hinaus die Überführung der Schengen-Zusammenarbeit in den institutionellen Rahmen der EU vereinbart.
    In den Bereichen Asyl- und Visapolitik, Einwanderung und bei der Zusammenarbeit von Justiz- und Zollbehörden hat die Konferenz von Amsterdam die Grundlagen für ein gemeinsames effektiveres Handeln gelegt. Dabei konnten und mußten wir zur Wahrung unserer Interessen sicherstellen, daß in Fragen der Einwanderung und des Asyls auch künftig das Prinzip der Einstimmigkeit gilt.
    Ich weiß sehr wohl, daß diese Diskussion auch für meine Kollegen aus den anderen europäischen Ländern nicht einfach war. Es gibt in Brüssel Behauptungen wonach wir, die Deutschen, eine Renationalisierung der EU-Politik betreiben würden. - Davon kann überhaupt keine Rede sein.
    Ich will das Beispiel anführen, das ich auch in Amsterdam genannt habe. Wir hatten im Jahr 1996 in Deutschland 117 000 Asylbewerber. Das waren

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    52 Prozent der Asylbewerber in der gesamten EU. Das heißt, die Mehrheit der Asylbewerber, die nach Europa kommen, geht nach Deutschland.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist doch klar!)

    Das sind übrigens - diese Zahl ist auch recht interessant - auch mehr Asylbewerber, als im gleichen Jahr in den Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen wurden, einem Land, das immerhin - bezogen auf die Bevölkerungszahl - dreimal so groß ist.
    Wir sind nicht europamüde, aber wir haben hier wohlverstandene eigene Interessen zu vertreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich glaube auch nicht, daß in den nächsten Jahren eine Veränderung unseres Standpunktes möglich ist.
    In der Frage der Aufenthaltsvoraussetzungen für legal in der EU lebende Angehörige von Drittstaaten haben wir klare Regelungen vereinbaren können, die auch einen unkontrollierten Zugang zum deutschen Sozialsystem oder zum deutschen Arbeitsmarkt verhindern.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir haben - das war eine erfreuliche Erfahrung - diese Position in einer sehr engen und sehr sachorientierten Zusammenarbeit mit den Bundesländern gestalten können.
    Drittens ging es um eine effiziente und kohärente Außenpolitik. Es ging damm, den in Maastricht eingeleiteten Prozeß fortzuführen und aus den bisherigen praktischen Erfahrungen die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen.
    Die neuen Vertragsbestimmungen werden, auch wenn sie in diesem Fall nicht allen unseren Zielen entsprechen, bei konsequenter Umsetzung in der Praxis bewirken können, daß Europa zunehmend mit einer Stimme spricht und daß diese Stimme auch entsprechendes Gewicht in der Welt hat.
    Wichtige Elemente auf diesem Weg sind die Betrauung des Generalsekretärs des Rates mit der Funktion eines Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Schaffung einer entsprechenden Arbeitseinheit im Ratssekretariat, der verstärkte Rückgriff auf Mehrheitsentscheidungen im Rahmen von gemeinsamen Strategien sowie die weitere Annäherung von Europäischer Union und Westeuropäischer Union.
    Dabei konnten wir erreichen, daß neben der Verankerung der Petersberg-Aufgaben der WEU und der Leitlinienkompetenz des Europäischen Rates auch die Perspektive der Integration der WEU in die EU erstmals in den Vertrag aufgenommen wurde.
    Viertens: Im Bereich der institutionellen Reformen hätten wir uns zweifellos mehr gewünscht. Trotzdem haben . wir auf diesem Gebiet Fortschritte erzielen können. Ich nenne hier die Stärkung der Stellung des Kommissionspräsidenten. Mit der nächsten Kommission wird ein Kommissionspräsident berufen, der sehr viel mehr Möglichkeiten hat, seine Führungskompetenz in die Kommission einzubringen.
    Eine deutliche Ausweitung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments war möglich, ebenso die Vereinfachung der Entscheidungsverfahren, die bessere Einbeziehung der nationalen Parlamente sowie die Stärkung des Ausschusses der Regionen.
    In den wenigen Bereichen, in denen deutliche Verbesserungen noch nicht möglich waren, haben wir einen klaren Rahmen für spätere Überprüfungen festgelegt. Nach einer erneuten Erweiterung um drei bis fünf Staaten soll die Zahl von 20 Kommissaren nicht überschritten werden. Das heißt aber, meine Damen und Herren - das muß man hier klar aussprechen -, daß die größeren Mitgliedstaaten - das gilt auch für Deutschland - im Zuge dieser Entwicklung auf einen ihrer bisher zwei Kommissare verzichten werden.
    Im Gegenzug - das gehört zusammen - erwarten wir allerdings - dazu gibt es auch einen entsprechenden Auftrag -, daß im Sinne der Wahrung eines repräsentativen Gleichgewichts gleichzeitig die Stimmgewichtung im Rat angepaßt wird.
    Der Übergang zu verstärkter Anwendung von Mehrheitsentscheidungen hat sich schwierig gestaltet. Weitergehende Fortschritte waren auf Grund der konkreten Interessen fast aller Mitgliedstaaten zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Meine Damen und Herren, es hat keinen Sinn, darum herumzureden: Diese Interessen erwachsen aus dem täglichen Leben der europäischen Völker. Europa wird eben nicht an einem Reißbrett entworfen, sondern muß sich aus den Gegebenheiten der einzelnen Länder entwikkeln.
    Auch wir, die Bundesregierung, haben uns in einer Reihe von Fragen aus guten Gründen gegen die Einführung von Mehrheitsentscheidungen gewandt, weil wir unsere wohlverstandenen nationalen Interessen auch in einer europäischen Überzeugung wahren wollen. Ich nenne hier eine ganze Reihe von Beispielen aus der Industriepolitik, aus dem Bereich des Handwerks. Da geht es zum Beispiel um die Frage der Freizügigkeit für Wanderarbeitnehmer.
    Ich will dabei klarstellen, daß es kein Mißtrauen gegen ausländische Arbeitnehmer gibt, die bei uns tätig sind. Aber, es kann nicht angehen, daß solche Arbeitnehmer Deutschland nach relativ kurzer Zeit verlassen und dabei Ansprüche an unser weitergehendes soziales Versorgungssystem mitnehmen wie beispielsweise an die Kranken-, Arbeitslosen- oder Pflegeversicherung. Sie kennen dieses Problem.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Es ging uns darum, daß wir in dieser Frage nicht überstimmt werden können. Das ist kein Mißtrauen gegen andere. Ich habe den Kollegen immer wieder gesagt: So, wie sich die Dinge entwickeln, kommt die Mehrheit ausländischer Arbeitnehmer von außerhalb der Europäischen Union hierher in die Bundesre-

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    publik Deutschland. Wie in der Asylfrage sind wir auch hier die Hauptbetroffenen.
    Fünftens: Flexibilität und engere Zusammenarbeit. Wir haben uns in Amsterdam schließlich auf klare Regeln zu mehr Flexibilität in der Europäischen Union geeinigt. Dieses Handlungsprinzip sichert auch für eine erweiterte Union mit 20 oder mehr Mitgliedern die Möglichkeit, die Integration weiter voranzubringen. Dabei gilt: Die Einleitung einer engeren Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten muß von der qualifizierten Mehrheit im Rat gebilligt werden. Die Zusammenarbeit mehrerer Mitgliedstaaten kann von einem einzelnen Mitglied nur bei Gefährdung vitaler nationaler Interessen in Frage gestellt werden.
    Meine Damen und Herren, was sich so einfach sagt, ist natürlich ein Punkt von größter politischer Bedeutung. Das heißt nämlich, daß eine Fortentwicklung der Union auch von einzelnen Gruppen in der Union vorangebracht werden kann. Ein Verhalten, wie wir es in der Vergangenheit gelegentlich erlebt haben - ein Verhalten mit Bremswirkung, die das Ganze zum Stillstand bringt -, wird künftig nur in äußersten Ausnahmefällen möglich sein.
    Die Bundesregierung hat sich stets für die europäische Sache eingesetzt. Das haben alle meine Amtsvorgänger und alle Bundesregierungen in diesen Jahrzehnten getan. Ich darf hier auch sagen: Das galt und gilt über Parteigrenzen hinweg, für Regierung und Opposition, für Bund und Länder. Am europäischen Engagement Deutschlands gibt es keinen Zweifel. Lassen Sie uns deshalb jetzt bitte gemeinsam alles tun, um den Vertrag von Amsterdam möglichst rasch und mit überzeugenden Mehrheiten zu ratifizieren. Er wird ein tragfähiger Pfeiler unserer weiteren Arbeit am gemeinsamen europäischen Haus sein.
    So unterschiedlich die Themen auf den Tagungen von Amsterdam, Denver und New York auch gewesen sein mögen, sie stehen, wie ich denke, doch in einem engen Zusammenhang. Im Kern geht es bei all diesen Begegnungen und Konferenzen - das gilt auch für den NATO-Gipfel in Madrid in der übernächsten Woche - um eine große Aufgabe: ein neues Miteinander zwischen den Staaten und Völkern der Welt zu schaffen. Das liegt vor allem auch im deutschen Interesse; für Deutschland als ein Land der Mitte ist das existentiell.
    In diesen Monaten werden maßgebliche Weichen für die Ordnung Europas an der Schwelle zum 21. Jahrhundert gestellt. In der öffentlichen Diskussion unseres Landes - wir wissen das; aber das ist nicht nur bei uns so, sondern auch anderswo - wird oft zuwenig zur Kenntnis genommen, wie sehr gerade die außenpolitischen Entscheidungen unsere Zukunft bestimmen. Von diesen Entscheidungen hängt ganz wesentlich ab, ob künftige Generationen in Deutschland und in Europa dauerhaft in Frieden, in Freiheit, in Wohlstand und sozialer Stabilität leben können. Es geht jetzt - bei all unseren Sorgen im eigenen Haus - darum, daß wir als Deutsche an diesen Entscheidungen mitwirken und daß wir den Beitrag leisten, den andere von uns erwarten. Die Bundesregierung ist dazu bereit. Ich darf Sie alle sehr herzlich einladen, in diesem Sinne, ungeachtet unserer vielen anderen Kontroversen, ein Stück jener Gemeinsamkeit zu entwickeln, die für die Zukunft unseres Landes und Europas entscheidend ist.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich eröffne die Aussprache. Als erster nimmt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rudolf Scharping, das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Scharping


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle diese Gipfel belegen ganz nachdrücklich, wie dringend notwendig internationale Kooperation ist. Sie machen aber auch deutlich, wie schwierig internationale Zusammenarbeit ist und wie unbefriedigend manchmal ihre Ergebnisse bleiben.
    Nun wird die Rede vom Prinzip der internationalen Kooperation gar nicht reichen. Worum geht es? Es geht darum, mit weltweiter, mindestens aber europäischer Zusammenarbeit etwas für die Arbeitsplätze, die Ausbildung und die nachhaltige Entwicklung zu tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Internationale Politik, die - da stimme ich Ihnen zu, Herr Bundeskanzler - von der Innenpolitik nicht mehr getrennt werden kann, dient der Freiheit, der Sicherheit, der Erweiterung von Möglichkeiten, der Eindämmung von Risiken und der Gewährleistung einer nachhaltigen, einer zukunftsfähigen Entwicklung.
    Da vollzieht sich international etwas, was in Deutschland offenkundig schwierig ist; denn in Amerika, in Großbritannien, in Frankreich und anderen Ländern fragt man sich: Wie kann man internationale Kooperation und heimische Anstrengung so miteinander kombinieren, daß Arbeit, Bildung, nachhaltige Entwicklung und soziale Gerechtigkeit gefestigt werden?
    Wie kann man im Kampf gegen Fehlentwicklungen Wahlen gewinnen? Hier in Deutschland - das wird durch Ihre Regierungserklärung leider bestätigt - hat man manchmal den Eindruck, Sie fragen sich eher: Wie kann ich trotz Arbeitslosigkeit, trotz Umweltbelastung und trotz sozialer Ungerechtigkeit Wahlen gewinnen?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich muß Ihnen sagen, daß bei allem Verständnis für internationales Engagement und bei allem Respekt vor internationalem Engagement wolkige Reden auf internationalen Konferenzen Führung in Deutschland nicht ersetzen,

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Rudolf Scharping
    vor allen Dingen dann nicht, wenn diese wolkigen Reden in einem so offenkundigen Widerspruch zu dem stehen, was in Deutschland geschieht.
    Sie haben von der Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit, des Miteinanders gesprochen. Es ist wahr - die Sozialdemokratie in Deutschland sagt es seit vielen Jahren -: Sicherheit muß man umfassend verstehen, nicht allein außenpolitisch oder militärisch garantiert. Man muß sie vor allen Dingen mit Blick auf die weltweite Umweltzerstörung, die Überbevölkerung, den Hunger, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungsmitteln und die organisierte Kriminalität sehen.
    So wahr es ist, daß Globalisierung Chancen der Verflechtung, des effizienteren Wirtschaftens, der Mehrung von Wohlstand und der Sicherung von Frieden bietet, so unbestreitbar ist auch, daß diese risikoreichen Entwicklungen von der Umweltzerstörung bis hin zur organisierten Kriminalität mittlerweile keine nationalen Grenzen mehr kennen, daß sie gewissermaßen staatsfrei geworden sind.
    Wir müssen darauf achten, daß sie deswegen nicht auch regelungsfrei werden;

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    denn sonst könnte - ich fürchte, dazu tragen Teile Ihrer Verhaltensweisen bei - die Erkenntnis, daß sich Marktkräfte, multinationale Unternehmen und globale Gefahren dem Nationalstaat und seinen Möglichkeiten zu entziehen beginnen, zu einem Umschlagen, zu einem Verdruß hinsichtlich der Möglichkeiten der nationalstaatlich verankerten Demokratie führen, weil die internationale Kooperation nicht so funktioniert, wie sie müßte.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, Ihre Regierung kann leider nicht so engagiert, vor allen Dingen nicht so glaubwürdig für das eintreten, was international notwendig ist. Nachhaltige Entwicklung: Man spricht von fairem Handel, von engerer Zusammenarbeit, von der Möglichkeit, keine Festungen aufzurichten, son-dem unterentwickelte Länder auf faire und partnerschaftliche Weise einzubeziehen.
    Das ist in Ordnung, aber wie verträgt sich das mit der Tatsache, daß allein in Europa einige Länder für diese internationale Zusammenarbeit wesentlich mehr tun als Deutschland? Wie verträgt sich Ihr Reklamieren eines Ziels mit dem, was Sie zu Hause tun?
    Wie kann ein deutscher Bundeskanzler in New York für die Wälder auf der Erde berechtigterweise eintreten und eine Initiative ergreifen und gleichzeitig zulassen, daß in Deutschland ein Bundesnaturschutzgesetz verabschiedet wird, das das genaue Gegenteil von dem bewirkt, was Sie international reklamieren?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wie kann ein deutscher Bundeskanzler 1990 in Houston für den Schutz der Wälder eintreten - dieses Thema hat ja mehrere dieser Gipfel beschäftigt - und dann hier reklamieren - auch in Denver -, man wolle jetzt die CO2-, die Treibgasemissionen reduzieren, während in den westdeutschen Ländern der Ausstoß dieser gefährlichen Gase gestiegen ist - im Jahre 1996 sogar in ganz Deutschland - und ein weiterer Anstieg droht? Wie können Sie das international vertreten, wenn Sie Herrn Rexrodt für ein Energiewirtschaftsgesetz freien Lauf lassen, das zum genauen Gegenteil führt?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Vor wenigen Tagen schrieb das Bundeswirtschaftsministerium meinem Kollegen Michael Müller: Bedingt durch die Haushaltsenge müsse bereits in diesem Jahr gesagt werden, daß 1998 in den Förderbereichen Solarenergie, Kollektoren, Windkraft, Biogas usw. - gemeint sind also die regenerativen Energien; ich will sie gar nicht alle aufzählen - gespart werden müsse.
    Höflicherweise würde ich als einer Ihrer Partner in Amsterdam oder Denver milde lächeln und sagen: Es ist ja sehr freundlich, daß der deutsche Bundeskanzler jetzt den Schutz der Wälder von uns erwartet. Aber was tut er zu Hause, und warum läßt er ein Energierecht zu, das gerade die Nutzung erneuerbarer Energiequellen erschwert und auf der anderen Seite die Energieeffizienz und den Einsatz regenerativer Quellen nicht ermöglicht? Dies ist ein eklatanter Widerspruch.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein Zweites im Anschluß an das Wort von der nachhaltigen Entwicklung: die internationale Kooperation für Arbeit. Ich will einräumen, sie hat mittlerweile Eingang in die europäischen Verträge gefunden, obwohl doch jeder weiß, wie schwer sich die Bundesregierung getan hat, das zu akzeptieren, wie nachhaltig der Einsatz der skandinavischen und anderer Länder war, um die Aufnahme dieses Zieles in die Verträge zu erreichen.
    Was bedeutet internationale Kooperation für die Zukunft der Arbeit? Lassen Sie mich eines vorausschicken. Die Europäer stellen weniger als 10 Prozent der Weltbevölkerung. Sie repräsentieren aber mehr als 40 Prozent des Welthandels. Es geht nicht nur urn eine ökonomische Fragestellung, so wichtig sie auch ist. Es geht natürlich auch um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, um die Garantie der Ausbildung und um die Sicherung des sozialen Zusammenhaltes. Im Kern aber geht es um mehr, nämlich um die Fragen: Wie sichern wir den Dreiklang aus wirtschaftlicher Kraft, sozialer Verantwortung und politischer Freiheit? Wie sichern wir die ganz besondere, in der Welt einmalige Grundlage europäisch bestimmter Zivilisation?

    (Beifall bei der SPD)

    Dies vorausgeschickt will ich feststellen, daß Sie, Herr Kohl, uns hier im Deutschen Bundestag doch

    Rudolf Scharping
    mehrfach gesagt haben: Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause. Dann haben Sie den Eindruck erweckt, als ginge es uns und unseren Partnern in Europa darum, europäische Beschäftigungsprogramme aufzulegen. Nein, ich widerspreche ausdrücklich europäischen Beschäftigungsprogrammen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf europäischer Ebene. Was wir dringend brauchen, ist eine Kooperation, die Sie bisher in diesem Bereich immer verweigert, ja sogar lächerlich gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Bundeskanzler, Sie und Mitglieder Ihrer Regierung haben, wenn Herr Lafontaine, die SPD-Bundestagsfraktion oder andere eine internationale Kooperation angemahnt haben, hier mehrfach gesagt, das sei wieder das typisch sozialdemokratische Wolkenkuckucksheim. Aber es ändert sich international in den Zielen und Paradigmen etwas. Sie registrieren dies zu spät und beginnen zu spät, dies mitzugestalten. Man merkte es in Denver und übrigens auch in Amsterdam.
    Eigentlich müßte sich der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland blamiert fühlen: Wenn in einer Erklärung des Gipfels von Denver festgestellt wird, der negative Steuerwettlauf sei auch eine negative Begleiterscheinung der Globalisierung, wenn der amerikanische Präsident, nachdem er 1994 in Neapel schon einmal den Versuch gemacht hat, soziale und ökologische Mindeststandards in den Welthandelsabkommen zu verankern, an Ihrem Widerstand gescheitert ist,

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    wenn jetzt der amerikanische Präsident erneut und darüber hinausgehend ein Netzwerk zur Kontrolle und zur Beobachtung internationaler Finanztransaktionen anregt und wenn dann verlangt wird, man müsse die Kooperation verstärken, Herr Bundeskanzler, dann wäre es souverän, übrigens auch ehrlicher und für Ihre internationale Position besser gewesen, wenn Sie gesagt hätten, die Bundesregierung werde ihren bisher geübten Widerstand gegen inter- nationale Kooperation zur Sicherung von Beschäftigung und Ausbildung aufgeben und mit den anderen enger zusammenarbeiten.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gerhard Zwerenz [PDS])

    Das haben Sie nicht getan. Im Gegenteil, Sie haben geblockt, Sie haben verzögert. Ich muß Sie auf eine Studie aufmerksam machen, die der Deutsche Sparkassen- und Giroverband in der Frage der Besteuerung als eines wichtigen Datums für die volkswirtschaftliche Entwicklung vorgelegt hat: Großunternehmen zahlen relativ weniger Steuern als alle anderen, regional verwurzelte Unternehmen zahlen relativ mehr und die Arbeitnehmer am meisten. - Das ist eine Fehlentwicklung, und leider liegt Deutschland an der Spitze dieser Fehlentwicklung. Die regionale Verankerung, der Einsatz von Arbeitskraft, die Investitionen in neue Produkte und neue Verfahren sind in unserem Land viel zu sehr mit Steuern, mit Abgaben, mit zu langen Genehmigungsverfahren, mit vielfältiger Bürokratie usw. belastet.

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Wo waren Sie denn gestern?)

    - Ich war gestern hier und habe sehr aufmerksam zugehört. Wenn Sie damit auf Ihre Steuerpolitik anspielen wollen, dann sage ich Ihnen, daß das die Fortsetzung genau der Fehlentwicklung ist, die international mittlerweile beklagt wird.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gerhard Zwerenz [PDS])

    Wer Arbeitsplätze sichern will, der wird akzeptieren, daß wir mit der Verankerung der Beschäftigungspolitik in der Ergänzenden Erklärung zum Stabilitätspakt und im Europäischen Vertrag einen großen Fortschritt erreicht haben. Wir haben ihn gegen hinhaltenden Widerstand der deutschen Bundesregierung durchsetzen müssen.
    Nun schaffen aber Verträge noch lange. keine Arbeitsplätze; jeder weiß das. Folgerichtig wird es im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und mit der Sicherung von Wachstum und Beschäftigung sehr stark auf den europäischen Gipfel im Oktober ankommen. Ich hoffe, daß dieser Gipfel zu Ergebnissen führt, die wirklich handfest sind und nicht nur schöne Formulierungen beinhalten:

    (Beifall bei der SPD)

    handfest im Sinne der Harmonisierung der Steuerpolitik, handfest im Sinne der Gewährleistung der Rahmenbedingungen, handfest auch mit Blick auf das große Vorhaben der gemeinsamen europäischen Währung.
    Die Sozialdemokratie in Deutschland unterstützt die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung mit den Kriterien und dem Zeitplan, zu denen wir uns gemeinsam mit anderen verpflichtet haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Sozialdemokratie in Deutschland hält die gemeinsame Währung für ein ökonomisches, noch mehr aber auch für ein politisches Projekt, das über den Binnenmarkt hinausführt und die europäische Integration so vertiefen wird, daß man sich ihr im Interesse einer friedlichen und sicheren Zukunft des gesamten Kontinentes nicht mehr entziehen kann.
    Ich weiß wohl, daß man dazu in mehreren Richtungen etwas sagen kann. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß jedenfalls in den die Regierung tragenden Parteien - Sie haben einen feinsinnigen Unterschied gemacht; ich habe das genau gehört - der Streit zwischen den wertkonservativen, also auf europäische Zivilisation und damit Integration orientierten Kräften in der Union mit den nationalkonservativ orientierten Kräften noch nicht ausgefochten ist. Das ist das eigentliche Risiko, weil wer immer sich davon angesprochen fühlen mag - Außenpolitik in Deutschland immer mit Rücksicht und mit Vorsicht,

    Rudolf Scharping
    bezogen auf unsere kleineren Partner um uns herum, formuliert werden muß.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Deutsche Interessen erlauben keinen nationalen Alleingang mehr. Schon gar nicht ist es erlaubt, mit einem nationalistisch eingefärbten Populismus in Deutschland auf Stimmenfang zu gehen und damit die langfristigen Interessen dieses Landes zu beschädigen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gerhard Zwerenz [PDS] Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Schröder!)

    Vor diesem Hintergrund wird in der Debatte noch einiges zu Umwelt. zu Sozialem, zur Vertiefung der Demokratie zu sagen sein. Insgesamt - so bewerte ich es - ist der Amsterdamer Gipfel ein Schritt in die richtige Richtung, aber in Teilen ein sehr kleiner, ein sehr halbherziger Schritt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es hat keinen Sinn, daraus irgendein Hehl zu machen.
    Jetzt müssen wir darauf achten, daß mit Blick auf die Beschäftigung, auf das wirtschaftliche Wachstum und die Ausbildung der Jüngeren etwas Besseres daraus gemacht wird und daß diesem ersten Schritt weitere Schritte folgen. Und wir müssen darauf achten, daß uns die Integration der Europäischen Union in die Lage versetzt, die gewonnene Stabilität, den gewonnenen Wohlstand, die gewonnene Sicherheit, die gewonnene friedliche Entwicklung unseres Kontinents auf die mittelosteuropäischen Staaten auszudehnen. Wir würden einer historischen Verpflichtung am Ende nicht gerecht werden, wenn die Europäer im Westen den Fall der Mauer, den Wegfall der Konfrontation zwischen Ost und West und auch den unverzichtbaren Beitrag Polens, der Tschechischen Republik, der Ungarn und der vielen anderen beklatschen würden, aber dann unfähig blieben, ihnen in das gemeinsame Haus Europa weiterzuhelfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich habe mit großem Interesse registriert, daß die Einbeziehung Rußlands in diese internationale Entwicklung voranschreitet. Ich habe mit großem Interesse, mit Sympathie und Unterstützung - wie wir alle - registriert, daß auf diese Weise ein Beitrag für eine dauerhafte friedliche Entwicklung geleistet wird. Aber es ist so, daß mit Blick auf den europäischen Gipfel, mit Blick auf die Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen und mit Blick auf den Gipfel in Denver die internationalen Erklärungen Deutschlands und seiner Regierung in einem Widerspruch - und zwar einem sehr offenkundigen Widerspruch - zu dem stehen, was in Deutschland selbst getan wird. Das gilt für die Harmonisierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, das gilt bei der Ausbildung der Jüngeren, das gilt beim Sichern sozialen Zusammenhalts.
    Fällt Ihnen eigentlich auf, daß Ihre Politik in Deutschland mittlerweile noch nicht einmal mehr von Konservativen anderer europäischer Länder geteilt wird? Fällt Ihnen eigentlich auf, daß in Großbritannien oder in Frankreich mit Blick auf die Grands Services Publics, mit Blick auf das Gesundheitswesen, mit Blick auf die Ausbildung der Jüngeren - ich könnte viele solcher Beispiele nennen - mittlerweile die Frage im Vordergrund steht, wie man den Ausschluß ganzer Bevölkerungsgruppen aus der wirtschaftlichen, aus der sozialen Entwicklung verhindern könnte? Fällt Ihnen auf, daß man dort mittlerweile verstanden hat, daß ein Markt, dem kein politisches Gewicht gegenübersteht, am Ende nicht mehr sozial genannt werden kann?

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roll Kutzmutz [PDS])

    Fällt Ihnen eigentlich auf, daß Sie mit Ihrer Politik in Deutschland ein Risiko eingehen, nämlich daß diese Gipfel zu einer folgenlosen Erklärungsmaschine reduziert werden und damit eine Gefahr heraufbeschwören - ich sprach davon - und daß wir in Deutschland gleichzeitig den Anschluß an die internationale Entwicklung bei der Gestaltung der Arbeitsmärkte, bei der Bewahrung der sozialen Kohäsion, bei der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung verpassen könnten? Mir ist ganz unwohl bei dem Gedanken, daß in Amerika und in anderen Ländern hier in Europa alle diese Entwicklungen präziser gesehen und genauer, sorgfältiger und verantwortlicher beantwortet werden als hier in Deutschland.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage noch einmal: Es kommt hier nicht mehr auf wolkige Reden an. Es kommt auf klare Führung in diesem Land an. Sie verweigern diese Führung. Es kommt darauf an, diese Führung in eine kluge, zukunftsweisende internationale Zusammenarbeit einzubetten. Da ist Ihre Position geschwächt. Und es kommt darauf an, diesem Land in der Kooperation, in der Einbettung in internationale Organisationen und internationale Zusammenarbeit neue Zukunftschancen zu öffnen.
    Der Bundespräsident hat wohl recht: Es stellt sich heraus, daß zur Lösung der wirklich großen Fragen die Nationalstaaten zu klein geworden sind und daß zur Lösung der alltäglichen Fragen vor Ort die Nationalstaaten vielleicht zu groß, auf jeden Fall auch zu bürokratisch geworden sind. Daraus die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen, das hat weder Ihre Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, deutlich gemacht noch gar das unverantwortliche Geklingel, das man in solchen Fragen aus München hört.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])