Rede von
Dr.
Gero
Pfennig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann an die Eingangsworte der Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger anknüpfen. Wenn die Vorschläge der niederländischen Präsidentschaft in vielleicht noch ver-
Dr. Gero Pfennig
besserter Form beschlossen werden, wird die Revisionskonferenz ihre Ziele sehr weitgehend erreichen. Dies zeichnet sich bereits heute ab. Wir sollten das alle gemeinsam über die Fraktionsgrenzen hinweg und ohne Polemik als große Leistung würdigen. Denn mit diesem beachtlichen Erfolg würde der Weg freigemacht für die anstehende Erweiterung der Union. Die Union selber hätte sich ein ganzes Stück zu einer echten politischen Union weiterentwickelt. Beides ist Voraussetzung für Stabilität, Freiheit und Wohlstand auf unserem Kontinent und entspricht der Zielsetzung seit 40 Jahren. Mit Schlechtreden ist da niemandem gedient.
Lassen Sie mich ein paar wenige Punkte als Ergänzung zu dem, was hier in der Debatte bereits gesagt wurde, nennen.
Die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union wird nach derzeitigem Verhandlungsstand deutlich verbessert. Mehrheitsentscheidung in allen drei Säulen, mehr Mitentscheidung des Europäischen Parlaments, Vergemeinschaftung bei der Verbrechensbekämpfung, koordinierte Außen- und Sicherheitspolitik, Straffung der Organe und der Entscheidungsverfahren: dies waren von Anfang an unsere Forderungen; ich habe es hier gesagt. Wir werden diese Forderungen verwirklichen.
Bezüglich der Mehrheitsentscheidungen im ersten Pfeiler heißt dies zum Beispiel: Auch für finanzwirksame Politikbereiche wie Forschung und Strukturfonds wird es in Zukunft Mehrheitsentscheidungen geben. Wir sind uns alle darüber einig: Einstimmigkeit in diesen Bereichen hat in der Vergangenheit die Sache für Deutschland teuer gemacht. Das werden wir beseitigen.
Einstimmig werden hingegen alle Verfahren bleiben, die Verfassungscharakter haben, zum Beispiel auch die EU-Finanzverfassung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, häufig sind Demokratiedefizite angeprangert worden. Auch hierzu ist schon etwas gesagt worden. Ich will nur wenige Sätze hinzufügen. Wir wissen, daß das Europäische Parlament, das gerade in diesem Punkt sehr kritisch ist, nicht unzufrieden mit den sich jetzt abzeichnenden Ergebnissen ist, auch nicht die Sozialisten. Denn der niederländische Entwurf stellt einen großen Schritt nach vorne dar, und zwar nicht zuletzt dank des Einsatzes der Bundesregierung, der ich dafür danken möchte, vom Kanzler über den Außenminister bis zu Staatsminister Hoyer.
Weitere Fortschritte würden wesentlich erleichtert, wenn wir endlich die Verfälschung des Wahlsystems durch das britische Mehrheitswahlrecht beheben würden. Tony Blair hat das zugesagt, allerdings erst für die übernächsten Europawahlen. Die Kolleginnen und Kollegen von der SPD würden sicher einen Beitrag zur Behebung der sogenannten Demokratielücke leisten, wenn sie die britische Schwesterpartei für ein Vorziehen dieser Reform begeistern könnten. Da wäre also noch etwas zu tun.
Beim Thema Beschäftigung ist es hier polemisch ganz schön hin- und hergegangen. Herr Kollege Wieczorek, ich glaube nicht, daß es hilft, wenn Sie sagen: Die Position von New Labour kennen wir schon; wir als Sozialdemokraten sind hier in Deutschland schon viel weiter. Das erinnert mich ein bißchen an das verzweifelte Pfeifen im Wald.
Ich möchte das nicht vergleichen mit dem Ausspruch eines deutschen Politikers über das Tapezieren von Wänden; Sie wissen, was ich meine. Das verkneife ich mir.
Aber eins ist wohl klar. Tony Blair hat gesagt, früher hätten die Sozialisten daran gedacht, Probleme durch Mehrausgaben und mehr Kontrolle zu lösen; heute müßten sie darangehen, Arbeitsmarktflexibilität herzustellen und unnötige Bürokratiehemmnisse für die kleinen und mittleren Unternehmen als Hauptbeschaffer neuer Jobs zu kappen.
- Der macht sehr viel zu dem Punkt.
Ich höre aus SPD-regierten Bundesländern immer nur, daß dies nicht gehe und das nicht gehe und hier noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung eingeführt werden müsse und da noch der Denkmalschutz beachtet werden müsse - und alles auf Kosten der Arbeitsplätze. Wir alle sollten einmal gemeinsam darüber nachdenken, wo wir hier Verhinderung von Arbeit betreiben.
Ich will dazu nur noch eins sagen: Es ist ja richtig, daß wir auch auf EU-Ebene in der Beschäftigungsfrage koordinieren müssen. Daran hat niemand Zweifel. So etwas haben wir schon in der Vergangenheit gehabt; Frau Wulf-Mathies als Kommissarin hat darüber berichtet. Niemand in diesem Haus ist unsensibel bei der Frage des Abbaus der Arbeitslosigkeit bei insgesamt 18 Millionen Beschäftigten. Was aber nicht geht, ist, zu sagen - das hören wir von den deutschen Sozialdemokraten -, wir bräuchten Konjunkturprogramme auf EU-Ebene, und gleichzeitig der Bundesregierung vorzuwerfen, sie gebe zuviel Geld für Europa aus. Das funktioniert ja wohl nicht.
Noch ein weiteres: Die SPD fragt in ihrem Antrag nach finanziellen Konsequenzen der Vertragsrevision. Erstens, Frau Kollegin Wieczorek-Zeul: Ich möchte Sie gerne darüber aufklären. Die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik wird zwar aus nationalen Haushalten finanziert, aber unter Anrechnung auf die EU-Eigenmittelgrenze. Das haben Sie vielleicht überlesen.
Zweiter Punkt. Die Antwort auf die Frage nach der Finanzierung heißt: Wenn die EU die von der SPD gewünschten Beschäftigungsprogramme einführen würde, fiele die Bilanz zumindest für Deutschland katastrophal aus; denn wir müßten weitere Milliardenbeträge in den EU-Haushalt überweisen, die nur
Dr. Gero Pfennig
in geringem Maße unserem eigenen Arbeitsmarkt zugute kämen. Das kann wohl niemand ernsthaft wollen.
Ich will Ihnen noch etwas sagen: Mit Ihrem Vorschlag tragen Sie schlichtweg dazu bei, daß die finanziellen Spielräume der EU für die Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Staaten schon jetzt verfrühstückt werden
und dann kein Geld mehr da ist. Da brauchen Sie über Erweiterungswünsche doch überhaupt nicht mehr zu reden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die EU-Revisionskonferenz hat uns der politischen Union ein ganzes Stück nähergebracht. Wir müssen diesen Prozeß nachhaltig unterstützen, auch durch Stellungnahmen von deutschen Politikern in der Öffentlichkeit. Bei manchen Beiträgen, die ich gehört habe - ich denke insbesondere an den Beitrag des Kollegen Sterzing -, habe ich den Eindruck, daß einige die Ergebnisse der Revisionskonferenz schon jetzt madig machen wollen, um später sagen zu können: Wir stimmen nicht zu, also gibt es keine politische Union, also gibt es auch keine Währungsunion - und das ganze Projekt ist gescheitert.
Herr Kollege Sterzing, sagen Sie doch ruhig offen, daß die Bundesversammlung der Grünen bis heute keinen positiven Beschluß zur Währungsunion zustande gebracht hat. Tun Sie doch nicht immer so, als wenn Sie etwas fördern wollen. In Wahrheit wollen Sie es sabotieren. Sagen Sie das doch hier!
Die nächsten strategischen Aufgaben bestehen für uns darin, die Währungsunion zu vollenden, die Erarbeitung einer neuen EU-Finanzverfassung voranzutreiben und die Europäische Union zu erweitern. Nun sind auch zum Thema Währungsunion einige Worte gefallen. Ich finde es ja gut, daß offensichtlich auch die Kollegen von der SPD auf ihre französischen Kollegen Sozialisten eingewirkt haben, dieses Projekt nicht zu gefährden. Das finde ich in Ordnung. Wir haben doch alle ein Interesse daran, daß die gemeinsame Währung zustande kommt, und wir sollten nicht einen Gegensatz zwischen einheitlicher Währung und Beschäftigungsförderung herstellen.
Ich will allerdings darauf hinweisen, daß es Stirn-men gibt, die nach einer kontrollierten Verschiebung der Währungsunion rufen. Dazu gehört eben Gerhard Schröder, der - wenn er richtig wiedergegeben worden ist - gesagt hat, wir sollten an den Kriterien festhalten und die Währungsunion um drei Jahre verschieben. Herr Stoiber, der Ministerpräsident von Bayern, hat hingegen ganz klar gesagt, Kriterien und Termin stünden fest und es gebe keine Verschiebung. Das ist der entscheidende Unterschied.
Rufe nach Verschiebung sind doch purer Populismus. Was passiert denn, wenn wir wirklich in eine
Verschiebungsdiskussion hineinrutschen? Dann wird von Kontrolle doch keine Spur mehr sein. Der abrupt gefallene Kurs des Französischen Franc auf den Devisenmärkten - nachdem die französische Regierung Anfang der Woche Zusatzforderungen bezüglich des Stabilitätspaktes gestellt hat - hat uns doch schon gezeigt, was passiert, wenn die Währungsunion verschoben wird:
Es knallt auf den Märkten. Unsere Exportwirtschaft wird wieder einen Vorgeschmack davon bekommen, daß der Kurs der D-Mark nach oben springt und wir nicht mehr exportieren können. Von sogenannter kontrollierter Verschiebung kann doch in Wahrheit gar keine Rede sein. Die Konsequenzen wären - wie schon in den vergangenen Jahren - verheerend für den Arbeitsmarkt in Deutschland. Keiner, der Verantwortung trägt, kann das wollen.
Deswegen sollten wir parteipolitische und wahltaktische Spielchen - sei es hinsichtlich der Erfüllung der Kriterien, sei es hinsichtlich des Termins - beiseite lassen. Im übrigen honorieren die Bürger das auch nicht. Sie wollen Planungssicherheit und erwarten von der Politik klare Rahmenbedingungen. Verschiebung bedeutet aber Ungewißheit. Unser gemeinsames Ziel sollte daher unverändert die Einführung eines harten Euro zum 1. Januar 1999 sein. Nachhaltige Stabilität und fristgerechte Einführung - das sind die entscheidenden Kriterien, über die wir befinden müssen.
Wenn Europa die Herausforderungen der Revisionskonferenz besteht und Währungsunion und Erweiterung zu einem Erfolg werden, dann werden wir die Nachkriegsgeschichte vernünftig abgeschlossen haben. Nach der Teilung des Kontinents in Jalta über die Aufhebung der Blockgrenzen Anfang der 90er Jahre werden wir zu einer europäischen Vereinigung zum Ende dieses Jahrhunderts kommen. Unsere zivilisatorischen Werte hätten dann eine sichere Grundlage für das nächste Jahrhundert.
Danke.