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    Plenarprotokoll 13/176 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 176. Sitzung Bonn, Freitag, den 16. Mai 1997 Inhalt: Absetzung des Punktes 5 von der Tagesordnung 15855 A Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (Drucksache 13/7494) 15855 A Tagesordnungspunkt: Vereinbarte Debatte zu den Ergebnis- sen der neuesten Steuerschätzung . . 15855 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 15855 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 15860 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15863 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 15864 B Dr. Gregor Gysi PDS 15866 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 15869 A Dr. Norbert Wieczorek SPD 15872 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 15874 C Rudoll Scharping SPD 15875 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15878 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 15881 A Karl Diller SPD 15886 C Nächste Sitzung 15886 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15887* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 11 (Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes) Editha Limbach CDU/CSU 15887* D Regina Schmidt-Zadel SPD 15888* A Halo Saibold BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15888* D Dr. Dieter Thomae F.D.P 15889* D Wolfgang Bierstedt PDS 15890* A Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 15890* D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 15891* B 176. Sitzung Bonn, Freitag, den 16. Mai 1997 Beginn: 15.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behrendt, Wolfgang Bierstedt, Wolfgang Bindig, Rudolf SPD PDS SPD SPD SPD 16. 5.97 * 16. 5. 97 16. 5. 97 * 16. 5. 97 16. 5. 97 Blunck, Lilo SPD CDU/CSU SPD 16. 5. 97 16. 5. 97 * 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 Börnsen (Ritterhude), SPD F.D.P. Arne SPD CDU/CSU BÜNDNIS Braune, Tilo 90/DIE GRÜNEN Bühler (Bruchsal), Klaus Ferner, Elke Gansel, Norbert Genscher, Hans Dietrich Grasedieck, Dieter Dr. Jobst, Dionys Dr. Kiper, Manuel Krautscheid, Andreas Kriedner, Arnulf CDU/CSU CDU/CSU CDU/CSU PDS 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 * 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 Lenzer, Christian CDU/CSU SPD 16. 5. 97 16. 5. 97 * 16. 5. 97 Dr. Maleuda, Günther Marten, Günter F.D.P. 16. 5. 97 Meckel, Markus Möllemann, Jürgen W. Mosdorf, Siegmar SPD 16. 5. 97 Müller (Zittau), Christian Neumann (Bramsche), SPD Volker SPD Pesch, Hans-Wilhelm Dr. Probst, Albert CDU/CSU CDU/CSU SPD Dr. Rappe (Hildesheim), SPD BÜNDNIS Hermann 90/DIE GRÜNEN Reschke, Otto Dr. Rochlitz, Jürgen Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16. 5. 97 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 16. 5. 97 Schönberger, Ursula BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16. 5. 97 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schultz (Everswinkel) Reinhard SPD CDU/CSU SPD 16. 5. 97 Dr. Schwarz-Schilling, Christian SPD 16. 5. 97 Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16. 5. 97 Steen, Antje-Marie Steindor, Marina 16. 5. 97 16. 5. 97 Verheugen, Günter Wallow, Hans SPD 16. 5. 97 Wolf (Frankfurt), SPD 16. 5. 97 Margareta BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16. 5. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 11 (Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes) Editha Limbach (CDU/CSU): Gestern, am 15. Mai 1997, trat die europaweite Regelung zur Kennzeichnung neuartiger Lebensmittel in Kraft. Diese Verordnung dient mit ihren Zulassungs- und Kennzeichnungsvorschriften, die nicht zuletzt auch auf unser Drängen und die beharrlichen Verhandlungen der Bundesregierung zurückzuführen sind, sowohl dem freien Warenverkehr im Binnenmarkt als auch dem Schutz und der Information der Verbraucherinnen und der Verbraucher in Europa. Es wäre gut, wenn wir auch für die Kennzeichnung von Aromen und Zusatzstoffen ein so gutes Ergebnis erzielen könnten. Aber heute geht es zunächst einmal um die schnelle und effektive Umsetzung des Erreichten. Das vorgeschriebene Zulassungsverfahren für Neuartige Lebensmittel, vor allem für gentechnisch veränderte Lebensmittel, bedarf entsprechender Durchführungsverordnungen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition soll das Bundesgesundheitsminsterium ermächtigt werden, durch eine Rechtsverordnung das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin oder das Robert-Koch-Institut als zuständige Behörde zu bestimmen. Damit wird sichergestellt, daß die erforderlichen Prüfungen mit hohem Sachverstand durchgeführt werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erwartet zügige Beratung im Ausschuß, damit die Umsetzung der entsprechenden Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie des Rates über Lebensmittelhygiene möglichst bald erfolgt. Regina Schmidt-Zadel (SPD): Nach langwierigen und zähen Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat der Europäischen Union sind die beschlossenen Bestimmungen der Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten in Kraft getreten. Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf der Koalition versucht dieser Verordnung gerecht zu werden. Es werden rechtliche Grundlagen geschaffen, die die Möglichkeit eröffnen, dem Robert-Koch-Institut oder dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin Zuständigkeiten zur Durchführung der Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten zuzuweisen und Verfahrensvorschriften zur Durchführung dieser Verordnung zu erlassen. Es ist erfreulich, daß nach einer solch langen Anlaufphase von insgesamt sieben Jahren zumindest ein in Grundsätzen positiv zu bewertendes Ergebnis zustande gekommen ist. Die SPD setzte sich im Vorfeld dieser Übereinkunft uneingeschränkt dafür ein, daß der Verbraucherschutz und die persönlichen Gesundheitsinteressen der Bürger berücksichtigt werden sollten. Der grundlegende Durchbruch wurde nunmehr erzielt - weitere Schritte zu einem unfassenden gesundheitlichen Verbraucherschutz müssen jetzt folgen! Insbesondere bei Nahrungsmitteln sind die Maßstäbe für strenge Sicherheitskontrollen und Überwachung besonders hoch anzusetzen. Gerade vor dem Hintergrund der Lebensmittelskandale der Vergangenheit - denken Sie hier an gepanschte Weine, an pestiziddurchsetzte Babykost oder gar an das alles überlagernde Skandalthema der letzten Monate: die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien, auch BSE genannt - erschien im Bereich des Lebensmittelrechts eine zufriedenstellende Lösung auch bei gentechnisch veränderten Produkten erforderlich. Transparenz im Entscheidungsverfahren und Vertrauen der Bürger in uns Politiker besaßen somit oberste Priorität - gerade bei diesem sensiblen Thema. Durch die neue Regelung haben die Verbraucher in vielen Fällen nun die Möglichkeit, zwischen gentechnisch manipulierten und „normalen" Lebensmitteln zu wählen. Ich betone an dieser Stelle bewußt „in vielen Fällen", denn leider bietet die vorliegende Verordnung bei genauerer Betrachtung Anlaß zur Kritik. Viele Zusatzstoffe fallen nämlich nicht unter die Kennzeichnungspflicht der Verordnung. Darüber hinaus wird die Kennzeichnungspflicht auch nur dann angewandt, wenn ein Nachweis über eine gentechnische Manipulation vorgelegt werden kann. Diese Regelung reicht nicht aus! Es kann doch nicht angehen, daß Lebensmittelherstellern die Möglichkeit gegeben wird, ihre Produkte nicht kennzeichnen zu müssen, obwohl genmanipulierte Produkte verwendet werden. Diese Regelung wird in Zukunft eher dazu führen, daß Lebensmittelhersteller mehr Geld investieren, um Wege ausfindig zu machen, auf welche Art und Weise die gentechnische Manipulation nicht mehr nachweisbar zu machen ist, anstatt das Geld für die Optimierung der Produktion „natürlicher" Lebensmittel zu verwenden. Für die SPD steht in diesem Zusammenhang fest, daß ein wirklich umfassender gesundheitlicher Verbraucherschutz nur dann gewährleistet wird, wenn die wichtige Kennzeichnungspflicht auf alle Produkte angewandt wird. Aus diesem Grunde bewertet die SPD die Verordnung der Europäischen Union als einen ersten wesentlichen Schritt in die richtige Richtung. Handlungsbedarf besteht jedoch noch, und der Appell an die Lebensmittelhersteller genmanipulierte Rohstoffe bei der Produktion möglichst auszuschließen oder die hergestellten Erzeugnisse zumindest freiwillig über die gesetzliche Verpflichtung hinaus zu kennzeichnen, bleibt unverändert bestehen. Lassen Sie mich noch kurz auf eine mögliche Entwicklung nach der Umsetzung der Verordnung hinweisen, die uns in naher Zukunft beschäftigen könnte. Durch die Verordnung der Europäischen Union hat also der Bürger durch die Deklarationspflicht grundsätzlich die Möglichkeit, bei vielen Produkten zwischen gentechnisch manipulierten und „normalen" auszuwählen. Hierbei stellt sich aber die Frage, ob die Verbraucher diese vermeintliche Entscheidungsfreiheit auch nutzen können. Es ist nämlich davon auszugehen, daß im Zuge dieser neuen Technologie solche Produkte billiger angeboten werden als herkömmliche Nahrungsmittel. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann werden viele Bürgerinnen und Bürger vor dem Hintergrund der zunehmenden Armut und Einkommensausfälle in der Bundesrepublik Deutschland praktisch dazu gezwungen, Produkte zu kaufen, die sie eigentlich wegen gesundheitlicher Bedenken sonst meiden würden. Halo Saibold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Tatsache, daß wir heute im Deutschen Bundestag diesen Gesetzentwurf in erster Lesung debattieren, ist nicht den Urhebern zuzuschreiben. Heimlich, still und leise - so wie das schleichende Eindringen gentechnisch hergestellter Enzyme, Lebensmittelzutaten oder genmanipulierter Sojaprodukte auf den Markt - wollte die Regierungskoalition noch vor wenigen Wochen eine Gesetzesänderung durch das Parlament ziehen, welche die notwendigen nationalen Anpassungen unseres Lebensmittelrechtes an die heute in Kraft getretene Novel-Food-Verordnung der EU ermöglichen sollte. Heimlich, still und leise, weil sie uns wohl suggerieren will, daß mit der Verabschiedung der europäischen Verordnung nun auf nationaler Ebene an der Schraube „Einführung gentechnischer Lebensmittel" nicht mehr zu drehen ist. Wir sehen das nicht so. Heimlich, still und leise wohl auch aus Angst, daß die Öffentlichkeit eins und eins zusammenzählen könnte und erkennt, daß diese Regierung und die zuständigen Behörden auf das Inkrafttreten der doch ansonst sehnsüchtig erwarteten Verordnung nicht entsprechend vorbereitet sind. Nun ist die Katze also doch aus dem Sack und es zeigt sich, daß zwar ab heute die Novel-Food-Verordnung als durchgreifendes europäisches Recht gilt, aber weder die nationalen Zuständigkeiten geregelt sind noch ein angemessenes Verfahren existiert, wie die Länder, in deren Zuständigkeitsbereich die Durchführung der Verordnung und deren Überwachung fällt, beteiligt werden. Wenn morgen in der EU gentechnische Lebensmittel nach der Novel-Food-Verordnung zugelassen werden sollen, trifft das Zulassungsverfahren auf ein bloßes Provisorium nicht endgültig geklärter Kompetenzen. Noch nicht einmal die Frage nach der für Novel Food zuständigen nationalen Behörde ist abschließend geklärt. Auch mit dem Text des vorliegenden Gesetzentwurfes bleibt offen, wann und warum denn nun das BgVV zuständig sein soll und wann das RKl. Und wenn man es munkeln hört, daß das RKG als Gentechnikbehörde mit der Lebensmittelbehörde um die Zuständigkeit konkurriert, muß sich Herr Seehofer fragen lassen, ob er seinen Stall noch im Griff hat. Weiterhin bleibt unklar, welche der Länderbehörden nun überhaupt für eine Erstprüfung des „neuartigen Lebensmittels" zuständig ist, auf deren Basis entschieden werden muß, ob nach Art. 7 bzw. 13 der Verordnung zugelassen werden muß. Die Frage nach der „Gleichwertigkeit" des neuartigen Lebensmittels mit gewohnten Produkten muß hier ja vorab geklärt werden. Aber bisher sind nur wenige Lebensmittelüberwachungsbehörden von ihrer Ausrüstung her in der Lage, den Anforderungen an die Analytik und Labortechnik zur Prüfung und Überwachung von Novel Food zu genügen. Die Konsequenz aus der Summe der Versäumnisse lautet: Bis dieses heute debattierte Gesetz den Bundestag passiert hat, wird sich Novel Food bei uns noch monatelang im rechtlich grauen Raum abspielen. Dabei soll mit dem vorliegenden Änderungsgesetz erst die Ermächtigungsgrundlage für eine entsprechende Rechtsverordnung geschaffen werden, wodurch endgültige Rechtsklarheit sich noch weiter verzögern wird. Die Verantwortung für diesen untragbaren Zustand liegt einzig und allein beim Gesundheitsministerium. Ganz davon abgesehen wäre die Vorlage dieses Gesetzes selbst eine Angelegenheit des zuständigen Ministeriums gewesen; da hat wohl die Regierungsfraktion einem vor lauter Gesundheitsreform paralysierten Herrn Seehofer auf die Sprünge helfen müssen. Daß diese Aufgaben auf Sie zukommen, Herr Seehofer, das war doch spätestens im Januar dieses Jahres klar, wenn nicht schon im November 1996, als sich der Vermittlungsausschuß zwischen EP und Kommission auf den nun verabschiedeten Verordnungskompromiß einigte. Wenn das Wort Mogelpackung auf gesetzliche Vorschriften zutrifft, dann auf die Novel-Food-Verordnung. Sie ist heute in Kraft getreten, ohne daß von der Kommission und den Mitgliedstaaten abschließend festgelegt wurde, welche wissenschaftlichen Kriterien für eine Zulassung erfüllt sein müssen und wie die Kennzeichnungsvorschriften ausgestaltet werden. Nach Schätzungen von Initiativen und Verbänden müssen 80 Prozent aller mit Gentechnik in Berührung gekommenen Lebensmittel auch mit der Novel-Food-Verordnung nicht gekennzeichnet werden. Wir alle wissen, daß gentechnische Enzyme, Zusatzstoffe und Extraktionsmittel gar nicht erfaßt werden und deshalb auch nicht gekennzeichnet werden müssen. Und Sie geben derweil Entwarnung und tun so, als wäre alles paletti. Aus unserer Sicht hätte die Verordnung in dieser Form gar nicht verabschiedet werden dürfen. Vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern geht es um mehr als nur die eigene Gesundheit. Sie wollen verantwortungsbewußt handeln und Risiken für Pflanzen, Tiere, Boden, Wasser und Luft in der ganzen Produktionskette ausschließen. Sie wollen mit dem Kauf eines Produktes nicht den Weg der weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft unterstützen. Die Novel-Food-Verordnung weist eine Reihe weiterer Defizite auf: Sie mißachtet das Vorsorgeprinzip und die Anforderungen des Verbraucherschutzes, die technologische Notwendigkeit neuartiger und gentechnischer Lebensmittel muß nicht geprüft werden, und ökologische und soziale Folgen werden nicht berücksichtigt. Bündnis 90/Die Grünen werden deshalb weiterhin vehement für gentechnikfreie Produkte kämpfen. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Jeder von uns nimmt jeden Tag Nahrung zu sich. Um so wichtiger ist es, im Bereich der Lebensmittel den Verbraucherschutz zu gewährleisten und größtmögliche Sicherheit zu schaffen. Das gilt insbesondere für neuartige Produkte. Die EU hat daraus die Konsequenzen gezogen und in Verordnungen über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten sowie über die Lebensmittelhygiene Anwendungsstandards für die europäischen Länder geschaffen. Dadurch wird in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft einheitlich geltendes Recht gewährleistet, das dem Verbraucherschutz dient und Handelshemmnisse beseitigt. Alle Lebensmittel, die durch den Einsatz neuer Technologien oder unter Verwendung neuer Rohstoffe hergestellt werden, dürfen nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie keine Gefahr für den Verbraucher darstellen, keine Irreführung bewirken und sich bei Lebensmitteln aus gentechnisch veränderten Organismen von konventionellen Produkten nicht so unterscheiden, daß sie bei normalem Verzehr Ernährungsmängel verursachen können. Um diese Verordnung in der Bundesrepublik Deutschland praktikabel anwenden zu können, fehlt zur Zeit jedoch die Ermächtigungsgrundlage. Es ist nicht, wie ursprünglich angenommen, möglich, diese Angelegenheit auf dem Verwaltungsweg zu regeln, sondern wir müssen die Ermächtigungsgrundlage im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz schaffen. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und das Robert-Koch-Institut müssen in die Lage versetzt werden, die Verordnungen des Europäischen Parlamentes zügig umzusetzen. Ziel ist es, die auf nationaler Ebene erforderlichen Schritte des Zulassungsverfahrens möglichst zügig, koordiniert und sicher durchführen zu können. Dort, wo es notwendig ist, müssen deshalb Verfahrensvorschriften zur Durchführung der Verordnungen erlassen werden können. Das gleiche gilt für die Schulungsbestimmungen über Lebensmittelhygiene, die in Form von spezifizierten Regelungen umgesetzt werden müssen. Mit dieser Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes schaffen wir die Grundlage dafür, daß die europäischen Sicherheitsstandards im nationalen Bereich vernünftig umgesetzt werden können. Wolfgang Bierstedt (PDS): Es ist eine Farce, daß wir über die Frage der Kennzeichnung und der Sicherheitskriterien für gentechnisch hergestellte und veränderte Lebensmittel hier debattieren müssen, während die Novel-Food-Verordnung heute morgen in Kraft getreten ist. Diese Frage nur aus dem formalen Anlaß einer Verordnungsermächtigung anschließend zu behandeln zeigt, daß allein Vollzug gemeldet werden soll, um inhaltlicher Kritik möglichst aus dem Weg zu gehen. Denn zweifellos ist die europäische Novel-FoodVerordnung ein Thema, daß viele Bürgerinnen und Bürger interessiert,. insbesondere deshalb, weil sie keinerlei Interesse am Verzehr von Gen-Nahrungsmitteln haben, sondern diese Lebensmittel bei ihnen Ängste auslösen. So hatten sie zumindest darauf gehofft, diese Nahrungsmittel in den Regalen erkennen zu können. Leider war dies eine trügerische Hoffnung; eine wirklich umfassende Kennzeichnungspflicht von Gen-Nahrungsmitteln wird es nicht geben - auch wenn dies von der Bundesregierung wissentlich falsch in alle Welt hinausposaunt wird. Tatsächlich werden auch in der Bundesrepublik schon Lebensmittel verkauft, die mit Hilfe der Gentechnik entstanden sind. Genetisch veränderter Soja und. Mais werden bereits seit Monaten importiert, ohne daß die Bundesregierung sich für eine Kennzeichnung oder gar einen Importstop engagiert hätte. Dies beweist ihren mangelnden Willen, für verbraucherfreundliche Regelungen einzutreten. Die Novel-Food-Verordnung ist völlig unzureichend, sowohl im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht gentechnischer Nahrungsmittel als auch im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Umweltprüfungen für das Inverkehrbringen solcher Lebensmittel. Es kann doch nicht sein, daß die Verordnung Enzyme, Aromen und Zusatzstoffe - aller Voraussicht nach der größte Markt für Gentechnik in Lebensmitteln - überhaupt nicht erfaßt. Wenn zugleich unterlassen wird, Großlieferungen von Nahrungsmitteln danach zu differenzieren, ob Teile mit Hilfe der Gentechnik entstanden sind oder nicht, dann wird doch jede sogenannte Kennzeichnungspflicht zur Makulatur. Zumal Nahrungsmittel nur dann gekennzeichnet werden müssen, wenn sie „nicht mehr gleichwertig" mit herkömmlichen Nahrungsmitteln sind und diese Veränderung „wissenschaftlich nachweisbar" ist. Abgesehen davon, daß praktikable Nachweismethoden bislang kaum zur Verfügung stehen, bleibt doch die konkrete Regelung, was als gleichwertig zu gelten hat und welche Grenzwerte hierfür gelten sollen, vollkommen offen. In der Verordnung werden keine verbindlichen Sicherheitskriterien formuliert; sicher ist demgegenüber, daß Umweltprüfungen nicht zwingend vorgeschrieben sind. Erneut wird deutlich, daß die ökologischen Gefahren des Einsatzes der Gentechnik nicht wahrgenommen werden bzw. nicht wahrgenommen werden sollen. Unserer Meinung nach müssen bei einem Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich nicht nur die möglichen gesundheitlichen Gefährdungen berücksichtigt werden, sondern auch die sozialen und ökologischen Folgewirkungen des Einsatzes dieser Technologie. Die Verordnung wird diesen Anforderungen jedoch in keiner Weise gerecht, auch gibt sie keine Antwort auf die noch immer offene Frage des Sinnes genmanipulierter Nahrungsmittel zum Beispiel aus ernährungsphysiologischer Sicht, Kostensenkungen bei Herstellung, Transport und Lagerung und - in Verbindung mit der Patentierung von Genen - erhöhte Gewinnchancen für die Lebensmittelindustrie, das sind die Gründe für diesen Einsatz der Gentechnik. Eine wirklich umfassende Kennzeichnung wäre ein Minimalziel gewesen. So wie die Verordnung jetzt gültig ist, muß das begründete Engagement gegen Gen-Nahrungsmittel andere Formen finden. Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes werden die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, um die Zuständigkeit für bestimmte Maßnahmen zur Durchführung der EG-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten von den grundsätzlich für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Bundesländern auf das Robert-Koch-Institut bzw. auf das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin zu übertragen. Außerdem wird die gesetzliche Ermächtigung geschaffen, die europäische Lebensmittelhygiene-Richtlinie vollständig in deutsches Recht umzusetzen. Nach langjährigen und schwierigen Verhandlungen in Brüssel konnte die EG-Verordnung über neuartige Lebensmittel zum Abschluß gebracht werden. Dieser Verhandlungserfolg wurde sowohl von den Koalitionsparteien als auch von der SPD, aber auch von seiten der Verbraucherschaft und der Lebensmittelwirtschaft zu Recht begrüßt, weil hiermit für neuartige Lebensmittel europaweit einheitlich strenge Vorschriften zum Gesundheitsschutz sowie umfas- sende Kennzeichnungsvorschriften zur Information des Verbrauchers geschaffen wurden. Die in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltende EG-Verordnung trat bereits am 15. Mai 1997 in Kraft. Die Änderung des deutschen Lebensmittelrechtes ist erforderlich, weil das in der EG-Verordnung vorgesehene Zulassungsverfahren auf nationaler Ebene beginnt und auf Gemeinschaftsebene fortgeführt wird. Im Interesse einer innerhalb Deutschlands einheitlichen Handhabung auf hohem wissenschaftlichen Niveau besteht Einvernehmen zwischen Bund und Ländern, daß die nationale Erstprüfung von den fachlich besonders qualifizierten Bundesbehörden, nämlich dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und dem Robert-Koch-Institut durchzuführen ist. Die formalen Voraussetzungen für diese Zuständigkeitszuweisung schafft der vorliegende Gesetzentwurf. Die Durchführung der EG-Verordnung wird - wie dies vorauszusehen war - in der Anfangsphase noch eine Reihe von Fragen zur Auslegung der materiellen Regelungen aufwerfen. Dies gilt sicherlich auch für den Bereich der Kennzeichnung. Zu den die Auslegung des materiellen Inhalts der EG-Verordnung betreffenden Problemen sind weitere Beratungen auf Gemeinschaftsebene zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten geplant. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Sojabohnen und Maiskörner enthalten, kennzeichnungspflichtig sind. Diese Erzeugnisse sind bereits nach anderen EG- Vorschriften zugelassen worden, so daß in diesem Fall nicht die Kennzeichnungsvorschriften der EG- Verordnung über neuartige Lebensmittel gelten. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen, auch für diese Produkte gemeinschaftseinheitliche Bestimmungen mit dem Ziel einer umfassenden und praktikablen Kennzeichnung zu erlassen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 711. Sitzung am 25. April 1997 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Drittes Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen und zur Änderung anderer Gesetze (3. Wahlrechtsverbesserungsgesetz - 3. WRVG) - Gesetz zu dem Geheimschutzübereinkommen der WEU vom 28. März 1995 - Gesetz zu dem Übereinkommen vom 28. April 1995 über den Beitritt der Republik Österreich zu dem am 19. Juni 1990 unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (Gesetz zum Beitritt der Republik Österreich zum Schengener Durchführungsübereinkommen) - Gesetz zu dem übereinkommen vom 5. September 1980 über die Ausstellung von Ehefähigkeitszeugnissen - Gesetz zu dem Obereinkommen vom 13. November 1991 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen - Gesetz zu dem Abkommen vom 20. Juni 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinten Nationen und dem Sekretariat des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen über den Sitz des Sekretariats des Übereinkommens und zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes - Gesetz zu dem Abkommen vom 5. Mai 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Hongkong über den Fluglinienverkehr - Erstes Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgeseizes - Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz - BKAG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bekräftigt, daß die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die internationale Verbrechensbekämpfung (Artikel 73 Nr. 10 GG) nur die grenzüberschreitende Verfolgung strafbarer Handlungen und die Amtshilfe deutscher Behörden auf Ersuchen ausländischer Behörden im Rahmen der Strafverfolgung, nicht aber den Bereich der Gefahrenabwehr umfaßt und daß § 3 BKAG einem unmittelbaren Dienstverkehr der Länderpolizeien mit ausländischen Dienststellen im Bereich der Gefahrenabwehr nicht entgegensteht. Begründung: Dem Bund steht nach Artikel 73 Nr. 10 des Grundgesetzes eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Bereich der internationalen Verbrechensbekämpfung zu. Der Begriff „Internationale Verbrechensbekämpfung" umfaßt jedoch nur die grenzüberschreitende Verfolgung strafbarer Handlungen und die Amtshilfe deutscher Behörden auf Ersuchen ausländischer Behörden im Rahmen der Strafverfolgung (von Münch, Kommentar zum Grundgesetz, Rd.Nr. 69 zu Artikel 73; von MangoldtKlein, Kommentar zum Grundgesetz, Anm. XVII, 2c). Der Bereich der Gefahrenabwehr wird hiervon nicht umfaßt. Zwar geht der Bundestag, wie sich aus der Beschlußempfehlung und dem Bericht seines federführenden Innenausschusses zu Artikel 1 § 3 Abs. 2 und 3 (internationaler Dienstverkehr) ergibt, davon aus, daß nicht jeder internationale Dienstverkehr dem BKA vorbehalten sein soll und den Belangen der Länder durch die klarstellende Regelung in § 1 Abs. 3 BKAG Rechnung getragen sei (BT-Drs. 13/7208, S. 39). Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 stellt jedoch nicht in hinreichender Deutlichkeit dar, daß j 3 BKAG nicht den in Länderzuständigkeit fallenden Bereich der Gefahrenabwehr umfaßt und somit nicht dem unmittelbaren Dienstverkehr der Länderpolizeien mit ausländischen Dienststellen in diesem Bereich entgegensteht. Insoweit bedarf es einer Bekräftigung durch den Bundesrat. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 6. Mai 1997 ihre Große Anfrage „Zwischenbilanz zum Abbau von sozialen Leistungen - Auswirkungen auf die Betroffenen und das gesellschaftliche Klima" -Drucksache 13/7220 - zurückgezogen. Des weiteren hat die Fraktion der SPD mit Schreiben vom 14. Mai 1997 ihren Antrag „Investieren in eine lebenswerte Zukunft: Die Modernisierung des dualen Systems vorantreiben" - Drucksache 13/ 6743 - zurückgezogen. Die Abgeordneten Anni Brandt-Elsweier, Ingrid Matthäus-Maier, Dr. Rita Süssmuth und Verena Wohlleben haben den Gesetzentwurf „Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - §§ 177 bis 179 StGB (... StrÄndG)" - Drucksache 13/7324 - nachträglich unterschrieben. Der Abgeordnete Heinrich Lummer hat seine Unterschrift zu dem Antrag „Eckpunkte für die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen" - Drucksache 13/6591- zurückgezogen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland 1994 - Unfallverhütungsbericht Arbeit 1994 - - Drucksachen 13/3091, 13/3528 Nr. 1.2 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Beschäftigung Schwerbehinderter bei den Bundesdienststellen - Drucksachen 13/5132, 13/5550 Nr. 1.5 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/3938 Nr. 1.3 Drucksache 13/4636 Nr. 1.2 Drucksache 13/5295 Nr. 1.6 Drucksache 13/7017 Nr. 1.13 Innenausschuß Drucksache 13/6454 Nr. 1.10 Drucksache 13/7117 Nr. 2.16 Drucksache 13/7216 Nr. 2.20 Rechtsausschuß Drucksache 13/4678 Nr. 2.8 Drucksache 13/5056 Nr. 2.9 Drucksache 13/6152 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 13/7017 Nr. 2.16 Drucksache 13/7017 Nr. 2.43 Drucksache 13/7117 Nr. 2.4 Drucksache 13/7117 Nr. 2.18 Drucksache 13/7216 Nr. 2.29 Drucksache 13/7306 Nr. 2.2 Drucksache 13/7306 Nr. 2.3 Haushaltsausschuß Drucksache 13/7017 Nr. 2.12 Drucksache 13/7017 Nr. 2.14 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7117 Nr. 2.1 Drucksache 13/7117 Nr. 2.8 Drucksache 13/7117 Nr. 2.12 Drucksache 13/7117 Nr. 2.17 Drucksache 13/7216 Nr. 2.24 Drucksache 13/7216 Nr. 2.27 Drucksache 13/7216 Nr. 2.28 Drucksache 13/7216 Nr. 2.30 Drucksache 13/7306 Nr. 2.8 Drucksache 13/7306 Nr. 2.10 Drucksache 13/7306 Nr. 2.13 Drucksache 13/7306 Nr. 2.17 Drucksache 13/7306 Nr. 2.21 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/4466 Nr. 2.26 Drucksache 13/5555 Nr. 2.6 Drucksache 13/5866 Nr. 1.2 Drucksache 13/7017 Nr. 1.4 Drucksache 13/7017 Nr. 1.11 Drucksache 13/7117 Nr. 2.5 Drucksache 13/7117 Nr. 2.6 Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 13/4921 Nr. 2.29 Drucksache 13/7017 Nr. 1.7 Drucksache 13/7017 Nr. 1.8 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/6766 Nr. 2.19 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/7017 Nr. 2.5 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/6766 Nr. 2.2 Drucksache 13/7017 Nr. 2.4 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/6861 Nr. 2.2 Drucksache 13/7017 Nr. 1.10 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/6861 Nr. 1.6 Drucksache 13/6861 Nr. 1.7 Drucksache 13/7017 Nr. 1.2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Wenn wir - auch das will ich sagen - im Rahmen der Erwägungen, die wir jetzt neu anstellen müssen, zu bestimmten Entscheidungen kommen, habe ich Verständnis dafür, daß Sie diese Entscheidungen kritisieren. Übrigens haben wir diese Entscheidungen
    noch gar nicht getroffen; wir haben bis jetzt nur Absichten erklärt. Daß Sie aber von vornherein in einer solchen Form die Überlegungen im Blick auf die Bundesbank und die Telekom diffamieren, zeigt doch: Sie sind auch auf diesen Feldern gar nicht an einem ernsthaften Gespräch interessiert.
    Wenn ich dann noch von einem Ihrer Redner höre, was wir hier alles falsch machen, weil wir privatisieren, dann entgegne ich Ihnen: Das müssen gerade Sie sagen! Ihre Fraktion kommt doch aus der ganzen Bundesrepublik, aus allen Bundesländern. Was tun Sie denn dort, wo Sie an der Regierung sind? Niedersachsen ist ein Beispiel, das naheliegt, weil der Hoffnungsträger der SPD dort gerade auch den Haushalt saniert.

    (Freimut Duve [SPD]: Nur kein Neid!)

    - Das muß ich Ihnen sagen: Da empfinde ich keinen Neid.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wissen Sie, wenn wir jetzt eine wirklich offene Debatte hätten, hätten eben zwei Drittel Ihrer Fraktion hier mitgeklatscht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Einige in der ersten Reihe!)

    - Die erste Bank weiß immer alles besser. Da habe ich lang genug gesessen; die muß gut sein.
    Ich will bloß ganz wenige Beispiele bringen. Wenn man Sie so hört, meint man, wir sitzen hier auf einem anderen Stern. Aber die föderale Ordnung bringt noch viel Leben ins Land. In Niedersachsen haben Sie bereits 1997 für 220 Millionen DM Landesbesitz verkauft. Sie sind gerade dabei, bei einer kulturell so wichtigen Einrichtung wie der Landeslotto- und Totogesellschaft ebenfalls den Verkauf vorzunehmen. Das bringt rund 550 Millionen DM; für ein Land wie Niedersachsen eine beachtliche Summe. Die nehmen Sie zur Haushaltssanierung.
    Derjenige, der das macht, kommt relativ selten nach Bonn ins Plenum des Deutschen Bundestages. Vielleicht wird er von Ihnen auch nicht eingeladen; ich weiß es nicht.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Wenn er schon kommt, dann könnte er doch einmal sagen, warum das, was er bei der Privatisierung tut, ethisch und moralisch hochwertig und richtig ist, während es sich bei uns von vornherein um ein Werk des Teufels handeln soll.
    Man kann die Aufzählung fortsetzen. Hamburg, wo ein weiterer Hoffnungsträger agiert, hat gerade die Energie- und Wasserversorgung - das ist nicht irgendein Thema - entsprechend privatisiert. Von den erzielten 1,3 Milliarden DM gehen 900 Millionen in den Haushalt.
    Ich kritisiere das überhaupt nicht.
    Meine politischen Freunde und Ihre politischen Freunde im Berliner Senat sind gerade dabei, durch

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    den Verkauf von Anteilen an der Bewag 2,9 Milliarden DM in das Stadtsäckel zu bringen.

    (Freimut Duve [SPD]: Wie lange wollen Sie denn noch reden, Herr Bundeskanzler? Weitere Zurufe von der SPD)

    - Wollen Sie nicht erst einmal nachdenken, bevor Sie schreien?

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch in Schleswig-Holstein haben Sie solche Entscheidungen in einer Größenordnung von 250 Millionen DM getroffen.
    Also: Was soll's? Warum prangern Sie uns an, wenn wir das in vergleichbaren Dimensionen, aber sehr viel zurückhaltender, als das anderswo geschieht, auf den Weg bringen?
    Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen - ich nie -, daß wir für eine Privatisierung der Telekom eintreten. Das war immer unser erklärtes Ziel. Es gibt wirklich keinen vernünftigen Grund, warum der Bund auf Dauer einen Anteil von 74 Prozent halten müßte.

    (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das sagt auch keiner!)

    Deswegen wollen wir die Privatisierung fortsetzen.
    Ich weiß auch noch, als diese Privatisierungsdiskussion begann, welche Probleme Sie hatten, sich überhaupt auf diesen Weg zu begeben. Jetzt ist der erste Börsengang hervorragend gelungen. Das Unternehmen läuft gut. Es ist doch keine Frage, daß weitere Reduzierungen des Bundesanteils möglich sind, allerdings unter der Voraussetzung - das brauchen Sie uns nun doch wirklich nicht zu sagen -, daß die Interessen der Aktionäre, vor allem der Kleinaktionäre, auf jeden Fall gewahrt werden.
    Es ist doch keine Frage, daß wir eine weitere Privatisierung, Stück für Stück, in Gesprächen mit dem Vorstand und der Führung der Telekom abstimmen. Es ist doch nicht unser Interesse, daß das ein Mißerfolg wird. Unser Interesse ist, daß das ein Riesenerfolg wird. Deswegen werden wir das Notwendige dafür machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Jetzt kommen Sie mit dem Thema Bundesbank. Daß das Thema nicht erst seit vorgestern erörtert wird, hat Wolfgang Schäuble an Hand der- Protokollnotizen des Haushaltsausschusses nachgewiesen. Diejenigen - ein besonders Kundiger hat hier vorhin eine Zwischenfrage gestellt - in Ihrem Lager, die die Lage kennen, wissen, daß das in Europa überlegt wird und daß man natürlich darüber diskutieren kann - ob nun ein Jahr früher oder ein Jahr später. Wir sind mitten in dieser Diskussion.
    Ich bekenne mich dazu, da wir jetzt die Chance haben, in einer konkreten Situation damit etwas Gutes tun zu können: zum einen im Blick auf die Gesamtlage und zum anderen auch für unser europäisches Engagement.
    Ich sage Ihnen voraus: Unsere europäischen Kollegen werden dies überhaupt nicht bedauern. Für meine europäischen Kollegen ist es das Wichtigste, daß die Bundesrepublik mit einer soliden Statur beim Euro mitmacht; denn ohne die Bundesrepublik kann der Euro nicht funktionieren. Das ist doch die Wahrheit!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich füge hinzu: Irgendwo sollten wir doch auch in diesem Hause - vielleicht mit der kleinen Ausnahme jener, die diese Misere, vor allem auch geistig, als die Nachfolger der SED zu vertreten haben - die Überlegung anstellen, ob es nicht berechtigt ist, daß das, was wir seit Einführung der D-Mark über Generationen erarbeitet haben - und zwar als nationalen Erfolg der Deutschen -, im Rahmen der Möglichkeiten, ohne irgend etwas zu gefährden - es wird gar nichts gefährdet; es wird gar nichts in irgendeiner Form verschleudert -, dem Erblastentilgungsfonds zugeführt wird.
    Der Name „Erblastentilgungsfonds" zeigt doch, worum es eigentlich geht. Es geht darum, daß diese enormen Summen notwendig sind, um die unterschiedlichen Lebensbedingungen und -verhältnisse in - wie wir früher sagten - beiden Teilen Deutschlands; jetzt: in den neuen Ländern und in der alten Bundesrepublik einander anzugleichen.
    Ich denke - wir werden ja darüber zu reden haben, wenn die Details erörtert werden -, daß man das sehr wohl tun kann, und zwar in der Verantwortung für die Stabilität der D-Mark und in unserer Verantwortung gegenüber der Deutschen Bundesbank, an deren Ansehen uns sehr viel gelegen ist. In der Geschichte der Bundesrepublik ist keine Bundesregierung und übrigens auch kein Bundesfinanzminister - das werden Sie, wenn Sie in der Bundesbank sind, unschwer erfahren können - so sorgsam mit der Deutschen Bundesbank umgegangen wie diese Bundesregierung und dieser Bundesfinanzminister. Niemand sonst hat einen solchen Respekt vor der Bundesbank gezeigt und die Reputation der Bank so geachtet.
    Das sind also die Punkte, die wir jetzt angehen. Ich habe ja gesagt, daß wir dann in sehr kurzer Zeit - -

    (Zuruf von der SPD: Wann?)

    - Ich habe es Ihnen jetzt dreimal gesagt. Daß Sie nicht einmal sechs Wochen ausharren können, ist ziemlich beschämend für die Delegierten, die Sie in Ihrem Wahlkreis aufgestellt haben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Es wird wie immer Anfang Juli die Etatberatungen im Kabinett geben. In diesem Rahmen werden wir auch die Vorlage machen. Wir werden in diesem Zusammenhang auch die Frage entscheiden, ob ein Nachtragshaushalt notwendig sein wird und - wenn er notwendig sein sollte - in welcher Form. Wir sind ja mitten in der Debatte. Es gibt dabei sehr viele Gelegenheiten, miteinander zu sprechen.
    Meine Damen und Herren, natürlich befinden wir uns jetzt in einer schwierigen Lage. Natürlich emp-

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    finden die Kolleginnen und Kollegen in der F.D.P.-Fraktion und in der CDU/CSU-Fraktion und auch jeder von uns in der Bundesregierung die besondere Verantwortung; das gilt natürlich auch für mich. Wir wissen, daß wir jetzt eine schwierige Gratwanderung vor uns haben.

    (Zuruf des Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    - Natürlich ist das eine Gratwanderung; wenn Sie das nicht begreifen, dann tun Sie mir wirklich leid.
    Im Blick darauf muß man wissen: Wir haben das Ansehen und die Stabilität unseres Landes zu gewährleisten. Dabei fällt mir, Herr Abgeordneter Scharping, folgendes ein: Wenn Sie über Stabilität reden, wäre es auch einmal ganz gut, wenn Sie sagen würden, daß wir eine Inflationsrate haben, die einfach einmalig niedrig ist, und zwar Jahr um Jahr.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn man einen Hinweis darauf sucht, wie stabil - auch in bezug auf die Währung und die Finanzpolitik - ein Land ist, ist es weltweit eine Lebenserfahrung, daß man auf die Inflationsrate schaut. Also: Dieser Finanzminister, diese Bundesregierung und diese Koalition

    (Zuruf von der SPD: Sind am Ende!)

    haben gerade mit ihrer Stabilitätspolitik in bezug auf die Inflationsrate gewaltige Erfolge zu verzeichnen. Das ist übrigens die beste Sozialpolitik, die es gibt. Sie bietet gerade Leuten mit kleinen Einkommen Sicherheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Bundesregierung, die Koalition und auch ich persönlich nehmen diese Herausforderung an. Wir taumeln nicht an das Rednerpult, wie vorhin gesagt wurde, und wir taumeln auch nicht auf den Wahltag zu. Wenn ich alles das berücksichtige, was ich heute von Ihnen erfahren habe, dann sage ich Ihnen voraus: Es macht sogar Freude, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Karl Diller, SPD.

(Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. und bei Bundesminister Dr. Theodor Waigel Dr. Peter Struck [SPD]: Was gibt es denn da zu lachen? Unverschämt! Gegenruf Ich lache über dich! Dr. Peter Struck [SPD]: Vorsicht, Herr Waigel! Respekt vor einem Kollegen! Benehmen Sie sich!)

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)