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    Plenarprotokoll 13/176 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 176. Sitzung Bonn, Freitag, den 16. Mai 1997 Inhalt: Absetzung des Punktes 5 von der Tagesordnung 15855 A Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (Drucksache 13/7494) 15855 A Tagesordnungspunkt: Vereinbarte Debatte zu den Ergebnis- sen der neuesten Steuerschätzung . . 15855 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 15855 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 15860 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15863 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 15864 B Dr. Gregor Gysi PDS 15866 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 15869 A Dr. Norbert Wieczorek SPD 15872 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 15874 C Rudoll Scharping SPD 15875 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15878 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 15881 A Karl Diller SPD 15886 C Nächste Sitzung 15886 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15887* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 11 (Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes) Editha Limbach CDU/CSU 15887* D Regina Schmidt-Zadel SPD 15888* A Halo Saibold BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15888* D Dr. Dieter Thomae F.D.P 15889* D Wolfgang Bierstedt PDS 15890* A Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 15890* D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 15891* B 176. Sitzung Bonn, Freitag, den 16. Mai 1997 Beginn: 15.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behrendt, Wolfgang Bierstedt, Wolfgang Bindig, Rudolf SPD PDS SPD SPD SPD 16. 5.97 * 16. 5. 97 16. 5. 97 * 16. 5. 97 16. 5. 97 Blunck, Lilo SPD CDU/CSU SPD 16. 5. 97 16. 5. 97 * 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 Börnsen (Ritterhude), SPD F.D.P. Arne SPD CDU/CSU BÜNDNIS Braune, Tilo 90/DIE GRÜNEN Bühler (Bruchsal), Klaus Ferner, Elke Gansel, Norbert Genscher, Hans Dietrich Grasedieck, Dieter Dr. Jobst, Dionys Dr. Kiper, Manuel Krautscheid, Andreas Kriedner, Arnulf CDU/CSU CDU/CSU CDU/CSU PDS 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 * 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 16. 5. 97 Lenzer, Christian CDU/CSU SPD 16. 5. 97 16. 5. 97 * 16. 5. 97 Dr. Maleuda, Günther Marten, Günter F.D.P. 16. 5. 97 Meckel, Markus Möllemann, Jürgen W. Mosdorf, Siegmar SPD 16. 5. 97 Müller (Zittau), Christian Neumann (Bramsche), SPD Volker SPD Pesch, Hans-Wilhelm Dr. Probst, Albert CDU/CSU CDU/CSU SPD Dr. Rappe (Hildesheim), SPD BÜNDNIS Hermann 90/DIE GRÜNEN Reschke, Otto Dr. Rochlitz, Jürgen Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16. 5. 97 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 16. 5. 97 Schönberger, Ursula BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16. 5. 97 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schultz (Everswinkel) Reinhard SPD CDU/CSU SPD 16. 5. 97 Dr. Schwarz-Schilling, Christian SPD 16. 5. 97 Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16. 5. 97 Steen, Antje-Marie Steindor, Marina 16. 5. 97 16. 5. 97 Verheugen, Günter Wallow, Hans SPD 16. 5. 97 Wolf (Frankfurt), SPD 16. 5. 97 Margareta BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16. 5. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 11 (Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes) Editha Limbach (CDU/CSU): Gestern, am 15. Mai 1997, trat die europaweite Regelung zur Kennzeichnung neuartiger Lebensmittel in Kraft. Diese Verordnung dient mit ihren Zulassungs- und Kennzeichnungsvorschriften, die nicht zuletzt auch auf unser Drängen und die beharrlichen Verhandlungen der Bundesregierung zurückzuführen sind, sowohl dem freien Warenverkehr im Binnenmarkt als auch dem Schutz und der Information der Verbraucherinnen und der Verbraucher in Europa. Es wäre gut, wenn wir auch für die Kennzeichnung von Aromen und Zusatzstoffen ein so gutes Ergebnis erzielen könnten. Aber heute geht es zunächst einmal um die schnelle und effektive Umsetzung des Erreichten. Das vorgeschriebene Zulassungsverfahren für Neuartige Lebensmittel, vor allem für gentechnisch veränderte Lebensmittel, bedarf entsprechender Durchführungsverordnungen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition soll das Bundesgesundheitsminsterium ermächtigt werden, durch eine Rechtsverordnung das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin oder das Robert-Koch-Institut als zuständige Behörde zu bestimmen. Damit wird sichergestellt, daß die erforderlichen Prüfungen mit hohem Sachverstand durchgeführt werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erwartet zügige Beratung im Ausschuß, damit die Umsetzung der entsprechenden Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie des Rates über Lebensmittelhygiene möglichst bald erfolgt. Regina Schmidt-Zadel (SPD): Nach langwierigen und zähen Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat der Europäischen Union sind die beschlossenen Bestimmungen der Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten in Kraft getreten. Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf der Koalition versucht dieser Verordnung gerecht zu werden. Es werden rechtliche Grundlagen geschaffen, die die Möglichkeit eröffnen, dem Robert-Koch-Institut oder dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin Zuständigkeiten zur Durchführung der Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten zuzuweisen und Verfahrensvorschriften zur Durchführung dieser Verordnung zu erlassen. Es ist erfreulich, daß nach einer solch langen Anlaufphase von insgesamt sieben Jahren zumindest ein in Grundsätzen positiv zu bewertendes Ergebnis zustande gekommen ist. Die SPD setzte sich im Vorfeld dieser Übereinkunft uneingeschränkt dafür ein, daß der Verbraucherschutz und die persönlichen Gesundheitsinteressen der Bürger berücksichtigt werden sollten. Der grundlegende Durchbruch wurde nunmehr erzielt - weitere Schritte zu einem unfassenden gesundheitlichen Verbraucherschutz müssen jetzt folgen! Insbesondere bei Nahrungsmitteln sind die Maßstäbe für strenge Sicherheitskontrollen und Überwachung besonders hoch anzusetzen. Gerade vor dem Hintergrund der Lebensmittelskandale der Vergangenheit - denken Sie hier an gepanschte Weine, an pestiziddurchsetzte Babykost oder gar an das alles überlagernde Skandalthema der letzten Monate: die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien, auch BSE genannt - erschien im Bereich des Lebensmittelrechts eine zufriedenstellende Lösung auch bei gentechnisch veränderten Produkten erforderlich. Transparenz im Entscheidungsverfahren und Vertrauen der Bürger in uns Politiker besaßen somit oberste Priorität - gerade bei diesem sensiblen Thema. Durch die neue Regelung haben die Verbraucher in vielen Fällen nun die Möglichkeit, zwischen gentechnisch manipulierten und „normalen" Lebensmitteln zu wählen. Ich betone an dieser Stelle bewußt „in vielen Fällen", denn leider bietet die vorliegende Verordnung bei genauerer Betrachtung Anlaß zur Kritik. Viele Zusatzstoffe fallen nämlich nicht unter die Kennzeichnungspflicht der Verordnung. Darüber hinaus wird die Kennzeichnungspflicht auch nur dann angewandt, wenn ein Nachweis über eine gentechnische Manipulation vorgelegt werden kann. Diese Regelung reicht nicht aus! Es kann doch nicht angehen, daß Lebensmittelherstellern die Möglichkeit gegeben wird, ihre Produkte nicht kennzeichnen zu müssen, obwohl genmanipulierte Produkte verwendet werden. Diese Regelung wird in Zukunft eher dazu führen, daß Lebensmittelhersteller mehr Geld investieren, um Wege ausfindig zu machen, auf welche Art und Weise die gentechnische Manipulation nicht mehr nachweisbar zu machen ist, anstatt das Geld für die Optimierung der Produktion „natürlicher" Lebensmittel zu verwenden. Für die SPD steht in diesem Zusammenhang fest, daß ein wirklich umfassender gesundheitlicher Verbraucherschutz nur dann gewährleistet wird, wenn die wichtige Kennzeichnungspflicht auf alle Produkte angewandt wird. Aus diesem Grunde bewertet die SPD die Verordnung der Europäischen Union als einen ersten wesentlichen Schritt in die richtige Richtung. Handlungsbedarf besteht jedoch noch, und der Appell an die Lebensmittelhersteller genmanipulierte Rohstoffe bei der Produktion möglichst auszuschließen oder die hergestellten Erzeugnisse zumindest freiwillig über die gesetzliche Verpflichtung hinaus zu kennzeichnen, bleibt unverändert bestehen. Lassen Sie mich noch kurz auf eine mögliche Entwicklung nach der Umsetzung der Verordnung hinweisen, die uns in naher Zukunft beschäftigen könnte. Durch die Verordnung der Europäischen Union hat also der Bürger durch die Deklarationspflicht grundsätzlich die Möglichkeit, bei vielen Produkten zwischen gentechnisch manipulierten und „normalen" auszuwählen. Hierbei stellt sich aber die Frage, ob die Verbraucher diese vermeintliche Entscheidungsfreiheit auch nutzen können. Es ist nämlich davon auszugehen, daß im Zuge dieser neuen Technologie solche Produkte billiger angeboten werden als herkömmliche Nahrungsmittel. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann werden viele Bürgerinnen und Bürger vor dem Hintergrund der zunehmenden Armut und Einkommensausfälle in der Bundesrepublik Deutschland praktisch dazu gezwungen, Produkte zu kaufen, die sie eigentlich wegen gesundheitlicher Bedenken sonst meiden würden. Halo Saibold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Tatsache, daß wir heute im Deutschen Bundestag diesen Gesetzentwurf in erster Lesung debattieren, ist nicht den Urhebern zuzuschreiben. Heimlich, still und leise - so wie das schleichende Eindringen gentechnisch hergestellter Enzyme, Lebensmittelzutaten oder genmanipulierter Sojaprodukte auf den Markt - wollte die Regierungskoalition noch vor wenigen Wochen eine Gesetzesänderung durch das Parlament ziehen, welche die notwendigen nationalen Anpassungen unseres Lebensmittelrechtes an die heute in Kraft getretene Novel-Food-Verordnung der EU ermöglichen sollte. Heimlich, still und leise, weil sie uns wohl suggerieren will, daß mit der Verabschiedung der europäischen Verordnung nun auf nationaler Ebene an der Schraube „Einführung gentechnischer Lebensmittel" nicht mehr zu drehen ist. Wir sehen das nicht so. Heimlich, still und leise wohl auch aus Angst, daß die Öffentlichkeit eins und eins zusammenzählen könnte und erkennt, daß diese Regierung und die zuständigen Behörden auf das Inkrafttreten der doch ansonst sehnsüchtig erwarteten Verordnung nicht entsprechend vorbereitet sind. Nun ist die Katze also doch aus dem Sack und es zeigt sich, daß zwar ab heute die Novel-Food-Verordnung als durchgreifendes europäisches Recht gilt, aber weder die nationalen Zuständigkeiten geregelt sind noch ein angemessenes Verfahren existiert, wie die Länder, in deren Zuständigkeitsbereich die Durchführung der Verordnung und deren Überwachung fällt, beteiligt werden. Wenn morgen in der EU gentechnische Lebensmittel nach der Novel-Food-Verordnung zugelassen werden sollen, trifft das Zulassungsverfahren auf ein bloßes Provisorium nicht endgültig geklärter Kompetenzen. Noch nicht einmal die Frage nach der für Novel Food zuständigen nationalen Behörde ist abschließend geklärt. Auch mit dem Text des vorliegenden Gesetzentwurfes bleibt offen, wann und warum denn nun das BgVV zuständig sein soll und wann das RKl. Und wenn man es munkeln hört, daß das RKG als Gentechnikbehörde mit der Lebensmittelbehörde um die Zuständigkeit konkurriert, muß sich Herr Seehofer fragen lassen, ob er seinen Stall noch im Griff hat. Weiterhin bleibt unklar, welche der Länderbehörden nun überhaupt für eine Erstprüfung des „neuartigen Lebensmittels" zuständig ist, auf deren Basis entschieden werden muß, ob nach Art. 7 bzw. 13 der Verordnung zugelassen werden muß. Die Frage nach der „Gleichwertigkeit" des neuartigen Lebensmittels mit gewohnten Produkten muß hier ja vorab geklärt werden. Aber bisher sind nur wenige Lebensmittelüberwachungsbehörden von ihrer Ausrüstung her in der Lage, den Anforderungen an die Analytik und Labortechnik zur Prüfung und Überwachung von Novel Food zu genügen. Die Konsequenz aus der Summe der Versäumnisse lautet: Bis dieses heute debattierte Gesetz den Bundestag passiert hat, wird sich Novel Food bei uns noch monatelang im rechtlich grauen Raum abspielen. Dabei soll mit dem vorliegenden Änderungsgesetz erst die Ermächtigungsgrundlage für eine entsprechende Rechtsverordnung geschaffen werden, wodurch endgültige Rechtsklarheit sich noch weiter verzögern wird. Die Verantwortung für diesen untragbaren Zustand liegt einzig und allein beim Gesundheitsministerium. Ganz davon abgesehen wäre die Vorlage dieses Gesetzes selbst eine Angelegenheit des zuständigen Ministeriums gewesen; da hat wohl die Regierungsfraktion einem vor lauter Gesundheitsreform paralysierten Herrn Seehofer auf die Sprünge helfen müssen. Daß diese Aufgaben auf Sie zukommen, Herr Seehofer, das war doch spätestens im Januar dieses Jahres klar, wenn nicht schon im November 1996, als sich der Vermittlungsausschuß zwischen EP und Kommission auf den nun verabschiedeten Verordnungskompromiß einigte. Wenn das Wort Mogelpackung auf gesetzliche Vorschriften zutrifft, dann auf die Novel-Food-Verordnung. Sie ist heute in Kraft getreten, ohne daß von der Kommission und den Mitgliedstaaten abschließend festgelegt wurde, welche wissenschaftlichen Kriterien für eine Zulassung erfüllt sein müssen und wie die Kennzeichnungsvorschriften ausgestaltet werden. Nach Schätzungen von Initiativen und Verbänden müssen 80 Prozent aller mit Gentechnik in Berührung gekommenen Lebensmittel auch mit der Novel-Food-Verordnung nicht gekennzeichnet werden. Wir alle wissen, daß gentechnische Enzyme, Zusatzstoffe und Extraktionsmittel gar nicht erfaßt werden und deshalb auch nicht gekennzeichnet werden müssen. Und Sie geben derweil Entwarnung und tun so, als wäre alles paletti. Aus unserer Sicht hätte die Verordnung in dieser Form gar nicht verabschiedet werden dürfen. Vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern geht es um mehr als nur die eigene Gesundheit. Sie wollen verantwortungsbewußt handeln und Risiken für Pflanzen, Tiere, Boden, Wasser und Luft in der ganzen Produktionskette ausschließen. Sie wollen mit dem Kauf eines Produktes nicht den Weg der weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft unterstützen. Die Novel-Food-Verordnung weist eine Reihe weiterer Defizite auf: Sie mißachtet das Vorsorgeprinzip und die Anforderungen des Verbraucherschutzes, die technologische Notwendigkeit neuartiger und gentechnischer Lebensmittel muß nicht geprüft werden, und ökologische und soziale Folgen werden nicht berücksichtigt. Bündnis 90/Die Grünen werden deshalb weiterhin vehement für gentechnikfreie Produkte kämpfen. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Jeder von uns nimmt jeden Tag Nahrung zu sich. Um so wichtiger ist es, im Bereich der Lebensmittel den Verbraucherschutz zu gewährleisten und größtmögliche Sicherheit zu schaffen. Das gilt insbesondere für neuartige Produkte. Die EU hat daraus die Konsequenzen gezogen und in Verordnungen über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten sowie über die Lebensmittelhygiene Anwendungsstandards für die europäischen Länder geschaffen. Dadurch wird in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft einheitlich geltendes Recht gewährleistet, das dem Verbraucherschutz dient und Handelshemmnisse beseitigt. Alle Lebensmittel, die durch den Einsatz neuer Technologien oder unter Verwendung neuer Rohstoffe hergestellt werden, dürfen nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie keine Gefahr für den Verbraucher darstellen, keine Irreführung bewirken und sich bei Lebensmitteln aus gentechnisch veränderten Organismen von konventionellen Produkten nicht so unterscheiden, daß sie bei normalem Verzehr Ernährungsmängel verursachen können. Um diese Verordnung in der Bundesrepublik Deutschland praktikabel anwenden zu können, fehlt zur Zeit jedoch die Ermächtigungsgrundlage. Es ist nicht, wie ursprünglich angenommen, möglich, diese Angelegenheit auf dem Verwaltungsweg zu regeln, sondern wir müssen die Ermächtigungsgrundlage im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz schaffen. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und das Robert-Koch-Institut müssen in die Lage versetzt werden, die Verordnungen des Europäischen Parlamentes zügig umzusetzen. Ziel ist es, die auf nationaler Ebene erforderlichen Schritte des Zulassungsverfahrens möglichst zügig, koordiniert und sicher durchführen zu können. Dort, wo es notwendig ist, müssen deshalb Verfahrensvorschriften zur Durchführung der Verordnungen erlassen werden können. Das gleiche gilt für die Schulungsbestimmungen über Lebensmittelhygiene, die in Form von spezifizierten Regelungen umgesetzt werden müssen. Mit dieser Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes schaffen wir die Grundlage dafür, daß die europäischen Sicherheitsstandards im nationalen Bereich vernünftig umgesetzt werden können. Wolfgang Bierstedt (PDS): Es ist eine Farce, daß wir über die Frage der Kennzeichnung und der Sicherheitskriterien für gentechnisch hergestellte und veränderte Lebensmittel hier debattieren müssen, während die Novel-Food-Verordnung heute morgen in Kraft getreten ist. Diese Frage nur aus dem formalen Anlaß einer Verordnungsermächtigung anschließend zu behandeln zeigt, daß allein Vollzug gemeldet werden soll, um inhaltlicher Kritik möglichst aus dem Weg zu gehen. Denn zweifellos ist die europäische Novel-FoodVerordnung ein Thema, daß viele Bürgerinnen und Bürger interessiert,. insbesondere deshalb, weil sie keinerlei Interesse am Verzehr von Gen-Nahrungsmitteln haben, sondern diese Lebensmittel bei ihnen Ängste auslösen. So hatten sie zumindest darauf gehofft, diese Nahrungsmittel in den Regalen erkennen zu können. Leider war dies eine trügerische Hoffnung; eine wirklich umfassende Kennzeichnungspflicht von Gen-Nahrungsmitteln wird es nicht geben - auch wenn dies von der Bundesregierung wissentlich falsch in alle Welt hinausposaunt wird. Tatsächlich werden auch in der Bundesrepublik schon Lebensmittel verkauft, die mit Hilfe der Gentechnik entstanden sind. Genetisch veränderter Soja und. Mais werden bereits seit Monaten importiert, ohne daß die Bundesregierung sich für eine Kennzeichnung oder gar einen Importstop engagiert hätte. Dies beweist ihren mangelnden Willen, für verbraucherfreundliche Regelungen einzutreten. Die Novel-Food-Verordnung ist völlig unzureichend, sowohl im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht gentechnischer Nahrungsmittel als auch im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Umweltprüfungen für das Inverkehrbringen solcher Lebensmittel. Es kann doch nicht sein, daß die Verordnung Enzyme, Aromen und Zusatzstoffe - aller Voraussicht nach der größte Markt für Gentechnik in Lebensmitteln - überhaupt nicht erfaßt. Wenn zugleich unterlassen wird, Großlieferungen von Nahrungsmitteln danach zu differenzieren, ob Teile mit Hilfe der Gentechnik entstanden sind oder nicht, dann wird doch jede sogenannte Kennzeichnungspflicht zur Makulatur. Zumal Nahrungsmittel nur dann gekennzeichnet werden müssen, wenn sie „nicht mehr gleichwertig" mit herkömmlichen Nahrungsmitteln sind und diese Veränderung „wissenschaftlich nachweisbar" ist. Abgesehen davon, daß praktikable Nachweismethoden bislang kaum zur Verfügung stehen, bleibt doch die konkrete Regelung, was als gleichwertig zu gelten hat und welche Grenzwerte hierfür gelten sollen, vollkommen offen. In der Verordnung werden keine verbindlichen Sicherheitskriterien formuliert; sicher ist demgegenüber, daß Umweltprüfungen nicht zwingend vorgeschrieben sind. Erneut wird deutlich, daß die ökologischen Gefahren des Einsatzes der Gentechnik nicht wahrgenommen werden bzw. nicht wahrgenommen werden sollen. Unserer Meinung nach müssen bei einem Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich nicht nur die möglichen gesundheitlichen Gefährdungen berücksichtigt werden, sondern auch die sozialen und ökologischen Folgewirkungen des Einsatzes dieser Technologie. Die Verordnung wird diesen Anforderungen jedoch in keiner Weise gerecht, auch gibt sie keine Antwort auf die noch immer offene Frage des Sinnes genmanipulierter Nahrungsmittel zum Beispiel aus ernährungsphysiologischer Sicht, Kostensenkungen bei Herstellung, Transport und Lagerung und - in Verbindung mit der Patentierung von Genen - erhöhte Gewinnchancen für die Lebensmittelindustrie, das sind die Gründe für diesen Einsatz der Gentechnik. Eine wirklich umfassende Kennzeichnung wäre ein Minimalziel gewesen. So wie die Verordnung jetzt gültig ist, muß das begründete Engagement gegen Gen-Nahrungsmittel andere Formen finden. Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes werden die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, um die Zuständigkeit für bestimmte Maßnahmen zur Durchführung der EG-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten von den grundsätzlich für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Bundesländern auf das Robert-Koch-Institut bzw. auf das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin zu übertragen. Außerdem wird die gesetzliche Ermächtigung geschaffen, die europäische Lebensmittelhygiene-Richtlinie vollständig in deutsches Recht umzusetzen. Nach langjährigen und schwierigen Verhandlungen in Brüssel konnte die EG-Verordnung über neuartige Lebensmittel zum Abschluß gebracht werden. Dieser Verhandlungserfolg wurde sowohl von den Koalitionsparteien als auch von der SPD, aber auch von seiten der Verbraucherschaft und der Lebensmittelwirtschaft zu Recht begrüßt, weil hiermit für neuartige Lebensmittel europaweit einheitlich strenge Vorschriften zum Gesundheitsschutz sowie umfas- sende Kennzeichnungsvorschriften zur Information des Verbrauchers geschaffen wurden. Die in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltende EG-Verordnung trat bereits am 15. Mai 1997 in Kraft. Die Änderung des deutschen Lebensmittelrechtes ist erforderlich, weil das in der EG-Verordnung vorgesehene Zulassungsverfahren auf nationaler Ebene beginnt und auf Gemeinschaftsebene fortgeführt wird. Im Interesse einer innerhalb Deutschlands einheitlichen Handhabung auf hohem wissenschaftlichen Niveau besteht Einvernehmen zwischen Bund und Ländern, daß die nationale Erstprüfung von den fachlich besonders qualifizierten Bundesbehörden, nämlich dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und dem Robert-Koch-Institut durchzuführen ist. Die formalen Voraussetzungen für diese Zuständigkeitszuweisung schafft der vorliegende Gesetzentwurf. Die Durchführung der EG-Verordnung wird - wie dies vorauszusehen war - in der Anfangsphase noch eine Reihe von Fragen zur Auslegung der materiellen Regelungen aufwerfen. Dies gilt sicherlich auch für den Bereich der Kennzeichnung. Zu den die Auslegung des materiellen Inhalts der EG-Verordnung betreffenden Problemen sind weitere Beratungen auf Gemeinschaftsebene zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten geplant. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Sojabohnen und Maiskörner enthalten, kennzeichnungspflichtig sind. Diese Erzeugnisse sind bereits nach anderen EG- Vorschriften zugelassen worden, so daß in diesem Fall nicht die Kennzeichnungsvorschriften der EG- Verordnung über neuartige Lebensmittel gelten. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen, auch für diese Produkte gemeinschaftseinheitliche Bestimmungen mit dem Ziel einer umfassenden und praktikablen Kennzeichnung zu erlassen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 711. Sitzung am 25. April 1997 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Drittes Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen und zur Änderung anderer Gesetze (3. Wahlrechtsverbesserungsgesetz - 3. WRVG) - Gesetz zu dem Geheimschutzübereinkommen der WEU vom 28. März 1995 - Gesetz zu dem Übereinkommen vom 28. April 1995 über den Beitritt der Republik Österreich zu dem am 19. Juni 1990 unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (Gesetz zum Beitritt der Republik Österreich zum Schengener Durchführungsübereinkommen) - Gesetz zu dem übereinkommen vom 5. September 1980 über die Ausstellung von Ehefähigkeitszeugnissen - Gesetz zu dem Obereinkommen vom 13. November 1991 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen - Gesetz zu dem Abkommen vom 20. Juni 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinten Nationen und dem Sekretariat des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen über den Sitz des Sekretariats des Übereinkommens und zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes - Gesetz zu dem Abkommen vom 5. Mai 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Hongkong über den Fluglinienverkehr - Erstes Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgeseizes - Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz - BKAG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bekräftigt, daß die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die internationale Verbrechensbekämpfung (Artikel 73 Nr. 10 GG) nur die grenzüberschreitende Verfolgung strafbarer Handlungen und die Amtshilfe deutscher Behörden auf Ersuchen ausländischer Behörden im Rahmen der Strafverfolgung, nicht aber den Bereich der Gefahrenabwehr umfaßt und daß § 3 BKAG einem unmittelbaren Dienstverkehr der Länderpolizeien mit ausländischen Dienststellen im Bereich der Gefahrenabwehr nicht entgegensteht. Begründung: Dem Bund steht nach Artikel 73 Nr. 10 des Grundgesetzes eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Bereich der internationalen Verbrechensbekämpfung zu. Der Begriff „Internationale Verbrechensbekämpfung" umfaßt jedoch nur die grenzüberschreitende Verfolgung strafbarer Handlungen und die Amtshilfe deutscher Behörden auf Ersuchen ausländischer Behörden im Rahmen der Strafverfolgung (von Münch, Kommentar zum Grundgesetz, Rd.Nr. 69 zu Artikel 73; von MangoldtKlein, Kommentar zum Grundgesetz, Anm. XVII, 2c). Der Bereich der Gefahrenabwehr wird hiervon nicht umfaßt. Zwar geht der Bundestag, wie sich aus der Beschlußempfehlung und dem Bericht seines federführenden Innenausschusses zu Artikel 1 § 3 Abs. 2 und 3 (internationaler Dienstverkehr) ergibt, davon aus, daß nicht jeder internationale Dienstverkehr dem BKA vorbehalten sein soll und den Belangen der Länder durch die klarstellende Regelung in § 1 Abs. 3 BKAG Rechnung getragen sei (BT-Drs. 13/7208, S. 39). Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 stellt jedoch nicht in hinreichender Deutlichkeit dar, daß j 3 BKAG nicht den in Länderzuständigkeit fallenden Bereich der Gefahrenabwehr umfaßt und somit nicht dem unmittelbaren Dienstverkehr der Länderpolizeien mit ausländischen Dienststellen in diesem Bereich entgegensteht. Insoweit bedarf es einer Bekräftigung durch den Bundesrat. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 6. Mai 1997 ihre Große Anfrage „Zwischenbilanz zum Abbau von sozialen Leistungen - Auswirkungen auf die Betroffenen und das gesellschaftliche Klima" -Drucksache 13/7220 - zurückgezogen. Des weiteren hat die Fraktion der SPD mit Schreiben vom 14. Mai 1997 ihren Antrag „Investieren in eine lebenswerte Zukunft: Die Modernisierung des dualen Systems vorantreiben" - Drucksache 13/ 6743 - zurückgezogen. Die Abgeordneten Anni Brandt-Elsweier, Ingrid Matthäus-Maier, Dr. Rita Süssmuth und Verena Wohlleben haben den Gesetzentwurf „Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - §§ 177 bis 179 StGB (... StrÄndG)" - Drucksache 13/7324 - nachträglich unterschrieben. Der Abgeordnete Heinrich Lummer hat seine Unterschrift zu dem Antrag „Eckpunkte für die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen" - Drucksache 13/6591- zurückgezogen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland 1994 - Unfallverhütungsbericht Arbeit 1994 - - Drucksachen 13/3091, 13/3528 Nr. 1.2 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Beschäftigung Schwerbehinderter bei den Bundesdienststellen - Drucksachen 13/5132, 13/5550 Nr. 1.5 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/3938 Nr. 1.3 Drucksache 13/4636 Nr. 1.2 Drucksache 13/5295 Nr. 1.6 Drucksache 13/7017 Nr. 1.13 Innenausschuß Drucksache 13/6454 Nr. 1.10 Drucksache 13/7117 Nr. 2.16 Drucksache 13/7216 Nr. 2.20 Rechtsausschuß Drucksache 13/4678 Nr. 2.8 Drucksache 13/5056 Nr. 2.9 Drucksache 13/6152 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 13/7017 Nr. 2.16 Drucksache 13/7017 Nr. 2.43 Drucksache 13/7117 Nr. 2.4 Drucksache 13/7117 Nr. 2.18 Drucksache 13/7216 Nr. 2.29 Drucksache 13/7306 Nr. 2.2 Drucksache 13/7306 Nr. 2.3 Haushaltsausschuß Drucksache 13/7017 Nr. 2.12 Drucksache 13/7017 Nr. 2.14 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7117 Nr. 2.1 Drucksache 13/7117 Nr. 2.8 Drucksache 13/7117 Nr. 2.12 Drucksache 13/7117 Nr. 2.17 Drucksache 13/7216 Nr. 2.24 Drucksache 13/7216 Nr. 2.27 Drucksache 13/7216 Nr. 2.28 Drucksache 13/7216 Nr. 2.30 Drucksache 13/7306 Nr. 2.8 Drucksache 13/7306 Nr. 2.10 Drucksache 13/7306 Nr. 2.13 Drucksache 13/7306 Nr. 2.17 Drucksache 13/7306 Nr. 2.21 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/4466 Nr. 2.26 Drucksache 13/5555 Nr. 2.6 Drucksache 13/5866 Nr. 1.2 Drucksache 13/7017 Nr. 1.4 Drucksache 13/7017 Nr. 1.11 Drucksache 13/7117 Nr. 2.5 Drucksache 13/7117 Nr. 2.6 Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 13/4921 Nr. 2.29 Drucksache 13/7017 Nr. 1.7 Drucksache 13/7017 Nr. 1.8 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/6766 Nr. 2.19 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/7017 Nr. 2.5 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/6766 Nr. 2.2 Drucksache 13/7017 Nr. 2.4 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/6861 Nr. 2.2 Drucksache 13/7017 Nr. 1.10 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/6861 Nr. 1.6 Drucksache 13/6861 Nr. 1.7 Drucksache 13/7017 Nr. 1.2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin Ihnen dankbar, daß wir heute, am Freitag vor Pfingsten, über die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung debattieren können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Pfingsten ist schließlich das Fest des gegenseitigen Verstehens.

    (Lachen und Zurufe bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    - Warten Sie. Übermorgen kann es soweit sein, aber erst dann, wenn die Debatte so verläuft, daß man auch Ihnen den Heiligen Geist attestieren kann. Sonst ist das zwecklos.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Erneute Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    - Sie wollten doch eine Debatte. Wollen Sie jetzt einen Moment zuhören oder nicht?

    (Rudolf Scharping [SPD]: Nur zu!)

    - Gut. Ich bin Ihnen dankbar. Wir werden es nachher auch so halten.

    (Unruhe)

    Fakt ist: Die Steuerschätzung bringt für die öffentlichen Kassen ein Minus von 18 Milliarden DM.

    (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

    Der Bund ist daran mit 9,1 Milliarden DM beteiligt. Die Wende am Arbeitsmarkt ist noch nicht geschafft.

    (Lachen bei der SPD)

    Mehrausgaben von bis zu 20 Milliarden DM könnten 1997 notwendig sein.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Fakt ist aber auch: Diese Probleme bringen uns nicht aus dem Konzept dessen, was wir für richtig halten und durchsetzen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben dafür eine mittelfristig angelegte Strategie und werden auch kurzfristig das Notwendige tun.
    Schon seit vielen Jahren verfolgen wir einen mittelfristigen Kurs zur Wachstumsstärkung.

    (Widerspruch bei der SPD)

    - Sie werden doch nicht bestreiten, daß bei einem Wachstum von 1,4 Prozent im letzten Jahr und heuer voraussichtlich 2,5 Prozent ein Kurs der Wachstumsbeschleunigung vorliegt. Das kann doch niemand bestreiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Immer wieder haben wir durch Strukturreformen die Ausgabendynamik im Budget beschränkt.
    Die SPD hat unsere Konsolidierungsmaßnahmen immer wieder torpediert und wachstumsstärkende Maßnahmen gebremst oder blockiert.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: So ist es!)

    Sie haben unter anderem die Reform der Arbeitslosenunterstützung erschwert, die Reform der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes immer wieder aufgeschoben

    (Eduard Oswald [CDU/CSU] Sehr wahr!)

    und die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, die wir schon zum 1. Januar 1996 haben wollten und hätten haben können, bis heute blockiert und damit der Wirtschaft und den Kommunen wachstumsstärkende Impulse vorenthalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Sie bremsen jetzt bei allen anstehenden Reformvorhaben, bei der Steuerreform und bei der Rentenreform.
    Am Mittwoch - ich konnte gestern schon darauf verweisen - hatte ich die Gelegenheit, in Bonn das neue Buch von Professor Hans Apel vorzustellen.

    (Lachen bei der SPD)

    - Es ist doch unglaublich, daß dann, wenn man den Namen eines SPD-Mannes nennt, der vier Jahre Finanzminister und mehrere Jahre Verteidigungsminister war, höhnisches Gelächter auf Ihrer Seite ertönt. Wie gehen Sie eigentlich mit den Leuten um, die für Sie hier eingestanden sind und Politik gemacht haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Hans Apel nennt die Strategie der SPD der letzten Jahre beim Namen. Wörtlich schreibt er:
    Es darf nicht sein, daß der Bundesrat seine Mehrheit nutzt, um sachkundige Lösungen zu blockieren.
    Und weiter:
    Wir hatten über lange Jahre unserer Koalition eine Mehrheit der CDU/CSU im Bundesrat.
    Während der ganzen Zeit von 1969 bis 1982, als SPD und F.D.P. regierten, gab es eine CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat!

    (Jörg Tauss [SPD]: Viel mehr Blockade als heute!)

    - Hören Sie einmal, was einer Ihrer führenden Politiker über die damalige Zeit sagt:
    Erstens war die Lage lange nicht so dramatisch wie heute,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    - das ist ganz klar, weil in Ihrer Zeit nicht die Wiedervereinigung Deutschlands stattgefunden hat; sie
    fand in der Zeit der CDU/CSU- F.D.P.-Koalition statt -

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    und zweitens war unser zentraler Gegenspieler der damalige Ministerpräsident Stoltenberg - Helmut Schmidt schätzt ihn bis heute sehr -, und es war stets möglich, Kompromisse zu finden, die auch sachbezogen sind.
    So spricht Hans Apel über Gerhard Stoltenberg, über die CDU/CSU und deren Haltung von 1969 bis 1982. Hier liegt der Unterschied zu Ihnen: Sie blokkieren und lassen den Karren an die Wand fahren; wir haben damals konstruktiv und kooperativ mit Ihnen zusammengearbeitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Trotz der Blockadehaltung der SPD im Bundesrat haben wir für den Bund Entlastungen auf der Ausgabenseite durchsetzen können: 1994 24 Milliarden DM, 1995 7 Milliarden DM, 1996 19,5 Milliarden DM und 1997 25 Milliarden DM. Wir haben schon im letzten Jahr auf mögliche Risiken bei den Steuereinnahmen und auf dem Arbeitsmarkt hingewiesen. Schon mit dem Jahreswirtschaftsbericht im Januar haben wir einen Teil der jetzt wahrscheinlichen Mindereinnahmen und Mehrausgaben offen dargelegt.

    (Jörg Tauss [SPD]: Beschönigt haben Sie es!)

    Wie ist die wirtschaftliche Lage? Die konjunkturelle Entwicklung ist positiv, und die Wirtschaftsindikatoren zeigen nach oben. Preisstabilität ist erreicht. Die Zinsen sind historisch günstig. Die Auftragseingänge steigen, auch die Kapazitätsauslastung steigt. Die Ausrüstungsinvestitionen springen an. Die Industrieproduktion legt zu.

    (Zurufe von der SPD)

    Die Lohnstückkosten sinken, und die Lohnsteigerungen sind moderat.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Und unsere Wachstumsprognose für 1997 von 2,5 Prozent liegt im mittleren Bereich der Prognosen.

    (Zuruf von der SPD: Und warum sind Sie dann bankrott?)

    Meine Damen und Herren, die Versuche, die Arbeit der Steuerschätzer in Frage zu stellen oder uns falsche Vorgaben für die Berechnung der Einnahmenentwicklung vorzuwerfen, sind zum Scheitern verurteilt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    An der Steuerschätzung wirken alle mit, die zu diesem Thema kompetent etwas sagen können. Vor allem sind alle 16 Bundesländer vertreten,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    von denen bekanntlich die Mehrzahl im Moment noch SPD-regiert wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Alle zurücktreten!)

    Den Sachverständigenrat, die Institute und die Bundesbank einer stillen Komplizenschaft mit dem Bundesfinanzminister zu beschuldigen ist eine Unverfrorenheit, die sich gegen diejenigen wendet, die solche Vorwürfe formulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wie ideologiefrei Steuerschätzungen sind und Steuerschätzer arbeiten, wird übrigens dadurch deutlich, daß die größte relative Schätzabweichung auf dem Höhepunkt sozialdemokratischer Regierungsgewalt im Jahre 1974 mit 4,3 Prozent Minus auftrat.
    Ich kann Ihnen deshalb nur dringend raten, die Steuerschätzung aus dem politischen Streit herauszuhalten und als das zu nehmen, was sie tatsächlich ist,

    (Lachen des Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    nämlich die bestmögliche Annäherung an eine zukünftige Realität unter Aufbietung allen verfügbaren Sachverstandes.
    Die Hauptursachen für die Steuerausfälle sind der Basiseffekt 1996, die erreichte Preisstabilität - ein Erfolg, den doch wohl niemand im Hause in Frage stellen möchte -, die Tatsache, daß die stark anziehenden Exporte umsatzsteuerfrei sind und Steuererstattungen für Verluste der Vorjahre nachwirken. Außerdem wurden die steuerlichen Sonderförderungen intensiv genutzt. Die grenzüberschreitende Steueroptimierung der Industrie nimmt zu. Hinzu kommt die geringere Beschäftigung.
    Wenn die Steuerausfälle von 18 Milliarden DM auf eine falsche Wachstumsprognose zurückzuführen wären, dann hätte das Bruttoinlandsprodukt bei einer Steuerquote von etwa 23 Prozent um über 70 Milliarden DM zurückgehen müssen. Tatsächlich betrug der Rückgang aber nur 17,8 Milliarden DM.
    Was lehren uns diese Tatsachen? Es zeigt sich: Die angesprungene Konjunktur bringt noch keine Entlastung für die öffentlichen Kassen. Die Beschäftigung hat vom steigenden Wachstum ebenfalls noch nicht profitiert. - Das ist auch nicht überraschend; denn nach der aktuellen Einschätzung des Internationalen Währungsfonds sind 80 Prozent der Arbeitslosigkeit strukturell bedingt. Da liegen die großen Herausf orderungen, und da besteht die Notwendigkeit der Bewältigung, und zwar nicht nur von seiten der Politik, sondern in erster Linie von seiten der Tarifpartner, der Wirtschaft und der Gewerkschaften.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit Umverteilung und nachfrageorientierter Politik würden Sie in Zeiten der Globalisierung Schiffbruch erleiden.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zur Sache, Schätzchen!)

    Nur eine stabile, nachhaltige und dauerhafte Wachstumsentwicklung führt zu neuen Arbeitsplätzen. Die Senkung der Staatsquote, eine dauerhafte Konsolidierung und angebotsseitige Verbesserungen bleiben in einer globalisierten Wirtschaft der Schlüssel zum Aufschwung.
    Damit das Wachstum genügend Schwung entwikkelt und gleichzeitig „arbeitsintensiver" wird, sind Kostenentlastungen und Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, im System sozialer Sicherheit und bei den Steuern unverzichtbar.
    Es ist aberwitzig, wie Oskar Lafontaine aus den Zahlen der Steuerschätzung zu folgern, jetzt sei die Steuerreform gestorben. Gerade das Gegenteil ist richtig. Wir brauchen die Steuerstrukturreform und eine Nettoentlastung, um den Problemen zu begegnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Ursachen der Steuermindereinnahmen zeigen klar: Unsere Steuerstruktur verschlechtert sich im Standortwettbewerb rapide. Jetzt muß die Steuerstruktur verbessert werden, um die legale und illegale Steuervermeidung einzuschränken. Wir brauchen mehr Transparenz, geringere Steuersätze und weniger Ausnahmen. So regen wir Investitionen am Standort Deutschland an. Nicht Stopp, sondern Vollgas ist das Gebot der Stunde in der Steuerpolitik. Verhandeln Sie endlich mit uns über die Steuerreform! Geben Sie Ihre unsinnigen Vorbehalte gegen die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer auf! Jeder Tag früher ist ein Vorteil für die Arbeitslosen in Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch die Zahlen der Steuerschätzung bringen die Einhaltung der Maastricht-Kriterien nicht in Gefahr. Wir werden die 3-Prozent-Defizitgrenze nicht überschreiten. Den Zusatzbelastungen stehen auch günstige Entwicklungen an anderer Stelle gegenüber: beim Fonds „Deutsche Einheit", dem Erblastentilgungsfonds, beim Bundeseisenbahnvermögen stehen niedrigere Zinsen zu Buch. Länder und Kommunen sind voll auf den Konsolidierungskurs eingeschwenkt.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Gestern habe ich mit dem Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank über die mit dem Eintritt in die dritte Stufe notwendige Neubewertung der Reserven gesprochen.

    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rein zufällig!)

    Diese Reserven belegen den Erfolg der deutschen Volkswirtschaft in den letzten 50 Jahren. Es ist eine Ersparnis, die wir gegenüber dem Ausland angesammelt haben. Es war unbestritten richtig, daß die Bundesbank in den letzten 50 Jahren mit äußerster Vorsicht bei der Bewertung ihrer Devisen- und Goldreserven vorgegangen ist. Die dadurch stetig wachsenden Bewertungsreserven hatten maßgeblichen Anteil am Ansehen der Deutschen Bundesbank und der deutschen Stabilitätspolitik insgesamt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Neubewertung wird mit der gebotenen Vorsicht angegangen. Die finanzielle Solidität der Bundesbank wird gewahrt. Die Vorsorge für Währungsrisiken und das Volumen der Goldreserven bleiben unangetastet. Keine Unze wird verkauft. Es fließt auch keine Unze zur Finanzierung in den Haushalt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das glaubt Ihnen doch niemand!)

    Ich halte es für wichtig, das mit aller Deutlichkeit und Klarheit zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist aber recht und billig, dieses „Erbguthaben" zur Tilgung unserer Erblastschulden zu verwenden.

    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Das ist kein aktueller Trick, sondern gängige und legitime Praxis. Sonst wären ja schon die bisherigen Sondertilgungen durch den Bundesbankgewinn ein Buchungstrick gewesen. Davon kann gar keine Rede sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es war richtig, daß wir in der Vergangenheit Versuchen prominenter SPD-Vertreter widerstanden haben, den angeblichen Goldschatz durch offene Goldverkäufe zu heben. Ich denke da insbesondere an den früheren Arbeits- und Sozialminister Herbert Ehrenberg, der in regelmäßigen Abständen seit Mitte der 80er Jahre mit solchen Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten ist. Ihm ging es allerdings bei seinen Attacken auf die Bundesbankreserven nicht um die Schuldentilgung, sondern um die Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsprogrammen und damit um die Fortsetzung einer in den 70er Jahren eklatant fehlgeschlagenen Beschäftigungspolitik.

    (Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

    Als Berater des früheren SPD-Vorsitzenden Vogel hat Professor Krupp ebenfalls die verstärkte Nutzung der Bundesbankreserven gefordert.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Mein Gott, seid ihr fertig! Das gibt es doch gar nicht!)

    Erst im Januar dieses Jahres hat Kollege Lennartz von der SPD gefordert: „Der deutsche Goldschatz soll Barren für Barren verkauft werden. " Solchen Ratschlägen werden wir nicht folgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Darum ist Ihre Kritik an dem, was wir auf Grund der Empfehlung des Europäischen Währungsinstituts vorhaben, völlig unbegründet. Wir werden die Solidität und das Standing der Deutschen Bundesbank, der deutschen Währungspolitik und der deutschen Finanzpolitik voll gewährleisten. Daran wird kein Zweifel aufkommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In jedem Fall erfordern die Zusatzbelastungen im Budget durch die Steuermindereinnahmen und durch den Arbeitsmarkt noch 1997 Gegensteuerungsmaßnahmen. Die Notwendigkeit, 1997 zusätzliche Maßnahmen zur Defizitbegrenzung zu erreichen, hat mit mangelnder Ausgabendisziplin in den vergangenen Jahren nicht das geringste zu tun. Entscheidend ist vielmehr, daß die Staatsquote, das Verhältnis aller Staatsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt, in diesem und im nächsten Jahr deutlich zurückgeht: von 50,2 Prozent 1996 auf 49,5 Prozent in diesem Jahr und 48,5 Prozent in 1998. Das heißt: Wir machen unser Versprechen wahr und senken die Staatsquote bis zur Jahrtausendwende wieder auf den Stand vor der Wiedervereinigung. Damals waren es rund 46 Prozent.
    Der Bundeshaushalt hat an dieser Entwicklung entscheidenden Anteil. Der Bundeshaushalt hat sich mit seinem Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Leistung von knapp 13 Prozent gegenüber dem letzten Jahr vor der Wiedervereinigung unter Einschluß aller einigungsbedingten Ausgaben im Saldo überhaupt nicht erhöht. Wenn man sich vorstellt, daß trotz der gewaltigen Transferleistungen, die jedes Jahr im Bundeshaushalt zu verkraften waren, der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt heute so hoch ist wie vor der Wiedervereinigung, dann zeigt das die ganze Leistung der Konsolidierung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich erinnere noch einmal an die durch den Bund übernommenen Sonderlasten, vor allem durch das sozialistische Erbe.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Sie summierten sich 1996 auf 195 Milliarden DM. Das sind 5,5 Punkte des Bruttoinlandsprodukts. Wenn wir diese Aufgaben und diese Herausforderungen nicht zu tragen gehabt hätten, wäre unser Schuldenstand um etwa 15 bis 17 Prozent niedriger und hätten wir mit letzter Sicherheit, genauso wie

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    1989, einen Überschuß im öffentlichen Gesamthaushalt.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Äußerste Sparsamkeit ist auch künftig gefordert. Spezielle Maßnahmen haben wir schon ergriffen. Ich erinnere an den Haushaltsvorbehalt bei Zuweisungen und Zuschüssen. Von den zu vergebenden Zuwendungen müssen 15 Prozent verfügbar bleiben.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Telekom!)

    - Das kommt; gemach, gemach! Pfingsten kommt und Telekom kommt. Warum sollen wir nicht unseren Freund Manfred Krug nochmals für eine großartige Leistung aktivieren, die bisher schon stattgefunden hat?

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Weitere Konsolidierungsschritte, auch gesetzliche Maßnahmen, dürfen kein Tabu sein. Interessant finde ich die Forderung von Herrn Scharping, alle nicht investiven Ausgaben sofort zu stoppen. Das ist ein Wort und geht auch ökonomisch in die richtige Richtung. Nur, Herr Scharping: Dann müssen Sie uns sagen, bei welchen konsumtiven Leistungen, die nur durch Gesetz eingegrenzt werden können, Sie jetzt bereit sind mitzuwirken - im Gegensatz zu den letzten Jahren, als Sie fast alle Maßnahmen, die wir vorgeschlagen haben, spätestens im Bundesrat oder im Vermittlungsausschuß haben scheitern lassen. Das ist die Realität.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir wären erneut zu Einspargesetzen bereit. Es macht jedoch keinen Sinn, Gesetzentwürfe, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, erneut einzubringen, wenn sicher ist, daß die Bundesratsmehrheit diese Entwürfe erneut ablehnt. Wir prüfen sorgfältig, welche gesetzlichen Einsparmaßnahmen von der SPD-Mehrheit im Bundesrat nicht zu Fall gebracht werden können.
    Wir werden zur Entlastung der Einnahmeseite und zur Vermeidung von Steuererhöhungen auch verstärkt auf das Instrument der Privatisierung zurückgreifen. Wenn der Rückzug des Staates aus dem privaten Wettbewerb ordnungspolitisch richtig ist, dann kann er haushaltspolitisch nicht falsch sein. Wenn Kreditaufnahme und Schuldenstand Maßstab der finanzpolitischen Solidität sind, dann muß auch die Nutzung der Vermögenswerte staatlicher Beteiligungen zulässig sein.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben seit 1982 große Anstrengungen unternommen, um den öffentlichen Beteiligungsbesitz privatisierungsfähig zu machen. Das hat sich ausgezahlt, zum Beispiel bei Betrieben wie der Salzgitter AG, die viele für unverkäuflich hielten, die aber mit großem Ertrag veräußert wurde.
    Es ist nur recht und billig, wenn wir heute den Nutzen aus diesen Privatisierungsanstrengungen im Bereich der Telekom und anderswo ziehen. Die erfreuliche Geschäftsentwicklung bei der Telekom rechtfertigt es, den Bundesanteil schneller als zunächst geplant zurückzuführen.
    Das Beispiel der Lufthansa-Privatisierung zeigt, daß der Rückzug des Staates für die Unternehmen und damit auch für die Aktionäre reiche Früchte trägt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei dem weiteren Verkauf von Telekom-Aktien werden wir die Rahmenbedingungen selbstverständlich einhalten und vor allem die Interessen der Kleinaktionäre umfassend berücksichtigen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber selbstverständlich!)

    - Selbstverständlich werden wir nur in engster Abstimmung mit dem Telekom-Vorstand entscheiden und die Voraussetzungen am Kapitalmarkt genauestens prüfen. Aber, meine Damen und Herren, es steht doch nirgendwo geschrieben, daß der Bund auf die Dauer mehr als 70 Prozent Anteil bei der Telekom halten muß; ganz sicher nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin entschlossen, mit der Privatisierung öffentlicher Betriebe in allen Wettbewerbsbereichen konsequent voranzugehen. Nach dem erfolgreichen Verkauf der Deutschbau vor wenigen Wochen steht ein erster Schritt bei dem Verkauf der Postbank auf der Tagesordnung.
    Weitere Projekte auf der Privatisierungsliste sind die Autobahn Tank und Rast AG, die Frankfurter Siedlungsgesellschaft, die Deutsche Eisenbahn-Wohnungsgesellschaft, die Flughafenbeteiligungen in Hamburg, Köln/Bonn und Frankfurt am Main, die Deutsche Entwicklungsgesellschaft in Köln. Auf mittlere Sicht wird auch die Deutsche Post AG genug Ertragskraft gewinnen, um sich als attraktives Börsenangebot etablieren zu können.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch im Liegenschaftsbereich wollen wir die Verkaufsanstrengungen noch 1997 erweitern und verstärken. So ist beispielsweise die Abgabe der Bundeswohnungen auf die Tagesordnung zu setzen.
    Meine Damen und Herren, der Bundespräsident hat uns dazu aufgefordert, mit gegenseitigen Schuldzuweisungen aufzuhören und endlich mit dem notwendigen Aufbruch in Deutschland zu beginnen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zu einem Kompromiß gehören aber immer beide Seiten. Es kann keinen Kompromiß allein zu den Bedingungen einer Seite geben. Wir sind schon mehrfach auf Sie zugegangen: bei den Steuern und bei den Renten.

    (Widerspruch bei der SPD)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Sie haben die Gespräche abgebrochen. Sie haben ständig neue Zusammenhänge hergestellt und neue Bedingungen gestellt. Sie wollten aussteigen, weil Sie bis jetzt nicht bereit waren, Verantwortung zu tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist die Wahrheit, das ist die Konsequenz dessen, was in den letzten Monaten passiert ist.
    Es wäre im Interesse aller Arbeitslosen, wenn Sie bei den wichtigen Reformprojekten endlich zu einem fairen Kompromiß bereit wären. Ich glaube, wir könnten in wenigen Tagen auf der ganzen Linie einen Durchbruch schaffen.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Leider gibt es in Ihren Reihen noch zu viele, denen es nur darum geht, zu polarisieren und den Karren möglichst vor die Wand zu fahren.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Dabei gibt es gar keine Alternative. Nicht irgendwelche Chefstrategen oder Chefideologen, sondern diejenigen, die das Wohl des deutschen Volkes mehren, werden schließlich die Gewinner sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, ich wünsche uns allen ein gutes Pfingsten und hoffe, daß der Geist der Erleuchtung auch über die Opposition kommt.
    Herzlichen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland steht heute vor einem öffentlichen Finanzchaos ohnegleichen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Acht Jahre Finanzminister Theo Waigel - das sind acht Jahre Finanzschrecken für die Bürger.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Das können Sie auch mit noch so lauten Reden nicht übertönen. Sie haben gerade in Ihrer Rede Kritik an Ihrer Politik als Unverfrorenheit zurückgewiesen. Ich sage: Wer ein solches Finanzchaos nach dem Motto „Augen zu und durch! " mit so viel Unverfrorenheit verteidigt und beschönigt, der hat schlechte Karten.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Kein Wort zu einem Nachtragshaushalt, kein Wort zu
    konkreten Zahlen, kein Wort dazu, was Sie wirklich
    tun wollen. Dies ist wirklich eine Verhohnepipelung
    des Parlaments; das würde sich nicht einmal die Bundespressekonferenz gefallen lassen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Dann will ich Ihnen die Zahlen der neuesten Steuerschätzung sagen: 1997 fehlen 18 Milliarden DM; 1998 fehlen 32, 1999 32, 2000- immer zusätzlich -37 Milliarden DM. Das sind in vier Jahren neue, zusätzliche Haushaltslöcher in Höhe von 119 Milliarden DM, davon knapp die Hälfte beim Bund. Beim Bund kommt noch das hinzu, was Sie zur Bewältigung der enorm hohen, der viel zu hohen Arbeitslosigkeit ausgeben müssen.
    Nein, meine Damen und Herren, sagen Sie nicht, dieser finanzpolitische Abgrund habe sich überraschend aufgetan. Man hat Sie immer wieder gewarnt - die Bürger, die Wissenschaft, die Wirtschaft und auch wir von der SPD. Können Sie sich noch an das letzte Jahr erinnern? - Angekündigt haben Sie eine Neuverschuldung in Höhe von 59 Milliarden DM. Wir haben gesagt: Alles Unsinn! - Geworden sind es über 78 Milliarden DM. Sie wollen die Haushaltslöcher nicht wahrnehmen. Sie haben uns immer mit Häme überzogen und haben von „Kassandra" und „Horrorzahlen" gesprochen. Leider war die Waigelsche Wirklichkeit immer sehr viel schlimmer als die von uns vorhergesagten angeblichen Horrorzahlen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Nur zwei Zitate aus Ihren letzten Haushaltsreden. Da sagt doch der Herr Waigel:
    Wenn die SPD aber schon wieder mit der alten stereotypen Leier „Haushaltslöcher" kommt, kann ich nur sagen:
    - so Waigel -
    Diese Mär kommt so sicher wie Ebbe und Flut.
    Das ist keine Mär, meine Damen und Herren, das ist die Wirklichkeit. Was so sicher ist wie Ebbe und Flut, sind zusätzliche falsche Zahlen und Haushaltslöcher von Herrn Waigel.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Oder ein anderes Zitat von Herrn Waigel; es ist gar nicht so alt. In einer Haushaltsrede hat er gesagt:
    Was haben Sie in den letzten Jahren nicht alles für „Löcher" beschworen
    - das sagte er an die Adresse der SPD -
    und sind selber hineingefallen!
    Wir hineingefallen? Der einzige, der in einem riesigen Haushaltsloch sitzt und verzweifelt versucht, herauszukommen, ist dieser Finanzminister.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Ingrid Matthäus-Maier
    Acht Jahre Finanzminister Waigel - die Bilanz ist verheerend; denn ein Minusrekord jagt den anderen.
    Sie sind der Finanzminister der Steuerlügen. An die große Steuerlüge im Jahre 1990 bei der deutschen Einheit erinnern wir uns alle, an die vom letzten Jahr auch. Da wurde die Absenkung des Solidaritätszuschlags versprochen, damit die F.D.P. über die Landtagswahlen kam. Danach wurde sie zurückgenommen.
    Ich verweise auf die neuen, unhaltbaren Steuersenkungsversprechen, mit denen Sie die nächste Steuerlüge anlegen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie ziehen in diesen Tagen durchs Land und versprechen Steuersenkungen in Höhe von über 30 Milliarden DM. Im Gesetz stehen sogar Steuerausfälle in Höhe von über 57 Milliarden DM pro Jahr - alles neue Haushaltslöcher, meine Damen und Herren. Wo soll denn das Geld herkommen? Selbstverständlich würden auch wir gern den Solidaritätszuschlag abschaffen, aber sollen die Haushaltslöcher denn noch viel größer werden? Sollen wir alle in Ihrem Schuh densumpf versinken? Nein, alles Lug und Trug!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wenn der Bundesrat diese Ihre neuesten Vor-
    Schläge abgelehnt hat, dann ist das nicht Blockade, sondern verantwortliches Wahrnehmen dessen, was in diesem Lande nötig ist, um uns vor Ihrem Schuldensumpf zu bewahren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Widerspruch bei der CDU/ CSU und der F.D.P.)

    Sie sind der Finanzminister der höchsten Steuer- und Abgabenbelastungen, die es je gab. Von jeder hinzuverdienten Mark geht über die Hälfte für Steuern und Sozialabgaben drauf. Durch Ihre Finanzpolitik werden aus nominalen Lohnsteigerungen reale Einkommensverluste, und das darf nicht so weitergehen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie sind der Finanzminister, der Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe zuläßt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Jedermann weiß doch: Wenn Sie durch eine kleine Änderung der Abgabenordnung auch bei den Kreditinstituten Stichproben zuließen, dann gäbe es nicht diese massive Steuerflucht nach Luxemburg. Sie sind doch dafür verantwortlich, daß immer mehr ehrliche Steuerzahler das Gefühl haben, sie seien die
    Dummen. Sehen Sie denn nicht die verheerende Wirkung Ihrer Steuerpolitik auf die Steuermoral?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie sind der Finanzminister der verfassungswidrigen Steuergesetze: verfassungswidrige Zinsbesteuerung, verfassungswidriger Grundfreibetrag, verfassungswidriger Kinderfreibetrag, verfassungswidriges Kindergeld - zu niedrig -, verfassungswidrige Einheitswerte und verfassungswidriger Kohlepfennig. Wollen Sie denn immer erst dann tätig werden, wenn das Verfassungsgericht in Karlsruhe Sie zum Handeln zwingt?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie sind der Finanzminister, der unser Steuerrecht heillos verwüstet hat. Jedes Jahr ein noch dickeres Steueränderungsgesetz und eine noch spätere Verabschiedung, so daß die Finanzverwaltung gar nicht nachkommen kann. Im Steuerchaos kann keiner mehr zurechtkommen, der sich nicht teure und findige Berater leisten kann. Die Anhörung im Finanzausschuß vor zwei Tagen hat ergeben, daß Ihre neuen Vorschläge zum Steuerrecht nicht, wie Sie vorgeben, die Steuer vereinfachen, sondern weiter verkomplizieren. Ich frage Sie: Wie lange wollen Sie die Geduld der Bürger noch strapazieren?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie sind der Finanzminister der öffentlichen Schuldenberge: über 2 Billionen DM Staatsschulden, davon 1,4 Billionen beim Bund. Das sind 1400 Milliarden DM Bundesschulden. Natürlich durfte man für die deutsche Einheit höhere Schulden machen, aber das durfte doch kein Freibrief für eine solch maßlose Schuldenmacherei sein, wie Sie sie betrieben haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie sind der Finanzminister der drückenden Zinsbelastungen. Die durch Ihre Schuldenberge verursachten Zinslasten rauben der Politik immer mehr Handlungsspielraum. 27 Prozent der Steuereinnahmen des Bundes gehen allein für die Zahlung der Zinsen drauf. Die Ausgaben des Bundes für Zinsen betragen mit 90 Milliarden DM im Jahr mittlerweile rund das Siebzigfache der Ausgaben des Umweltetats des Bundes mit 1,3 Milliarden DM. Dieses Beispiel zeigt: Sie haben den Bundeshaushalt in eine Zinsfalle geführt und belasten die nachfolgenden Generationen in nicht verantwortbarer Weise.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie sind der Finanzminister der Umverteilung von unten nach oben. Wenn Sie es uns nicht glauben wollen, dann hören Sie doch wenigstens auf die Kirchen in Deutschland, die erneut beklagen, daß die

    Ingrid Matthäus-Maier
    Armut in diesem Lande zunimmt, und feststellen, daß gleichzeitig auch der Reichtum zunimmt. Sie sprechen so gerne von symmetrischer Finanzpolitik. Ich habe jetzt verstanden, was symmetrische Finanzpolitik bei Ihnen ist: Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose belasten und Vermögende durch Abschaffung der Vermögensteuer entlasten. Eine solche Symmetrie lehnen wir allerdings ab.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wie ein Ertrinkender greifen Sie jetzt nach jedem Strohhalm, um aus den Haushaltslöchern herauszukommen. Die Geschichte mit dem Tafelsilber, nämlich den Verkauf der Telekom-Aktien, haben Sie hier nicht überzeugend widerlegt. Wenn Sie uns nicht glauben, lese ich einmal aus dem „Handelsblatt" vor. Da heißt es:
    ... man kann doch nicht einfach aus lauter Geldnot seine Versprechen brechen.

    (Jörg Tauss [SPD]: Doch, kann er!)

    - Sie meinen, das tut er? Da haben Sie allerdings recht. -
    Im Börsenprospekt
    - bei der Einführung der Telekom-Aktien -
    steht klipp und klar: „Der Verkauf der Aktien des Bundes bis zum 31. Dezember 1999 ist grundsätzlich untersagt. "
    Dann geht der Kommentar im „Handelsblatt" weiter:
    Die Folgen wären schrecklich. Das in den letzten Jahren mühsam aufgebaute Vertrauen in den Kapitalmarkt Deutschland wäre zerstört. ... Auch die Aktienkultur in Deutschland erlitte einen Rückschlag, von dem sie sich nur schwer erholen könnte.
    Wie können Sie den Kleinaktionären, von denen viele zum erstenmal im Leben eine Aktie gekauft haben, diesen Ihren Wortbruch erklären?

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Da Ihnen das mittlerweile unangenehm wird, denken Sie über Schleichwege nach, wie Sie an das Geld kommen können. Zum Beispiel denken Sie daran, die Aktien irgendwo zu parken. Ich sage Ihnen: Sie werden den Vertrauenseinbruch, der schon jetzt bei den Kleinaktionären eingetreten ist, nicht wiedergutmachen können.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Nach dem Tafelsilber geht es jetzt an den Goldschatz der Bundesbank.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Ho!)

    Nein, verkaufen wollen Sie das Gold der Bundesbank nicht.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Noch nicht!)

    - Noch nicht. - Sie wollen es nur höher bewerten. Da sagt das „Handelsblatt": „Taschenspielertrick„, da sagt die „Stuttgarter Zeitung" : „Buchhaltertrick".

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Zitieren Sie doch einmal die „FAZ"!)

    Dann fährt die „Stuttgarter Zeitung" fort:
    Ein lockerer Pinselstrich, und aus roten Zahlen werden schwarze! Genial? Nein, einfach nur trickreich, und leider gar nicht ehrlich.
    Das ist nicht solide Finanzpolitik, das ist „Bilanzpersil" , was wir nicht hinnehmen werden!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Haben Sie denn nicht die internationale Wirkung beachtet? Schauen Sie doch heute einmal in die internationalen Zeitungen, etwa in die „International Herald Tribune". Da sagen die Finanzminister, denen Sie immer kreative Buchführung vorgeworfen haben, daß dies doch wohl fiskalische Tricks seien, Gimmicks, also kreative Buchführung. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Wirkung im Ausland ist verheerend.
    Was das Inland angeht: Man stelle sich einmal vor, ein sozialdemokratischer Finanzminister wäre auf die Idee gekommen, an die Goldreserven der Bundesbank heranzugehen! Da wäre diese Regierung vor Abscheu und Entsetzen aus dem 29. Stock des Langen Eugen gesprungen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Ein leicht mißglücktes Bild!)

    Ein Finanzminister mit so vielen Minusrekorden hätte normalerweise längst seinen Abschied nehmen müssen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Läge dem Herrn Bundeskanzler am Wohl der Lage der Finanzen dieses Landes, dann hätte er Herrn Waigel schon längst den Kabinettstuhl vor die Tür gestellt; denn, Herr Bundeskanzler, die Minusrekorde von Herrn Waigel sind auch Ihre Minusrekorde.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Da das jeder von Ihnen weiß - und in den Gängen hinter vorgehaltener Hand auch sagt -, und da Sie, Herr Bundeskanzler, das auch wissen, fragt man sich: Warum werfen Sie Herrn Waigel nicht endlich aus dem Kabinett? Es gibt nur einen Grund: Sie brauchen ihn als CSU-Vorsitzenden zum Koalitionserhalt. Diese Koalition ist materiell am Ende, aber aus parteitaktischem Kalkül klammern Sie sich aneinander:

    (Beifall bei der SPD)


    Ingrid Matthäus-Maier
    Waigel hat Stoiber im Nacken, Kinkel und Waigel klammern sich aneinander, Kinkel muß sich seiner Parteifreunde Gerhardt, Westerwelle und Möllemann erwehren, und Bundeskanzler Kohl kann ohne Kinkel und Waigel seine Koffer packen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wir fordern Sie auf, Herr Bundeskanzler - gestern hat es Rudolf Scharping begründet -: Entlassen Sie endlich diesen Finanzminister! Die Staatsfinanzen dieses Landes können nicht länger von diesem Mann verwaltet werden.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Setzen!)

    Lassen Sie dann einen anderen einen Nachtragshaushalt vorlegen - mit ehrlichen Zahlen, mit Maßnahmen, die endlich die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Denn da liegt der Kern unseres Problems: Nicht der Sozialstaat ist zu teuer, die Arbeitslosigkeit ist zu teuer. 100 000 Arbeitslose kosten 4 Milliarden DM.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Unsere Vorschläge, die Vorschläge der SPD liegen auf dem Tisch,

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Wo denn?)

    zum Beispiel Verschärfung und Überwachung des Entsendegesetzes.

    (Große Unruhe)

    Bis heute, meine Damen und Herren, regen Sie sich beim Stichwort Entsendegesetz auf. Bis heute haben Sie nicht verhindert, daß auf deutschen Baustellen Portugiesen und Briten für 5 DM Dumpinglohn arbeiten. Hätten Sie das getan, dann hätten wir auch nicht länger deutsche Arbeitslose im Baugewerbe.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Nichts ist so blöd, daß es in dieser Debatte fehlen könnte!)

    Unsere weiteren Vorschläge sind: Lohnnebenkosten runter im Rahmen einer ökologischen Steuerreform, Senkung der gewerblichen Steuersätze bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, ein 100 000-Dächer-Solarenergieprogramm, eine Steuerreform mit Entlastung der Familien und der Durchschnittsverdiener bei solider Gegenfinanzierung.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    - Meine Damen und Herren, es gibt Leute, die fragen mich und schreiben mir, warum ich manchmal etwas lauter werde. Wenn die Leute wüßten, wie Sie immer herumschreien, dann würden die das verstehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Weiter schlagen wir vor: eine Teilzeitinitiative, eine Initiative zum Abbau von Überstunden, Umschichtungen im Bundeshaushalt zugunsten einer innovativen Forschungs- und Technologiepolitik, aktive Arbeitsmarktpolitik, überbetrieblichen Finanzausgleich für die Schaffung von mehr Lehrstellen.
    All dies haben Sie abgelehnt, obwohl wir die Gesetzesvorschläge im Bundestag eingebracht haben. Sie sind die Koalition der Neinsager.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie sind die Koalition des Stillstandes. Sie sind eine Koalition auf Abruf, meine Damen und Herren.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)