Rede:
ID1317500200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. der: 2
    2. Es: 1
    3. spricht: 1
    4. jetzt: 1
    5. Bundesminister: 1
    6. Finanzen,: 1
    7. Dr.: 1
    8. Theo: 1
    9. Waigel.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/175 (Zu diesem Plenarprotokoll folgt ein Nachtrag) Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 175. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. Mai 1997 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Dr. Winfried Pinger und Dr. Olaf Feldmann 15699A, B Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 15699 B Absetzung des Punktes 12 von der Tagesordnung 15699 D Nachträgliche Ausschußüberweisungen 15699 D Begrüßung der Präsidentin des norwegischen Parlaments und ihrer Delegation . 15712 B Begrüßung von amerikanischen Jugendlichen im Rahmen des Parlamentarischen Patenschafts-Programms 15797 B Tagesordnungspunkt 3: a) Große Anfrage der Fraktion der SPD: Zur Wirtschafts- und Währungsunion (Drucksachen 13/2638, 13/3984) . . . 15700 A b) Große Anfrage der Abgeordneten Joachim Poß, Ingrid Matthäus-Maier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Teilnahmekriterien an der Europäischen Währungsunion (Drucksachen 13/4189, 13/4531) . . . 15700 B c) Große Anfrage der Abgeordneten Kristin Heyne, Christian Sterzing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Zukunft der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (Teil I) (Drucksachen 13/ 2858, 13/4529) 15700 B d) Große Anfrage der Abgeordneten Kristin Heyne, Christian Sterzing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Zukunft der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (Teil II) (Drucksachen 13/ 2996, 13/4530) 15700 B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD 15700 C, 15726 C Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 15704 B Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15708 C Dr. Wolfgang Weng (Gerungen) F.D.P. . 15709 A Dr. Helmut Haussmann F.D.P 15710 C Dr. Gregor Gysi PDS 15712 C Dr. Gero Pfennig CDU/CSU 15714 D Rudolf Scharping SPD 15716 D Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 15719 C Dr. Gregor Gysi PDS 15720 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 15722 A Friedrich Merz CDU/CSU 15723 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15725 C Hansjürgen Doss CDU/CSU 15726 D Tagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998) (Drucksachen 13/6392, 13/7588, 13/7589) . . . 15728 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut Wilhelm (Amberg), Franziska Eichstädt-Bohlig und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für ein soziales und ökologisches Städtebau- und Raumordnungsrecht - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zu den Ergebnissen der Rechtstatsachen- und Wirkungsforschung bezüglich der neuen und geänderten städtebaulichen Vorschriften (Drucksachen 13/6384, 13/5489, 13/ 5655 Nr. 4, 13/7588, 13/7589) . . . . 15728 C Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . 15728 D Walter Schöler SPD 15730 D Dr. Michael Vesper, Minister (Nordrhein-Westfalen) 15734 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 15736 A Franziska Eichstädt-Bohlig BOND- NIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 15737 C, 15744 A Walter Schöler SPD 15738 B, C Klaus-Jürgen Warnick PDS 15739 D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 15743 A Achim Großmann SPD 15744 B Gabriele Iwersen SPD 15746 A Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15748 C Peter Götz CDU/CSU . . . . . . . . 15749 D Peter Conradi SPD 15751 D Peter Götz CDU/CSU 15752 A Werner Dörflinger CDU/CSU 15753 C Josef Hollerith CDU/CSU 15754 B Peter Conradi SPD 15754 D Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 15756 B Walter Schöler SPD 15757 C Tagesordnungspunkt 13: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Marliese Dobberthien, Lilo Blunck, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vorläufigen Biergesetzes (Drucksache 13/6132) 15759 B b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" (Drucksache 13/7336) . . . . 15759 B c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen (Fernsehsignal-Übertragungs-Gesetz) (Drucksache 13/7337) . 15759 C d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkommen vom 10. Juni 1996 zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits (Drucksache 13/7447) 15759 C e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 24. Juli 1996 auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung (Europol-Auslegungsprotokollgesetz) (Drucksache 13/7555) . . . . 15759 C f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. April 1994 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes (Drucksache 13/7556) 15759 D g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 13. Juni 1994 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen (Drucksache 13/ 7557) 15759 D Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen (Drucksache 13/7645) 15760 A b) Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Dr. Norbert Rieder und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Birgit Homburger, Günther Bredehorn, Dr. Rainer Ortleb und der Fraktion der F.D.P.: Elefanten erhalten - neue Lebensräume erschließen (Drucksache 13/7654) 15760 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Horst Sielaff, Dr. Wolfgang Wodarg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Konsequente Verringerung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung für eine wirksame Gesundheitsvorsorge beim Menschen (Drucksache 13/6553) 15760 B Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Michael Müller (Düsseldorf), Ursula Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Umsetzung der AGENDA 21 - Prioritäten für Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung im 21. Jahrhundert (Drucksache 13/7679) . . . . 15760 B Tagesordnungspunkt 14: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zweiten und Dritten Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 1. Juli 1970 über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) (Drucksachen 13/6440, 13/7444) 15760 C b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sortenschutzgesetzes (Drucksachen 13/ 7038, 13/7446, 13/7639) 15760 D c) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen (ehemaligen US-)Wohnsiedlung Fürth-Süd (Kalb-Housing-Area) in Fürth (Drucksachen 13/7130, 13/7451) 15761 B d) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Veräußerung des ehemaligen NATO-Flugplatzes Lahr an die Stadt Lahr und die Gemeinde Friesenheim (Drucksachen 13/7032,13/7452) 15761 B e) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung einer bundeseigenen Liegenschaft in Hongkong (frühere Residenz des Generalkonsuls) (Drucksachen 13/6946, 13/7543) 15761 C f) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehem. Carl-Schurz-Kaserne in Bremerhaven (Drucksachen 13/7204, 13/7544) 15761 C g) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1997; Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 04 (apl.) Titel 682 09 - Maßnahmen zur Stützung des Schweinemarktes - bis zur Höhe von 14 096 000 DM (Drucksachen 13/7099, 13/7105 Nr. 2, 13/7453) 15761 D h) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1997; Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 04 Titel 682 04 - Von der EU nicht übernommene Marktordnungsausgaben - bis zur Höhe von 19 591 000 DM (Drucksachen 13/7198, 13/7460 Nr. 5, 13/7545) 15761 D i) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 167 zu Petitionen (Drucksache 13/6406) . . . . 15762 A j) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 202 zu Petitionen (Drucksache 13/7514) . . . . 15762 A k) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 204 zu Petitionen (Keine Änderung des Bundessozialhilfegesetzes) (Drucksache 13/ 7516) 15762 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde betr. Einschätzung der Ausbildungsplatzsituation und des Handlungsbedarfs durch die Bundesregierung 15762 D Wolfgang Thierse SPD 15762 D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 15763 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15764 C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 15765 C Maritta Böttcher PDS 15766 D Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 15767 D Stephan Hilsberg SPD 15769 C Werner Lensing CDU/CSU 15770 D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 15772 A Sabine Kaspereit SPD 15773 A Marion Seib CDU/CSU 15774 A Heinz Schmitt (Berg) SPD 15775 B Karl-Heinz Scherhag CDU/CSU . . . 15776 B Franz Thönnes SPD 15777 B Dr. Christian Ruck CDU/CSU 15778 D Zur Geschäftsordnung Rudolf Scharping SPD 15779 D Joachim Hörster CDU/CSU 15780 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15781 C Jörg van Essen F.D.P. 15782 C Dr. Gregor Gysi PDS 15783 A Dr. Peter Struck SPD 15784 A Joachim Hörster CDU/CSU 15784 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15784C Jörg van Essen F.D.P. 15784 D Dr. Gregor Gysi PDS 15785 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Alois Graf von Waldburg-Zeil und der Fraktion der CDU/CSU, des Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer und der Fraktion der F.D.P.: Zur Lage in Zaire (Drucksache 13/7672) 15785 B Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Irmingard Schewe-Gerigk und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - §0 177 bis 179 StGB (... StrÄndG) (Drucksachen 13/7324, 13/7663) 15785 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD 15786 A Horst Eylmann CDU/CSU 15787 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15788 B Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 15789 C Christina Schenk PDS 15790 C Beatrix Philipp CDU/CSU 15781 B Dr. Edith Niehuis SPD 15793 A Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU 15794 B Erika Simm SPD 15795 C Karin Schubert, Ministerin (Sachsen-Anhalt) 15796 C Namentliche Abstimmung 15797 D Ergebnis 15798 B Tagesordnungspunkt 7: a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christa Luft, Wolfgang Bierstedt, Rolf Kutzmutz und der Gruppe der PDS: Änderung der Rahmenvereinbarung von Bund und neuen Ländern zur Erfüllung des Treuhandauftrages (Drucksachen 13/2571, 13/5162) 15800 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der weiteren Abgeordneten der PDS: Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR (Drucksachen 13/ 78, 13/6774) 15801 A c) Antrag der Abgeordneten Dr. Christa Luft, Wolfgang Bierstedt, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Für eine wirtschaftliche und ökologische Alternative in den neuen Bundesländern (Drucksache 13/7519) . . . . 15801 A Dr. Christa Luft PDS 15801 B Roll Köhne PDS 15802 B Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mehr Rechtssicherheit und Rechtsschutz für Nutzer von Freizeitgrundstücken in den neuen Bundesländern (Drucksache 13/7304) 15803 B b) Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Klaus-Jürgen Warnick, Dr.Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Begrenzung des Anstiegs der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland auf ein sozial erträgliches Maß (Drucksache 13/7532) 15803 B Tagesordnungspunkt 9: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR (Drucksachen 13/6496, 13/7491, 13/7497, 13/7496, 13/7495) 15803 C - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rolf Schwanitz, Hans-Joachim Hacker, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungs- und häftlingshilferechtlicher Vorschriften (Rehabilitierungs- und häftlingshilferechtliches Verbesserungsgesetz) (Drucksachen 13/4162, 13/7491, 13/7497, 13/7496, 13/7495) 15803 C - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Andrea Fischer (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer der SED-Diktatur (Drucksache 13/3038, 13/7491, 13/7497, 13/ 7496, 13/7475) 15803 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Verbesserung der Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR - zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Hans-Joachim Hakker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbesserungen bei der Rehabilitierung von SED-Unrecht über die Verlängerung von Antragsfristen hinaus (Drucksachen 13/4568, 13/2445, 13/ 7491) 15804 A Dr. Michael Luther CDU/CSU 15804 B Hans-Joachim Hacker SPD 15805 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15806 D Dr. Rainer Ortleb F.D.P 15808 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 15808 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 15809 B Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 15810 A Rolf Schwanitz SPD 15810 B Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Drucksache 13/7502) 15811 D Ergebnis 15813 A Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (Drucksache 13/7656) . . 15812 A Ergebnis 15815 C Tagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Angelika Beer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entschädigung von Fahnenflüchtigen, Wehrkraftzersetzern und Wehrdienstverweigerern unter dem NS-Regime (Drucksachen 13/ 4409, 13/7669) 15818 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Kröning, Dieter Wiefelspütz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Unrechtsurteile wegen - „Fahnenflucht/Desertion", „Wehrkraftzersetzung" oder „Wehrdienst- verweigerung" während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft - zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Winfried Nachtwei, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rehabilitierung, Entschädigung und Versorgung für die Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und „Wehrkraftzersetzer" unter dem NS-Regime (Drucksachen 13/354, 13/353, 13/7669) 15818 B Norbert Geis CDU/CSU 15818 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 15819 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15822 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 15823 B Gerhard Zwerenz PDS 15824 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 15824 D Eckart von Klaeden CDU/CSU 15825 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS (Erklärung nach § 31 GO) 15827 D Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (Drucksache 13/7671) . 15826 D Ergebnis 15828 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Zweiten Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-Neuordnungsgesetz) (Drucksachen 13/6087, 13/7264, 13/7569, 13/ 7660) 15827 B Nächste Sitzung 15830 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15831' A Anlage 2 Erklärungen nach 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - §§ 177 bis 179 StGB (Tagesordnungspunkt 8) Maria Eichhorn CDU/CSU 15831* B Sigrun Löwisch CDU/CSU 15831* B Dr. Max Stadler F D P. 15831 * C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Alfred Dregger (CDU/CSU) zur Abstimmung über Buchstabe 6 der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Unrechtsurteile wegen „Fahnenflucht/ Desertion", „Wehrkraftzersetzung" oder „Wehrdienstverweigerung" während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (Tagesordnungspunkt 10 b) 15832* B Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, Buchstabe d - Drucksache 13/7669 neu - Erika Steinbach CDU/CSU 15832* D Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 15833' A Bernd Wilz CDU/CSU 15834' A Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jürgen Augustinowitz, Wilhelm Dietzel, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Georg Janovsky, Anneliese Augustin, Meinolf Michels, Klaus Dieter Reichardt (Mannheim), Thomas Kossendey, Rudolf Braun (Auerbach), Egon Susset, Frederick Schulze, Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz), Alois Graf von Waldburg-Zeil, Bernd Klaußner, Rudolf Meinl, Dr. Klaus Rose, Jürgen Sikora, Dr. Peter Paziorek, Roland Richter, Klaus Riegert, Heinz Seiffert, Roland Sauer (Stuttgart), Otto Hauser (Esslingen), Wilhelm Josef Sebastian, Gert Willner, Michael Teiser, Hans-Otto Wilhelm (Mainz), Wolfgang Krause (Dessau), Dr. Andreas Schockenhoff, Norbert Königshofen, Georg Brunnhuber, Hubert Deittert, Dietmar Schlee (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 13/7669 neu (Tagesordnungspunkt l0 a und b) 15834' C Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Schmidt (Fürth), Hartmut Koschyk, Dagmar Wöhrl, Michaela Geiger, Wolfgang Zeitlmann, Gerda Hasselfeldt, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Bernd Protzner (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 13/7669 neu (Tagesordnungspunkt l0 a und b) 15834' D Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Erich Riedl (München), Kurt J. Rossmanith, Ernst Hinsken, Dr. Wolfgang Götzer, Max Straubinger, Josef Hollerith, Renate Blank, Wolfgang Gröbl, Helmut Jawurek, Peter Götz, Alois Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Heinrich Lummer, Benno Zierer, Dr. Dionys Jobst, Wolfgang Zöller, Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein, Erika Reinhardt, Johannes Singhammer, Dr. Peter Ramsauer (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 13/7669 neu (Tagesordnungspunkt 10 a und b) . . . 15835* C 175. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. Mai 1997 Beginn: 8.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behrendt, Wolfgang SPD 15. 5. 97 * Blunck, Lilo SPD 15. 5. 97 Braune, Tilo SPD 15. 5. 97 Gysi, Andrea PDS 15. 5. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 15. 5. 97 * Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 15. 5. 97 Hermann Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 15. 5. 97 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 15. 5. 97 Reinhard Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 15. 5. 97 Sigrid Steen, Antje-Marie SPD 15. 5. 97 Steindor, Marina BÜNDNIS 15. 5. 97 90/DIE GRÜNEN Wallow, Hans SPD 15. 5. 97 • für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - §§ 177 bis 179 StGB (Tagesordnungspunkt 8) Maria Eichhorn (CDU/CSU): Eine gesetzliche Regelung zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe halte ich für notwendig. Dem heute zur Abstimmung anstehenden Gesetzentwurf, Drucksache 13/ 7324, kann ich jedoch nicht zustimmen. Ich habe mich immer mit voller Überzeugung für den im Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf von CDU/CSU und F.D.P., Drucksache 13/2463, eingesetzt. Darin wird die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt; wegen des besonderen Stellenwertes der Ehe wird jedoch der Frau das Recht eingeräumt, durch Widerspruch ein Strafverfahren zu verhindern. Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf wird diesem Anliegen nicht gerecht. Daher lehne ich diesen ab. Sigrun Löwisch (CDU/CSU): Ich halte nach wie vor eine Strafbarkeitsregelung, die mit einem Wider- Anlagen zum Stenographischen Bericht spruchsrecht des Opfers kombiniert ist, für vorzugswürdig. Gerade in diesem sensiblen Bereich hätten wir meiner Ansicht nach dem Opfer ein entscheidendes Mitspracherecht bei der Durchführung der Strafverfolgung eröffnen müssen. Mit der Widerspruchsklausel hätten wir dem möglichen Interesse des Opfers an einer Einstellung der Strafverfolgung Rechnung tragen können. Andererseits wäre bei einem besonderen öffentlichen Interesse eine Strafverfolgung auch gegen den Willen des Opfers möglich gewesen. Gleichwohl stimme ich mit gravierenden Bedenken dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zu. Andernfalls würde der Eindruck entstehen, daß ich gegen die grundsätzliche Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe votierte. Dieser Eindruck darf unter keinen Umständen entstehen, denn gerade als Frau halte ich ein Fortbestehen der Strafbarkeitslücke bei Vergewaltigungen in der Ehe für unerträglich. Ich bedauere daher sehr, daß wir heute keine Wahlmöglichkeit zwischen zwei Gesetzesvorlagen - mit und ohne Widerspruchsklausel - mehr haben. Wir können heute nur über „Alles oder Nichts" entscheiden, und dies ist bei diesem Thema nicht angemessen. Im Interesse der Frauen, denen ich mich besonders verpflichtet fühle, muß ich heute für „Alles" stimmen. Dr. Max Stadler (F.D.P.): Zu meinem Abstimmungsverhalten gebe ich folgende Erklärung zu Protokoll: Dem Gruppenentwurf stimme ich zu. Dies bedarf mit Ausnahme der Problematik der sogenannten Widerspruchsklausel keiner besonderen Begründung. Dagegen war im Gesetzgebungsverfahren äußerst umstritten, ob das Opfer einer Straftat gemäß § 177 StGB die Befugnis erhalten soll, durch Widerspruch die weitere Strafverfolgung zu verhindern. In der Strafrechtsgeschichte war es ein entscheidender Fortschritt, daß der Staat die Strafverfolgung übernommen hat und nicht das Opfer einer Straftat damit belastet hat, selbst die Strafverfolgung zu betreiben. Dennoch besteht ein Bedürfnis, in gewissem Umfang den staatlichen Strafanspruch einzuschränken, indem das Opfer einer Straftat die Verfahrensherrschaft übertragen bekommt. Dies drückt sich im geltenden Recht zum Beispiel dadurch aus, daß etliche Straftatbestände als Antragsdelikte ausgestaltet sind. Meist handelt es sich freilich um Tatbestände der kleineren oder mittleren Kriminalität. Jedoch spielt dabei auch der Gedanke der persönlichen Beziehung von Täter und Opfer eine Rolle. So ist der sogenannte Haus- und Familiendiebstahl gemäß § 247 StGB ein absolutes Antragsdelikt. Wegen der engen persönlichen Beziehung der Beteiligten bleibt es bei § 247 StGB dem Opfer überlassen, die Strafverfolgung durch einen Strafantrag herbeizuführen oder die Strafverfolgung zu verhindern, indem kein Strafantrag gestellt wird oder ein gestellter Strafantrag später zurückgenommen wird. An diesem Beispiel zeigt sich, daß solche Konstruktionen die Rechte des Opfers einer Straftat nicht etwa schmälern, sondern erweitern. Ich halte es prinzipiell für notwendig, die Rechtsstellung der Opfer von Straftaten zu verbessern und zu prüfen, bei welchen Straftatbeständen analog §247 StGB die Verfahrensherrschaft weg vom Staat auf das Opfer der Straftat übergehen soll. Daher habe ich bei der Neuregelung des § 177 StGB von Anfang an Vorschläge favorisiert, die - etwa wie die Wiederspruchslösung - die verfahrensrechtliche Stellung des Opfers verbessert hätten. Im Verlaufe der Diskussion hat sich jedoch gezeigt, daß eine derartige Regelung insbesondere von den Frauen als Danaergeschenk empfunden würde. Es liegt auf der Hand, daß mit der Übertragung von Verfahrensrechten wie zum Beispiel bei der Widerspruchslösung die Gefahr einhergeht, daß das Opfer einer Straftat vom Täter oder von Dritten bedrängt wird, dieses Verfahrensrecht auch auszuüben. Diese Gefahr wird offenbar von den Frauen als so gravierend eingeschätzt, daß der Zugewinn an Verfahrensherrschaft demgegenüber nicht als Verbesserung der Rechtsstellung empfunden wird. Deshalb bin ich für mich persönlich zu dem Ergebnis gekommen, daß es keinen Sinn ergibt, den Opfern von Straftaten Verfahrensrechte „aufzudrängen" , die sie gar nicht haben wollen. Aus diesem Grund schließe ich mich jetzt dem Gruppenantrag an. Wie bei allen gesetzlichen Neuregelungen ist es selbstverständlich, daß die Entwicklung der Praxis sorgfältig beobachtet werden muß. Möglicherweise zeigt sich nach einer gewissen Zeit der praktischen Erfahrung, daß sich später ein Konsens ergibt für die Einführung von Vorschriften wie beispielsweise der Widerspruchsregelung, und zwar nicht nur bei § 177 StGB, sondern auch bei anderen Straftatbeständen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Alfred Dregger (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses (Buchstabe b) zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Unrechtsurteile wegen „Fahnenflucht/Desertion", „Wehrkraftzersetzung" oder „Wehrdienst- verweigerung" während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (Tagesordnungspunkt 10 b) Im ursprünglichen Antrag der SPD Bundestagsfraktion, Drucksache 13/354 vom 30. Januar 1995 hieß es: „Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß alle Verurteilungen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wegen der Tatbestände ,Desertion/ Fahnenflucht', ,Wehrkraftzersetzung' und ,Wehrdienstverweigerung' von Anfang an Unrecht gewesen sind. Es hat sich bei ihnen nicht um Urteile unabhängiger Richter, sondern um Akte eines Terrorsystems gehandelt ... Dieser Text war inakzeptabel. In der Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu diesem Antrag heißt es jetzt: „Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurden Zehntausende deutscher Soldaten und Zivilpersonen Opfer von Verurteilungen wegen der Tatbestände ,Kriegsdienstverweigerung' ,Desertion/Fahnenflucht' und ,Wehrkraftzersetzung'.... Der Deutsche Bundestag ... stellt fest, daß die von der Wehrmachtjustiz während des Zweiten Weltkrieges wegen dieser Tatbestände verhängten Urteile unter Anlegung rechtsstaatlicher Wertmaßstäbe Unrecht waren. Anderes gilt, wenn bei Anlegung dieser Maßstäbe die der Verurteilung zugrundeliegende Handlung auch heute Unrecht wäre ... ". Dieser Beschlußvorschlag des Rechtsausschusses ist m.E. akzeptabel, denn er beinhaltet eben nicht eine pauschale Rehabilitierung aller Wehrmachtsdeserteure, Fahnenflucht/Desertion ist - neben anderem - nach unserem rechtsstaatlichen Regelungen entsprechenden Wehrstrafgesetzbuch auch heute ein Unrechtstatbestand. Auch der Erlaß der Bundesregierung zur abschließenden Regelung der Rehabilitierung und Entschädigung solcher Verurteilter betont, daß solche nicht entschädigt werden sollen, gegen die nachweislich seinerzeit die Strafe zugleich wegen eines „zivilen" Verbrechens, z. B. wegen einer Mordtat, verhängt wurde und die Verhängung der Strafe auch außerhalb der genannten Wehrstraftatbestände in Betracht gekommen wäre. Sowohl der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages als auch die Bundesregierung stellen zu Recht fest, daß es unmöglich wäre, mehr als 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Untersuchungen über jede einzelne Desertion anzustellen. Dem stimme ich ausdrücklich zu. Außerdem: Aus christlicher Demut wissen wir, daß wir nicht die Herren sein können über die Schuld anderer. Deshalb ist es angemessen, 50 Jahre nach den Ereignissen auch in jedem Zweifelsfall Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses (Buchstabe d) - Drucksache 13/7669 neu - (Tagesordnungspunkt 10) Erika Steinbach (CDU/CSU): Dem Vorschlag zur Rehabilitierung und Entschädigung von Wehr- machtsdeserteuren stimme ich nicht zu, da nicht ausreichend sichergestellt ist, daß nur diejenigen, die auch nach heutigen Maßstäben straffrei ausgehen würden, rehabilitiert und entschädigt werden. So wird diese Entscheidung als Generalamnestie für alle Deserteure mißverstanden werden können. Dr. Wolfgang Freiherr von Steffen (CDU/CSU): Jahrelang habe ich an einer entsprechenden Entschließung versucht mitzuwirken und bedaure sehr, daß es mir nicht gelungen ist, die Mehrheit für eine bessere Formulierung zu überzeugen. Daher kann ich der Empfehlung des Rechtsausschusses vom 23. April 1997 nicht zustimmen. Für mich gibt es keinen Zweifel, daß über 50 Jahre nach dem Kriege jeder Deserteur des Zweiten Weltkrieges oder jeder andere wegen eines Vergehens oder Verbrechens durch die Wehrmachtjustiz Verurteilte Anspruch auf Aufhebung oder Löschung seines Urteils hat. Diese Tilgung des „Verurteilungsmakels" ist längst überfällig, schon allein den Angehörigen, insbesondere den Kindern gegenüber, weil die Ausnahmesituation, in der sich 16 Millionen deutsche Soldaten während des grausamen Krieges befanden, mit heutigen Maßstäben nicht mehr gemessen werden kann. Deswegen: Aufhebung der Urteile ja, Helden nein. Wir sollten uns übrigens hüten, überheblich über ehemalige Wehrmachtsrichter oder Kriegsrichter zu urteilen, ohne die damals geltenden Gesetze zu kennen und die Kriegssituation zu berücksichtigen. Während alle Urteile der Standgerichte - und es hatte nichts mit Wehrmachtsgerichtsbarkeit zu tun - schon allein wegen der fehlenden ordentlichen Verfahren - als Unrechtsurteile bezeichnet werden können, ist dies bei Urteilen der Wehrmachtsgerichtsbarkeit anders. Es gab in der Tat Terrorurteile, aber überwiegend Rechtsprechung. Bei den Soldaten war die Wehrmachtsgerichtsbarkeit bei Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung oder Plünderung oder auch Kameradendiebstahl o. ä. außerordentlich gefürchtet. Es gab drastische Strafen, auch Todesurteile, z. B. bei Vergewaltigung und Tötungen. Für Hitler und seine Nationalsozialisten waren diese Urteile vielfach - insbesondere bei Wehrkraftzersetzung, Feigheit vor dem Feinde oder Desertation - zu milde. Deswegen wurden ab 1944 Standgerichte eingesetzt bzw. Sonderkommandos der GESTAPO übernahmen grausam deren Aufgaben. Angeblich zu „milde" Richter wurden strafversetzt oder wie einer der Obersten Richter, Dr. Karl Sack, sogar hingerichtet, andere von der GESTAPO verfolgt und konnten nur mit Mühe ihr Leben retten. Mit einer merkwürdigen Doppelmoral werden lebende oder tote Wehrmachtsrichter auch 50 Jahre nach dem Krieg von bestimmten selbsternannten antifaschistischen Gruppen verleumdet und verfolgt. So ist u. a. Filbinger „furchtbares, nicht wiedergutzumachendes Unrecht geschehen", so der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Dr. Gebhard Müller, zum Rufmord an Professor Filbinger. Damals ahnten wir, heute wissen wir es, daß die Kampagnen von der berüchtigten Abteilung X der Stasi ferngesteuert waren. Wer heute noch den absolut rehabilitierten Dr. Filbinger angreift, entlarvt sich als Mittäter der Stasi. Daher fehlt für mich in der Erklärung die notwendige Differenzierung zwischen den Wehrmachtsgerichten und den Stand- und Schnellgerichten der letzten Kriegsmonate. Es kann auch nicht sein, daß nahezu pauschal aus Deserteuren Widerstandskämpfer und Helden gemacht werden, die wenigsten waren es, wie alle ernstzunehmenden Untersuchungen zeigen. Die meisten heute noch lebenden Betroffenen sind übrigens längst rehabilitiert und erhielten Entschädigung oder beziehen eine Rente, so auch der Sprecher der Deserteure, Herr Ludwig Baumann aus Bremen, schon seit Jahren. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, schon aus Gründen der Menschlichkeit, wenn festgestellt worden ist, daß der Verurteilung keine anderen kriminellen Handlungen zugrunde lagen. Wenn aber jetzt die Resolution - pauschal - eine weitere nicht anberechenbare Leistung von 7500 DM vorsieht, ist das das falsche Signal. Mit Recht fragen sich Millionen ehemaliger Soldaten - und sie sind alle inzwischen über 70 Jahre alt -: Wo bleiben wir; wir, die wir ausgeharrt haben, die Verwundete abtransportiert und gerettet haben, Flüchtlingen halfen? Ist das der Dank des Vaterlandes? In der Tat ist es für mich und sicher für die große Mehrheit der Soldaten und Flüchtlinge und der Bevölkerung schlichtweg unerträglich, wenn z. B. ein Marinesoldat, der im Frühjahr 1945 mit seinem Schiff nach Schweden in die eigene Sicherheit fuhr, anstatt nach Königsberg, um Frauen und Kinder vor russischen Horden zu retten (ich sage bewußt russische Horden, die im Rausch von Ilia Ehrensburgs Aufputschung Frauen und Kinder zu Scharen schändeten und mordeten), heute als in „Abwesenheit zum Tode Verurteilter" eine Prämie von 7500 DM erhält, weil ein Todesurteil - noch dazu in Abwesenheit - unserem heutigen Rechtsverständnis widerspricht. Nicht daß man mich mißversteht, auch hier bin ich dafür, daß ein solches Urteil ohne „Wenn und Aber" aufgehoben wird, schon weil ich mir nicht anmaße, über physische oder psychische Zustände oder Beweggründe eines damals jungen Menschen in einem persönlichen Ausnahmezustand nach 52 Jahren zu urteilen. Aber damit muß es sein Bewenden haben. Zudem kann ich aus persönlichen Gründen der Entschließung so nicht zustimmen. Am 20. Mai 1941 mußte mein Vater als Flugzeugführer - bereits schwerverwundet - mit seiner Maschine nahe dem Flughafen Heraklion auf Kreta notlanden. Nachdem eine Verteidigung nicht mehr möglich war, ergab sich die 5köpfige Besatzung, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Verwundung meines Vaters. Auf dem Weg zur Gefangennahme wurde plötzlich von den Soldaten Großbritanniens das Feuer eröffnet. Der Funker, der meinen Vater stützte, versuchte ihn aus dem Kugelhagel zu retten, vergeblich, beide - waffen- und wehrlos - wurden erschossen. Wenn der Funker meinen Vater im Stich gelassen hätte, würde er vielleicht noch leben. Für mich wäre es ein absurder Gedanke, daß er heute, wenn er je dafür von der Wehrmachtsgerichtsbarkeit verurteilt worden wäre, sozusagen eine Belohnung erhielte, wenn das Urteil aus heutiger Sicht zu hart ausgefallen wäre. Das kann es ja wohl nicht sein. Und es gab Zehntausende ähnlicher Vorfälle, wo Soldaten ihre Kameraden unter Einsatz ihres eigenen Lebens gerettet haben - übrigens auch Kollegen des Deutschen Bundestages -, und die sollten heute miterleben, wie der Kamerad, der „abgehauen" ist und deswegen verurteilt wurde, nach 50 Jahren nicht nur - zu Recht - den Makel des Urteils verliert, sondern auch noch eine Entschädigung erhält. Wer glaubt, daß mit dieser Resolution ein Abschluß gemacht wird, irrt. Bald werden sich die melden, die desertiert sind und nicht verurteilt wurden, weil sie sich verstecken konnten, und möchten gleichbehandelt werden. Es kommen andere aus dem In- und Ausland, die sich - aus welchen Gründen auch immer - wegen des Terrorregimes der Nationalsozialisten nicht so entfalten konnten, wie sie wollten und trotzdem bisher nicht die Voraussetzungen für Entschädigungen erfüllten. Ich bezweifle daher, daß der Bundestagsbeschluß in dieser Form zur Bewältigung der Vergangenheit beiträgt und dem zukünftigen Rechtsfrieden dient. Bernd Wilz (CDU/CSU): Mein Abstimmungsverhalten, diesen Entschließungsantrag abzulehnen, ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten: 1. Zwar verkenne ich nicht, daß deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges zu Unrecht wegen der Tatbestände „Kriegsdienstverweigerung", „Desertion/Fahnenflucht" und „Wehrkraftzersetzung" verurteilt wurden. Deshalb habe ich auch zu keinem Zeitpunkt einer generellen Rechtfertigung aller Wehrmachtsurteile beigepflichtet. Aber ebensowenig kann ich einer im Grunde genommen pauschalen Rehabilitierung und entsprechenden Entschädigung aller Deserteure zustimmen. 2. Das strenge Anlegen unserer heutigen Wertmaßstäbe kann m.E. nicht den damaligen Lebensumständen von Millionen deutscher Soldaten vor mehr als einem halben Jahrhundert gerecht werden, die es für ihre Pflicht hielten, für das eigene Volk und Vaterland kämpfen zu müssen. 3. Ich befürchte, daß der zur Abstimmung vorgelegte Entschließungsantrag so mißdeutet werden kann, der Deserteur sei der prinzipiell „Gute" und der Soldat der „Schlechte" gewesen. 4. Darüber hinaus bin ich von der Sorge erfüllt, daß die Entschließung trotz ihrer Klarstellung zugunsten der Bundeswehr durch „interessierte Kreise" nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein" für die Zukunft nicht ohne negative Auswirkungen für unsere Streitkräfte bleiben könnte. 5. Schließlich erklärt sich mein Abstimmungsverhalten auch aus der familiären Bindung. Mein Vater (Jurist und Anhänger Stresemanns), mein Großvater (Lehrer und deutsch-national) sowie mein Onkel (Abitur und Arbeitsdienst) waren nach meinem Kenntnisstand ehrenhaft und pflichtbewußt kämpfende Offiziere der Wehrmacht und erlitten anschließend bis zu 5 Jahren sowjetische Gefangenschaft. Mein Vater ist weniger als 2 Wochen vor Kriegsende vom Heimaturlaub an die knapp 100 km entfernte Ostfront zurückgekehrt, um, wie er sagte, „seine Kameraden nicht im Stich zu lassen". Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jürgen Augustinowitz, Wilhelm Dietzel, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Georg Janovsky, Anneliese Augustin, Meinolf Michels, Klaus Dieter Reichardt (Mannheim), Thomas Kossendey, Rudolf Braun (Auerbach), Egon Susset, Frederick Schulze, Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz), Alois Graf von Waldburg-Zeil, Bernd Klaußner, Rudolf Meinl, Dr. Klaus Rose, Jürgen Sikora, Dr. Peter Paziorek, Roland Richter, Klaus Riegert, Heinz Seifert, Roland Sauer (Stuttgart), Otto Hauser (Esslingen), Wilhelm Josef Sebastian, Gert Willner, Michael Teiser, Hans-Otto Wilhelm (Mainz), Wolfgang Krause (Dessau), Dr. Andreas Schockenhoff, Norbert Königshofen, Georg Brunnhuber, Hubert Deittert, Dietmar Schlee (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 13/7669 neu (Tagesordnungspunkt 10a und b) Der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 13/7669 (neu) „Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren" stimmen wir nicht zu. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Schmidt (Fürth), Hartmut Koschyk, Dagmar Wöhrl, Michaela Geiger, Wolfgang Zeitlmann, Gerda Hasselfeldt, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Bernd Protzner (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 13/7669 neu (Tagesordnungspunkt 10a und b) a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Angelika Beer, Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 13/4409 -Entwurf eines Gesetzes zur Entschädigung von Fahnenflüchtigen, Wehrkraftzersetzern und Wehrdienstverweigerern unter dem NS-Regime b) Antrag der Abgeordneten Volker Kröning, Dieter Wiefelspütz, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 13/354 - Unrechtsurteile wegen „Fahnenflucht/Desertion", „ Wehrkraftzersetzung " oder „Wehrdienstverweigerung" während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft c) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Winfried Nachtwei, Christa Nickels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 13/353 - Rehabilitierung, Entschädigung und Versorgung für die Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und „Wehrkraftzersetzer" unter dem NS-Regime Wir stimmen dieser Entschließung nur unter Bedenken zu. Unsere Zustimmung erfolgt unter dem Eindruck der vielen Unrechtsurteile, die die Wehrmachtsjustiz im Zweiten Weltkrieg gefällt hatte. Wir denken insbesondere an die zahlreichen Männer und Frauen, die sich angesichts der unabwendbaren Niederlage mutig Befehlen widersetzt hatten, die insbesondere die Zivilbevölkerung hätten zu Schaden kommen lassen, und dafür kriegsgerichtlich verurteilt und hingerichtet wurden. Wir übersehen aber nicht, daß einer Reihe von Urteilen Tatbestände zugrunde liegen, deren Verwerflichkeit nicht mit dem Widerstand gegen das Naziregime begründet werden kann. Diese Fälle reichen von Kameradendiebstahl bis zur bewußten Inkaufnahme, daß Kameraden oder Zivilpersonen durch die Handlung des „Deserteurs" oder „Wehrkraftzersetzers" unmittelbar zu Schaden oder zu Tode kommen würden. Nach über 50 Jahren muß aber Rechtsfrieden einkehren. Deshalb halten wir für die (und nur für diese) Fälle, in denen nach damaliger und nach heutiger Sicht ungerechtfertigt verurteilt wurde, eine symbolhafte Entschädigung für angebracht. Wir unterstreichen allerdings, daß wir die Desertion moralisch nicht höher stellen wollen als die Ableistung der Dienstpflicht, in die sich die meisten deutschen Wehrmachtssoldaten gestellt sahen, weil sie für ihr Vaterland zu kämpfen glaubten. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Erich Riedl (München), Kurt J. Rossmanith, Ernst Hinsken, Dr. Wolfgang Götzer, Max Straubinger, Josef Hollerith, Renate Blank, Wolfgang Gröbl, Helmut Jawurek, Peter Götz, Alois Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Heinrich Lummer, Benno Zierer, Dr. Dionys Jobst, Wolfgang Zöller, Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein, Erika Reinhardt, Johannes Singhammer, Dr. Peter Ramsauer (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 13/7669 neu (Tagesordnungspunkt 10a und b) Dem Entschließungsantrag in dieser vorgelegten Form können wir nicht zustimmen und begründen dies wie folgt: 1. Da deutsche Soldaten während des Zweiten Weltkrieges auch zu Unrecht wegen der Tatbestände „Kriegsdienstverweigerung", „Desertion/Fahnenflucht" und „Wehrkraftersetzung" verurteilt wurden, werden wir einer generellen Verunglimpfung aller Deserteure nie beipflichten. Wir können aber ebensowenig einer im Grunde genommen pauschalen Rehabilitierung und entsprechenden Entschädigung aller Deserteure zustimmen. 2. Das strenge Anlegen unserer heutigen Wertmaßstäbe kann unseres Erachtens nicht den damaligen Lebensumständen von Millionen deutscher Soldaten vor mehr als einem halben Jahrhundert gerecht werden, die es für ihre Pflicht hielten, für das eigene Volk und Vaterland kämpfen zu müssen. 3. Wir hegen die Befürchtung, daß der zur Abstimmung vorgelegte Entschließungsantrag dergestalt mißdeutet werden kann, daß ein Deserteur der richtig Handelnde und der Soldat der zu Unrecht Handelnde gewesen sei. 4. Darüber hinaus sind wir von der Sorge erfüllt, daß die Entschließung, trotz ihrer Klarstellung zugunsten der Bundeswehr, durch „interessierte Kreise" nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein" für die Zukunft nicht ohne negative Auswirkungen für unsere Streitkräfte bleiben könnte. Nachtrag zum Plenarprotokoll 13/175 Deutscher Bundestag Nachtrag zum Stenographischen Bericht 175. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. Mai 1997 Inhalt: Anlage 8 Erklärung des Abgeordneten Gerhard Scheu (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Drucksache 13/7502) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR 15837* A Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 4 (Interfraktioneller Antrag: Zur Lage in Zaire) Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . 15837 A Dr. R. Werner Schuster SPD 15838* D Joachim Tappe SPD 15839* C Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15840* A Steffen Tippach PDS 15841* A Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 15841* B Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 7 (a - Antrag: Änderung der Rahmenvereinbarung von Bund und neuen Ländern zur Erfüllung des Treuhandauftrages, b - Antrag: Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR, c - Antrag: Für eine wirtschaftliche und ökologische Alternative in den neuen Bundesländern) Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 15842* B Manfred Hampel SPD 15843* C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15844* C Jürgen Türk F.D.P 15845* C Dr. Michael Luther CDU/CSU 15846* A Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 15847* D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 6 (a - Antrag: Mehr Rechtssicherheit und Rechtsschutz für Nutzer von Freizeitgrundstücken in den neuen Bundesländern, b - Antrag: Begrenzung des Anstiegs der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland auf ein sozial erträgliches Maß) Rainer Hacker SPD 15849* A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15850* B Klaus-Jürgen Warnick PDS 15850* D Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 15852* A Joachim Günther, Parl. Staatssekretär BMBau 15852* C Anlage 12 Kosten für die Bundesrepublik Deutschland durch die NATO-Ost-Erweiterung, insbesondere der Erweiterung auf die Tschechische Republik MdlAnfr 38, 39 - Drs 13/7604 Dr. Egon Jüttner CDU/CSU SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . 15853* C Anlage 13 Vorwurf unprofessioneller außenpolitischer Instrumentenwahl während und nach dem Berliner „Mykonos"-Urteil MdlAnfr 40 Dr. Elke Leonhard SPD SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . 15853* D Anlage 8 Erklärung des Abgeordneten Gerhard Scheu (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Drucksache 13/7502) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR in der 175. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. Mai 1997 (Seite 15813 A) (Tagesordnungspunkt 9 a) Ich erkläre, daß ich nicht mit Ja, sondern mit Nein stimmen wollte. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 4 (Interfraktioneller Antrag: Zur Lage in Zaire) Alois Graf von Waldburg-Zeil (CDU/CSU): Wenn sich, wo immer auf der Welt, umwälzende Veränderungen vollziehen, betrifft das heute nicht nur die jeweilige Region, sondern alle Staaten dieser Welt. Wir haben uns angewöhnt, diesen Vorgang Globalisierung zu nennen. Wenn der Deutsche Bundestag sich zu einem solchen Ereignis äußert, dann nicht, weil er alles besser wissen will oder besondere, eigene geschichtliche Entwicklungen in anderen Gegenden unserer Welt nicht respektierte, sondern, weil in der Welt von heute einige Grundvorausssetzungen für das Funktionieren eines Gemeinwesens überall gelten, die über Krieg und Frieden, Bürgerkrieg oder wohlorganisiertes Gemeinwohl, äußerste Armut oder wenigstens Grundversorgung der Bevölkerung entscheiden. Daß sich in Zaire nach 32 Jahren Mobutu-Herrschaft ein erdrutschartiger Wandel vollzieht, wird niemandem verborgen bleiben. Ob dieser Wandel aber zum Guten oder zum Schlechten hin ausfallen wird, das steht noch offen. Hier ist es Aufgabe unseres Parlamentes, die Erkenntnis weiterzugeben: Ein Neuanfang wird nur dann erfolgreich sein, wenn ein Konsens zwischen dem breiten Spektrum der zivilen Opposition und der Allianz darüber gefunden wird, daß eine demokratische, rechtsstaatliche, dezentrale, die Menschenrechte achtende und die Beteiligung der Bevölkerung sichernde staatliche Ordnung im neuen Zaire aufgebäut wird. Den Mitberichterstatterinnen Frau Dr. Eid und Frau Dr. Schwaetzer sowie dem Mitberichterstatter Dr. Schuster möchte ich herzlich danken samt allen Beteiligten, daß wir trotz aller Schwierigkeiten diesen Kernsatz gemeinsam zum Ausdruck bringen und Anlagen zum Stenographischen Bericht in den 13 Punkten des vorliegenden Antrages entfalten. Natürlich hat die Gemeinsamkeit eines solchen Antrages auch eine problematische Seite. Das beginnt bei der Analyse. Geschichtliche Vorgänge sind multidimensional. Man kann sie von vielen Seiten her betrachten. Wir haben deshalb die Analyse weggelassen. Es geht um die vorhin vorgstellte Kernaussage. Ähnlich geht es mit den vielfältigen Überlegungen: Was hätte man besser machen können, was ist jetzt unbedingt und vordringlich zu tun, und was sollte mittel- und langfristig politisch und entwicklungspolitisch ins Auge gefaßt werden? Die Vielfalt von Persönlichkeiten in unseren Fraktionen führt auch zu einem großen Reichtum von Vorstellungen und Ideen, die hier entwickelt werden. Da geht manches in der vorsichtigen Gewichtigung eines gemeinsamen Antrages unter. In einer solchen Situation aber ist es wichtiger, das, was unstrittig ist, herauszustellen. Wir werden sicher Gelegenheit haben, bei anderen Debatten den Ideenwettbewerb wieder zum Zuge kommen zu lassen. Die Ereignisse in Zaire sind vielfältig mit den Nachbarregionen verknüpft. Ich möchte nur eine herausgreifen, weil sie uns zu einer Schlüsselfrage der Katastrophenvermeidung führt: das Gebiet der Großen Seen. Die Nichtbeachtung demokratischer, rechtsstaatlicher, dezentraler, die Menschenrechte achtender und die Beteiligung der Bevölkerung sichernder Strukturen führt zu Fluchtbewegungen. Fluchtbewegungen führen zur Verelendung und dem Wunsch, die alte Heimat zurückzuerobern. Rückeroberungen führen zu Bürgerkriegen mit all ihren Scheußlichkeiten. Wer sich vor Rückeroberungen schützen will, für den wird der Flüchtling zum Feind, auch wenn es alte Menschen, kranke Menschen, Frauen und Kinder sind. Die Vernichtung des Feindes wird um so einfacher, je weniger er sich wehren kann. Die Vertreibung der Tutsi vor 30 Jahren in Ruanda und ihre Nichteinheimatung bzw. der Widerstand gegen ihre Rückführung hat zur gewaltsamen Rückkehr der FPR 1990 geführt, die ihrerseits zu den Bestialitäten des Bürgerkrieges und des schrecklichen Völkermordes 1994 führte. Etwas mehr als 1,3 Millionen Hutu-Flüchtlinge sind nach Zaire gelangt. Am Beginn der Veränderungen in Zaire steht der Aufstand der Banjamulenge, ihrerseits Langzeitflüchtlinge in Zaire, die längst als Bürger dieses Landes galten und integriert waren, durch Entzug ihrer Staatsbürgerrechte aber in den Aufstand getrieben wurden. Im Fortgang der Ereignisse haben die Nachbarstaaten Ruanda und Burundi massiv mitgeholfen, zusammen mit den Aufständischen die Flüchtlingslager anzugreifen. Als „glückliche Umstände" wird dieses Geschehen noch heute von den Regierungen in Uganda, Ruanda und Burundi bezeichnet: Die Flüchtlinge, die nichts zu befürchten hatten, seien zurückgekehrt, die Mörder zurückgeblieben. Ob diese Mörder dann erschlagen wurden oder verhungert sind, errege höchstens empfindliche Gemüter. Aber so einfach ist das alles nicht. Die cholerakranken verhungernden Säuglinge jedenfalls waren keine Mörder. Ich will das schwierige Thema nicht vertiefen, aber unser Antrag fordert, beharrlich darauf zu drängen, daß den Hilfsorganisationen der ungehinderte Zugang zu den Flüchtlingen gewährleistet wird, daß der Transport der Flüchtlinge unter Sicherung von menschenwürdigen Bedingungen erfolgt, daß eine Rückführung nach Ruanda erst nach ausreichender medizinischer Versorgung und freiwillig durchgeführt wird. Wo immer Massaker diskutiert werden, spricht man von der Kultur der Straflosigkeit, die solche Entwicklungen begünstige. Das ist richtig, und die Völkergemeinschaft muß Ruanda auch besser unterstützen, um rasch die Mörder von 1994 zu identifizieren und ihrer Aburteilung zuzuführen. Es nützt aber nichts, wenn solche Justiz Siegerjustiz bleibt. Verbrechen, die die FPR begangen hat, müssen ebenso aufgeklärt werden wie die, die bis heute in Burundi geschehen. Auch den Verantwortlichen in Zaire gegenüber setzen wir uns mit allem Nachdruck dafür ein, daß der UNO-Kommission zur Aufklärung der Massaker und Menschenrechtsverletzungen an den mandischen Flüchtlingen in Ostzaire der freie Zugang zu dem Gebiet gewährt und ihr Bemühen um Aufklärung des Sachverhalts und der Verantwortlichkeiten nicht behindert wird. Neben diesen Verquickungen im Gebiet der Großen Seen hat aber die Aufstandsbewegung Kabilas auch den Anstoß zum Ende des Regimes Mobutu gegeben. Lange Zeit hielten sich Zweifel, ob eine Separation oder eine Gesamtveränderung in Zaire das Ziel sei. Das letztere war der Fall. In diesem Hause wird niemand einem Regime nachtrauern, dessen Erhalt über 32 Jahre aus dem zusammenwirken einer Clique von kaum 100 Personen bestand, die sich persönlich unendlich bereichert hat, wobei das Volk immer ärmer wurde. Es muß aber umgekeht mit gleicher Deutlichkeit gesagt werden, daß nicht ein Waffengang und nicht der Einsatz militärischer Waffengewalt als solcher als probates Mittel für eine Veränderung der politischen Verhältnisse angesehen werden kann. Ein anderer Weg wäre besser gewesen. Vielleicht gelingt es wenigstens, in der Schlußphase einen demokratischen Machtwechsel zu erreichen und die Erstürmung Kinshasas zu verhindern. Deshalb fordern wir gemeinsam, bei allen Beteiligten auf einen unverzüglichen und dauerhaften Waffenstillstand zu drängen. Eine solche Resolution kann nur eine Momentaufnahme darstellen. Vielleicht wird das auf heute verschobene Gespräche Mobutu-Kabila doch noch stattfinden. Vielleicht macht der Rücktritt Mobutus eine geordnete Machtübergabe möglich. Die eigentliche Arbeit im Sinne des Kernsatzes unserer Resolution beginnt allerdings erst dann: Kontakte und Gespräche mit allen politischen Kräften in Zaire zu pflegen, die demokratisch legitimiert sind oder sich ernsthaft und erkennbar um demokratische Legitimation bemühen, und die Rückkehr Zaires in die internationale Staatengemeinschaft, verbunden mit einem Demokratisierungsprozeß mit freien und fairen Wahlen. Unsere guten Dienste wollen wir in diesem Prozeß gerne zur Verfügung stellen, natürlich im Rahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang aber ein abschließendes Wort: Das Handeln im internationalen europäischen Kontext ist gut und richtig. Nichts wäre verheerender, als zu nationalen Alleingängen neokolonialer Art zurückzukehren. Ein Rückblick auf die Berichterstattung der Vorgänge im Gebiet der Großen Seen und in Zaire durch die Medien ließ mich allerdings manchmal eher vermuten, in einer Zeitmaschine 100 Jahre zurückversetzt gewesen zu sein. Von der Demütigung Frankreichs war da die Rede, vom Sieg der USA, vom Verfolg wirtschaftlicher Interessen, von der Ersetzung multinationaler Minengesellschaften durch andere. Zunächst einmal sind dies afrikanische Ereignisse, in erster Linie von Afrikanern verantwortet und auch erlitten. Die internationale Hilfe ist subsidiär. Die internationale Zusammenarbeit ist gut, sie muß aber auch ernsthaft gepflegt werden, und sie muß funktionieren. Vielleicht sollten wir als Parlamentarier in den zuständigen Ausschüssen das Gespräch über Afrikapolitik mit afrikanischen, aber auch mit europäischen Kolleginnen und Kollegen und solchen aus den USA verstärken. Auch dies muß eine Folge der Globalisierung sein: gemeinsame und arbeitsteilige Politik der Prävention in Krisenregionen. Dr. R. Werner Schuster (SPD): Vorab einen doppelten Dank: zuerst an die Autoren aus den Fraktionen, vor allem Frau Eid und Graf Waldburg-Zeil, für das Zustandekommen dieses überfraktionellen Antrages, aber auch an die parlamentarischen Geschäftsführer für die Aufsetzung dieses Zusatzpunktes, daß angesichts der dramatischen Entwicklung in Zaire der Deutsche Bundestag nicht sprachlos bleibt. Natürlich hätte ich mir manches in diesem interfraktionellen Antrag deutlicher und präziser gewünscht. Ich finde es z. B. unverständlich - um nicht zu sagen kindlich -, daß die Regierungskoalition einen der schlimmsten afrikanischen Diktatoren, Herrn Mobutu, seit Jahrzehnten als Geschäftspartner akzeptiert hat, jetzt aber Herrn Kabila, dem De-factoMachthaber in Zaire, den Dialog verweigern will - was immer ich von dessen moralischen Qualitäten auch halte. Ich dachte immer, wir Afrikapolitiker wollen die Probleme der geschundenen Bevölkerung lösen helfen. Trotz allem, wenn die Regierung Kohl wirklich das zeitnah und konsequent umsetzt, was wir heute im Konsens beschließen wollen, ist dies ein deutlicher Fortschritt. Dann ist Schluß mit der bisherigen deut- schen Unverbindlichkeit und den schönen Worten. Wenn sie, Herr Minister Kinkel, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat anstreben, dann muß Deutschland aber auch bereit sein, mehr Verantwortung in Afrika zu übernehmen. Zaire ist eine Nagelprobe. Ein friedlicher demokratischer Wiederaufbau in Zaire setzt internationale Geburtshilfe voraus. Das bedeutet: keine Fremdbestimmung und Förderung der Zivilgesellschaft. Nur dann haben die Menschen in Zaire eine Chance, ihr Land selbst zu entwickeln. Zum Thema Fremdbestimmung sei daran erinnert, daß Mobutu jahrelang das Hätschelkind der internationalen Gemeinschaft war und die Menschen in Zaire dies bis heute nicht vergessen haben. Daher muß jetzt offengelegt werden, welche Fremdinteressen - z. B. der USA, Frankreich, der internationalen Firmen - eine friedliche Entwicklung negativ beeinflussen. Im November 1995 haben mein Kollege Tappe und ich dank guter Unterstützung durch das Außenamt im Anschluß an eine Reise nach Kinshasa sinngemäß formuliert: Es wäre verhängnisvoll, wenn wirtschaftliche Interessen den Aufbau einer Zivilgesellschaft und das labile Gleichgewicht der einzelnen Regionen beeinflussen würden. Wer bezahlt eigentlich die Dollarscheine, mit denen Herr Kabila seine Soldaten entlohnt? Ende April dieses Jahres nahm ich zusammen mit dem Afrikabeauftragten des Außenamtes, Herrn Ganns, an einem Workshop der FES in Arusha, Tansania, teil. Dort haben Parlamentarier aus Uganda, Kenia und Tansania darauf hingewiesen, daß dieser Konflikt weder ein reiner Hutu/Tutsi-Konflikt noch auf Ruanda/Burundi und Ostzaire beschränkt sei. Aus ihrer Sicht handelt es sich zumindest jetzt um einen geostrategischen Konflikt, in welchen neben den genannten drei Ländern unter anderen Eritrea, Äthiopien, Sudan, Uganda, Kenia, Somalia, Tansania und Angola involviert sind. Wo bleiben hier die präzisen Analysen des Außenamtes? Hier helfen nur deutliche Worte in Brüssel und New York und konkrete Vorschläge. Alles andere ist Heuchelei. Herr Minister Spranger, zum Thema Zivilgesellschaft hat das BMZ mustergültige Programme und Projekte - GTZ, NRO - zur Förderung von Kleinstunternehmen und NRO in dieser Region aufzuweisen. Die Erfahrung lehrt: Wer durch Hilfe durch Selbsthilfe seine eigene ökonomische und soziale Unabhängigkeit gewonnen hat, ist eher in der Lage, sein politisches Umfeld aktiv mitzugestalten und eine demokratische Entwicklung zu initiieren. Dies sollten Sie verstärkt unverzüglich fortsetzen. Unabdingbar ist aus meiner Sicht die Unterstützung der von den politischen Stiftungen kurzfristig in Deutschland geplanten Zaire-Konferenz. Herr Minister Kinkel, Herr Minister Spranger, Sie wissen, welches Ansehen Deutschland in dieser Region genießt, weil wir geschichtlich nicht vorbelastet sind und unsere Entwicklungszusammenarbeit sehr geschätzt wird, und welche Erwartungen gegenüber Deutschland bestehen. Natürlich ist uns allen auch das Risiko eines Fehlschlages einer solchen Zaire-Konferenz bewußt. Aber ist eigentlich in Ordnung, wenn wir unseren eigenen Unternehmern permanent mangelde Risikobereitschaft vorhalten, das AA und das BMZ andererseits in ähnlicher Situation „vor lauter Wenns und Aber sterben"? Zaire scheint unerwartet eine Chance für einen friedlichen demokratischen Aufbau zu haben. Dazu ist internationale, vor allem aber auch deutsche Geburtshilfe unabdingbar. Meine Bitte an uns alle: Lassen Sie uns die Menschen in Zaire nicht enttäuschen! Joachim Tappe (SPD): Obwohl ich den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen dieses Hauses vorbehaltlos unterstütze, bin ich unsicher, ob er kurzfristig einen geeigneten Beitrag zur nachhaltigen Lösung des Zaire-Problems darstellt. Meine Skepsis gründet sich auf vielfältige Erfahrungen mit ähnlichen Anträgen zu den tragischen Konflikten der jüngsten Vergangenheit in der Region der Großen Seen, die wir in den letzten Jahren hier in diesem Hause in großer Übereinstimmung verabschiedet haben, ohne daß erkennbare Erfolge zu verzeichnen sind. Das begann mit unserer sicher gutgemeinten Deklaration nach dem Mord an Präsident N'dadayé im Oktober 1993 in Burundi, setzte sich fort in vielfältigen politischen Aktivitäten nach dem Völkermord in Ruanda, unseren zahlreichen Aktionen zur Linderung des Flüchtlingselends in der Kivu-Region, und ich erinnere an unsere Afrikadebatte vom Januar dieses Jahres und den zahlreichen überwiegend kongruenten Anträgen zu dieser Debatte. Alles, was dazu gesagt worden ist und in Antragsform seinen Niederschlag fand, so auch die heutige Entschließung zur Lage im Zaire, war und ist getragen von dem guten Willen, unseren deutschen Beitrag zur Lösung der Probleme zu leisten, meistens reaktiv, aber in vielerlei Hinsicht auch präventiv und mit langfristiger Perspektive. In dem Versuch, unsere afrikapolitischen Aktivitäten zu bilanzieren, und in selbstkritischer Reflexion unserer Bemühungen stellen sich jedoch für mich zur Zeit angesichts der aktuellen Situation im Zaire mehr Fragen, als ich Antworten weiß. Die wichtigsten will ich hier stellen: Sind unsere Konflikt-Analysen eigentlich richtig und vollständig? Sind die Personen, die wir aktuell in den Blick neh- men, tatsächlich die eigentlichen Akteure? Geht es vielleicht um mehr als um den Zaire oder um den Machtkampf zwischen Mobutu und Kabila? Welche Rollen spielen in diesem Konflikt Museveni, Kagame, Buyoya und Savimbi? Welche tatsächliche Bedeutung haben in diesem Konflikt Gold, Diamanten, Kupfer und Kobalt oder anders gefragt: Welche Rolle nehmen Anglo-American Corporation, De Beers, Barrick Gold oder die jüngsten Aktivitäten von American Mineral Fields ein, von der wir wissen, daß sie sich von Kabila Schürfrechte in Haute-Zaire gesichert hat, immerhin auf einer Fläche, die größer ist als Bayern? Woher kommen die druckfrischen Dollars, über die die Söldner Kabilas verfügen? Auf dem Hintergrund dieser Fragen habe ich Zweifel, ob die konkreten Forderungen und Aufträge an die Bundesregierung, die in unserem Antrag formuliert sind, einen wirksamen Beitrag für eine dauerhafte Problemlösung darstellen oder ob wir nicht darüber hinaus über andere Instrumente und Dialogpartner nachdenken müssen. Noch vor einem Jahr war ich überzeugt davon, daß das Ruanda- und Burundi-Problem nur über Kinshasa, Daressalam und Kampala gelöst werden kann. Heute gehe ich soweit zu sagen: Eine dauerhafte Lösung des Zaireproblems scheint mir nur möglich über Kampala, Kigali, Bujumbura und angesichts der ökonomischen Dimension des Konflikts, hinter dem deutlich erkennbar massive Wirtschaftsinteressen stehen, zusätzlich über Washington und Pretoria, bzw. über die Chefetagen multinational agierender Konzerne. Dennoch: Das, was wir heute beschließen, sind sinnvolle und notwendige Schritte auf einem langen und schwierigen Weg. Sie konzentrieren sich jedoch im wesentlichen auf die innerzairische Situation und auf die regionale Dimension des Konflikts. Wir sollten jedoch selbstkritisch feststellen, daß wir, Parlament und Regierung, zusätzlich über weitergehende Handlungsmöglichkeiten nachdenken müssen. Eine erste Gelegenheit dazu bietet sich, wenn in wenigen Wochen Paul Kagame zu Besuch in Deutschland sein wird. Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich begrüße es, daß die Anregung meiner Fraktion aufgenommen wurde und diese Debatte zu Zaire kurzfristig vereinbart werden konnte. Mein besonderer Dank geht an die Fraktions-Geschäftsführer. Zu lange hat sich die Bundesregierung weggeduckt, der Deutsche Bundestag tut dies nicht! Ich fordere Sie, Herr Bundesaußenminister Kinkel, auf, Ihre Strategie des Abwartens endlich aufzugeben und den Dialog mit der Allianz der Demokratischen Kräfte für die Befreiung von Congo-Zaire aufzunehmen. Der Dialog wäre längst möglich gewesen! Ich brachte Ihnen ein programmatisches Papier im letzten Jahr mit, das mir Kabila bei einem Gespräch am 23. November in Goma überreichte. In diesem Papier waren drei Punkte bemerkenswert, die eine gute Basis für einen Dialog gewesen wären: Erstens. Die Allianz verpflichtete sich darin zur Respektierung der Menschenrechte. Zweitens. Sie sprach sich für den Aufbau dezentraler Strukturen im Einheitsstaat aus. Und drittens. Sie lud die internationale Gemeinschaft ein, zusammen mit ihr ein neues Kapitel in der Geschichte Congo-Zaires zu schreiben. Daß die Forderung nach Aufnahme des Dialogs mit der Allianz von den Regierungsfraktionen heute wieder aus dem interfraktionellen Antrag gestrichen werde, ist angesichts der Dynamik in Zaire eine politische Dummheit und läßt sich allenfalls dadurch erklären, daß Sie, Herr Außenminister, keine Kontroverse mit den Freunden in Paris riskieren wollen. Ich fordere Sie dennoch auf, in Paris darauf zu drängen, Mobutu zum Rücktritt zu bewegen. Er ist das Hindernis für einen unblutigen Machtwechsel in Kinshasa. Die Bundesregierung muß hier und heute schon erklären, weshalb sie bis zuletzt auf Mobutu setzte und den Dialog mit einem der machthungrigsten und korruptesten Diktatoren auf dem afrikanischen Kontinent überhaupt nicht scheute. Oder wie sonst ist es zu verstehen, daß es noch Ende vergangenen Jahres in der Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes hieß, Mobutu sei als Stabilitätsgarant bis zu den Wahlen nicht wegzudenken. Und diese Aussage ist bis zum heutigen Tage von Ihnen nicht revidiert. Herr Außenminister, wie blauäugig, ja wie blind ist Ihr Haus, um zu einer solchen Fehleinschätzung zu kommen? Sie machen damit den Bock zum Gärtner. Alle wissen doch - außer Ihrem Hause -, daß gerade Mobutu die Wahlen verhindert hat. Ihr Haus könnte diese Fehler zumindest teilweise korrigieren. So fände ich es gut, wenn die Bundesregierung eine Zaire-Konferenz in Deutschland unterstützen würde. Bei dieser Konferenz sollten Vertreter der Allianz, der Opposition in Kinshasa und von Nichtregierungsorganisationen zusammen mit deutschen Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik über die Ausgestaltung der zukünftigen Zusammenarbeit beraten. Ich bitte die Bundesregierung, eine solche Konferenz finanziell zu unterstützen. Angesichts des anstehenden Machtwechsels in Zaire bewegt uns alle die Frage: Wird Kabila ein zweiter Mobutu? Ich sehe zwei Szenarien: Gerade nach der Einnahme Kisanganis gab es auf seiten der Allianz Aussagen und Entscheidungen, die auf eine kompromißlose Politik in Zaire deuteten: das Parteienverbot und die Abkanzelung der radikalen Opposition unter Tshisekedi. Auch die blutigen Ereignisse in den Flüchtlingslagern erfüllte meine Fraktion mit Entsetzen. Eins sei von dieser Stelle aus an die Adresse der Allianz gesagt: Eine Befreiungsbewegung, die angetreten ist, ein menschenverachtendes Regime zu beenden, verliert ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie ihrerseits Menschenrechte nicht respektiert. Wir fordern Kabila auf, der unabhängigen UN-Kommission sofort zu gestatten, die Vorkommnisse in den Flüchtlingslagern zu untersuchen. Ein positives Szenarium geht von einem beschleunigten Übergang zur Demokratie aus. Hierfür gibt es m. E. gute Gründe: Kabila steht seit über 30 Jahren in Opposition zum Mobutu-Regime, in Zaire gibt es eine sehr lebendige Zivilgesellschaft, und es gibt eine starke Opposition in Kinshasa. Kabila bzw. die Allianz wird nicht umhinkommen, wichtige Elemente des Verfassungsentwurfes der Nationalkonferenz anzuerkennen und ihn in Grundzügen auch als politischen Willen der Zairer zu tolerieren. Ich finde, wir sollten den Zairern die Chance geben, selbstbestimmt ihre Zukunft zu gestalten. Steffen Tippach (PDS): Lassen sie mich vorab der Bundesregierung danken für ihre schnelle und umfangreiche humanitäre Hilfe in Zaire; ich würde mir jedoch wünschen, dies öfter sagen zu können. Ich möchte einige Anmerkungen zum vorliegenden interfraktionellen Antrag machen. Die Befriedigung über das Ende der Mobutu-Ara teile ich und finde diese Aussage um so bemerkenswerter, wenn ich an die legendäre Strauß-MobutuConnection und die begleitende Militärkooperation denke. Hier hat bei der CDU/CSU offensichtlich ein, wenn auch reichlich später, Besinnungsprozeß eingesetzt, der angesichts Mobutus realer politischer Situation wenig heldenhaft wirkt. Ich finde es richtig, daß im vorliegenden Antrag die bereits im November 1996 geforderte internationale Friedenskonferenz für das Gebiet der Großen Seen wieder auftaucht, da die Umbrüche in Zaire bisher noch unabsehbare Auswirkungen auf den zentralafrikanischen Raum haben werden. Für bedenklicher halte ich jedoch den politischen Gestaltungskatalog des Papiers. Der Bundesregierung wird in dem Antrag eine Rolle zugedacht, die sie nicht ausfüllen kann und auch nicht ausfüllen sollte. Wie das politische System in Zaire aussehen wird, darüber sollten die Menschen in Zaire entscheiden und niemand anderes. Gerade vor dem Hintergrund kolonialer Geschichte in Afrika hätte ich mir hier mehr Sensibilität gewünscht. Ich halte es zum Beispiel für anmaßend, Zaire ein dezentrales, föderales System als das einzig anzustrebende aufzudrängeln, genauso wie ich dies auch nicht in Rom oder Paris tun würde, auch wenn ich es vielleicht für wünschenswert halte. Völlig unakzeptabel ist das Fehlen des Punktes Abschiebestopp, zumal dieser in der Antragsvorlage von Bündnis 90/Die Grünen noch enthalten war. Offensichtlich scheint die Abschiebung von Flüchtlingen mittlerweile jedoch für Bündnis 90/Die Grünen zur politischen Verhandlungsmasse geworden zu sein. Fazit: Trotz etlicher begrüßenswerter Aspekte des interfraktionellen Antrags, an dessen Ausarbeitung wir, wie immer, nicht beteiligt wurden, machen es uns die angesprochenen Mängel unmöglich zuzustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten. Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich teile Ihre Sorge über die Lage in Zaire, wie sie im interfraktionellen Antrag vom 14. Mai 1997 zum Ausdruck gekommen ist. Die Situation im Zentrum Afrikas ist und bleibt äußerst gespannt und unübersichtlich. Die Rebellen der Allianz von Kabila stehen kurz vor den Toren Kinshasas. Die Ara Mobutu neigt sich offensichtlich dem Ende zu, Kabila wird sich den Sieg nicht mehr nehmen lassen. Wichtig ist nun, wie die Machtübernahme erfolgt - friedlich oder durch militärische Eroberung der Hauptstadt Kinshasa mit den schlimmsten Folgen für die Zivilbevölkerung und für die dort lebenden Ausländer. Es darf zu keinem Blutvergießen in der Millionenstadt Kinshasa kommen! Die Bundesregierung begrüßt und unterstützt mit besonderem Nachdruck die Vermittlungsbemühungen des südafrikanischen Präsidenten Mandela. Wir bitten Präsident Mandela inständig, in seinen Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts trotz aller Enttäuschungen nicht nachzulassen! Sie alle kennen die schrecklichen Bilder der vergangenen Wochen und Tage vom Flüchtlingsdrama im zairischen Dschungel. Dies darf sich nicht wiederholen! Wir haben mehrfach über den EU-Sondergesandten Ajello und über unsere Botschaften die Regierungen in der Region, insbesondere in Kigali und Kampala, aufgefordert, ihren Einfluß auf die Rebellen der ADFL geltend zu machen. Weitere Flüchtlingskatastrophen im Osten Zaires müssen verhindert und den internationalen Hilfsorganisationen endlich der dringend benötigte und ungehinderte Zutritt zu den Flüchtlingslagern gewährt werden. Bundesminister Dr. Kinkel wird diese und andere Probleme in aller Deutlichkeit auch mit dem mandischen Vizepräsidenten und Verteidigungsminister Paul Kagame in wenigen Tagen hier in Bonn besprechen. Die internationale Staatengemeinschaft, das IKRK und der HKMR befürchten, daß schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Ost-Zaire weiter anhalten. Zunehmend häufen sich Vorwürfe über Massaker in den von den Rebellen eroberten Gebieten. Die Überprüfung dieser Vorwürfe gestaltet sich äußerst schwierig. Die von uns geforderte und unterstützte VN-MR-Untersuchungskommission für den Osten Zaires muß ihre Tätigkeit ungehindert und in vollem Maße wieder aufnehmen können. Leitlinien für die Politik der Bundesregierung sind der vom VN-Sicherheitsrat unterstützte 5-PunkteFriedensplan des VN- und OAU-Sondergesandten Sahnoun und die Erklärung des Allgemeinen Rates der Europäischen Union vom 30. April 1997. Damit unterstützen wir den Aufruf an die Konfliktparteien zur Zurückhaltung, zur Wahrung demokratischer Grundsätze, die Suche nach einer politischen Lösung, die Achtung der Menschenrechte und der Sicherheit von Ausländern und die Notwendigkeit eines demokratischen Übergangs mit Wahlen und humanitärer Hilfe. Jetzt gilt es, die Einstellung der Feindseligkeiten und einen gewaltfreien Verlauf der politischen Wachablösung in Kinshasa durchzusetzen. Seit vielen Wochen schon haben wir mit den europäischen und amerikanischen Partnern darauf hingewirkt. Auch die Friedens- und Vermittlungsbemühungen der Afrikaner haben wir nachdrücklich unterstützt. Nochmals möchte ich an dieser Stelle auf die große Bedeutung hinweisen, die wir den Vermittlungsbe- mühungen des südafrikanischen Präsidenten Mandela beimessen. Als Teil der politischen Realität in Zaire ist Kabila schon jetzt nicht mehr wegzudenken. An Herrn Kabila gerichtet, betonen wir daher: Der Kampf gegen ein ungeliebtes Regime ist eine Sache, die Einleitung einer Demokratisierung mit Wahlen, des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiederaufbaus ihres Landes ist eine andere. An seiner Leistung für den friedlichen Wiederaufbau eines demokratischen Zaire werden wir Herrn Kabila messen und ihn beständig an seine Verpflichtungen gegenüber dem zairischen Volk und der internationalen Gemeinschaft erinnern. Das gilt im jetzigen Augenblick ganz besonders für die Achtung der Menschenrechte und ein humanes Verhalten gegenüber den Flüchtlingen und allen anderen Opfern des Konflikts. Einer demokratisch erneuerten Regierung in Kinshasa bieten wir gleichzeitig unsere umfassende Zusammenarbeit auf allen Gebieten - politisch, wirtschaftlich und entwicklungspolitisch - an. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 7 (a - Antrag: Änderung der Rahmenvereinbarung von Bund und neuen Ländern zur Erfüllung des Treuhandauftrages, b - Antrag: Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR, c - Antrag: Für eine wirtschaftliche und ökologische Alternative in den neuen Bundesländern) Dr. Hermann Pohler (CDU/CSU): Zu den heute zur Diskussion stehenden Anträgen der PDS möchte ich wie folgt Stellung nehmen. Zunächst zur Drucksache 13/78 vom Dezember 1994 „Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR". Wie sicher bekannt ist, wurde Mitte 1995 über die Verwendung der Mittel Einigung erzielt. Damit ist dieser Antrag überholt. Unabhängig davon wurde von den Ausschüssen, die zu den Anträgen Stellung genommen haben, Ablehnung empfohlen. Das Hohe Haus sollte dieser Empfehlung folgen. Die gleiche Empfehlung wurde von den zuständigen Ausschüssen auch zum Antrag 13/2571 „Zur Änderung der Rahmenvereinbarung von Bund und neuen Ländern zur Erfüllung des Treuhandauftrages" gegeben. Auch dieser Empfehlung sollten wir folgen. Im übrigen kann festgestellt werden, daß sich die auf der Grundlage des Rahmenvertrages praktizierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Grundsatz bewährt hat. Hinzu kommt, daß mit Übernahme höherer Verantwortung durch die Länder natürlich auch höhere finanzielle Verpflichtungen verbunden wären. Dazu sind die Länder nicht in der Lage. Aus diesem Grund wird durch die Länder diese Forderung auch nicht mehr ernsthaft erhoben. Für die Zukunft entscheidend ist vielmehr die Frage: Wie und in welcher Form werden die verbleibenden Aufgaben der BvS nach 1998 abgearbeitet, wie gestaltet sich dann die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern? Mit dieser Thematik wird sich der Unterausschuß „Aufbau Ost" noch vor der Sommerpause befassen. Nun zum dritten, heute zur Diskussion stehenden Antrag der PDS mit der Überschrift „Für eine wirtschaftliche und ökologische Alternative in den neuen Bundesländern". In ihm werden geschickt bekannte Tatsachen und Halbwahrheiten - um nicht zu sagen: Unwahrheiten - sowie populistische, jedoch nicht finanzierbare Forderungen mit notwendigen Maßnahmen verknüpft. Im Endergebnis wird ein Wirtschaftssystem empfohlen, das der ehemaligen Planwirtschaft sehr nahekommt. Auf derartige Ratschläge können wir sehr wohl verzichten. Daher will ich nicht auf die einzelnen Vorschläge und Forderungen eingehen. Jedoch sei mir gestattet, an zwei Beispielen aufzuzeigen, wie man entweder mit einem Kurzzeitgedächtnis der Bürger rechnet oder aber Wahrheiten nicht zur Kenntnis nehmen will. So wird auf Seite 4 des Antrags davon gesprochen, daß es in den neuen Ländern zu einem ökonomischen Einbruch kam, wie er in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands einmalig ist. Das ist zwar wahr, die Ursachen dafür werden aber verschwiegen. Ich muß daher zum wiederholten Mal an die 1989 erarbeitete Wirtschaftsanalyse des Genossen Schürer erinnern, in der er den desolaten Zustand der DDR-Wirtschaft beschrieb. Diese Analyse mit ihren Schlußfolgerungen ist eine wirtschaftliche Bankrotterklärung der DDR. Diese Aussagen sind im übrigen im März dieses Jahres anläßlich der Anhörung zur „Bilanz der DDR-Wirtschaft - Zwischenbilanz Aufbau Ost" in Dresden von Schürer nochmals bestätigt worden. Und wenn von der Massenvernichtung von Arbeitsplätzen die Rede ist, so ist dies genau dem Zustand der DDR-Wirtschaft zuzuschreiben, den ich eben genannt habe. Zwar gab es bekanntlich in der DDR eine Vollbeschäftigung, aber kaum einen wettbewerbsfähigen Arbeitsplatz. So umstritten die Arbeit der Treuhandanstalt auch sein mag, sie hatte die komplizierte Aufgabe zu bewältigen, die Grundlage dafür zu schaffen, daß sich aus einer am Boden liegenden Wirtschaft heraus Unternehmen entwickeln können, die den Anforderungen des Wettbewerbes in der Marktwirtschaft gerecht werden. Daß diese Aufgabe bei aller Problematik bewältigt wurde, zeigt u. a. die Tatsache, daß im Rahmen der Privatisierung durch die Treuhandanstalt ca. 1,5 Millionen wettbewerbsfähige Arbeitsplätze geschaffen wurden. Und gestützt durch eine gezielte Förderpolitik der Bundesregierung konnten sich bisher in den neuen Bundesländern ca. 500 000 mittelständische Unternehmen mit rund 3,5 Millionen Arbeitsplätzen entwickeln. Auch wenn dieser Entwicklungsstand in Anbetracht der hohen Arbeitslosenzahlen nicht befriedigen kann, so kann man, ausgehend von der bekannten Ausgangslage allen Beteiligten dafür Dank und Anerkennung nicht versagen. Wir sind jedoch in den neuen Bundesländern noch weit von einer sich selbst tragenden Wirtschaft entfernt. Daher sind weitere gezielte Anstrengungen und Fördermaßnahmen erforderlich. Dafür wünschten wir uns auch von der Opposition nicht nur mehr oder weniger kluge Ratschläge, sondern eine konstruktive Mitarbeit. Ich denke dabei z. B. an die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes, die wir auf Grund des massiven Widerstandes der Opposition erst verspätet in Kraft setzen konnten. Mit dieser Reform wurde z. B. eine Öffnung der Arbeitsförderungsmaßnahmen für Personaleinstellungen in Wirtschaftsunternehmen des gewerblichen Bereiches erreicht. Obwohl auf Grund der Verzögerungen das Gesetz erst seit 1. April dieses Jahres wirksam ist, zeigen die ersten Ergebnisse, daß diese Möglichkeit sowohl von den Unternehmen als auch von Arbeitssuchenden als Chance erkannt und angenommen wird. Ohne Zweifel ist dies also ein Schritt zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei gleichzeitiger Unterstützung des Mittelstandes. Auch die leidige Diskussion und den Widerstand gegen die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer möchte ich hier nennen. Es sollte doch inzwischen jedem klar sein, daß eine Erhebung in den neuen Bundesländern für viele unserer kapitalschwachen Unternehmen das Ende bedeuten würde. Wir alle wissen, daß sich der Aufbau Ost noch nicht selbst trägt und für längere Zeit auch bei angespannter Kassenlage eine gezielte Förderung erforderlich ist. Auch dies möchte ich nochmals betonen: Es geht uns dabei nicht um Dauersubventionen, sondern um die notwendige Unterstützung zum Aufbau einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Unter diesem Gesichtspunkt sind die bisherigen vielfältigen Förderinstrumente auf ihre Effektivität und Zielsicherheit zu überprüfen. Wenn dabei auch eine bessere Übersichtlichkeit erreicht würde, wäre das wünschenswert. Ich bin davon überzeugt, daß die von uns jetzt angestrebte Umstellung auf Zulagen statt Sonderabschreibungen ein Weg in die richtige Richtung ist. Wichtig ist, daß jetzt kurzfristig die endgültige Entscheidung über die Förderinstrumente und ihre Höhe nach 1998 für die nächsten sechs Jahre fällt. Denn Unternehmen und Investoren benötigen Sicherheit für eine mittel- und längerfristige Planung. Auf einzelne, in meinen Augen unverzichtbare Schwerpunkte in der mittelfristigen Förderung bis zum Jahr 2004 möchte ich heute nicht eingehen. Wir werden dazu im Unterausschuß „Aufbau Ost" noch vor der Sommerpause Gelegenheit haben zu diskutieren, und ich hoffe dort auf eine konstruktive Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Manfred Hampel (SPD): Wir debattieren unter diesem Tagesordnungspunkt 7 ein Sammelsurium von PDS-Anträgen, die - außer daß sie Ostdeutschland betreffen - thematisch nichts gemeinsam haben. Erstens geht es um den Antrag der PDS „Änderung der Rahmenvereinbarung von Bund und neuen Ländern zur Erfüllung des Treuhandauftrages" vom 10. Oktober 1995. Abgesehen davon, daß der Antrag im Oktober 1995 ein gutes Jahr zu spät kam - wir haben im Jahr 1994 das Gesetz über die Treuhandnachfolge beraten und verabschiedet -, ist er auch inhaltlich überflüssig. Damals hat es intensive Gespräche mit den Ländern gegeben, ob sie denn bereit wären, die Treuhandnachfolge länderspezifisch zu organisieren und diese in Länderkompetenz übertragen zu lassen. Die Bereitschaft war aus verständlichen Gründen nicht vorhanden. Mit der Verantwortung in der Sache hätte der Bund auch einen großen Teil seiner Finanzverantwortung den Ländern übergeben. Dies war und ist nicht im Interesse der Länder. Wir lehnen diesen Antrag ab. Zweitens. Der Antrag „Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR" vom 8. Dezember 1994 ist noch ein Ende älter. Darin wird der Antrag gestellt, daß diese Mittel ausschließlich für gemeinnützige Zwecke benutzt werden dürfen und steuerlich freigestellt werden sollen. Nach dem Einigungsvertrag sind diese Gelder für gemeinnützige Zwecke und für wirtschaftliche Fördermaßnahmen einzusetzen. Dies ist auch weitgehend eingehalten. Lediglich bei den Regelungen im Zusammenhang mit den kommunalen Altschulden kann man sich streiten, ob sie gemäß dem Einigungsvertrag verwendet werden. Da dies aber in Übereinstimmung mit den Ländern geregelt ist, halte ich auch das für unkritisch. Hinsichtlich der steuerlichen Freistellung kann ich mich der Vermutung nicht erwehren, daß es wohl mehr eigennützige als gemeinnützige Gründe waren, die die PDS angesichts der Steueraffäre in Berlin zu diesem Antrag bewogen haben. Auch diesen Antrag lehnen wir selbstverständlich ab. Der dritte Antrag der PDS „Für eine wirtschaftliche und ökologische Alternative in den neuen Bundesländern" ist schon ernster zu nehmen. Im Analyseteil stimmen wir mit sehr vielem überein und kommen in unserem Jahresarbeitsmarktbericht Ostdeutschland, der von der Querschnittsarbeitsgruppe Deutsche Einheit der SPD-Bundestagsfraktion jetzt zum zweiten Mal vorgelegt wurde, zu ähnlichen Ergebnissen. Das Ergebnis dieser Studie ist besorgniserregend: Der Aufholprozeß der neuen Länder gegenüber den alten Bundesländern ist ins Stocken geraten, wirtschaftlich fällt der Osten gegenüber Westdeutschland sogar wieder zurück! So ist im achten Jahr der Wiedervereinigung die ostdeutsche Wirtschaft nach wie vor gekennzeichnet durch: ein ungewöhnlich hohes Arbeitsplatzdefizit (32,1 Prozent bezogen auf alle abhängig Beschäftigten; zum Vergleich: im Westen 12,8 Prozent); eine gerade mal halb so hohe Produktivität wie im Westen; eine geradezu chronische Eigenkapitalschwäche der meisten Unternehmen; eine unzureichende Infrastrukturausstattung sowie den fast vollständigen Verlust an eigenständigen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten. Auch für die Zukunft zeichnen Wirtschaftsforscher in düsteren Farben, so etwa jüngst in dem Gemeinschaftsgutachten der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Bemerkenswert ist, in welch scharfem Kontrast diese besorgniserregenden Prognosen zur Teilnahmslosigkeit der Bundesregierung stehen. Ihr Aufbaukonzept mit seiner Mixtur aus wirtschafts-, finanz- und arbeitsmarktpolitischen Hilfen greift nicht mehr, vermag keine entscheidenden Impulse mehr hinsichtlich des wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Ländern zu setzen. Die absurden Prognosen des Bundeskanzlers über eine rasche Angleichung zwischen Ost und West - seine „blühenden Landschaften" - haben sich somit endgültig als „Windei" entpuppt. Leider vermag die Bundesregierung aus den - überdeutlichen! - Warnzeichen keine folgerichtigen Schlüsse zu ziehen. Anstatt ihr gescheitertes Aufbaukonzept grundlegend zu überdenken, fährt sie weiter fort, die Finanzierungsgrundlagen des wirtschaftlichen Aufbaus in Ostdeutschland zu untergraben, indem sie die investiven Ausgaben im Bundeshaushalt kürzt, die Investitionsförderung zusammenstreicht, die arbeitsmarktpolitischen Hilfen aushöhlt und damit die Zahl der Arbeitslosen direkt vermehrt. Bilanz: über 1 Millionen Menschen arbeitslos, bei einer Arbeitslosenquote von 17 Prozent. Tendenz, wie schon gesagt, steigend! Die - zugegebenermaßen unbequeme! - Wahrheit ist, daß den Menschen in Ostdeutschland noch eine schwierige Wegstrecke des wirtschaftlichen Aufbaus bevorsteht. Doch das Ziel dieses Weges kann nur durch einen Neubeginn, durch eine grundlegende Neuorientierung des wirtschaftlichen Aufbaukonzeptes erreicht werden. Vor allem die Zielgenauigkeit der Fördermaßnahmen muß verbessert werden, um mehr Investitionen in neue Arbeitsplätze zu erreichen. Dazu gehört nach Ansicht der SPD-Bundestagsfraktion unter anderem die Konzentration der Förderung auf die verarbeitenden Bereiche - bei gleichzeitiger Zusammenfassung bzw. Vereinfachung der Förderinstrumente -, die Modernisierung und Sanierung von Altbauten, Starthilfen für Existenzgründungen sowie auf Eigenkapitalhilfen für kleine und mittlere Unternehmen, zum Beispiel durch die Mobilisierung zusätzlichen privaten Kapitals durch den „Beteiligungsfonds Ost". Von zentraler Bedeutung sind weiterhin die Wiederbelebung der ostdeutschen Forschungslandschaft, die Fortführung der Braunkohlesanierung sowie das Betreiben einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Um die innere Einheit Deutschlands schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, ist es unabdingbar, die Aufbauhilfen für die ostdeutsche Wirtschaft im bisherigen Umfang fortzusetzen. Denn: Je schneller der Aufbau Ost gelingt, desto größer die Chance, die Transferzahlungen des Bundes und der westlichen Länder schrittweise zurückzuführen. Ähnliche Feststellungen werden auch im PDS-Antrag getroffen. Allerdings werden Lösungsansätze vorgeschlagen, die teilweise eine diffuse Aneinanderreihung von fragwürdigen Einzelmaßnahmen wie Eurofighter und Transrapid - der übrigens zum weitaus größten Teil privat zu finanzieren ist - sind. Die Ausgaben dafür wurden in den Bundeshaushalt noch gar nicht eingestellt und können somit auch nicht als echtes Einsparpotential herhalten. Oder es werden praktisch nicht umsetzbare Forderungen erhoben, wie die Verpflichtung der Treuhandnachfolge auf eine aktive Mitwirkung bei den Arbeitsplatzzusagen der Privatisierungen und Reprivatisierungen bzw. die wiederholte Rücknahmeverpflichtung von mißglückten Privatisierungen. Und schließlich die Forderung nach „runden Tischen" in nostalgischer Verklärung des Jahres 1990. Mit welcher Kompetenz sollte denn ein solcher „runder Tisch" ausgestattet sein? Dürfte er in unternehmerische Entscheidungsprozesse eingreifen? Sollen die Wirtschaftsministerien der Länder dadurch ersetzt werden? Ich denke, allein diese Fragen belegen, wie realitätsfern eine solche Forderung ist. Die Wirtschaft in den neuen Bundesländern braucht neue Impulse. Populistische und realitätsferne Vorschläge und der dauernde Ruf nach mehr staatlichen Interventionen, wie sie wiederholt von der PDS kommen, sind dabei eher schädlich. Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die wirtschaftliche Förderung der neuen Länder ist eine wichtige und langfristige Aufgabe, die endlich auf solide und berechenbare Füße gestellt werden muß. Eine solche Reform muß darüber hinaus geeignet sein, endlich das wirtschaftliche Gefälle im Verhältnis zu den neuen Ländern zu beseitigen und ein Zusammenwachsen, das für die Menschen und den sozialen Frieden so dringend erforderlich ist, intensivst fördern; aber dazu später. Der Antrag der PDS stellt alles andere als eine seriöse Grundlage dar, diesen Problembereich zu diskutieren und einer Lösung näherzubringen. Wieder einmal unterstreicht die PDS in dem Antrag nachdrücklich, daß sie nicht bereit ist, sich von ihrer Vergangenheit wirklich zu lösen. Alles Wortgeklingel von Modernität, linker Alternative und Demokratisierung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir es immer noch mit der alten, allenfalls gewendeten SED zu tun haben. Der Antrag bringt dies deutlich zum Ausdruck. Wie anders ist es denn wohl zu verstehen, wenn die PDS in diesem Antrag in aller Unverfrorenheit die - ich zitiere wörtlich - „Beendigung aller Versuche, die Ergebnisse der demokratischen Bodenreform zu revidieren" fordert? Für die PDS ist das vielfache Unrecht, das zwischen 1945 und 1949 geschah und das bis heute schmerzhaft nachwirkt, immer noch wie Weiland, zu Zeiten der Genossen und Honeckers, die glorreiche „demokratische Bodenreform" . Problem bewältigt? Fehlanzeige. Das ist einfach unglaublich und zeigt, daß die Reformer in der PDS - und das gilt auch für die Bundestagsgruppe - noch einen weiten Weg vor sich haben. Solange sie sich von solchen Formulierungen und Haltungen nicht lösen, ist es wirklich sinnlos, mit ihnen nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Einen zweiten Punkt möchte ich herausgreifen, der allerdings zum selben Ergebnis führt. Er betrifft die Vorstellungswelt der PDS zum Thema Steuern und Abgaben und zum Thema Rechtsstaat. Sie will also den Solidarzuschlag auf 10 Prozent erhöhen und gleichzeitig ihre vermutete Klientel davon ausnehmen. Großartig! Doch damit nicht genug. Zusätzlich verlangt sie noch eine zwei- bis dreiprozentige Abgabe auf große Geld- und Immobilienvermögen der privaten Haushalte. Und das für 10 Jahre. Konfiskatorische Besteuerung nennt man das. Wenn danach noch nicht alle betroffenen Haushalte Reißaus genommen haben, will die PDS die Abgbe wahrscheinlich noch ein paar Jährchen verlängern. Daß das Bundesverfassungsgericht kürzlich selbst die bisherige, um Längen moderatere Vermögensbesteuerung für unzulässig erklärt hat, braucht eine PDS nicht anzufechten. Für sie ist das ja ohnehin Siegerjustiz. Meine Damen und Herren, neben diesem unseriösen Nebel findet sich im Antrag der PDS auch manches Sinnvolle. Manches ist sogar 1: 1 aus dem grünen Programm übernommen. Das zeigt genau, was diese Partei ist: ein Chamäleon, mit der eigenen Vorstellungswelt immer noch tief und unkritisch in der Ideologie verhaftet, die über Jahrzehnte Terror und Diktatur über die DDR gebracht hat, und gleichzeitig maskiert mit allerlei wohlfeilen und oft unzusammenhängenden Versatzstücken anderer politischer Konzepte. So kann die PDS weder ein seriöser Partner noch eine ernst zu nehmende Alternative werden. Auf derartigen Oberflächlichkeiten können sich keine soliden Förderprogramme langfristig und wirksam entwickeln. Vielmehr ist eine Förderung notwendig, die für die öffentlichen Finanzen, für die Bürgerinnen und Bürger und für die Investoren berechenbar ist und sich auf einen investitionsfreundlichen Zeitraum erstreckt. Unser am Montag vorgestelltes 10-Punkte-Programm zeigt die notwendige Förderungsstrategie auf. Ich möchte davon nur einige, wichtige Punkte exemplarisch aufzeigen: 1. Den Investoren muß die Sicherheit geboten werden, daß sich über einen Zeitraum von ca. 10 Jahren an den Präferenzen für den Standort Ost nichts ändert. 2. Die Höhe der Aufbau-Ost-Förderung muß für mindestens fünf Jahre auf dem derzeitigen Niveau festgeschrieben werden. Gleichzeitig muß aber die Effizienz der Mittelverwertung verbessert werden. 3. Der Schwerpunkt der Förderung muß künftig beim verarbeitenden Gewerbe und den produktionsorientierten Dienstleistungen liegen. Zentrales Ziel der Anstrengungen muß sein, die eklatante Exportschwäche Ostdeutschlands zu überwinden. 4. Die relativ leistungsfähigen Zentren Ostdeutschlands dürfen nicht zu früh aus der Förderung entlassen werden. 5. Die Aufbau-Ost-Förderung braucht ausgeprägt beschäftigungspolitische Komponenten. Daher ist es notwendig, bestehende Elemente der produktiven Arbeitsförderung wie Lohnkostenzuschüsse auch im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung einzusetzen. Ich komme nun zum Schluß und weise dabei nochmals eindringlich auf die Notwendigkeit einer seriösen und langfristigen Förderung der neuen Länder hin. Versäumen wir es, hier zu handeln, so laufen wir sehenden Auges der Gefahr einer tiefgreifenden sozialen Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschland entgegen. Jürgen Türk (F.D.P.): Die Rahmenvereinbarung zur Erfüllung der Treuhandaufgabe braucht nicht mehr geändert zu werden; denn sie ist im Einvernehmen zwischen Bund und neuen Bundesländern abgeschlossen worden. Das heißt, zu einer engeren Einbindung in die Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt sind die Länder nicht bereit. Gleichwohl gibt es eine enge Zusammenarbeit z. B. zwischen BvS und Ländern, wie uns gestern im Unterausschuß Aufbau Ost wieder bestätigt wurde. Der Privatisierungsauftrag wird nicht eng ausgelegt, sondern zielt auf wettbewerbsfähige Arbeitsplätze ab. Eine Dauersubventionierung chancenloser Unternehmen kann und darf aber nicht das Ziel der BvS-Arbeit sein. Im übrigen wird sich der Unterausschuß Aufbau Ost noch vor der Sommerpause das Konzept der BvS vorlegen lassen und prüfen, ob und wann die verbleibenden Aufgaben den Ländern übertragen werden können. Über die BvS hinaus sollte auch überprüft werden, ob der TLG-Auftrag, bundeseigene Liegenschaften und Immobilien nur zu vermarkten und instandzuhalten, ausreicht. Der Wirtschaftsausschuß war am Montag im Stickstoffwerk Piesteritz, einer sehr gelungenen Privatisierung. Dort haben wir auch über den Zaun geschaut und ungenutzte Gebäude in TLG-Verwaltung gesehen. Gebäude, die ungenutzt sind und deren Instandhaltung und Bewachung nicht Geld bringen, sondern kosten. Eine Alternative ist meines Erachtens, hier über die verbilligte Abgabe als Investitionshilfe nachzudenken. Der Antrag „zur wirtschaftlichen und ökologischen Alternative in den neuen Bundesländern" ist im Gegensatz zu den beiden vorgenannten neu, inhaltlich aber auch überholt. Er negiert das bisher Erreichte völlig und bringt Vorschläge, die schon zu DDR-Zeiten erfolglos ausprobiert wurden. Natürlich sind wir vorangekommen beim Aufbau der Infrastruktur, bei der Steigerung der Produktivität, bei der Steigerung der Bruttoeinkommen, beim Aufbau leistungsfähiger KMU. Aber es reicht noch nicht! Der selbsttragende Aufschwung ist noch nicht erreicht, deshalb muß die Ostförderung weitergehen: einfacher, gezielter und gerechter und auf gleichem Niveau. Ich kann nur dazu auffordern, daß schnellstens zwischen Bund und Ländern abgestimmt wird, was gleiches Niveau ist, und daß das Kabinett in Kürze beschließt, daß ab 1999 ca. 6 Milliarden DM direkt subventionswirksame Investitionsmittel für den Aufbau Ost zur Verfügung stehen. Ein Bruch wäre unverantwortlich. Im übrigen waren die Länderwirtschaftsminister am vergangenen Montag in Leipzig sowohl mit der Umstellung von Sonder-AfA auf Investitionszulagen als auch mit den ca. 6 Milliarden DM/Jahr einverstanden. Der Aufbau Ost geht also weiter, aber nicht mit so ungeeigneten Instrumenten, wie sie im PDS-Antrag gefordert werden. Mit der öffentlich subventionierten Beschäftigung haben wir doch schon einmal Schiffbruch erlitten. Will man es noch mal versuchen? Nein, wir nehmen das Geld und schaffen wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Und Ihren Antrag lehnen wir ab, weil mit ihm keine Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. Aber genau diese sind unser Ziel. Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Ich habe im letzten halben Jahr eine Vielzahl von Gesprächen mit Wochenendsiedlern geführt. Viele machen sich Sorgen um das von ihnen genutzte Wochenendgrundstück. Ich habe aber auch mit den Grundstückseigentümern gesprochen, die sich ärgern, daß sie nach wie vor ihr Grundstück nicht nutzen dürfen. Diese Spannung besteht besonders im Umfeld von Berlin, weil da viele direkte Nutzer-Eigentümer-Verhältnisse bestehen. Bevor ich zum Antrag der SPD komme, lassen Sie mich einige wenige Vorbemerkungen machen. Wir haben Gott sei Dank 1990 die deutsche Einheit geschenkt bekommen. Das hat den gesamtdeutschen Bundestag jedoch vor die Aufgabe gestellt, zwei vollkommen ungleiche Rechtssysteme zusammenführen zu müssen. Ich bin seit Beginn für die Koalition im Rechtsausschuß und eben mit diesen Fragen befaßt. Ich glaube, daß das, was der Bundestag, was die Bundesregierung und was die Koalition auf den Weg gebracht haben, sich vor diesem Hintergrund und dem Ziel der Gestaltung der deutschen Einheit durchaus sehen lassen kann. Welche Schritte führten zu der heutigen Rechtslage bei Wochenendgrundstücken? Der Einigungsvertrag und später noch einmal das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz sicherten vorläufig den Bestand der Nutzungsverträge für Wochenendgrundstücke. Die Nutzungsentgeltverordnung (NutzEV) 1993 und das Schuldrechtsanpassungsgesetz 1994 gestalteten den vorläufigen Bestandsschutz aus. Das Schuldrechtsanpassungsgesetz mußte Verträge, die sich an § 314 ff. Zivilgesetzbuch orientierten, in BGB-konformes Recht überführen. Die DDR hatte den Wochenendsiedlern kein dingliches Recht, sondern nur ein Nutzungsrecht verliehen. Trotzdem war das Wochenendgrundstück unter DDR-Bedingungen so gut wie auf Lebenszeit gesichert. Aus diesem Grunde hat die Koalition einen sehr langen Bestandsschutz, nämlich bis zum Jahre 2015, vorgeschlagen und umgesetzt und für diejenigen, die 1990 60 Jahre alt waren, einen generellen Bestandsschutz vorgesehen. Das ist eine sehr weitgehende Regelung, die uns viel Ärger bei den Grundstückseigentümern eingebracht hat, zu der ich aber nach wie vor stehe. Trotzdem sind diese rechtstatsächlichen Gegebenheiten für Grundstückseigentümer und für Wochenendsiedler nur schwer zu verstehen. Private Grundstückseigentümer eines Wochenendgrundstücks fragen mich, warum sie erst eine Generation nach dem Ende der DDR ihr Grundstück betreten dürfen. Wochenendsiedler fragen nach ihrem Wochenendhaus-Eigentum, nach ihrer Leistung bei der Kultivierung von so mancher früher ansonsten zu nichts nutzbarer Splitterfläche. Bis zum Jahre 2015 wird sich vieles verändern, und der Übergang dann in normale Verhältnisse wird problemlos verlaufen. Viele werden das Nutzungsverhältnis fortsetzen können, insbesondere weil die große Mehrzahl dieser Grundstücke in kommunalem Eigentum liegt. Begleitend zu dem Schuldrechtsanpassungsgesetz haben wir die NutzEV erlassen. Die NutzEV hatte das Ziel, von den äußerst niedrigen DDR-Nutzungsentgelten hin zu einer ortsüblichen Pacht zu gelangen. Dieser Schritt hin zur ortsüblichen Pacht sollte auch nicht sofort, sondern in Schritten erfolgen. Die bisher erfolgten Schritte sind weitestgehend akzeptiert worden; zumindestens sind mir kaum gerichtliche Streitfälle bekannt. Das zeigt, die NutzEV hat sich bislang bewährt. Die Frage ist aber: Wie sieht es für die Zukunft aus? Bietet die NutzEV auch zukünftig die von mir skizzierte Gewähr? Erfüllt die NutzEV auch zukünftig ihre Funktion sachgerecht? Das Bundesjustizministerium hatte im letzten Jahr dem Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es sollte geprüft werden, wie sich die Umsetzung der NutzEV gestaltet. Ich halte das Ergebnis dieser Studie für qualitativ gut. Die Studie benennt auch deutlich die Probleme und den Novellierungsbedarf. Was sagt die Studie? Erstens. Eine Anhebung der Pacht bis zur Ortsüblichkeit wird nicht bestritten, kann meines Erachtens auch nicht bestritten werden. Was ist aber - und das ist das große Fragezeichen - Ortsüblichkeit? Zweitens. Die bisher in § 3 der NutzEV vorgesehenen Erhöhungsschritte erwecken den Eindruck, daß noch lange nicht die Ortsüblichkeit erreicht ist. Genau hier kommt die Studie des IFS aber zu dem Ergebnis, daß in der Regel die Ortsüblichkeit einer Pacht erreicht ist bzw. man nahe daran ist. Diese zwei Aussagen sind für mich wichtig und beschreiben auch das Ziel bei einer Novellierung der NutzEV. Die Abgeordneten von CDU und F.D.P. aus den neuen Bundesländern haben sich rechtzeitig und konstruktiv um die Novellierung dieser NutzEV Gedanken gemacht. Soweit mir bekannt ist, liegt der fertige, mit den entsprechenden Ressorts der neuen Länder abgestimmte Entwurf einer NutzEV vor. Er soll jetzt im Kabinett verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet werden. Damit kann eine Verabschiedung der NutzEV rechtzeitig vor der Sommerpause erfolgen. Ein möglicher Erhöhungsschritt, der frühestens am 1. August 1997 angekündigt werden kann, kann dann mit der neuen NutzEV als Grundlage erfolgen. Und nun zu den Grundsätzen: Erstens. Am Prinzip, ein Nutzungsentgelt in Höhe der Ortsüblichkeit zu vereinbaren, wird und muß festgehalten werden. Zweitens. Für das, was Ortsüblichkeit ist, wird eine klare, sowohl für den Grundstückseigentümer als auch für den Nutzer nachvollziehbare Regelung gefunden. Wenn es an vergleichbaren Neuverpachtungen fehlt, soll das ortsübliche Entgelt aus einer Verzinsung des Bodenwertes entsprechend der tatsächlichen Nutzung abgeleitet werden. Drittens. Der Grundstückseigentümer muß in einem Erhöhungsverlangen schriftlich erläutern, daß das ortsübliche Entgelt noch nicht überschritten ist. § 3 Abs. 1 Nr. 4, also der zur Zeit in der NutzEV beschriebene Erhöhungsmechanismus, muß anders formuliert werden, weil er den Einruck erweckt, daß ewig und ohne Ende erhöht werden kann. Es muß klargestellt werden, daß nur bis zur Ortsüblichkeit erhöht werden kann. Wenn die Ortsüblichkeit noch nicht erreicht ist, dann ist dieses nur in maximalen Schritten möglich. Viertens. Die Beweispflicht liegt beim Grundstückseigentümer. Fünftens. Es wird eine Auskunftspflicht der Gutachterausschüsse festgelegt. Diese NutzEV greift die bisherigen Probleme bei der Anwendung auf und löst sie sachgerecht. Das nutzt dem Grundstückseigentümer und dem Nutzer. Warum ist die NutzEV noch nicht novelliert worden? Ich glaube, es hätte keinen Sinn gehabt, die NutzEV vor einem Jahr zu ändern. Gerade das Gutachten selbst zeigt, daß viele Aussagen der Gutachter heute so nicht mehr gelten; die Zeit ist zu schnelllebig. Ich freue mich, daß die SPD nun auch einen Antrag in den Bundestag einbringen will, der sich mit diesem Thema befaßt. Dieser Antrag kommt allerdings reichlich spät. Würden wir erst auf diesen Antrag hin handeln, dann kämen wir ganz sicher zu spät. Ich hatte in Veröffentlichungen und in Gesprächen den Zeitplan und das Ziel einer Novellierung des öfteren unmißverständlich erläutert. Trotzdem wird durch den ein oder anderen Verband bewußt die Unwahrheit über die bestehende Rechtslage und über den Zeitplan und das Ziel einer Novellierung gesagt. Ich habe den Eindruck, man will die Wahrheit auch überhaupt nicht wissen, sondern will die Siedler verunsichern und Siedler und Grundstückseigentümer gegeneinander aufhetzen. So wird zum Protest gegen Vertreibung und Enteignung aufgerufen. Vertreibung ist etwas anderes. Das ist am Ende des Zweiten Weltkrieges geschehen, und das ist in der DDR aus den grenznahen Gebieten durch Zwangsaussiedlung geschehen. Enteignungen sind in der DDR zuhauf vorgenommen worden. Diese Begriffe sind, denke ich, hier fehl am Platz. Die Bundesregierung - das zeigt das Schuldrechtsanpassungsgesetz - will, daß Wochenendgrundstücke noch lange genutzt werden können, und will, daß dafür ein verträgliches, aber übliches Nutzentgelt entrichtet wird. Ich denke, daß wir dabei auf gutem Weg sind. Frau Däubler-Gmelin, auch von Ihnen bin ich in diesem Zusammenhang enttäuscht. Ihre Rede in Berlin vor wenigen Wochen zeigt, daß Sie nicht bereit sind, die Gratwanderung, den Weg der Gerechtigkeit und des Ausgleichs zwischen den verschiedenen Interessengruppen mitzugehen und zu verteidigen, sondern daß Sie um des Populismus willen den Leuten nach dem Mund reden, ohne zu merken, daß Sie damit teilen und nicht einen. Aber wen wundert es. Die Parteien der deutschen Einheit, die sich dieser schweren Gratwanderung konsequent stellen, finden Sie allein in der Koalition. Noch ein letztes Wort: Auch das Schuldrechtsanpassungsgesetz muß auf den Prüfstand gestellt werden. Eine Sammlung von Prüfwürdigem haben die CDU-Abgeordneten der neuen Länder auf ihrer Klausurtagung am 13. und 14. April vorgelegt, und wir sind zur Zeit in der Fachberatung. Dazu gehören folgende Fragen: Wenn aufgrund einer Entgelterhöhung der Nutzer seines Wochenendgrundstücks aus finanziellem Grunde aufgeben muß, dann sollte der Grundstückseigentümer eine Entschädigung an den Nutzer zahlen, wenn der Grundstückseigentümer den vom Nutzer errichteten Bungalow selbst nutzen will. Im Schuldrechtsanpassungsgesetz ist kein Recht zur Neuvergabe durch den Zwischenpächter im Falle einer Vertragsbeendigung durch den unmittelbaren Nutzungsberechtigten begründet worden. Es sollte ein Recht zur Neuvergabe durch den Zwischenpächter auf der Basis des allgemeinen Pachtrechts begründet werden. Die Rechte des Grundstückseigentümers sind allerdings mit geeigneten Regelungen zu wahren. Sie sehen, es gibt viel zu tun. Wir packen es an. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das Thema „Aufbau Ost" steht heute anläßlich dreier PDS-Anträge auf der Tagesordnung. Die Anträge aus den Drucksachen 13/ 2571 und 13/78 sind jedoch überholt. Die von der PDS angesprochenen Zusammenarbeitsstrukturen zwischen BvS und den neuen Bun- desländern wurden im gegenseitigen Einvernehmen bereits Ende 1994 geschaffen. Eine weitergehende Ländereinbindung wäre sicher wünschenswert gewesen. Sie ist aber bisher an der mangelnden Bereitschaft der Länder zur Übernahme von mehr Eigenverantwortung und von höheren Finanzierungslasten gescheitert. Die Frage der Besteuerung des PDS-Altvermögens ist seit Mitte 1995 durch einen Vergleich gelöst. Auch über die Verwendung des Parteivermögens ist zwischenzeitlich Einvernehmen erzielt worden. Insofern bitte ich Sie, diese beiden Anträge gemäß dem Votum der beratenden Ausschüsse abzulehnen. Am Wochenende wurde uns mit Drucksache 13/ 7519 ein neuer Antrag vorgelegt, mit dem die PDS eine „wirtschaftliche und ökologische Alternative in den neuen Bundesländern" vorstellt. Es wird Sie sicher nicht überraschen, daß die Bundesregierung die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der PDS ablehnt. In dem Antrag werden Ursache und Wirkung verwechselt. Die Bundesregierung, nicht aber die Machthaber in der ehemaligen DDR, soll für die wirtschaftlichen Probleme in den neuen Bundesländern verantwortlich gemacht werden. Das werden wir nicht zulassen. Die PDS kann die Tatsachen nicht einfach auf den Kopf stellen. Und auch auf die „Patentrezepte" der PDS zum Aufbau Ost können wir verzichten. Milliardenschwere Programme zur Investitionslenkung in ausgesuchte Industriezweige sind weder finanzierbar noch helfen sie weiter. Ein öffentlicher, subventionierter Beschäftigungssektor für 200 000 bis 300 000 Abeitnehmer - urn nur ein besonders krasses Beispiel aus dem PDS-Antrag herauszugreifen - wird keine sicheren Arbeitsplätze mit Zukunftsperspektive schaffen. Hier scheinen die alten Planwirtschaftler wieder auferstanden zu sein. Die neuen Bundesländer brauchen eine solide, wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, wie sie die Koalition seit 1990 eingeschlagen hat und auch künftig unbeirrt fortsetzen wird. Gemessen an der desolaten Ausgangssituation kann sich das bisher Erreichte - anders als dies die PDS darstellt - durchaus sehen lassen. Deutliche Fortschritte gibt es zum Beispiel bei der Steigerung der Produktivität von 31 Prozent (1991) auf 57 Prozent (1996) des westdeutschen Niveaus, der Steigerung der Bruttoeinkommen der Beschäftigten von 47 Prozent auf 74 Prozent der durchschnittlichen Westeinkommen, dem Aufbau leistungs- und wettbewerbsfähiger mittelständischer Unternehmen, von denen es heute 500 000 in den neuen Bundesländern mit 3,4 Millionen Arbeitnehmern gibt, und beim Ausbau der Infrastruktur: 5 Millionen neue Telefonanschlüsse, 11 000 km Bundesfernstraßen und 5 000 km Schienenstrecke. Vor dem Hintergrund dieser Erfolgsbilanz will ich aber nicht verschweigen, daß sich auch die Bundesregierung Sorgen wegen der zu beobachtenden Verlangsamung des Aufholprozesses der neuen Bundesländer macht. Die eingetretene Verzögerung des Aufholprozesses erklärt sich durch die folgenden Entwicklungen: Wir beobachten zur Zeit einen Wechsel der Auftriebskräfte. Der Bauboom der ersten Jahre läßt nach. Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungsbereich, die auch in den nächsten Jahren Motor des Aufschwungs in der ostdeutschen Wirtschaft sein werden, können aber trotz dynamischen Wachstums (1996 rund 6 Prozent) die Lücke noch nicht füllen. Der Lohnstückkostennachteil ostdeutscher Unternehmen ist seit 1993 kaum abgebaut worden. Die Sonderkonjunktur Ost geht auf Grund der zunehmenden Verflechtung der ostdeutschen mit der westdeutschen Wirtschaft zu Ende. Der Aufbau Ost wird daher länger dauern, als ursprünglich erwartet. Dies bedeutet aber nicht, daß der Aufholprozeß zum Stillstand kommt. Es gibt keinen Grund zu Pessimismus. Die Bauindustrie scheint die Talsohle erreicht zu haben. Experten rechnen bereits für dieses Jahr mit einem beachtlichen Wachstum des verarbeitenden Gewerbes urn 6 Prozent und der Dienstleistungswirtschaft um 5 Prozent. Auftragseingänge und Stimmungslage im verarbeitenden Gewerbe weisen nach oben. Die Beschleunigung des Aufholprozesses wird jedoch auch weiterhin abhängig sein insbesondere von der Rücksichtnahme der Tarifpartner auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmen, von hohen Eigenanstrengungen der Wirtschaft in den neuen Bundesländern und von der mittelfristigen Fortsetzung der öffentlichen Förderung. Die Bundesregierung wird die Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Bundesländern auch über 1998 hinaus fortsetzen. Leitgedanken des vom Bundesminister für Wirtschaft gemeinsam mit dem Finanzminister vorgelegten neuen „mittelfristigen Förderkonzepts" sind: steuerliche Förderung auf hohem Niveau auch nach 1998, insbesondere im investiven Bereich; Fortführung der Investitionsförderungen im Rahmen der GA; Konzentration auf verarbeitendes Gewerbe und produktionsnahe Dienstleistungen, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen, sowie Existenzgründung und Unternehmensstabilisierung, insbesondere für den Mittelstand; Reduzierung der Instrumente (insbesondere Wegfall der Sonder-AfA bei erhöhter Investitionszulage); klare mittelfristige Förderperspektive (6 Jahre). Auf Grund der zunehmenden Verflechtungen zwischen Ost und West wird die Dynamik in den neuen Ländern auch immer abhängiger von den Bedingungen für den Standort Deutschland insgesamt. Hierbei hat sich die Bundesregierung ein umfangreiches Maßnahmenbündel vorgenommen. Ich nenne nur als Stichworte: große Steuerreform, Rückführung der Staatsquote, Senkung der Lohnzusatzkosten, Flexibilisierung. am Arbeitsmarkt, Förderung der Wagniskapitalbildung, „Verschlankung des Staates", Deregulierung und Privatisierung, mehr Wettbewerb und offene Märkte. Der Kurs der Bundesregierung zum Aufbau Ost ist damit deutlich abgesteckt. Der PDS-Antrag stellt da- gegen einen Rückschritt in die Zeit der ideologischen Debatten dar. Die Bewältigung der anstehenden Aufgaben erfordert die Zusammenarbeit aller Beteiligten und keine Polemik. Für die Bundesregierung kann ich hier versichern, daß sie gegenüber den neuen Bundesländern das bleiben wird, was sie in den letzten Jahren war: ein verläßlicher Partner in schwieriger Zeit. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 6 (a - Antrag: Mehr Rechtssicherheit und Rechts- schutz für Nutzer von Freizeitgrundstücken in den neuen Bundesländern, b - Antrag: Begrenzung des Anstiegs der Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland auf ein sozial erträgliches Maß) Hans-Joachim Hacker (SPD): Die innere Einheit Deutschlands kann nur vollendet werden, wenn in Deutschland gleiche Lebensverhältnisse geschaffen werden und wenn die Bürgerinnen und Bürger spüren, daß der Rechtsstaat Schutz gewährt und daß die Politik für die täglichen Probleme der Menschen vertretbare Lösungen bringt. Der Bereich der Vermögensfragen ist in den neuen Ländern neben dem Arbeitsmarkt zur schwersten Belastungsprobe nach der Wiedervereinigung geworden. Falsche Weichenstellungen durch die Bundesregierung im Jahre 1990 und zögerliches Handeln bis in das Jahr 1997 (Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz) kennzeichneten und kennzeichnen die Politik dieser Bundesregierung und der sie tragenden Koalition. Die SPD im Deutschen Bundestag ist bereit, mit der Koalition nach Lösungen zu suchen, um die sich immer mehr zuspitzenden Konflikte bei den Nutzungsentgelten zu entschärfen. Der Antrag meiner Fraktion vom 21. März 1997 für mehr Rechtssicherheit und Rechtsschutz für Nutzer von Freizeitgrundstücken in den neuen Bundesländern greift diese Ängste und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger auf, und wir schlagen vertretbare Lösungen vor; denn unbestritten ist, daß die geltende Nutzungsentgeltverordnung den Realitäten des Lebens in den neuen Ländern nicht gerecht wird und dringend novellierungsbedürftig ist. Jetzt zeigt sich auch, wie richtig und vorausschauend der Bundesrat handelte, als er 1993 auf Vorschlag des Landes Brandenburg seine Zustimmung zur Nutzungsentgeltverordnung mit der Maßgabe verbunden hat, daß im Jahre 1996 keine weitere Erhöhung der Entgelte erfolgen darf. Zugleich sollte in diesem Zeitraum eine Überprüfung der weiteren Erhöhungen im Lichte der Einkommens- und Vermögensentwicklung in den neuen Ländern stattfinden. Das Jahr 1996 ist verstrichen. Ein Gutachten des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik vom Februar 1995 (erstellt im Auftrag des BMJ) liegt vor, aber die Bundesregierung rührt sich nicht. Nein, der Bundesjustizminister beteiligt sich an Bodenreformdebatten, anstatt anstehende Fragen zu lösen. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Das bestätigt das eben zitierte Gutachten, wenn es feststellt, „daß mit dem weiteren, zum 1. November 1997 anstehenden Erhöhungsschritt bei einer zunehmenden Zahl von Nutzern die ,Schmerzgrenze' überschritten wird, so daß Erhöhungen weniger häufig als bisher akzeptiert werden". Auch zu der Problematik der Ermittlung der Ortsüblichkeit und weiteren praktischen Fragen enthält das Gutachten konkrete Vorschläge, die aber anscheinend seit dem Februar 1995 in den Tresoren des BMJ ruhen. Wer mit den Gutachterausschüssen vor Ort gesprochen hat, wer die Entwicklung der Nutzungsentgelte in den neuen Ländern analysiert hat und wer mit den Betroffenen, d. h. mit den Nutzern, die oft aus Ödland kultivierte Erholungs- und Freizeitgrundstücke geschaffen haben, gesprochen hat, der muß sich jetzt dieser Problematik stellen und die geltende Nutzungsentgeltverordnung novellieren. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, mit uns gemeinsam die Bundesregierung aufzufordern, die im Antrag der SPD-Bundestagsfraktion geforderten Ergänzungen bzw. Klarstellungen der bisher geltenden Nutzungsentgeltverordnung vorzunehmen. Vor allem geht es um: - die Begrenzung der weiteren Erhöhung der Entgelte bis zum Erreichen der ortsüblichen Beträge, - eine klare Definition des Begriffes „Ortsüblichkeit" und Bestimmung von Hilfsverfahren zur Ortsüblichkeitsbestimmung in Abhängigkeit vom Bodenwert (eine zentrale Frage, weil damit die unvertretbaren Preisentwicklungen in einzelnen Regionen gestoppt werden können), - die Berücksichtigung von Erschließungsmaßnahmen durch. die Grundstücksnutzer bei der Festlegung des ortsüblichen Entgeltes, - die Regelung der Beweislast des Eigentümers bei Streitigkeiten über die Höhe des ortsüblichen Entgeltes und die Regelung der Kosten für die Erstellung des Gutachtens sowie - die Ergänzung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes durch Regelungen, die den Nutzer vor unvertretbaren Rechtsfolgen der Nutzungsentgelterhöhung in der Weise schützen, daß er a) in bestimmten Fällen das Nutzungsverhältnis auf eine Teilfläche beschränken kann bzw. b) auch bei eigener Kündigung des Vertragsverhältnisses infolge der Entgelterhöhung einen Anspruch auf Entschädigung für das Bauwerk und auf Befreiung der Tragung der hälftigen Abbruchlasten erhält. Dieses sind im wesentlichen die Vorschläge der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. In einem eigenen Antrag legt die Gruppe der PDS ihre Vorstellungen für eine Novellierung der Nutzungsentgeltverordnung vor. Der Antrag beschränkt sich auf einen Punkt und scheint in Eile entstanden zu sein. Er klingt einleuchtend, ist es aber nicht, weil Dinge in Verbindung gebracht werden, die nicht verbunden werden können. Die Entwicklung zivilrechtlicher Vertragsverhältnisse läßt sich nicht an die Entwicklung der aktuellen Rentenwerte (Ost) anpassen. Sie sollten überlegen, ob Sie den Antrag aufrechterhalten wollen. Das ist meine Anregung; die Entscheidung, meine Damen und Herren von der PDS, müssen Sie treffen. Die Kritik der Nutzer von Freizeitgrundstücken in den neuen Ländern, die nachdrücklich in der Veranstaltung des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer am 25. April d.J. in Berlin vorgetragen wurde und sich vor allem gegen die unvertretbare Entgelterhöhung und das Schweigen der Bundesregierung zu dieser Problematik richtet, ist verständlich. Die Nutzer brauchen klare und gerechte Regelungen, die ein in Jahren und Jahrzehnten geschaffenes Werk sichern. In diesem Sinne ist es jetzt Aufgabe der Bundesregierung, einen Beitrag zum sozialen Frieden in den neuen Ländern dadurch zu leisten, daß redliche Nutzer Rechts- und Bestandsschutz bekommen, und zwar nicht irgendwann, sondern unverzüglich. In diesem Sinne fordere ich Sie auf: Unterstützen Sie den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion! Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bedauere außerordentlich, daß die eigentumsrechtlichen Probleme so scheibchenweise behandelt werden. Es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn das Justizministerium die dringend anstehende Änderung der Nutzungsentgeltverordnung gemeinsam mit dem Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz erarbeitet und zur Diskussion gestellt hätte. Immerhin soll ja nun wohl endlich ein Änderungsentwurf per Kabinettsbeschluß auf den Weg gebracht werden. Die Freizeitgrundstücke, um die es in der Nutzungsentgeltverordnung im wesentlichen geht, haben eine sehr hohe Bedeutung für viele Menschen in Ostdeutschland: Menschen mit bescheidener Rente, Menschen im Vorruhestand, Arbeitslose, Haushalte mit kleinen Einkommen. Gerade aufgrund der radikalen Veränderungen und häufigen Verschlechterungen, die die Wende für viele Menschen in Ostdeutschland gebracht hat, und bei dem extrem hohen Maß an Menschen in zwangsweisem Vorruhestand und an Arbeitslosigkeit sind die Datschen und Erholungsgrundstücke ein ganz wesentliches Refugium für viele Menschen. Auch der teilweise immer noch sehr problematische Zustand vieler Wohnungen macht das Ausweichen auf die Datsche dringend erforderlich. Zentrales Problem ist, daß die Politik der Bundesregierung, insbesondere das Fördergebietsgesetz, zu einer - teilweise extremen - spekulativen Überbewertung der Grundstücke in Ostdeutschland geführt hat, insbesondere in den Einzugsbereichen von Ballungszentren, die jetzt in den Bodenrichtwertkarten festgeschrieben ist, die sich auch auf die Spekulation mit Erholungsgrundstücken bezieht und die sich erst allmählich - nach Auslaufen der Sonderabschreibungen - wieder zu normalen, marktorientierten Bodenwerten zurückentwickelt. Im Raum Berlin haben wir darum derzeit starke Rückgänge in den Grundstückspreisen, die sich aber erst mit großer Verzögerung in den Kaufpreissammlungen niederschlagen. Die Ermittlung der Nutzungsentgelte aus der Ortsüblichkeit steht darum vor einem doppelten Problem: Eigentlich sind die jetzt geltenden Nutzungsentgelte der Maßstab für die Ortsüblichkeit, weil es nur sehr wenige neue Vertragsabschlüsse gibt. Andererseits soll der Pachtzins aus Bodenwerten abgeleitet werden, die keine realen Marktwerte darstellen und die vielfach auch nicht mit der in Ostdeutschland vorherrschenden Nachfrage korrelieren, weil sie an der Nachfrage von Steuersparern aus Westdeutschland orientiert sind. Wir unterstützen darum die Forderungen des SPD-Antrags nach Streckung der geltenden Erhöhungsschritte, so daß ab einem Pachtzins von 1,80 DM/m2 nur noch 0,30 DM/m2 jährliche Pachterhöhung zulässig ist - bis zum ortsüblichen Wert. Damit sind zum 1. November 1997 noch einmal 0,60 DM/m2 Erhöhung möglich, danach aber ist eine deutliche Streckung erforderlich. Wir akzeptieren auch ein zweites Verfahren durch Ableitung der Entgelte aus den Bodenwerten. Allerdings muß dafür sichergestellt sein, daß spekulativ überhöhte Bodenwerte, die nicht aus langfristiger Freizeitnutzung, sondern aus Baulanderwartung resultieren, ausgeklammert werden. Darüber hinaus muß sichergestellt. werden, daß bauliche Aufwendungen und Erschließungsmaßnahmen des Nutzers nicht in den Bodenwert einfließen. Wir erwarten, daß die Interpretationsprobleme, die die geltende Verordnung verursacht hat, beseitigt werden. Das erfordert insbesondere eine Präzisierung des Begriffs der Ortsüblichkeit. Wir unterstützen auch den Vorschlag der SPD zur Anpassung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes in der Form, daß Nutzer das Recht erhalten, bei teilbaren Grundstücken ihr Pachtverhältnis auf eine Teilfläche zu beschränken. Den Vorschlag der PDS zur Anpassung der Nutzungsentgelte an die Entwicklung der Renten in Ostdeutschland halten wir nicht für zweckdienlich. Wir fordern die Bundesregierung auf, unverzüglich zu handeln und Regelungen mit einem wirklich sozialverträglichen Verfahren vorzulegen. Klaus-Jürgen Warnick (PDS): Wir diskutieren heute zum wiederholten Mal ein Problem, das genauso wie die offenen Vermögensfragen Millionen Ostdeutsche in ihrem Leben zentral berührt. Hatten und haben doch diese Erholungsgrundstücke aus ih- rer Entstehungsgeschichte heraus für sehr viele Ostdeutsche eine große emotionale Bedeutung. Durch die große Anzahl, ihre oftmalige Konzentration auf ganze Ortsteile von Kommunen, ihre Bebauung mit oft relativ großen und teilweise zur Dauernutzung geeigneten Bauten und ihre - auf Westniveau bezogen - überdurchschnittliche Größe ist in Ostdeutschland eine Sondersituation entstanden, die mit westdeutschen Erholungsgebieten nicht vergleichbar ist. Dieser Sondersituation muß nach unserer Meinung auch mit besonderen Gesetzen und Verordnungen Rechnung getragen werden. Ich frage deshalb die Bundesregierung: Wie ist die in der Nutzungsentgeltverordnung vorgesehene „Denkpause" zwischen 1996 und 1997, in der keine Erhöhungen durchgeführt werden durften, von Ihnen genutzt worden? Sie sollte nach mehrfachen Aussagen von Ihnen dafür genutzt werden, zu überprüfen, wie sich die Entgelte und Vertragsverhältnisse bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt haben. Dafür war die Pause gedacht. Wo bleibt diese Untersuchung? Will die Bundesregierung neue Regelungen ohne vernünftige Rechtstatsachenforschung beschließen? Nach Untersuchungen des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer haben schon mehrere hunderttausend Nutzer in den letzten drei Jahren ihr Gründ-stück aufgeben müssen. Meist aus finanziellen Gründen. Aber noch sind zirca 1,7 bis 1,9 Millionen Vertragsverhältnisse über Erholungsgrundstücke in Ostdeutschland vorhanden. Ich betone „noch", denn wenn sich in der Nutzungsentgeltverordnung in kürzester Zeit nichts gravierend ändert, wird in wenigen Jahren die große Masse der Nutzerinnen und Nutzer vor der übermächtigen Keule ständig steigender Pachten und Gebühren kapituliert haben. Der Grund liegt vor allem in der völlig realitätsfernen Formulierung einer imaginären „Ortsüblichkeit" . So etwas kommt eben dabei heraus, wenn Vertreter eines bestehenden Rechts- und Wertesystems einem anderen System ihren Stempel aufdrücken wollen, ohne historisch gewachsene Unterschiede zu beachten. Dabei ist allen Insidern klar, daß sich eine „Ortsüblichkeit" bei Pachten in Ostdeutschland weder bisher noch zukünftig entwickeln kann. Denn dies würde voraussetzen, daß sich ein „Markt" für die Verpachtung von Erholungsgrundstücken herausbildet. Solange die zu erzielenden Marktpreise beim Verkauf als Bauland aber um ein Mehrfaches höher als die Einnahmen aus der Pacht liegen, wird jedes leergezogene Erholungsgrundstück sofort verkauft und umgenutzt und damit dem Vergleichssystem „Ortsüblichkeit" entzogen. Gefährdet sind aber vor allem Nutzungsverhältnisse im Umland großer Städte - also in Gebieten mit hohen Grundstückspreisen. Liegt die Pacht aber in Zukunft so hoch, daß sie längerfristig mehr einbringt als ein Verkauf des Grundstücks, wird es nur noch gutbetuchte und zugewanderte „Neuostdeutsche" geben, die sich ein Erholungsgrundstück leisten können. So oder so gibt es also keine Chance, eine „Ortsüblichkeit" herauszubilden. Jeder Lösungsansatz, der sich daran orientiert, muß deshalb zwangsweise falsch sein. Dies trifft auch auf den Antrag der SPD zu. Ich empfand es übrigens als unangemessen, daß mein Kollege Hacker aus dem Rechtsausschuß der PDS vorwarf, von der SPD abgeschrieben zu haben. Ich hätte mich geschämt, einen solch unsozialen Antrag wie den der SPD einzubringen. Er unterscheidet sich von den Vorstellungen der CDU/CSU und der bisherigen Rechtslage nur durch ein geringfügig verlangsamtes Wegsterben der Nutzungsverhältnisse. Ihr Vorschlag, Herr Hacker und Herr Luther, die Nutzungsentgelte zukünftig vom Bodenwert abzuleiten führt die willkürliche und ungerechte Tradition des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes fort. Damit werden wieder alle Nutzerinnen und Nutzer immens benachteiligt, die zufällig in Gebieten mit hohen Bodenwerten leben. Als ob sich irgend ein Nutzer vor der Wende danach orientiert hätte, viele Jahre oder Jahrzehnte später eine Situation vorzufinden, in der es eine Bedeutung hat, an diesem oder jenem Ort sein Pacht- oder Nutzungsverhältnis abgeschlossen zu haben. Der Effekt wird - wie beim Sachenrecht - darauf hinauslaufen, daß Nutzerinnen und Nutzer in Gebieten mit niedrigen Bodenwerten relativ geschützt sind, während die anderen ohne eigenes Zutun, nur durch die zufällige „falsche Wahl" des Nutzungsortes, zum Aufgeben gezwungen sind - wirklich ein famoses Verständnis von sozialer Ausgewogenheit und Gerechtigkeit! Aber dadurch wird natürlich auch nach dem Motto „Teile und herrsche" der Widerstand der Betroffenen aufgesplittert. Daß die Bundesregierung daran ein Interesse hat, ist mir klar. Daß die SPD dabei Schützenhilfe leistet, aber schon nicht mehr so ganz, Herr Hacker, Sie können froh sein, daß die fast 2 000 Betroffenen bei der Protestveranstaltung in der Berliner Kongreßhalle, an der wir ja beide teilnahmen, die Tragweite Ihres Antrags nicht sofort verstanden haben. Sonst wären Sie wahrscheinlich nicht so freundlich behandelt worden. Unsere Lösung, die wir als einzig machbare ansehen, besteht jedenfalls darin, die zukünftigen Entgelte von einer nicht bestehenden „Ortsüblichkeit" abzukoppeln und nur noch so weit Erhöhungen zuzulassen, wie sich parallel das durchschnittliche Einkommen bzw. die Rente der Nutzerinnen und Nutzer erhöht. Nur ein solches Vorgehen kann viele Betroffene auf Dauer wirksam schützen. Der Vorschlag der SPD, daß Nutzerinnen und Nutzer bei einer durch eine Entgelterhöhung erzwungenen Aufgabe des Grundstücks die Baulichkeiten zum Zeitwert entschädigt bekommen, ist mit unseren Vorstellungen identisch. - Kein Wunder, da er auch in unserem vor anderthalb Jahren eingebrachten PDS-Entwurf für ein Nutzerschutzgesetz stand. Sie werden doch nicht von uns abgeschrieben haben? Ich freue mich jedenfalls heute schon auf die Diskussionen in den Ausschüssen, die hoffentlich dazu führen, daß Lösungen für die betroffenen Nutzerinnen und Nutzer gefunden werden, die einem sozialen Anspruch auch tatsächlich gerecht werden. Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Die Nutzungsentgeltverordnung hat zum Ziel, die Entgelte für die Nutzung von Freizeitoder Erholungsgrundstücken angemessen zu gestalten. So steht es im Einigungsvertrag. Dort ist auch bestimmt, daß die Entgelte bis zur Höhe des ortsüblichen Pachtzinses angemessen sind. Die Verordnung hat in den letzten Jahren drei Erhöhungsschritte unterhalb der ortsüblichen Pachtzinsen zugelassen. Das Prinzip einer schrittweisen Anpassung hat sich insoweit bewährt. In weiten Bereichen ist ein Entgeltniveau erreicht worden, das den frei vereinbarten ortsüblichen Pachtzinsen angenähert ist. Damit stehen wir vor der Notwendigkeit, die Grenze über Ortsüblichkeit mit feineren Instrumenten anzupeilen. Zu diesem Zweck haben wir eine Änderungsverordnung ausgearbeitet, die das Kabinett in der nächsten Woche beschließen wird. Lassen Sie mich zum Inhalt der Änderungsverordnung sowie zu den Anträgen der SPD und der PDS folgendes bemerken: 1. Mit der bereits erwähnten Annäherung der gezahlten Entgelte an das ortsübliche Niveau gewinnt deren Darlegung als Obergrenze eine zentrale Bedeutung. Die Grundeigentümer werden daher nach der erwähnten Änderungsverordnung künftig verpflichtet, ihre Entgelterhöhung zu erläutern. Sie müssen darlegen, daß das geforderte Entgelt die Grenze des Ortsüblichen nicht überschreitet. Auch die bereits bestehende Beweislastverteilung soll verdeutlicht werden. Darüber hinaus wird das Instrumentarium zur Feststellung des ortsüblichen Entgelts verbessert werden. 2. Die von der PDS geforderte Anknüpfung der Entgeltentwicklung an die Rentenentwicklung würde dort, wo die ortsüblichen Entgelte noch beträchtlich über den tatsächlich gezahlten Entgelten liegen, die Erreichung der Ortsüblichkeit um viele Jahre verzögern. 3. Weshalb sollen wir einem Eigentümer, der in der Vergangenheit nicht alle Erhöhungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat, die Nachholung dieser Entgelterhöhung für die Zukunft versagen? Meines Erachtens muß der Eigentümer in der Lage sein, sein Recht zur Entgelterhöhung auszuüben, auch wenn er dem Nutzer in der Vergangenheit ein niedriges Entgelt als rechtlich zulässig abverlangt hat. 4. Die von der SPD geforderte Kündigung von Teilflächen könnte nur zugelassen werden, wenn der gekündigte Flächenteil eigenständig genutzt werden kann. Dies wird in aller Regel schon daran scheitern, daß ein Wegeanschluß für die abzutrennende Teilfläche nicht vorhanden ist. Deshalb hilft auch das Kriterium der „angemessenen Nutzbarkeit" der Teilfläche wenig. Dies gilt auch für die Entschädigung des Nutzers sowie für die Verteilung der Abrißkosten, wenn der Nutzer gekündigt hat. Wir sollten uns im übrigen davor hüten, das Schuldrechtsanpassungsgesetz aus seinem Gleichgewicht zu bringen. Meine Damen und Herren, soweit Änderungen der Nutzungsentgeltverordnung angezeigt sind, hat die Bundesregierung das Erforderliche bereits veranlaßt. Es wird weiterhin unser Bestreben sein, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer und der Grundeigentümer zu bewirken. Joachim Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Mit dem Einigungsvertrag und dem Schuldrechtsanpassungsgesetz haben wir für die Nutzer von Erholungsgrundstücken Regelungen geschaffen, die einen langfristigen Kündigungsschutz .garantieren, teilweise sogar bis an das Lebensende des jeweiligen Nutzers, und wir haben eine schrittweise Angleichung an die ortsübliche Vergleichspacht ermöglicht. Dem steht gegenüber, daß die Eigentümer nicht über diese Grundstücke verfügen können. Nur am Rande sei erwähnt, daß sich diese Regelung in manchen Gemeinden zum Hindernis für die Innenstadtgestaltung entwickelt. Die Eigentümer der Grundstücke können (und müssen) natürlich erwarten, daß ihnen für die Nutzung ein entsprechendes Entgelt gezahlt wird, dessen Höhe sich zumindest an den sonst üblichen Entgelten orientiert. Um diese „ortsüblichen Entgelte" zu erreichen, hat der Verordnungsgeber mit der Nutzungsentgeltverordnung Maximalschritte vorgezeichnet, deren letzter ab dem 1. November 1997 vollzogen werden könnte - ich betone: könnte (abgeleitet von kann). Nun beantragt die PDS, daß die Nutzungsentgelte sich in Zukunft nur noch in Übereinstimmung mit den Renten erhöhen dürfen. Man gibt sich dabei wie immer scheindemokratisch und ist so schön populistisch. Daß unser Grundgesetz neben anderen auch noch einen Art. 14 hat (Eigentumsgarantie), läßt sich ja nach Wunsch - jedenfalls wenn es andere und nicht die PDS trifft - trefflich ignorieren. Im übrigen betreibt die PDS hier knallharte Klientelpolitik - für die ja nach Ihren Aussagen - meine Damen und Herren von der Opposition - eigentlich wir zuständig sein sollen. Die Frage darf schon einmal erlaubt sein, wer denn die Nutzer sind, die heute auf Grundstücken sitzen - zum Teil in Toplage und mit Größen von 1000 und mehr Quadratmetern. Ein einfacher Antrag von Bürger Meyer an den Rat der Stadt war dafür jedenfalls nicht ausreichend. Aber gerade diese Klientel ist heute die lauteste. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 175. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Mai 1997 15853* Zurück zum Gegenstand der Debatte. Wesentlich differenzierter und sachlich fundierter erscheint mir der Antrag der SPD-Fraktion. Er schießt allerdings weit über das Ziel hinaus, indem vieles geregelt werden soll, das der Verhandlung zweier Vertragspartner überlassen bleiben sollte - eben auch dem Marktgeschehen. Die SPD steht hier in ihrer eigenen Tradition - zusätzlich geprägt von einigen sozialistischen Einsprengseln. Als Freidemokrat muß ich solche Vorschläge schon kritisch hinterfragen. Immer nach dem Motto „so wenig Regelungen wie möglich - nur so viel, wie unbedingt notwendig". Dem werden Sie sicher zustimmen können. Es ist schon sehr viel geregelt - manchmal auch zuviel -, so daß vielfach nur der Gang zum Rechtsanwalt hilft. Aber noch mehr zu regeln, und vor allem doppelt zum Allgemeinen Schuldrecht, wäre noch ein zusätzliches Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte. Für notwendig halten wir gleichwohl einige Klarstellungen insbesondere hinsichtlich der Frage ortsüblicher Entgelte, der Beweislast, der Abwendung „automatischer Erhöhungen" und der Informationsbeschaffung bezüglich der in den jeweiligen Gemeinden gezahlten Entgelte, und dies soll auch geregelt werden, mehr nicht. Kleiner Exkurs: Das Bundeskleingartengesetz liegt in schöner Regelmäßigkeit dem Verfassungsgericht in Karlsruhe vor, vor allem hinsichtlich der stark beschränkten Entgelte, die sich in diesem Fall an der Höhe der Pacht für Grünland orientieren. Im Gegenzug ist die bauliche Nutzung stark eingeschränkt. Ich will damit sagen, daß immer ein Ausgleich zwischen den Interessen der Eigentümer und der Nutzer zu finden ist, den wir in unseren weiteren Überlegungen zur Nutzungsentgeltverordnung anstreben. Die Erfahrung mit dem Mietenüberleitungsgesetz in Ostdeutschland zeigt uns noch ein weiteres. Die Horrorszenarien, die manch einer - auch aus den Oppositionsfraktionen - an die Wand malte, treffen mit ebensolcher Regelmäßigkeit nicht zu. Schon jetzt werden Erhöhungsspielräume nicht ausgenutzt, einfach weil der Markt dies nicht zuläßt. Die ortsüblichen Entgelte bei den Wochenendgrundstücken liegen in der Regel bei oder unter 1,80 DM/m2 und Jahr. Mehr wird in den meisten Fällen nicht gehen, so daß auch hier Ihre Szenarien nicht eintreffen. Ein Letztes. Wieder höre ich das Argument, bei den Wochenendgrundstücken wird den Ostdeutschen von reichen Westdeutschen das Fell über die Ohren gezogen. Mehr als die Hälfte der Grundstücke sind im Eigentum der Gemeinden, zirca 20 Prozent gehören kirchlichen Einrichtungen oder gewerblichen Unternehmen, eine ganz erhebliche Anzahl von Eigentumsverhältnissen ist leider immer noch ungeklärt. Mithin kann der Anteil der Westeigentümer nicht mehr als ein Fünftel sein. Ich möchte von hier aus die Bürger in Ostdeutschland ermutigen, sich die Erhöhung erklären und begründen zu lassen und unbegründete Erhöhungsverlangen auch abzulehnen. Aber eine platte Ost-West-Diskussion ist in diesem Hause fehl am Platz. Dabei gehe ich davon aus, daß das Kabinett nächste Woche der Änderungsverordnung des Bundesjustizministeriums zur Nutzungsentgeltverordnung zustimmt und seinerseits der Bundesrat der Verordnung seinen Segen erteilt und die ostdeutschen Nutzer nicht hängen läßt. Anlage 12 Antwort des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Drucksache 13/7604 Fragen 38 und 39) Gibt es seitens der Bundesregierung Berechnungen, welche Gesamtkosten auf die Bundesrepublik Deutschland bei einer Erweiterung der NATO nach Osten zukommen? Mit welchem Anteil an Kosten für die Bundesrepublik Deutschland rechnet die Bundesregierung bei einer Erweiterung der NATO auf die Tschechische Republik? Zu Frage 38: Die Bundesregierung hat bislang keine eigenen Kostenberechnungen angestellt, da dies wegen der zahlreichen noch bestehenden Unsicherheitsfaktoren als noch verfrüht erscheint. Relevante aber derzeit nicht quantifizierbare Kostenfaktoren sind beispielsweise das künftige politisch-strategische Umfeld einschließlich der Etablierung einer politischstrategischen Partnerschaft von NATO und Rußland in einer neuen kooperativen Sicherheitsstruktur, Zahl und Größe neuer NATO-Mitgliedstaaten, der Zeitrahmen für die Implementierung der Öffnungsentscheidung und die Kostenschlüssel für alte und neue Mitgliedstaaten. Zu Frage 39: Im Hinblick auf die dargestellten Unsicherheitsfaktoren ist eine Kostenschätzung des möglichen Kostenrahmens bei einer Erweiterung der NATO auf die Tschechische Republik derzeit noch nicht möglich. Anlage 13 Antwort des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard (SPD) (Drucksache 13/7604 Frage 40): Wie entkräftet die Bundesregierung den Vorwurf unprofessioneller außenpolitischer Instrumentenwahl während und nach dem „Mykonos"-Urteil des Berliner Kammergerichtes in Sachen Kritischer Dialog? Der Vorwurf ist nicht begründet. Der Kritische Dialog der Europäischen Union mit dem Iran, der im Dezember 1992 eingerichtet wurde, ist ein Instrument der Europäischen Union als Ganzes. Die Europäische Union hat am 10. April 1997 (Tag der Verkündung des Mykonos-Urteils) klar reagiert. Sie hat die Verwicklung iranischer Stellen in den Mordanschlag verurteilt, ihre Botschafter aus Teheran zurückgerufen und festgestellt, daß für den Kritischen Dialog mit dem Iran derzeit keine Grundlage besteht. Die Europäische Union hat dies durch ihre Außenminister am 29. April 1997 bekräftigt und zusätzlich u. a. sowohl die Suspendierung offizieller bilateraler Ministerbesuche von und nach Iran sowie die Nichterteilung von Visa für Iraner mit nachrichten- und sicherheitsdienstlicher Funktion beschlossen. Nach der iranischen Reaktion vom 30. April 1997, die unseren Botschafter in Teheran für derzeit dort unerwünscht erklärte, haben die Europäer diesen Versuch, die Europäische Union zu brüskieren und zu spalten, durch ihre geschlossene Reaktion noch am selben Tag zurückgewiesen und ihrerseits die Rückkehr der Botschafter suspendiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heidemarie Wieczorek-Zeul


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Überall in Deutschland, in allen Familien, in allen Gruppen der Bevölkerung wird die Einführung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, der Euro, diskutiert.
    Nur die Bundesregierung hat sich immer wieder einer solchen Diskussion im Deutschen Bundestag zu entziehen versucht. Sie hat in dieser Frage bisher keine einzige Regierungserklärung abgegeben.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das soll es geben!)

    Vielmehr mußte sie in Aktuellen Stunden oder heute durch die Beantwortung einer Großen Anfrage dazu gezwungen werden. Die großformatigsten Anzeigen und die strahlendsten Hochglanzbroschüren, die die Bundesregierung zur europäischen Währungsunion verbreitet, können aber die Verunsicherung der Bevölkerung nicht beseitigen.
    Sie wollen die Beantwortung konkreter Probleme, die sie berühren. Wie sind die Kosten beim Übergang in die dritte Stufe der Währungsunion? Wie werden Aktien, Versicherungen umgestellt? Wie kann der Druck auf die sozialen Sicherungssysteme anschließend verhindert werden?
    Das sind praktische Fragen, die die Bundesregierung beantworten muß.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Tut sie doch!)

    Am schlimmsten aber ist, daß die Bundesregierung selber zur Verunsicherung der Menschen beiträgt. Zwei Tage nach dem 21. März, an dem sich Theo Waigel hier im Deutschen Bundestag aus Anlaß einer Aktuellen Stunde - damals von den Grünen beantragt - zur Währungsunion geäußert hat und überhaupt keinen Hinweis in diese Richtung gegeben hat, konnte man von ihm in mehreren Zeitschriften und Zeitungen lesen, die Konvergenzkriterien von Maastricht müßten dadurch erfüllt werden, daß in Deutschland die Sozialhilfe gekürzt werden solle.

    (Dr. Jürgen Meyer [Ulm] [SPD]: Unerhört!)

    Gäbe es irgendwo eine finstere Vereinigung mit dem Ziel, den Europäern Europa zu verleiden, der Vorschlag Waigels wäre ihr jüngster Erfolg.
    So kommentierte die „Süddeutsche Zeitung" vom 24. März 1997 dieses Vorgehen Theo Waigels.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie wissen selbst, daß sich die Akzeptanz der Bevölkerung für die europäische Wirtschafts- und Währungsunion bisher in engen Grenzen hält.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Nach Ihrer Rede wird es besser!)

    Wer wider besseres Wissen seine eigenen Pläne für Sozialkürzungen und Umverteilung in Deutschland Europa zuschiebt, schadet der europäischen Einigung, auch wenn er tausendfache Erklärungen für

    Heidemarie Wieczorek-Zeul
    die Notwendigkeit der Fortsetzung der europäischen Integration abgibt.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir fordern die Bundesregierung auf: Beenden Sie Ihre Politik der Sozialkürzungen und des Sozialabbaus, und geben Sie die völlig unzulässige Verkoppelung des Zieles einer europäischen Wirtschafts-und Währungsunion mit Ihrer Politik der Sozialkürzungen auf!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nichts außer ihrem selbstgewählten neoliberalen Dogma zwingt die Bundesregierung zu der verfehlten Steuer- und Finanzpolitik, die sie bisher betreibt.
    Die Gesetze, die die Bundesregierung am schwarzen Freitag im. letzten September mit der Kanzlermehrheit durch den Deutschen Bundestag gepaukt hat, haben die Ungerechtigkeit in unserem Land verstärkt, soziale Auseinandersetzungen mit Langzeitwirkung geschürt - ich verweise auf die aktuellen Auseinandersetzungen am Bau - und die Massenarbeitslosigkeit noch verschärft. Sie haben aber nichts mit der Einhaltung der Maastricht-Kriterien zu tun. Im Gegenteil: Sie entfernen uns weiter davon, weil sie die Arbeitslosigkeit geschürt haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Von seiten der Europäischen Union hat niemand die Bundesregierung zur Abschaffung der privaten Vermögensteuer verpflichtet; sie aber hat die Haushaltslöcher erneut vergrößert.
    Über diese unsäglichen und unseligen Diskussionen, ausgelöst durch die Bundesregierung und ihren Finanzminister Theo Waigel, gerät die eigentliche Begründung und Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit und der Notwendigkeit einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion völlig aus dem Blick. Wir bleiben dabei: Wenn die Politik angesichts der Globalisierung von Finanzmärkten nicht jegliche Gestaltungsmöglichkeit aus der Hand geben will, dann kommt sie an der Verwirklichung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion nicht vorbei.

    (Beifall bei der SPD)

    Es blieb Helmut Schmidt vorbehalten, die Größe und Bedeutung dieser Aufgabe deutlich zu machen, während Theo Waigel und andere Regierungsmitglieder diese Aufgabe kleinreden.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Schröder vor allen Dingen!)

    Helmut Schmidt hat am 14. Januar 1997 gesagt: Gegenüber den Supermächten
    - das ist doch die Aufgabe, das wissen Sie doch selbst -,
    die im Laufe des 21. Jahrhunderts zu entscheiden haben werden, werden selbst große europäische Staaten wie Frankreich oder England oder Deutschland auch nicht entfernt in der Lage sein, ihre eigenen Interessen mit Gewicht einzubringen. Nur dann, wenn sie sie gemeinsam einbringen und vertreten, haben sie Aussicht auf Erfolg. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn sie dies nicht fertigbringen, dann werden die Staaten Europas zu marginalen Figuren im Weltgeschehen.
    Die Entscheidungen der amerikanischen Notenbank beeinflussen weltweit das jeweilige Zinsniveau und haben Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in allen europäischen Ländern. Schnelle Spekulationsbewegungen und Wechselkursschwankungen führen zu Verlust von Arbeitsplätzen in all unseren Staaten. Unternehmen spüren Wechselkursveränderungen und -schwankungen innerhalb weniger Tage. Nach Schätzungen der wirtschaftswissenschaftlichen Institute sind auf diese Art und Weise allein in Deutschland 250 000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Darum halten wir das Projekt einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wirtschaftlich und politisch für dringend notwendig.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Na endlich!)

    Es ist kein „deutsches Opfer" auf dem Altar europäischer Integration. Vielmehr liegt die Wirtschafts-und Währungsunion im deutschen Interesse. Wir brauchen den Euro schon deshalb, weil er den europäischen Stabilitätsraum zum Nutzen der vom Export abhängigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und zum Schaden der global agierenden Währungsspekulanten festigt. Das ist doch seine Bedeutung.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Der europäische Binnenmarkt nimmt 90 Prozent aller Waren und Dienstleistungen aus den 15 Mitgliedstaaten auf. Solange wir uns in diesem einheitlichen Markt den Luxus von 14 verschiedenen Währungen leisten, sind die Klagen über die Folgen der Globalisierung der Wirtschaft wenig überzeugend.
    Die europäische Wirtschafts- und Währungsunion bietet alle Chancen, daß der Euro die Rolle einer weltweiten Leitwährung übernimmt, so daß die Wirtschaften in unseren Ländern unabhängiger vom US-Dollar und der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzpolitik werden. Das ist eine seiner wichtigsten Bedeutungen.
    Die europäische Wirtschafts- und Währungsunion muß aber zu aktiver Beschäftigungspolitik und Wachstum genutzt werden. Sie darf nicht zu einem Instrument der Sozialkürzungen und der Verschärfung der Massenarbeitslosigkeit mißbraucht werden.
    Schon im geltenden Maastricht-Vertrag wird in Titel VI die Abstimmung der Wirtschaftspolitik zwischen den EU-Mitgliedstaaten gefordert und angelegt. Dazu hatte der damalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors bereits ein Jahr nach Ratifizie-

    Heidemarie Wieczorek-Zeul
    rung der Maastricht-Verträge sein Weißbuch für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung vorgelegt, mit wegweisenden Vorschlägen, die von den Finanzministern, an der Spitze Theo Waigel, immer wieder torpediert wurden.
    Nichts ist aus den vernünftigen Plänen für die sogenannten transeuropäischen Netze geworden - statt dessen immer mehr Subventionen im Agrarbereich. Nichts ist aus der Schwerpunktsetzung im Bereich Forschung und technologische Entwicklung geworden, wie sie Jacques Delors vorgeschlagen hat. Nichts ist aus seinen Vorschlägen zur Sicherung eines Ausbildungsplatzes für jeden Jugendlichen mit dem Ziel des lebenslangen Weiterlernens geworden. Nichts ist aus seinen Vorschlägen für die Entlastung des Faktors Arbeit und den Einstieg in die Rationalisierung, da wo sie notwendig ist, nämlich beim Verbrauch von Energie und bei Naturbelastungen, geworden. Dabei hätten wir im Rahmen der EU-Mitgliedstaaten viel bessere Chancen, die Massenarbeitslosigkeit erfolgreich zu bekämpfen.
    Ich fordere die Bundesregierung auf: Nutzen Sie den Sondergipfel am 23. Mai zu einer Initiative für die europäische Beschäftigung und zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in all unseren Ländern! Das ist der Impuls für Europa, der notwendig ist.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Setzen Sie Ihre Politik der Renationalisierung und des Neoliberalismus nicht mehr fort! Der Neoliberalismus führt dazu, daß im Kampf um die Standorte zwischen den EU-Mitgliedstaaten die Auseinandersetzung in der Europäischen Union zunimmt und bedrohlich geschürt wird. Auf diese Art und Weise - ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen, die die Währungsunion wollen - kann die europäische Wirtschafts- und Währungsunion nicht dauerhaft funktionieren.
    Wir fordern, daß im Maastricht-Vertrag, der augenblicklich in der sogenannten Regierungskonferenz behandelt wird, verbindliche Regelungen für eine aktive Beschäftigungspolitik verankert werden. Das soll ein Signal für das Umdenken der EU-Mitgliedstaaten in dieser Frage sein und die EU und ihre Staaten insgesamt zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit verpflichten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS und des Abg. Christian Sterzing [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Der Vorschlag, der dazu vorliegt, ist eine gute Grundlage. Wir wollen, daß sich die Bundesregierung bei dieser Konferenz für den Vorschlag der irischen Präsidentschaft einsetzt und ihre Versuche aufgibt, die Bestimmungen zu verwässern. In den letzten Monaten hatte sich die Bundesregierung beharrlich geweigert, derartige Regelungen in den Maastricht-Vertrag aufzunehmen. Mittlerweile ist sie aber innerhalb der EU-Mitgliedstaaten vollständig isoliert.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Na, na!)

    Die neue britische Regierung unter Tony Blair hat angekündigt, daß sie sich für verbindliche Regelungen zu einer aktiven Beschäftigungspolitik im Maastricht-Vertrag in einem eigenen Kapitel „Beschäftigung" einsetzt.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Und für eine Flexibilisierung am Arbeitsmarkt!)

    Endlich kann sich die Bundesregierung in derartigen Fragen nicht mehr hinter der britischen Regierung verstecken.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich möchte die Gelegenheit nutzen, liebe Kolleginnen und Kollegen - ich glaube, das kann ich für das ganze Haus sagen -, dem britischen Regierungschef Tony Blair und der Labour Party zu ihrem hervorragenden Wahlerfolg zu gratulieren; denn sie hat Europa aus einer entscheidenden Blockade herausgeführt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Mit ihrer Wahl ist das soziale Europa entscheidend vorangekommen. Die Wahl der Labour Party und Tony Blairs in Großbritannien hat 18 Jahre konservative Regierungspolitik in Großbritannien beendet. Italien 1996, Großbritannien 1997, Deutschland 1998 - das ist die Reihenfolge.

    (Beifall bei der SPD Zurufe von der CDU/ CSU und der F.D.P.)

    In der sogenannten Regierungskonferenz überarbeiten die Regierungen augenblicklich den Maastricht-Vertrag.
    Der geänderte Vertrag wird in ungefähr einem Monat vorliegen. Es scheint so, daß auch die Bundesregierung jetzt einen gewissen Sinneswandel in der Frage des Beschäftigungskapitels durchgemacht hat.
    Ich sage hier erneut, daß die Bundesregierung folgendes wissen muß: Wenn sie solche Regelungen im Maastricht-Vertrag zur aktiven Beschäftigungspolitik nicht verankert, dann werden die überarbeiteten Maastricht-Verträge im Deutschen Bundestag von uns nicht ratifiziert werden. Wir sagen das nicht, weil wir unsere Position um des Prinzips wegen durchsetzen wollen, sondern weil wir wollen, daß die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion funktioniert. Sie kann nur funktionieren, wenn sie auf diese Art und Weise wirtschafts- und beschäftigungspolitisch abgesichert ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Sagen Sie doch der Bevölkerung die Wahrheit! Es kann doch keiner annehmen, daß man eine Währungsunion verankert und sie nicht um eine Wirtschaftsunion, eine Sozialunion, eine Umweltunion und um eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ergänzt. Entweder machen die EU-Staaten entscheidende Schritte hin auf die europäische Zusammenarbeit, oder die Währungsunion - selbst wenn sie fristgerecht verwirklicht würde - wird auf Dauer scheitern. Das ist die tiefere Einsicht.

    Heidemarie Wieczorek-Zeul
    Wir sagen auch das rechtzeitig, damit Sie nicht die gleichen Fehler machen, die Sie bereits beim Maastricht-Vertrag gemacht hatten: Unter Ausschluß der Öffentlichkeit haben Sie damals Texte behandelt, über die anschließend der Deutsche Bundestag bei der Ratifizierung nur noch mit Ja oder Nein entscheiden konnte. Wir sagen deshalb rechtzeitig, worauf Sie sich einstellen müssen und was Sie bei diesen Verhandlungen mitbringen müssen.
    In unserem Land, in den Mitgliedstaaten der EU müssen alle Kräfte zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit gebündelt werden. Wir wollen im übrigen, daß das Sozialabkommen in den Maastricht-Vertrag einbezogen wird. Das wird jetzt möglich, weil die neue britische Regierung bereit ist, das Abkommen zu unterzeichnen. Wir wollen, daß in diesen Vertrag auch wichtige soziale Grundrechte aufgenommen werden.
    Ein besonders notwendiges Grundrecht, was gesichert werden muß, ist die grenzüberschreitende Koalitionsfreiheit. Es geht darum, daß Beschäftigte in unterschiedlichen Unternehmen der EU ihre Interessen notfalls auch mit Mitteln des gemeinsamen Streiks durchsetzen können. Der große Binnenmarkt nutzt den großen Unternehmen, aber er darf nicht zum Instrument der Aushöhlung der Rechte der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden. Auch dieses Grundrecht muß verankert werden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Warum vereinbaren Sie nicht einen zwischen allen EU-Mitgliedstaaten abgestimmten Einstieg in die ökologische Steuerreform mit einer gleichzeitigen Entlastung des Faktors Arbeit? Warum beginnt nicht eine europäische Modernisierungsoffensive, die Investitionen vorzieht und die unserem Land und der EU wichtige Beschäftigungsimpulse gibt?
    Es gibt für uns eine zweite Bedingung für das dauerhafte Funktionieren einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, die unerläßlich ist. Es geht damm, Steuerdumping in der EU und zwischen ihren Mitgliedstaaten zu verhindern.

    (Zuruf von der SPD: Genau!)

    Einige Mitgliedstaaten, Belgien, Irland, Italien, die Niederlande und Portugal, haben ihre nationale Steuergesetzgebung eingesetzt, um Unternehmen und Kapital aus Nachbarländern an sich zu ziehen. Es ist nicht hinnehmbar, wenn einzelne EU-Staaten durch derartiges Steuerdumping versuchen, sich Vorteile zu Lasten anderer Mitgliedstaaten zu verschaffen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das schadet allen; das reduziert das Steueraufkommen insgesamt und führt dazu, daß kleine Unternehmen und die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Steuerlasten im hohen Umfang zu tragen haben.
    Deshalb wollen wir verbindliche Regelungen auch in der EU, daß eine effektive Mindestbesteuerung der Unternehmen verwirklicht wird. Auch bei der Besteuerung von Kapitalerträgen müssen Schlupflöcher geschlossen werden.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Richtig!)

    Steueroasen innerhalb der EU sind mit einer vollendeten Wirtschafts- und Währungsunion unvereinbar. Das muß beendet werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen, daß diese Regelungen mit dem künftigen Finanzsystem der Europäischen Union, das ab 1999 verhandelt und beschlossen wird, gekoppelt werden. Es geht nicht an, daß Deutschland mit 30 Prozent zum Finanzaufkommen der EU beiträgt, andere Mitgliedstaaten aber durch Steuerdumping und das Abziehen von Arbeitsplätzen aus der Bundesrepublik das Steueraufkommen in der Bundesrepublik reduzieren, mit dem wir die EU finanzieren. Das ist untragbar. Wir müssen das entsprechend ändern.

    (Beifall bei der SPD)

    In der Bevölkerung wird wegen der von der Bundesregierung ausgehenden Verunsicherung zuwenig deutlich, daß durch den Maastricht-Vertrag die Währungsstabilität große Fortschritte gemacht hat.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Endlich das Wichtigste!)

    Die Inflationsrate ist mit 1,7 Prozent auf einem bisher kaum vorstellbaren niedrigen Niveau.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Ja!)

    Die Wechselkurse zwischen vielen EU-Mitgliedstaaten sind stabil. Das Zinsniveau hat sich positiv entwickelt.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Dann freuen Sie sich doch einmal!)

    Das sind die entscheidenden Kriterien für die Stabilität einer Währung. Dagegen ist das Defizitkriterium überbetont worden. Theo Waigel hat bisher den Spielraum, den der Vertrag bietet, in seiner eigenen Interpretation immer weiter eingeengt. Wir verlangen eine vertragsgerechte Anwendung der Kriterien, auch des Defizitkriteriums.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der KommaNull-Waigel!)

    Bei der Verwirklichung des sogenannten Defizitkriteriums steht die Bundesregierung jetzt vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik. Mit ihrer Weigerung, die Massenarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, mit ihrer Politik der Leistungskürzung und der Drosselung der Einkommen von Menschen führt die Bundesregierung unser Land im Ergebnis weiter von der Erfüllung der fiskalischen Kriterien weg.
    Denn die Mehrausgaben wegen des dramatischen Anwachsens der Arbeitslosigkeit und entsprechende Steuerausfälle schlagen sich im Haushalt nieder. Wenn Theo Waigel jetzt von den Kosten der Arbeitslosigkeit spricht: Meine Güte, das ist doch die

    Heidemarie Wieczorek-Zeul
    Arbeitslosigkeit, die Sie mit Ihrer Art der Politik der Leistungskürzungen zu verantworten haben!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Über Wochen hat Theo Waigel geleugnet, daß sich weitere klaffende Lücken in seinem Haushalt auftun. Jetzt muß er angesichts der neuen Steuerschätzungen einräumen, daß die SPD mit ihren Feststellungen - wie so häufig - recht hat und er - wie so häufig - seine Finanzplanung auf Sand gebaut hat. Wir warnen die Bundesregierung vor weiterer Flucht in Unehrlichkeit und Trickserei. Das würde die Verunsicherung in der Bevölkerung nur verstärken.

    (Beifall bei der SPD)

    Nur mit einem Nachtragshaushalt kann sie die Situation transparent machen und ihr Versagen zugeben. Nur mit einer konsequenten Umorientierung kann die fatale Abwärtsspirale von Leistungskürzungen, wachsender Massenarbeitslosigkeit und weiteren Haushaltslücken aufgehalten werden. Nur mit entschlossenen Maßnahmen zur Ankurbelung der Beschäftigung kann die Situation geändert werden. Das ist unser Appell, gerade an diesem heutigen Tag.
    Steuererhöhungen, um Theo Waigels verfehlte Politik durch die ohnehin bereits belastete Arbeitnehmerschaft bezahlen zu lassen - nein danke!

    (Beifall bei der SPD)

    Die SPD will die vertragsgemäße Verwirklichung der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion einschließlich des Zeitplanes aus den Gründen, die ich hier, glaube ich, sehr deutlich gemacht habe. Die Bundesregierung muß jetzt endlich sagen, wie sie sich aus der selbstgestellten Falle befreien will. Wenn sie selber die Verschiebung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, was Theo Waigel manchmal angedeutet hat, anstrebt, dann muß sie das offen sagen und auch dabei ihr Versagen vor der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland einräumen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theo Waigel.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Es werde Licht!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, Sie haben einen völlig falschen Zusammenhang zwischen der Zielsetzung von Maastricht und der Verwirklichung der Wirtschafts-und Währungsunion und der Konsolidierung hergestellt. Wenn Sie nämlich Konsolidierung kritisieren und sagen, dies stünde nicht im Zusammenhang mit den Zielsetzungen von Maastricht: Warum haben dann die Niederlande konsolidiert? Warum konsolidieren Dänemark und Schweden? Warum haben die Sozialisten in Frankreich ihre Politik der 80er Jahre grundsätzlich umgestellt und sind auf Stabilität umgeschwenkt und haben die Konsolidierung angepackt, sogar im Wissen darum, daß sie die letzte Parlamentswahl verloren haben? Insofern sind Sie die letzten Rückständigen, die von der sozialistischen Völkerwanderung übriggeblieben sind und noch nicht begriffen haben, daß Konsolidierung notwendig ist, um Stabilität und Wachstum zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ihr früherer Finanzminister Hans Apel hat mir gestern zugesagt, daß er einige Autorenexemplare an die Spitzenpolitiker der SPD versenden wird. Er war allerdings bei der Vorstellung seines Buches nicht sicher, ob das bei einigen von Ihnen Sinn macht; denn dazu gehöre eine gewisse Aufnahmefähigkeit. Die scheint nicht mehr voll gegeben zu sein.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wenn Sie nämlich in seinem Buch nachlesen, dann werden Sie erkennen, daß Konsolidierung und Defizitbekämpfung auch zum Dogma und zu der Wegweisung von Hans Apel gehören und daß es zu dem Weg keine Alternative gibt.
    Es ist schon ein starkes Stück, am Vormittag einer Diskussion die Konsolidierung anzugreifen und am Nachmittag die Defizite zu beklagen, wie es heute sicher wieder stattfinden wird. Das ist eine unehrliche Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben Helmut Schmidt zitiert. Ich respektiere das Engagement von Helmut Schmidt für Europa sehr. Er tut dies - obwohl wir in manchen Dingen anderer Meinung sind - mit großer Überzeugung und mit großer Autorität. Dafür bin ich ihm dankbar. Nur, Sie müßten schon noch wissen, Frau Wieczorek-Zeul, was Helmut Schmidt etwa 1980 oder 1981 in einer Fraktionssitzung der SPD gesagt hat.

    (Freimut Duve [SPD]: Wo der Waigel dabeigewesen ist!)

    - Nein, es gibt den genauen Wortlaut dessen, was er damals gesagt hat. Das paßt Ihnen nicht. Aber Sie können ihn heute nicht zitieren, ohne daran erinnert zu werden, daß er damals an Ihre Adresse gesagt hat: Wer mehr für Beschäftigung tun will, der muß auch tief in soziale Besitzstände eingreifen.
    Das hat er damals gesagt, und es ist richtig. Sie haben sich dieser Einsicht verweigert und sind deswegen damals gescheitert.
    Wer Konsolidierung heute ablehnt, wer nicht bereit ist, Besitzstände in allen Bereichen auf den Prüfstand zu stellen und eine Neuorientierung mit Ref ormen beim sozialen Umbau und beim Steuerrecht durchzuführen, der versagt sich der Wirklichkeit und versagt vor der Zukunft.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Sie haben noch immer nicht begriffen, Frau Wieczorek-Zeul, welchen Hauptgrund die Arbeitslosigkeit in Deutschland hat. Lesen Sie doch einmal, was der Internationale Währungsfonds dazu sagt. Er attestiert uns, daß 80 Prozent der Arbeitslosigkeit in Deutschland strukturelle Ursachen haben: weil der Arbeitsmarkt nicht flexibel genug ist, weil die Beschäftigungsabschlüsse, die Tarifpolitik nicht genügend darauf abgestellt waren und weil hier grundlegende Fehler gemacht worden sind.

    (Freimut Duve [SPD]: Wer regiert denn?)

    Wenn Sie das nicht begreifen, dann werden Sie zu einem entscheidenden Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht den notwendigen Beitrag leisten können.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Freimut Duve [SPD]: Seit wann sind Sie denn an der Regierung?)

    Was Steuern und Steuerdumping anbelangt, gebe ich Ihnen recht, Frau Wieczorek-Zeul. Es ist wahr, wir haben dies aufgegriffen: schon bei der Frage einer europäischen Harmonisierung der Zinsbesteuerung wie auch jetzt des Steuerdumpings. Im Januar hat es zum erstenmal eine, wie ich meine, sehr offene und ehrliche Diskussion im ECOFIN gegeben, wo auch andere Länder wie Belgien, die Niederlande und Luxemburg gesehen und eingeräumt haben, daß von dieser Politik niemand profitiert, sondern alle Schaden davontragen.
    Meine Damen und Herren, seit der Beantwortung der heute zur Beratung anstehenden Großen Anfragen ist über ein Jahr vergangen. Es war ein Jahr des Fortschritts auf dem Weg zum Euro.

    (Dr. Jürgen Meyer [Ulm] [SPD]: Bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit!)

    Die Vorbereitungen für die dritte Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sind auf europäischer Ebene zügig fortgesetzt worden.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gold-Theo!)

    Ich habe die zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages darüber mehrfach ausführlich informiert.
    Über alle noch offenen Fragen wurde auf dem Europäischen Rat in Dublin im Dezember vergangenen Jahres und beim informellen Treffen der EU-Finanzminister Anfang April im niederländischen Noordwijk eine Einigung erzielt. Am wichtigsten war sicherlich die Einigung auf eine dauerhafte Sicherung der im Maastricht-Vertrag vereinbarten Stabilitätsorientierung der Haushaltspolitik auch für die Zeit nach Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion.
    Ich hatte dazu im November 1995 mit meinem Vorschlag für einen Stabilitätspakt für Europa die Initiative ergriffen. In Dublin wurde hierfür die Bezeichnung „Stabilitäts- und Wachstumspakt" festgelegt und damit anerkannt: Gesunde Staatsfinanzen sind eine zentrale Bedingung für dauerhaftes Wachstum.
    Der Pakt präzisiert die haushaltspolitischen Bestimmungen des Maastricht-Vertrages; er macht sie anwendbar, berechenbar und nachprüfbar. Ein Frühwarnsystem wird die nationale Haushaltspolitik ständig überwachen.

    (Freimut Duve [SPD]: Mehr ein BrühwarmSystem!)

    Die Mitgliedstaaten streben mittelfristig Haushaltsziele nahe am Ausgleich oder sogar im Überschuß an.
    Die als Bedingung für den Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion festgelegten 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die öffentlichen Defizite werden als dauernde Obergrenze festgeschrieben. Ausnahmen sind nur in extremen Notsituationen möglich.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die haben Sie erreicht!)

    Bei einer Überschreitung der 3-Prozent-Obergrenze beginnt automatisch das Sanktionsverfahren.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bitter!)

    Die Dauer des Verfahrens ist kurz und klar definiert: Sanktionen binnen zehn Monaten nach Feststellung eines übermäßigen Defizits, falls der betreffende Mitgliedstaat keine wirksamen Maßnahmen zur Korrektur des Defizits ergreift.

    (Freimut Duve [SPD]: Waigel verliest sein eigenes Gerichtsurteil!)

    Die Sanktionen sind so festgelegt, daß sie schon im Vorfeld eine abschreckende Wirkung erzielen, damit die Überschreitung durch eine vernünftige Haushaltspolitik vermieden wird.
    Sie müssen einmal die Frage beantworten, ob Sie die Zielsetzung dieses Stabilitäts- und Wachstumspakts für richtig halten. Wir halten sie jedenfalls für einen großen Erfolg für das dauerhafte Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion und für die Akzeptanz in der Bevölkerung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Europäische Rat wird auf seinem nächsten Treffen im Juni in Amsterdam eine Entschließung zum Stabilitätspakt annehmen. Darin verpflichten sich die Mitgliedstaaten, die Kommission und der Rat, den EG-Vertrag und die Rechtsvorschriften über die Haushaltspolitik strikt anzuwenden.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Von welcher Haushaltspolitik redet er denn?)

    Danach wird der Ministerrat die beiden Verordnungen, mit denen der Stabilitätspakt rechtlich umgesetzt werden soll, verabschieden, nachdem das Europäische Parlament seine Stellungnahme dazu abgegeben hat.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Diese Rede hält er am Tag der Steuerschätzung!)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Die Verankerung des Stabilitätspakts im europäischen Gemeinschaftsrecht bietet große Vorteile. Sie zeigt: Die Verpflichtung zu dauerhafter Stabilitätsorientierung wird von allen Mitgliedstaaten getragen. Als Teil des Gemeinschaftsrechts ist der Stabilitätspakt unmittelbar anwendbar und geht nationalem Recht vor. Mit der Verankerung im Gemeinschaftsrecht unterliegt der Stabilitätspakt grundsätzlich auch der Gerichtsbarkeit des EuGH, was seine Durchsetzung erleichtert.
    Nach der Klärung auf europäischer Ebene müssen wir den Stabilitätspakt auch national verbindlich umsetzen. Ich habe dazu im Finanzplanungsrat schon vor längerer Zeit einen konkreten Vorschlag gemacht; jetzt sind die Länder am Zug.
    Zum Zeitpunkt der Beantwortung der Großen Anfragen im vergangenen Jahr befanden sich auch die Gespräche über ein mögliches Wechselkurssystem zwischen den Teilnehmern an der Währungsunion und den vorläufigen Nichtteilnehmern noch in einem frühen Stadium. Inzwischen haben sich die Finanzminister auch auf den Text einer Entschließung über einen neuen Wechselkursmechanismus, das sogenannte EWS II, geeinigt, die vom Europäischen Rat in Amsterdam angenommen werden soll. Diejenigen Mitgliedstaaten, deren Konvergenzbemühungen zu Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion noch nicht weit genug vorangeschritten sind, erhalten im eigenen Interesse den zusätzlichen Freiheitsgrad, den flexible Wechselkurse - falls erforderlich - gegenüber dem Euro bieten. Das EWS II wird dazu beitragen, den Binnenmarkt vor Wettbewerbsverzerrungen durch übermäßige Wechselkursschwankungen zu schützen. Es kann zudem helfen, die vorläufigen Nichtteilnehmer der WWU schrittweise an das Stabilitätsniveau der Währungsunion heranzuführen. Die spätere Aufnahme in die Währungsunion wird dadurch erleichtert. Es wird also niemand zurückgelassen; es droht keine Spaltung Europas.
    Die Euro-Länder bieten allen anderen einen Stabilitätsanker. Sie kennen die Grundelemente: bilaterale Leitkurse und relativ weite Bandbreiten, gegebenenfalls engere Bandbreiten in Abhängigkeit von Konvergenzfortschritten; Devisenmarktinterventionen seitens der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbank bei Erreichen der Bandbreiten. Dabei darf aber das Ziel der Sicherung der Preisstabilität nicht gefährdet werden. Ich halte es für einen großen Vorteil gegenüber dem gegenwärtigen EWS, daß die Europäische Zentralbank in die Lage versetzt wird, eine Einberufung der Sitzung der Finanzminister und der Zentralbankpräsidenten zur Beratung eines Realignment zu verlangen, wenn sie das für notwendig hält. Damit kann eine Weigerung, so etwas rechtzeitig zu tun - die ja auch mit großen politischen und volkswirtschaftlichen Kosten verbunden ist -, verhindert werden. Ich meine, auch das ist ein gewaltiger Fortschritt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Teilnahme an dem neuen System wird freiwillig sein. Jedoch ist gemäß EG-Vertrag eine Teilnahme Voraussetzung für die spätere Teilnahme an der Währungsunion. Wie bereits vom Europäischen
    Rat auf seiner Tagung in Madrid im Dezember 1995 beschlossen, wird die Entscheidung über die Teilnahme an der Währungsunion so früh wie möglich in 1998 auf der Basis der Ist-Daten für 1997 getroffen.
    Der folgende Zeitplan wurde jüngst von den Finanzministern erörtert. Im März 1998 werden die Europäische Kommission und das Europäische Währungsinstitut - letzteres unter tragender Mitwirkung der Bundesbank - ihre „Konvergenzberichte" vorlegen. Grundlage werden verläßliche Zahlen für 1997 und die Plandaten für die nationalen Haushalte 1998 sein. Auf der Basis dieser Konvergenzberichte wird die Stellungnahme des Europäischen Parlaments eingeholt. Gleichzeitig werden die nationalen Parlamente und damit auch der Deutsche Bundestag und der Bundesrat ausreichend Zeit haben, sich mit den Berichten gründlich auseinanderzusetzen.
    Bekanntlich haben der Bundestag und der Bundesrat in ihren Entschließungen zum Maastricht-Vertrag 1992 die Bundesregierung aufgefordert, beim Übergang zur dritten Stufe der WWU das zustimmende Votum des Parlaments einzuholen.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: So ist es!) Dies ist keine zweite Ratifizierung,


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    doch haben wir zugesagt, diesen Schritt nicht ohne die Rückendeckung der gesetzgebenden Gremien zu vollziehen.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Hoffentlich! Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das hat die SPD durchgesetzt!)

    Ich halte es für notwendig und für absolut erforderlich, einen so schwerwiegenden, wichtigen und zukunftsweisenden Akt auch mit der Unterstützung des Deutschen Bundestages zu vollziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das haben wir durchgesetzt! Gegen die F.D.P.!)

    Sobald wie möglich danach muß von den Teilnehmerstaaten die Europäische Zentralbank gegründet werden, damit diese zu Beginn der Währungsunion die gemeinsame Geldpolitik übernehmen kann.
    Meine Damen und Herren, die Vorbereitungen für die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion sind auf europäischer Ebene weitgehend abgeschlossen. Die Entscheidung über die Teilnahme wird zwar erst im Frühjahr 1998 getroffen, dennoch ist eine rechtzeitige nationale Vorbereitung für die Einführung des Euro in Gesetzgebung und öffentlicher Verwaltung notwendig.
    Das Bundeskabinett hat deshalb am 28. April 1997 den ersten Zwischenbericht des im Finanzministerium gebildeten Arbeitsstabes Wirtschafts- und Währungsunion gebilligt. Der Bericht ist unmittelbar nach der Kabinettsbefassung dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat zur Verfügung gestellt worden.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Dieser Bericht gibt erste Orientierungen für die Einführung des Euro in Gesetzgebung und öffentlicher Verwaltung, benennt aber auch noch offene Fragen. Diese betreffen vor allem die Verwendung von Euro beziehungsweise D-Mark in der Übergangszeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2001, in der Euro-Bargeld ja noch nicht verfügbar ist.
    In dieser Zeit sollen die Bürger und die Unternehmen ausreichend Zeit haben, sich an den Euro zu gewöhnen. Sie können den Euro ab dem 1. Januar 1999 verwenden, wenn sie sich mit ihrem jeweiligen Vertragspartner darüber einigen. Bargeldlose Zahlungen können ohnehin wahlweise in Euro oder D-Mark erfolgen. Das hat die deutsche Kreditwirtschaft durch ein Abkommen zum Inlandzahlungsverkehr bereits sichergestellt.
    Für die öffentliche Verwaltung nimmt der Bericht als Ausgangspunkt die möglichst einheitliche Umstellung zum 1. Januar 2002, also gleichzeitig mit der Einführung des Euro-Bargeldes. Damit soll sichergestellt werden: Im Verkehr mit der öffentlichen Verwaltung gibt es für die Bürger keine störende und verwirrende Dualität von Währungseinheiten.
    Allerdings gibt es noch offene Fragen bei der Euro-Verwendung an der Schnittstelle zwischen Bürger und Verwaltung. Dazu gehört zum Beispiel die Frage der Steuererklärung in D-Mark oder Euro. Hierzu wird es noch weitere Gespräche mit der Wirtschaft, den Sozialversicherungsträgern und der Finanzverwaltung geben.

    (Dr. Ingomar Hauchler [SPD]: Und was ist mit dem Defizit, Herr Waigel?)

    Meine Damen und Herren, die Freiheit einzelner Unternehmen und Bürger, schon früher zum Euro überzugehen, wird durch die spätere Umstellung der öffentlichen Verwaltung nicht eingeengt. Der Bericht empfiehlt, gesetzliche Behinderungen der Euro-Verwendung innerhalb des Privatsektors bereits zum 1. Januar 1999 zu beseitigen, um dort die fakultative Verwendung des Euro zu ermöglichen.
    So empfiehlt der Bericht, unter anderem folgende Möglichkeiten zu schaffen: Aktiengesellschaften sollen in Euro gegründet werden können oder Kapitalerhöhungen in Euro vornehmen können. Jahresabschlüsse der Unternehmen sollen auch in Euro erstellt werden können. Das interne Rechnungswesen der Unternehmen soll in Euro geführt werden können. Statistische Meldepflichten sollen frühzeitig in Euro erfüllt werden können.
    Mit diesem Szenario trägt die Bundesregierung den Anforderungen an unsere Bevölkerung und die deutsche Wirtschaft Rechnung. Mit diesen Dingen tragen wir mehr zur Glaubwürdigkeit und Akzeptanz bei als Sie, Frau Wieczorek-Zeul, mit Ihrer billigen Polemik gegen die Finanz- und Stabilitätspolitik dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Freimut Duve [SPD]: Ihre billige Politik ist ziemlich teuer! Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Herr der Löcher!)

    Meine Damen und Herren, nicht alle 15 Mitgliedstaaten der EU werden sofort den strengen Anforderungen des Vertrages und des Stabilitätspakts entsprechen können oder wollen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist wahr! Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Vor allem Niedersachsen!)

    Der Kreis der Mitglieder zu Beginn der Währungsunion wird kleiner als 15 sein. Die Entscheidung darüber trifft - wie bekannt - der Europäische Rat auf Vorschlag der Finanzminister erst Anfang Mai 1998. Bis dahin sind Spekulationen über den Teilnehmerkreis . müßig. Eines steht jedoch fest: Es gibt für niemanden eine automatische Teilnahme. Konvergenz bestimmt den Zeitplan für jedes einzelne Land.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gold oder nicht Gold!)

    Zur Diskussion der letzten Wochen darf ich wiederholen: Ich habe meine Ansicht dazu nie geändert. Wer jetzt eine permanente Diskussion über die Kriterien führt, der muß wissen, wo er am Schluß landet.

    (Lachen und Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Darum ist die strikte und stringente Einhaltung der Kriterien eine Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung. Dazu stehe ich.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) - Joseph Fischer

    [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
    Setzen! 6!)
    Deutschland ist sich seiner Verantwortung für den Start der Wirtschafts- und Währungsunion in 1999 bewußt. So senken wir die Staatsquote und die Defizite und schaffen Raum für Steuer- und Abgabensenkungen. Jeder Prozentpunkt sinkender Staatsquote steigert die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und des Staates.
    Die Schuldenstandsquote Deutschlands wird sich innerhalb des Planungszeitraums stabilisieren und wird zurückgehen. Ansatzpunkt für die Reduzierung der Quote ist der Abbau der öffentlichen Defizite. Wichtig für die Schuldenquote ist aber auch die BIP-Entwicklung.
    In den vergangenen Jahren hatte Deutschland im Zuge der Einheit zum Teil einmalige und in keinem anderen Land Europas zu findende Sonderlasten zu bewältigen. Allein dadurch stieg der Schuldenstand um fast 13 BIP-Punkte.
    Unabhängig von Maastricht müssen wir weiter sparen. Ich halte die Diskussion, daß die Konsolidierung, Zurückführung und Bekämpfung von Defiziten wegen Maastricht stattfindet, für falsch.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aber Sie schüren sie doch!)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Die Konsolidierung findet in unserem ureigensten Interesse statt, was ich immer wieder betont und worauf ich immer wieder hingewiesen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Jede gesparte D-Mark ist eine Investition in das 21. Jahrhundert. Meine Damen und Herren, es geht darum, durch grundlegende Strukturreformen die dynamischen Ausgabepositionen in den Griff zu bekommen.
    Mit der Wirtschafts- und Währungsunion - das gilt für uns, aber auch für alle anderen - kommt ein heilsamer zusätzlicher und notwendiger Anpassungsdruck auf den Standort Deutschland und auf andere Länder zu. Bei einer einheitlichen Währung müssen diejenigen Bereiche der Wirtschaft eine höhere Flexibilität aufweisen, die noch in nationaler Verantwortung bleiben. Dies gilt insbesondere für den Arbeitsmarkt. Schon heute ist nach einer Untersuchung des Internationalen Währungsfonds der größere Teil der Arbeitslosigkeit in Deutschland strukturell begründet.
    Der Anpassungsdruck liegt eindeutig auf der Angebotsseite der Volkswirtschaft. Erleichterung des Strukturwandels, Deregulierung, Steuer- und Abgabenentlastung werden deshalb noch stärker als bisher die Politik des Staates bestimmen. Darauf hat gestern Hans Apel bei der Vorstellung seines Buches hingewiesen, und es findet sich in seinem Buch ausdrücklich.
    Wissen Sie, was Anstand in der Politik ist? Es ist anständig, wenn ein Mann wie Hans Apel darauf verweist, wie hoch seine Defizite als Finanzminister in den Jahren 1974 bis 1978 gewesen sind. Er sagte: Die jetzigen Defizite von Theo Waigel sind im Verhältnis dazu nicht größer, obwohl er eine weitaus größere Aufgabe in den letzten Jahren zu bewältigen hatte. Das ist ein Vergleich, der Anstand zum Ausdruck bringt, während Ihre Politik zum Teil unanständig ist. .

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Sie können sich nur noch auf Sozialdemokraten beziehen!)

    Meine Damen und Herren, kurz vor der Jahrtausendwende steht Deutschland am Scheideweg.

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Ja!)

    Gewinnen wir die Zukunft, oder gehören wir zu den Verlierern? Keiner darf sich dieser Verantwortung entziehen.

    (Dr. Jürgen Meyer [Ulm] [SPD]: Sehr gut!)

    Auch Sie können das in Ihrer nationalen Politik nicht. Sie werden sich auf die Dauer den notwendigen Maßnahmen und den notwendigen Reformen in der Finanzpolitik, in der Steuerpolitik und in der Sozialpolitik nicht entziehen können.
    Arbeitsplätze von morgen erfordern Reformbereitschaft heute.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dazu stehen wir. Dazu haben wir die Vorbereitungen getroffen, und zwar international, europäisch und national. Wir werden unserer Aufgabe gerecht werden.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)