Rede von
Angelika
Beer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Keine zwei Wochen ist es her, daß der Urteilsspruch im Mykonos-Prozeß erfolgte. Nun müssen wir feststellen, daß die Bundesregierung vier einsatzfähige ausgemusterte U-Boote und dazu gleich noch ein Ersatzteillager, nämlich ein fünftes ausgemustertes U- Boot, an das autoritäre Regime des Kanzlerfreundes Suharto liefern will. Die deutschen Außen- und Militärpolitiker haben also ihre Büßergewänder wieder abgelegt und in den Schrank gehängt, der Geschäftsalltag ist zurückgekehrt, das deutsche „Business as usual" mit den Diktaturen und autoritären Regimen in der Welt beginnt von neuem.
Es ist uns inzwischen fast schon peinlich, daß wir die Bundesregierung darauf hinweisen müssen, daß tagtäglich Menschenrechtsverletzungen über die Medien und über Menschenrechtsorganisationen bekannt werden. Gestern meldete dpa zum Beispiel, daß ein weiterer indonesischer Oppositioneller wegen angeblich subversiver Tätigkeiten zu einer vierjährigen Haft verurteilt wurde. Ihm wird vorgeworfen, im Jahr 1996 an einer friedlichen Demonstration gegen die Regierung Suharto teilgenommen zu haben. Erinnern Sie sich? Das waren jene Demonstrationen, die stattfanden, als das indonesische Militär den Einsatzbefehl bekam, gegen friedliche Bürgerinnen und Bürger Indonesiens zu marschieren.
Im Vorfeld des am kommenden Sonnabend beginnenden Wahlkampfes drohte der Sprecher der Sicherheitspolizei - ein Brigadegeneral - bereits damit, zu schießen, wenn es zu weiteren Protestveranstaltungen kommen sollte. Das Demokratieverständnis der liberalen Partei offenbarte der Kollege Westerwelle auf die ihm eigene brillante Art und Weise, als er sich von den friedlich demonstrierenden Kumpels vor der F.D.P.-Parteizentrale in Bonn bedroht fühlte.
Ich möchte einige Tatsachen in Erinnerung rufen, die Sie nur allzu gerne vergessen, sobald die Industrie ihr Interesse daran anmeldet, daß die Bundesregierung eine ihrer geschätzten „Profitbutterfahrten" organisiert.
Es ist bekannt, daß die demokratische Opposition in Indonesien verfolgt und bedroht wird, daß die Demonstrationen mit militärischer Unterstützung aufgelöst und niedergeschlagen werden, daß die indonesische Regierung Ost-Timor völkerrechtswidrig seit Jahren besetzt hält, daß seitdem etwa 200 000 Menschenleben zu beklagen sind - meine Damen und Herren, das ist nicht irgendein Spaß, sondern genau das, was das Bundesverteidigungsministerium ignoriert, wenn es darum geht, neue Waffengeschäfte einzufädeln - und daß die Bundesregierung das Militärregime trotz allem immer weiter unterstützt.
Der Bundesregierung scheint aber nicht bekannt zu sein, daß die UNO-Menschenrechtskommission Indonesien auf Grund der anhaltenden massiven Menschenrechtsverletzungen in Ost-Timor in der letzten Woche verurteilt hat.
Ebenso scheint sie es zu ignorieren, daß die Kandidatur der Oppositionsführerin Megawati verhindert wurde; sie darf bei den am 29. Mai 1997 bevorstehenden Wahlen nicht kandidieren.
Der Friedensnobelpreisträger und indonesische Oppositionelle José Ramos-Horta hat die Europäische Union aufgefordert, sich aktiv für einen Friedensprozeß in Indonesien einzusetzen. Wir erwarten von der Bundesregierung Rechenschaft, ob sie die Vorschläge für eine friedliche Lösung unterstützen will und, falls ja, wie es damit zu vereinbaren ist, daß der Bundessicherheitsrat - es ist peinlich, daß das Auswärtige Amt heute nicht hier vertreten ist -
durch die Legitimierung von weiteren Kriegswaffengeschäften eine aktive Unterstützung des SuhartoRegimes betreibt.
Zum Schluß. Wir befürchten, daß der neue Rüstungsdeal mit diesem diktatorischen Regime ein weiteres Indiz dafür ist, daß zukünftig die bisherige Floskel der sogenannten Sorge um die Menschenrechtssituation in China, im Iran, in der Türkei oder in Indonesien ad acta gelegt wird, um sich offen zu einer von wirtschaftlichen Interessen diktierten Außenpolitik zu bekennen.
Wir fordern Sie auf: Stoppen Sie jegliche Art der Rüstungskooperation mit Indonesien! Beschränken Sie sich nicht auf das Angeln des Kanzlers mit dem Diktator, um neue Geschäfte einzufädeln! Setzen Sie sich für eine Demokratisierung und die Zulassung von Frau Megawati ein! Beenden Sie diesen unkritischen Dialog mit einem Diktator, der Anfang März ankündigte, er werde allen das Genick brechen, die ihn vom Thron stürzen wollen! Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist für dieses Haus nicht tragbar. Die Bundesregierung muß ihre Politik ändern und jede Art der Rüstungskooperation beenden.
Vielen Dank.