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    Plenarprotokoll 13/173 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 173. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. April 1997 Inhalt: Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1999 (Drucksache 13/7480) . . . 15589 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 15589 B Joachim Poß SPD 15596 A Friedrich Merz CDU/CSU 15599 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15602 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 1560 7A Joachim Poß SPD 15608 D Dr. Gregor Gysi PDS 15610 B Rudolf Scharping SPD 15612 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 15617 C Detlev von Larcher SPD 15620 B Rudolf Scharping SPD . . . . 15622 A, 15623 A Michael Glos CDU/CSU 15622 D Dr. Barbara Höll PDS 15624 D Gisela Frick F.D.P 15626 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 15627 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 15628 B Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Monika Knoche, Volker Beck (Köln), Manfred Such und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Humanisierung der Drogenpolitik (Teil III) - Legalisierung von Cannabis (Drucksache 13/4480) 15631 A b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (Drucksache 13/4982) . . 15631 A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15631 B Hubert Hüppe CDU/CSU 15632 C Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15633A, 15639B, 15642A Heigrit Fischer-Menzel, Senatorin (Hamburg) 15634 D Hubert Hüppe CDU/CSU 15635 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 15636 B Ulla Jelpke PDS 15637 C Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 15638 C Johannes Singer SPD 15640 C Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 15642 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Verkauf von fünf ausgemusterten U-Booten der Bundesmarine an Indonesien 15643 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15644 A Erich G. Fritz CDU/CSU 15644 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 15645 C Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 15646 A Steffen Tippach PDS 15647 A Dr. Klaus Rose, Parl. Staatssekretär BMVg 15648 A Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15649A Andreas Krautscheid CDU/CSU . . . 15650 B Uta Zapf SPD 15651 A Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 15652 B Herbert Meißner SPD 15653 B Jochen Feilcke CDU/CSU 15654 A Brigitte Schulte (Hameln) SPD 15654 D Nächste Sitzung 15656 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15657* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Christa Luft (PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Mieter von Geschäftsraum in den Ländern Berlin und Brandenburg . 15657* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 15658* A Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1997 15589 173. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. April 1997 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 25.4. 97 Antretter, Robert SPD 25. 4. 97 * Behrendt, Wolfgang SPD 25. 4. 97 Bindig, Rudolf SPD 25. 4. 97 * Blunck, Lilo SPD 25.4. 97 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 25. 4. 97 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 25. 4. 97 * Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 25.4. 97 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 25.4. 97 * Freitag, Dagmar SPD 25. 4. 97 Gansel, Norbert SPD 25. 4. 97 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 25. 4. 97 Hoffmann (Chemnitz), SPD 25. 4. 97 Jelena Horn, Erwin SPD 25. 4. 97 * Junghanns, Ulrich CDU/CSU 25. 4. 97 * Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 25. 4. 97 Koppelin, Jürgen F.D.P. 25. 4. 97 Lange, Brigitte SPD 25. 4. 97 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 25. 4. 97 ' Erich Marten, Günter CDU/CSU 25. 4. 97 * Mattischeck, Heide SPD 25. 4. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 25. 4. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 25. 4. 97 * Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 25. 4. 97 90/DIE GRÜNEN Rupprecht, Marlene SPD 25. 4. 97 Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 25. 4. 97 Schaich-Walch, Gudrun SPD 25. 4. 97 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 25. 4. 97 von Schmude, Michael CDU/CSU 25. 4. 97 * Schönberger, Ursula BÜNDNIS 25. 4. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Sperling, Dietrich SPD 25. 4. 97 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25. 4. 97 Steen, Antje-Marie SPD 25. 4. 97 Such, Manfred BÜNDNIS 25. 4. 97 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 25. 4. 97 * Wallow, Hans SPD 25. 4. 97 Welt, Jochen SPD 25. 4. 97 Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 25. 4. 97 Wohlleben, Verena SPD 25. 4. 97 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 25.4. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 25. 4. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Christa Luft (PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Mieter von Geschäftsraum in den Ländern Berlin und Brandenburg (Tagesordnungspunkt 18c) *) Erlauben Sie mir als einer Berliner Abgeordneten in aller Kürze eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten zu der uns vorliegenden Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, die hier von den Koalitionsabgeordneten angenommen und Leben und Arbeit vieler Berlinerinnen und Berliner tangieren wird. Ich lehne die vorliegende Beschlußempfehlung erstens ab, weil - wie in Ausschußberatungen geschehen - ein einfacher Vergleich zwischen Berlin und anderen Ballungszentren der Bundesrepublik unzulässig ist, weil Analogieschlüsse sich verbieten. Selbst nach den Zahlen des Ringes Deutscher Makler liegt das Gewerberaum-Mietniveau sogar in den Berliner Nebenkernen immer noch um ca. 10 Prozent über den Mieten in Frankfurt/Main und München, in den Stadtteil-Zentren das Vielfache davon. Auch ist die Eigentumsquote bei Gewerberäumen des Berliner Handwerks mit 12 Prozent sehr niedrig, weshalb hohe Gewerberaummieten die Kosten überproportional belasten. Ich lehne die Beschlußempfehlung zweitens ab, weil die anhaltende Verdrängung mittelständischer Einzelhandels- und Handwerksbetriebe aus den Stadtteilzentren weitreichende Auswirkungen hat auf die Qualität der Nahversorgung der Bevölkerung und auf das Nebeneinander von Wohnen, Handel und Handwerk. Diese urbane Mischung, die die Berliner Stadtteile Jahrzehnte geprägt hat, ist in Gefahr. Die kleinen und mittleren Betriebe können den Kostendruck nicht in gleichem Maße wie größere Unternehmen und besonders große Kaufhausketten auffangen. Sie sind ja obendrein mit schlechter Zahlungsmoral privater und öffentlicher Auftraggeber konfrontiert. Drittens lehne ich die Beschlußempfehlung ab, weil sich mir überhaupt nicht erschließt, welche Impulse für Wachstum und Beschäftigung von der Verweigerung eines zeitweiligen Schutzes von Mietverhältnissen und der zeitweiligen Bindung von Gewerberaummieten ausgehen sollen. Das aber ist doch angeblich die Meßlatte für das Handeln der Koalition. Im Gegenteil: Es werden weitere Pleiten produziert, Existenzgründungen erschwert oder verhindert, noch mehr Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit getrieben. Nach einer jüngsten Umfrage sehen sich allein 40 Prozent der Einzelhändler in den östlichen Stadtbezirken Berlins durch Gewerberaummietenentwicklung in ihrer Existenz bedroht. *) Vgl. Plenarprotokoll 13/166, Seite 14961 D Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sind also wieder dabei, sich ein Eigentor zu schießen. Völlig kurios wird es, wenn der CDU-Wirtschaftssenator von Berlin sich an die PDS-Abgeordneten wendet, den Gesetzentwurf des Bundesrates zum Schutz der Mieter von Geschäftsraum in den Ländern Berlin und Brandenburg nicht scheitern zu lassen. Nicht weil es mich plötzlich mit einem CDU-Politiker in ein Boot zieht, stimme ich gegen die vorliegende Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, sondern weil eine Koalition der Vernunft hier geboten wäre und nicht parteipolitische Engstirnigkeit. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung - Unterrichtung durch die Präsidentin des Deutschen Bundestages Bericht der Präsidentin des Deutschen Bundestages über die Entwicklung der Bezüge der hauptberuflichen Amts- und Mandatsträger auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene sowie bei öffentlichen Einrichtungen - Drucksache 13/6637 - Ausschuß für Wirtschaft - Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 1996/97 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache 13/6200 -- Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahreswirtschaftsbericht 1997 der Bundesregierung Reformen für Beschäftigung" - Drucksache 13/6800 - Ausschuß für Verkehr - Unterrichtung durch die Bundesregierung Straßenbaubericht 1996 - Drucksachen 13/5850, 13/6153 Nr. 3 -
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    Rede von Joachim Poß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe, Herr Bundesfinanzminister, ein gewisses Verständnis für Ihre Rundumschläge gegen die SPD nach den vergangenen schweren Jahren in Ihrem Amt als Bundesfinanzminister. Wenn ich an die vergangenen, schweren Wochen in Ihrem Amt als CSU-Vorsitzender denke, habe ich schon ein gewisses Verständnis dafür, daß Sie gelegentlich nicht nur die Übersicht, sondern auch noch die Contenance verlieren.

    (Beifall bei der SPD Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Billig!)

    Das haben Sie hier eindrucksvoll demonstriert.
    Sie sagen, Sie hätten mit einem sachkundigen Sozialdemokraten gesprochen;

    (Zuruf von der F.D.P.: Den gibt es nicht!)

    ich habe kürzlich auf NTV den CSU-Parteitag beobachtet und die Rede von Herrn Stoiber, Ihrem bayerischen Parteifreund, zum Beispiel zu dem Problem Besteuerung von Zuschlägen und Renten gehört. Da hat er in der Sache den Sozialdemokraten recht gegeben. Vielleicht sollten Sie sich einmal mit Ihrem bayerischen Parteifreund Stoiber zusammensetzen und nicht nur mit von Ihnen nicht namentlich genannten sachkundigen Sozialdemokraten, Herr Bundesfinanzminister!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie haben von der Weigerung der SPD gesprochen, die Steuerreform zügig umzusetzen. Das ist das Gegenteil der Wahrheit. Sie haben doch erst am Dienstag im Kabinett und in den Koalitionsfraktionen den Jumbo beschlossen. Heute findet mit unserer Zustimmung schon die erste Lesung statt. Im Finanzausschuß haben wir einstimmig einen Zeitplan verabredet, der Sondersitzungen des Finanzausschusses im Mai und im Juni vorsieht. Wenn Wochen verloren gegangen sind, liegt das doch an der Regierung und nicht an der SPD.

    (Beifall bei der SPD) Verdrehen Sie also bitte nicht die Fakten.

    Wenn ich dann noch lese, daß Herr Schäuble die gesamte Reform auf 1999 verschieben will, kann ich doch wohl davon ausgehen, daß wir Beratungszeit haben. Oder ist jetzt etwa Herr Schäuble der Verzögerer? Dabei hat doch die F.D.P. schon plakatiert: Wer zu spät senkt, den bestraft das Leben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir bekommen heute einen Gesetzentwurf mit einem Finanzierungsloch von 57 Milliarden DM vorgelegt. Man muß sich das einmal vorstellen: 57 Milliarden DM! Noch keine Bundesregierung hat es bisher gewagt, einen solchen Gesetzentwurf im Bundestag vorzulegen. Für jeden Vorgänger von Herrn Waigel wäre dies ein Anlaß gewesen zurückzutreten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Aber der Finanzminister selbst schlägt einen solchen Gesetzentwurf mit einem riesigen Loch vor. Man müßte Herrn Waigel dieses selbst dann vorwerfen, wenn er als Kassenwart in eine volle Kasse gegriffen hätte. Aber die Kasse ist längst leer. Herr Waigel macht schon lange zu Lasten Dritter Schulden. Das sind nicht die Schulden dieser Generation, das sind Schulden unserer Kinder! Dies ist der Skandal.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie haben es gerade nötig, in diesem Zusammenhang von Kostgängern zu reden. Wenn einer der teuerste Kostgänger dieser Nation zu Lasten der Bürger ist, dann sind es doch Sie, Herr Waigel.

    (Beifall bei der SPD Eduard Oswald [CDU/CSU]: Keine Inhalte! Völlig inhaltslos!)

    Die Steuer- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung ist von Grund auf unseriös. Immer wieder redet sie anders, als sie handelt - und das immer gleichzeitig.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Und so etwas nennt sich Sprecher!)

    Jahrelang haben Sie zum Beispiel die Forderungen der SPD nach gezielten Investitionsprogrammen zur Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen in ideologischer Verbohrtheit als keynesianisches Teufelszeug abgetan. Erst wenige Wochen ist es her, daß Kanzler Kohl ein Investitionsförderprogramm verkündet, das in dieser Form von der SPD gefordert wurde. Für die Wirtschaft und für die Arbeitsplätze wäre es besser gewesen, Sie wären unserem Vorschlag schon eher gefolgt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    In ihren Sonntagsreden sprechen CDU/CSU und F.D.P. gleichermaßen davon, daß sie bereit sind, sich den umweltpolitischen Herausforderungen zu stellen und die ökologische Modernisierung unserer Gesellschaft voranzubringen. Wenn es dann darum geht, wirklich etwas zu tun, lehnen Sie im Deutschen Bundestag jeden konkreten Vorschlag der SPD oder auch der Grünen rigoros ab. CDU/CSU und F.D.P. reden davon, daß die Verschuldung nicht weiter steigen darf, legen aber einen Steuerreformentwurf vor, der zwangsläufig zur Folge hat, daß die Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden sprunghaft in die Höhe getrieben wird.

    Joachim Poß
    Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie reden ständig davon, daß unsere Wirtschaft verläßliche Rahmenbedingungen braucht. Das ist auch richtig. Ihre Steuer- und Finanzpolitik leistet hierzu jedoch nicht den geringsten Beitrag.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Gegenteil. Denken Sie doch nur an das Hin und Her um die Rückführung des Solidaritätszuschlags. Der Fraktionsvorsitzende der F.D.P., Herr Sohns, hatte, wie Sie sich erinnern, seinen Schnauzer verwettet, daß der Solidaritätszuschlag bereits 1997 in einem ersten Schritt zurückgeführt wird. Wie Sie alle wissen, wurde daraus nichts. Der Soli ist noch in voller Stärke da und der Schnauzer von Henn Solms, wie Sie alle sehen können, auch noch.
    Bundeskanzler Kohl hat im Sommer vergangenen Jahres versprochen, bis Ende 1999 sei der Solidaritätszuschlag endgültig weg.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie doch mal was zur Sache, Herr Poß!)

    Herr Kohl hat nicht gewettet. Er weiß, warum. Wir alle wissen: Den Solidaritätszuschlag wird es noch viele Jahre geben. Sie kündigen ständig Dinge an, die nicht geschehen. Kein Wunder, daß die Wirtschaft und die Bevölkerung Ihre Politik nicht mehr ernst nehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf setzen Sie diese unseriöse Ankündigungspolitik fort. Bei der Anhörung zum ersten Teil der Steuerreform in der letzten Woche haben sich die Sachverständigen zu den Beschäftigungswirkungen der Steuerreform geäußert. Mit der vorgezogenen ersten Stufe wollen Sie kurzfristig Arbeitsplätze schaffen. Die Sachverständigen haben übereinstimmend festgestellt, daß dieses Ziel glatt verfehlt wird. Herr Professor Walter von der Deutschen Bank hat sogar von einer Mogelpackung gesprochen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung schätzt den „Impuls" für das Wirtschaftswachstum auf nicht mehr als 0,1 Prozent.
    Damit steht fest: Wertvolle Zeit wird nutzlos für eine Reform vertan, die diesen Namen nicht verdient. Vertane Chancen können aber auch nicht mit dem zweiten Teil des Steuerpakets wettgemacht werden. Statt dessen hat sich das RWI dafür ausgesprochen, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze vor allem eine Senkung von Sozialbeiträgen vorzunehmen. Die Reduzierung der Sozialbeiträge sei beschäftigungspolitisch effizienter und würde das Entlastungsprofil stärker zugunsten unterer und mittlerer Einkommensgruppen verschieben, also zugunsten der Gruppen, die durch die deutsche Einheit, in Zahlen nachgewiesen, besonders belastet werden. Die Reduzierung der Sozialbeiträge ist genau das, was die SPD will, und zwar zum 1. Juli 1997.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies haben wir auch in den Gesprächen mit Ihnen
    gefordert. Der Bundeskanzler hatte bereits angekündigt, daß er ebenfalls zu einer Senkung der Lohnnebenkosten bereit sei. Darüber hätten wir reden können und reden sollen.
    Ich halte es für unverantwortlich, daß Sie den Konsens in zentralen Fragen der Steuer- und Finanzpolitik jetzt verweigern. Sie sind zur Kooperation auch dort nicht bereit, wo wir uns schnell einigen könnten. Ich nenne in diesem Zusammenhang neben den Lohnnebenkosten die Senkung des Eingangssteuersatzes. Wir wollen eine deutliche Senkung, und Sie wollen eine. Dennoch sind Sie nicht bereit, mit uns gemeinsam in diesem Punkt eine Lösung zu suchen. Die Senkung des Eingangssteuersatzes ist ein zentrales Element für einen neuen, leistungsorientierten Steuertarif. Warum waren Sie nicht bereit, im Kanzleramt mit uns über diesen Punkt zu sprechen?

    (Beifall bei der SPD)

    Wir Sozialdemokraten wollen den Grundfreibetrag auf 14 000 DM für Ledige und 28 000 DM für Verheiratete erhöhen. Damit wird das Existenzminimum eines Erwachsenen im Jahre 1999 zweifelsfrei und verfassungsfest steuerfrei gestellt. Darüber soll kein Konsens möglich sein? Sie verweigern sich an dieser Stelle, meine Damen und Herren von der Koalition. Sie sind nicht bereit, Kompromisse einzugehen. Wer nicht bereit ist, Kompromisse einzugehen, erreicht gar nichts.

    (Beifall bei der SPD)

    Weil der Bundeskanzler offensichtlich keine Verhandlungsvollmacht von der F.D.P. bekam, war Ihre Koalition zu einem Konsens nicht bereit. Sie sind wegen Ihrer inneren Zerissenheit zu einem Konsens nicht einmal fähig.

    (Beifall bei der SPD)

    Fähig und einig sind Sie in der Koalition nur, wenn es darum geht, großspurig Steuersenkungen zu versprechen und nach den jeweiligen Wahlen beim Steuerzahler zu kassieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies ist die Kontinuität der Bundesregierung in der Steuerpolitik: Steuersenkungsversprechen und Steuerlügen als Mittel der Politik.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Beschäftigungspolitik war und ist Ihnen immer weniger wert als die Absicht, die Wähler mit Steuersenkungen vor der Wahl zu täuschen, um hinterher die Steuern zu erhöhen. Nicht umsonst sind Steuerlügen das Markenzeichen dieser Koalition und dieses Bundeskanzlers.

    (Beifall bei der SPD)

    Und jetzt ist zu lesen, daß Herr Schäuble überlegt, die gesamte Steuerreform auf das Jahr 1999 zu verschieben. Unsere Bemühungen waren darauf gerichtet, eine Steuerreform schon zum 1. Januar 1998 wirksam werden zu lassen und nicht bis zum Jahre 1999 zu warten. Uns ging und geht es darum, Attentismus zu vermeiden und die Wirkung der Steuerreform, nämlich Klarheit über die Rahmenbedingungen, die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und niedrigere Steuersätze für die Wirtschaft, für Ar-

    Joachim Poß
    beitnehmer und Familien, so früh wie möglich herzustellen.
    Wir Sozialdemokraten haben darauf gesetzt, daß der Bundeskanzler ein Verhandlungsmandat für die Koalition bekommen würde. Dies war ein Irrtum. Wir sind davon ausgegangen, daß der Bundeskanzler die Zustimmung seiner Koalition für wirksame und sinnvolle Maßnahmen bekommen würde. Wir haben allerdings auch die Rolle des Fraktionsvorsitzenden Schäuble unterschätzt, der von Anfang an in mehreren Interviews gesagt hat, daß für die Bezieher der kleinen Einkommen diesmal nichts drin sei.
    Die Tatsache, daß der Bundeskanzler bei dem letzten Gespräch schon um 9.05 Uhr feststellte - „Lassen Sie uns heute feststellen, was festzustellen ist", sagte er-, daß aus seiner Sicht die Gespräche gescheitert seien, und die Tatsache, daß Sie die Presseerklärung über das Scheitern schon vorher geschrieben haben, beweisen, daß Sie keinen Konsens wollten, und zwar aus parteitaktischen Gründen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, eine Steuerreform, die nicht solide finanziert ist, ist keine Steuerreform. Ihr Gesetzentwurf macht unser Steuerrecht nicht einfacher und nicht gerechter. Statt dessen reißen Sie in die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden neue, riesige Finanzlöcher.
    Sie sprechen immer von 30 Milliarden DM Nettoentlastung. Tatsächlich aber fehlen nach Ihren eigenen Angaben im Jahre 1999 57 Milliarden DM. Dazu kommt noch, Herr Minister, daß die bisherigen Steuereinnahmen dieses Jahres erkennen lassen, daß nach der anstehenden Mai-Schätzung für die Jahre 1997 bis 2001 schon für das laufende Jahr etwa 20 Milliarden DM für Bund, Länder und Gemeinden fehlen werden. Diese Steuerausfälle werden in den folgenden Jahren sogar noch höher sein.
    Bei dieser dramatischen Haushaltslage sind 30 Milliarden DM Nettoentlastung und damit 30 Milliarden DM höhere Schulden für Bund, Länder und Gemeinden unverantwortlich.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie wissen ganz genau, Herr Waigel, daß Ihr bayerischer Parteifreund, Ministerpräsident Stoiber, das in keinem Fall mitmachen wird.
    Sie rechtfertigen die im Gesetzentwurf vorgesehene Nettoentlastung in Höhe von 30 Milliarden DM mit dem sogenannten Selbstfinanzierungseffekt. In diesem Zusammenhang verweisen Sie, wie heute morgen, gern auf US-Erfahrungen unter Reagan.

    (Zuruf des Abg. Otto Schily Herr Huber hat sich vorsichtshalber schon verflüchtigt. Noch vor einem Jahr waren Sie ganz anderer Meinung. Mit Blick auf die Steuervorschläge Ihres Kollegen Uldall stellten Sie damals kurz und knapp fest, daß eine genaue Analyse der brachialen Steuersenkungspolitik, mit der einst Reagan in den USA fiskalischen Schiffbruch erlitten habe, Uldall von vornherein hätte davon abhalten müssen, ausgerechnet in Deutschland einen neuen Aufguß der gescheiterten US-Steuerreform zu propagieren. Ich möchte dem Waigel '96 ausnahmsweise ausdrücklich zustimmen und dem Waigel '97 sagen, daß seine Selbstfinanzierungsvorstellungen schon des halb nicht aufgehen können, weil von der angekündigten Mehrwertsteuererhöhung mit einem Volumen von 15 bis 16 Milliarden DM dämpfende Effekte auf Konjunktur und Wachstum ausgehen, die einen möglichen Selbstfinanzierungseffekt wieder weitgehend zunichte machen. Bezeichnend ist allerdings, daß die Bundesregierung diese Mehrwertsteuererhöhung nicht in ihren Gesetzentwurf aufgenommen, sondern in einer Fußnote versteckt hat. Meine Damen und Herren, unter dem Deckmantel der Steuersystematik hat die Koalition offenbar nur Belastungen für Arbeitnehmer im Visier. Das zeigt insbesondere die Besteuerung der Lohnzuschläge. Sie wird in der Gesetzesbegründung neben der Systematik auch damit gerechtfertigt man höre -, daß die Steuerfreistellung der Lohnzuschläge die Lohnabrechnungen durch den Arbeitgeber verkompliziere und für den betroffenen Arbeitnehmer offenbar nicht mehr durchschaubar sei. Die Bundesregierung als Wahrer von Arbeitnehmerinteressen einfach grotesk! Mit der vorgesehenen Besteuerung der Zuschläge sowie der drastischen Reduzierung der Kilometerpauschale wird Kohls Steuerpaket für viele Arbeitnehmer unter dem Strich keine Steuerentlastung, sondern ganz erhebliche Mehrbelastungen bringen. (Gisela Frick [F.D.P.]: Das stimmt doch gar nicht!)


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    (Beifall bei der SPD)

    Ausgerechnet die Leistungsträger, die Männer und Frauen, die jeden Tag ins Büro oder in die Fabrik gehen, werden so nicht nur nichts von der Steuerreform haben, sondern sie müssen statt dessen sogar ganz kräftig draufzahlen.
    Das, was ich jetzt vortrage, orientiert sich an Ihren Zahlen sowie an der Auswertung von Fragen und Antworten. Ein verheirateter Chemiefacharbeiter mit zwei Kindern, einem Bruttolohn von 55 000 DM im Jahr plus Schichtzuschlägen von 9 000 DM im Jahr sowie einer Entfernung zum Arbeitsplatz von 30 Kilometern müßte unter dem Strich jährlich 3 253 DM mehr Steuern und Sozialabgaben zahlen. Ein lediger Facharbeiter in der Druckindustrie mit einem Bruttolohn von 75 000 DM im Jahr plus Schichtzuschlägen von 10 000 DM im Jahr sowie einer Entfernung zum Arbeitsplatz von 40 Kilometern hätte sogar eine Mehrbelastung von 3 854 DM zu tragen. Dabei sind die Belastungen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer bei einem Haushalt mit einem verheirateten Paar und zwei Kindern in Höhe von 300 bis 400 DM

    Joachim Poll
    im Jahr noch gar nicht mitberücksichtigt. Das sind immense Mehrbelastungen für Arbeitnehmer, die wichtige Leistungsträger unserer Gesellschaft sind.
    Hat denn dann Herr Stoiber nicht recht, wenn er in diesem Zusammenhang die Frage stellt, ob diese und andere Vorschläge mit dem Charakter einer Volkspartei noch zu vereinbaren sind?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Insgesamt fällt die Bilanz der Gesetzentwürfe der Koalition zur Steuerreform daher vernichtend aus:
    Erstens. Es gibt keine zusätzlichen Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven.
    Zweitens. Die Bezieher hoher Einkommen werden massiv begünstigt.
    Drittens. Ihr Konzept treibt die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden in eine unverantwortliche Verschuldung.
    Wir Sozialdemokraten wollen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Sozialabgaben schon zum 1. Juli dieses Jahres senken. Wir wollen eine Steuer- und Abgabenreform aus einem Guß. Wir haben ein Reformkonzept, das für mehr Arbeitsplätze sorgt, das sozial gerecht ist und das solide finanzierbar ist.

    (Beifall bei der SPD Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wo ist das Konzept denn?)

    Wir setzen dabei an zwei wirtschaftspolitisch entscheidenden Punkten an. Durch jahrelange Reallohnverluste und durch die Rekordbelastung der Arbeitnehmer mit Steuern und Abgaben hat die Bundesregierung mit ihrer falschen Politik die Binnenkonjunktur geschwächt. Die SPD will deshalb die Kaufkraft durch Steuersenkungen für Arbeitnehmer und Familien stärken. Nur wenn die Nachfrage steigt, werden die Unternehmen in neue Arbeitsplätze investieren. Allererste Priorität haben deshalb für uns die Verbesserung des steuerlichen Grundfreibetrages, die spürbare Senkung des Eingangssteuersatzes auf unter 20 Prozent und die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs durch eine Anhebung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind um 30 DM.
    Das bringt für eine Familie mit zwei Kindern jährlich eine Entlastung von 1700 DM. Deswegen merken Sie sich, meine Damen und Herren von der Koalition: Eine sozial gerechte Steuerreform ist die wachstumsfreundlichste Steuerreform.

    (Beifall bei der SPD)

    Die steigenden Sozialbeiträge verteuern die Arbeit und vernichten Arbeitsplätze. Deshalb will die SPD eine Senkung der Sozialabgaben im Rahmen einer ökologischen Steuerreform. Die Beitragssenkung entlastet Arbeitnehmer und Unternehmen, stärkt die Kaufkraft und verringert die Arbeitskosten. Wie lange wollen sich eigentlich die Volksparteien CDU und CSU von der Klientelpartei F.D.P. vorführen lassen?

    (Beifall bei der SPD)

    Solange sie das weiter machen, wird es in den zentralen Fragen der Finanzpolitik im Vorfeld keinen Konsens geben können.
    Ich will es ganz deutlich sagen: Es sind nicht Klientelparteien, die für die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung zu sorgen haben.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr!)

    In einer Situation mit erheblichen strukturellen Veränderungen in dieser Gesellschaft, die unausweichlich sind, ist es Aufgabe von Volksparteien, Innovationen zu fördern, die Modernisierung voranzutreiben und gleichzeitig die soziale Symmetrie zu wahren.

    (Beifall bei der SPD Gisela Frick [F.D.P..]: Dann machen Sie es doch!)

    Das, meine Damen und Herren von der Koalition, empfinden jedenfalls wir Sozialdemokraten als Volkspartei als unseren Auftrag.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Kollege Friedrich Merz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Merz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
    Wenn deine Sache zu schlecht ist, rufe die Partei zur Hilfe; ist die Partei zu schlecht, rufe die Sache zur Hilfe; sind beide zu schlecht, dann verwunde den Gegner.
    Dies ist ein Ausspruch des Schatzkanzlers in Irland im 18. Jahrhundert gewesen. Er scheint schon damals den Kollegen Poß gekannt zu haben, sonst hätte er das nicht gesagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Das trifft auf Waigel zu!)

    Er fährt dann fort:
    Bist du im Unrecht, verwende allgemeine und mehrdeutige Ausdrücke und häufe Unterscheidungen und Unterteilungen ohne Ende.
    Herr Kollege Poß, was, glauben Sie, denken die vielen Zuschauer auf der Tribüne, die vielen Zuschauer am Fernsehen und vor allen Dingen diejenigen, die die Bundesrepublik Deutschland etwas nüchtern und kritisch von außen betrachten, über diese Woche in Bonn?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist eine gute Frage! Zurufe von der SPD)

    Was, glauben Sie, denken diejenigen über die Bundesrepublik Deutschland, die nicht nur die Schreihälse dahinten hören, sondern die im Rahmen des internationalen Standortwettbewerbs in Deutschland oder in einem anderen Land auf dieser Welt

    (Horst Kubatschka [SPD]: Den machen Sie doch nicht!)


    Friedrich Merz
    Investitionsentscheidungen zu treffen, wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze zu ermöglichen haben?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie verwechseln die SPD mit der Bundesregierung!)

    Meine Damen und Herren, für die internationalen Investoren ist die Woche in Bonn nicht besonders attraktiv gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Leider wahr!)

    Ihr Beitrag, Herr Poß, hat dem leider auch nicht entgegengewirkt.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Da sind wir auf Ihren gespannt!)

    Nun lassen Sie uns, auch wenn der nächste Wahlkampf offensichtlich seine Schatten vorauswirft, hier als Parlamentarier, als Verantwortungsträger in der Bundesrepublik Deutschland die Frage stellen, welche Möglichkeiten wir haben, um den 4,5 oder 4,6 Millionen Arbeitslosen in Deutschland - auch von denen wird der eine oder andere heute morgen am Bildschirm sitzen und sich diese Debatte ansehen - eine Perspektive zu verschaffen, innerhalb der nächsten Monate in Deutschland wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Meine Damen und Herren, die Ausführungen darüber, wer durch die Steuerreform höher oder wer geringer belastet wird, hilft nicht weiter.
    Herr Kollege Poß, ich zitiere aus einer Zeitung, die wirklich nicht in dem Verdacht steht, ein offizielles Organ der Bundesregierung oder dieser Koalition zu sein. Haben Sie eigentlich den „Spiegel" dieser Woche gelesen? Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, daß schon auf seinem Titelblatt eine Reihe von Staaten dieser Welt - wenn ich es richtig in Erinnerung habe, waren das Großbritannien, die Niederlande und die Vereinigten Staaten von Amerika - zitiert worden sind: „Alle schaffen Arbeitsplätze"? Darunter war eine Deutschlandfahne abgebildet, unter der stand: „Wir nicht." Ist Ihnen das eigentlich aufgefallen, Herr Poß?

    (Joachim Poß [SPD]: Seit wann trägt diese Regierung Verantwortung? Wer regiert denn seit 1982?)

    - Herr Kollege Poß, auch dazu sage ich gleich noch etwas.
    Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, Herr Kollege Poß: Ich habe Ihrer Rede die ganze Zeit zugehört. Jetzt lassen Sie uns doch wenigstens einmal den Versuch unternehmen, ein paar Argumente auszutauschen, die dazu dienen können, die schwierige Lage unseres Landes ein klein wenig mit Hoffnung zu versehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Hören Sie doch mit dieser unerträglichen Herumkrakeelerei auf! Das will doch in Deutschland keiner mehr hören. Die Menschen warten darauf, daß wir ihnen eine Perspektive geben. Wir sollten nicht in
    einen Wettlauf eintreten, wer hier im Parlament am lautesten schreien kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Bringen Sie doch einmal ein paar Argumente, und zitieren Sie nicht nur!)

    Nun lassen Sie uns doch bitte einmal die Gelegenheit nutzen, nach geeigneten Wegen zu suchen.
    Meine Damen und Herren, alle diese Staaten, die in der „Spiegel"-Titelgeschichte diese Woche zitiert worden sind - haben Sie das eigentlich gemerkt, oder haben Sie das heute morgen bewußt unerwähnt gelassen? -, haben die Angebotsbedingungen ihrer Volkswirtschaften verbessert.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Sehr richtig!)

    Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, daß kein Industrieland dieser Welt, das sich in den letzten Jahren den Reformerfordernissen gestellt hat, allein von der Nachfrageseite her die Lösung gesucht hat? Fällt Ihnen eigentlich auf, daß Sie mittlerweile die einzigen auf der Welt sind, die zwar auf ihren Parteitagen noch die Internationale und „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" singen, aber sonst provinziell eine reine Nachfragepolitik fordern? Fällt es Ihnen eigentlich nicht auf, daß Sie selbst in der sozialdemokratischen Internationale keinen mehr finden, der diesen ökonomischen Weg mit Ihnen gehen will?

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist unwahr! Abg. Joachim Poß [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    - Nein, Herr Kollege Poß, ich möchte das jetzt im Zusammenhang vortragen.

    (Lachen bei der SPD Detlev von Larcher [SPD]: Das glaube ich! Joachim Poß [SPD]: Es läuft der Export, und zwar glänzend, und nicht die Binnenkonjunktur!)

    Wir müssen in der Bundesrepublik Deutschland, wie in anderen Staaten auch, die Angebotsbedingungen unserer Volkswirtschaft verbessern. Das bedeutet, daß wir so wie die Holländer in der Lage sein müssen, die Lohnstückkosten zu senken - Holland hat sie gesenkt -,

    (Joachim Poß [SPD]: Im europäischen Vergleich haben wir die niedrigsten Lohnstückkosten in diesem Jahr! Lesen Sie einmal das Gemeinschaftsgutachten!)

    daß wir so wie die Briten und Amerikaner in der Lage sein müssen, die Flexibilität der Arbeitsmärkte ein Stück zu erhöhen. Wir müssen wohl auch in der Lage sein, die Kosten der Arbeit zu senken.
    Herr Poß, es hilft natürlich überhaupt nicht weiter, so wie Sie den Vorschlag zu machen, jetzt die Sozialbeiträge zu senken und dies alles mit einer ökologischen Steuerreform zu finanzieren. Einem Arbeitnehmer ist es relativ egal, warum seine Abgaben so hoch sind. Auch einem Arbeitgeber, der in Deutschland investieren will, ist es relativ egal, warum die Abgaben so hoch sind. Wenn sich die Summe der Abgaben

    Friedrich Merz
    nicht reduziert, dann wird es nicht zu neuen Investitionen in Deutschland kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Sie drehen das aber auch so, wie Sie es wollen!)

    Deswegen verschließen wir uns nicht dem Weg, auch die Sozialbeiträge zu senken; aber eine reine Umfinanzierung zwischen Steuern und Sozialbeiträgen hilft uns überhaupt nicht weiter.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Lassen Sie mich mit einem Argument auseinandersetzen, das uns - ich gebe zu, auch in den eigenen Reihen - einige Schwierigkeiten macht bei dem Bestreben, die Steuersätze insgesamt senken zu wollen. Dem DGB ist eingefallen, zu der Steuerreform eine Stellungnahme abzugeben, die überschrieben war mit „Maßgeschneidert für Millionäre".

    (Zurufe von der SPD: Das stimmt auch! So ist das!)

    Meine Damen und Herren, jeder weiß doch, daß unser Steuersystem in Deutschland eben keine strikte Trennung vornimmt zwischen den reinen Unternehmenseinkünften und den Privateinkünften, sondern daß beide Bereiche zusammenwirken. Der überwiegende Teil der Unternehmen in Deutschland wird nach dem Einkommensteuergesetz besteuert, weil - der Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen - der große Teil der Unternehmen eben Personengesellschaften sind. Weil es hier einen Zusammenhang gibt, können wir nicht einseitig die Steuersätze für Unternehmen senken und die Steuersätze für Privateinkommen davon unberührt lassen. Offensichtlich kennen Sie diesen Zusammenhang. Aber Sie machen sich Parolen zu eigen, um die Steuerreform insgesamt zu einer reinen Gerechtigkeitsdebatte verkommen zu lassen.
    Nein, meine Damen und Herren, wir müssen schon einmal etwas über den Zaun blicken und darauf achten, warum andere Staaten in der Lage gewesen sind, die Steuerbelastung ihrer Betriebe und ihrer Arbeitsplätze zu senken.
    Herr Kollege Poß, Sie kommen ja wie ich aus Nordrhein-Westfalen. Ist Ihnen eigentlich völlig entgangen, daß Ihr bzw. unser Landeswirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen in den letzten Monaten zunehmend darüber klagt, daß Unternehmen ihren Sitz von Nordrhein-Westfalen zum Beispiel in die Niederlande verlegen, weil sie dort auf bessere steuerliche Rahmenbedingungen stoßen?

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Ist Ihnen eigentlich entgangen, daß mittlerweile eine zweistellige Zahl von Unternehmen pro Monat die Bundesrepublik Deutschland verläßt, weil sie in Holland bessere Bedingungen vorfinden als in Nordrhein-Westfalen? Entgeht Ihnen das alles? Wenn Ihnen das nicht entgeht, warum versuchen Sie nicht, darauf wenigstens in der Steuerpolitik eine Antwort zu geben?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben hier nun auch den Haushalt angesprochen. Richtig ist, daß wir in allen Gebietskörperschaften - bei Bund, Ländern und Gemeinden - große Schwierigkeiten mit dem Ausgleich unserer öffentlichen Kassen haben. Ist denn aber die rein fiskalische Betrachtung der öffentlichen Haushaltslage eine Antwort darauf, wie die Angebotsbedingungen für Arbeitsplätze in einer sich immer schneller verändernden Welt gestaltet werden müssen?
    Ist das die einzige Antwort, die wir denjenigen geben können, die internationale Investitionsentscheidungen treffen? Glauben Sie, daß es irgend jemanden auf dieser Welt interessiert, wie wir unsere Haushalte in Deutschland ausgleichen, wenn er vor der Frage steht, ob er in Österreich, Holland, Großbritannien, USA oder Deutschland investieren soll? Ist das die einzige Antwort, die wir darauf geben können?
    Wir werden uns hier wohl etwas mehr anstrengen müssen. Wenn Sie uns das schon nicht glauben, dann sage ich Ihnen folgendes: Ich habe beim Jahreswechsel noch einmal nachgelesen, wie das in anderen Staaten gemacht worden ist. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan, der mit der ersten großen Reform vor fast 20 Jahren angefangen hat, hat sich nicht etwa auf neuere Erkenntnisse dieser Zeit berufen, sondern auf einen Philosophen aus dem 14. Jahrhundert, der einmal gesagt hat

    (Zurufe von der SPD)

    - nun hören Sie doch wenigstens einmal einen Augenblick zu -: Am Anfang einer Dynastie stehen niedrige Steuersätze und hohe Steuereinnahmen. Am Ende einer Dynastie stehen hohe Steuersätze und niedrige Steuereinnahmen.

    (Lachen und Zuruf von der SPD: Damit sind doch Sie gemeint!)

    - Ich habe mir gedacht, daß Sie jetzt mit dieser billigen Antwort kommen und glauben, daß wir uns am Ende einer Dynastie befinden. Darauf ist zu antworten: Erst einmal gibt es in einer Demokratie keine Dynastie, und zweitens sollten Sie akzeptieren, daß es einen ökonomischen Zusammenhang zwischen niedrigen Steuersätzen und hohen Steuereinnahmen gibt. Offensichtlich sind Sie aber zu diesen Fundamentalerkenntnissen überhaupt nicht mehr in der Lage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin froh, daß die Gespräche, die auf der Ebene der Spitzen der Regierung und der Opposition stattgefunden haben, in dieser Woche beendet worden sind. Es tut dem Land nicht gut, wenn hinter verschlossenen Türen an den Parlamenten vorbei versucht wird, grundlegende Entscheidungen zu treffen. Es hat sich jetzt ausgegipfelt.
    Jetzt können wir im Parlament ein ordnungsgemäßes Verfahren beginnen. Wir tun das mit dem heutigen Tag. Wir tun das verantwortungsbewußt und mit Lösungsvorschlägen, die ohne Zweifel verbesserungsfähig sind. Niemand von uns bildet sich ein, die letzte Weisheit gefunden zu haben.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Sie bestimmt!)


    Friedrich Merz
    Aber wir tun das in der Verantwortung für die vielen Millionen, die in Deutschland Arbeit haben wollen und ihren Arbeitsplatz behalten wollen. Wir tun das vor allen Dingen in unserer parlamentarischen Verantwortung und in der Hoffnung, daß Sie, Herr Kollege Poß und andere, sich dieser Diskussion und Auseinandersetzung in den Gremien des Parlaments und auch hier im Deutschen Bundestag stellen.

    (Joachim Poß [SPD]: Was machen wir denn? Detlev von Larcher [SPD]: Was soll das denn? Was machen wir denn im Finanzausschuß?)

    Deutschland hat in dieser schwierigen Lage, in der wir uns befinden, mehr verdient als eine kleinkarierte Auseinandersetzung um die Frage, ob die Stelle hinter dem Komma stimmt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir in der Bundesrepublik Deutschland brauchen jetzt trotz des beginnenden Bundestagswahlkampfes und angesichts einer sich drastisch verändernden ökonomischen Lage in einer globalisierten Welt ein paar Grundentscheidungen. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann glauben Sie es doch wenigstens Ökonomen wie Professor Dornbusch vom MIT in den USA, der die Industrienationen vor die Alternative gestellt hat,

    (Detlev von Larcher [SPD]: Wir hatten gerade eine Anhörung, Herr Merz!)

    entweder ein tatkräftiges Umbauprogramm anzugehen oder ein allmähliches Abgleiten in steinzeitliche Zustände zu riskieren.
    Meine Damen und Herren, wir sind auch vor dem Hintergrund des beginnenden Bundestagswahlkampfes bereit, ein tatkräftiges Umbauprogramm zu beginnen. Die Steuerreform in den beiden Bereichen für 1998 und 1999 ist ein Teil davon. Wir sind zu dieser Auseinandersetzung bereit und fordern Sie auf, Ihre parlamentarische und auch Ihre staatsbürgerliche Verpflichtung wahrzunehmen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Leerformeln statt Argumente! Kein einziges Argument!)