Rede von
Ulrich
Heinrich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, in den sechs Minuten Redezeit, um im landwirtschaftlichen Bild zu bleiben: im Schweinsgalopp die wichtigen Themen EU-Erweiterung und WTO-Runde zu beleuchten.
Welche politischen und ökonomischen Faktoren bestimmen die Zukunft der Landwirtschaft? Das ist hier die Frage. Fangen wir einmal mit dem Positiven an.
Als erstes ist die aktuelle Diskussion zum Euro zu nennen. Als Liberaler und praktizierender Landwirt bin ich für die Einführung des Euro und die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion.
Für die exportorientierte Volkswirtschaft, die ihren größten Absatzmarkt innerhalb Europas hat, wird so die volkswirtschaftliche Ausgangsbasis weiter verbessert. Auch das hat etwas mit Standort Deutschland für die Bauern zu tun, Herr Kollege Sielaff. Mit dem Wegfall der Währungs- und Erzeugerpreisschwankungen, die in der Vergangenheit wegen der harten D-Mark und den damit verbundenen Wech-
Ulrich Heinrich
selkursanpassungen zu erheblichen Verlusten in der deutschen Landwirtschaft geführt haben, entfällt ein schweres Hemmnis.
Herr Kollege Sielaff, Sie wissen wohl nicht, wieviel Hunderttausende von D-Mark, die nach Berechnungen des Deutschen Bauernverbands über 1 Milliarde DM hinausgehen, die deutsche Landwirtschaft auf Grund der Wechselkursschwankungen verloren hat.
Zweitens. Die politisch gewollte Osterweiterung hat großen Einfluß auf die EU-Agrarpolitik und damit auf die Zukunft der heimischen Landwirtschaft. Vor allem durch den Beitritt der MOE-Staaten wird sich der Wettbewerbsdruck in der Landwirtschaft erhöhen. Diese Staaten haben bis jetzt in der Hauptsache Agrarprodukte anzubieten. In diesem Zusammenhang ist es absolut notwendig, daß sich die jetzigen Staaten der Europäischen Union und die Beitrittskandidaten aufeinanderzubewegen. Das heißt, einerseits muß die EU aufnahmefähig sein, andererseits müssen die MOE-Länder die Beitrittsvoraussetzungen von sich aus erfüllen. Dazu gehören entsprechende unter anderem vor allen Dingen auch tierseuchenrechtliche und seuchenpolizeiliche Maßnahmen.
Ich wundere mich immer: Kein Mensch redet von diesen elementaren Fragen im Zusammenhang mit der Osterweiterung, obwohl wir wissen, daß gerade Seuchenzüge in den letzten Jahren entscheidend zu der schlechten Situation in der europäischen Landwirtschaft beigetragen haben.
Um das obengenannte Ziel zu erreichen, benötigen wir ausreichend Übergangszeiten; das kann nicht von heute auf morgen geschehen. Nur dann ist eine Osterweiterung agrarpolitisch möglich und auch akzeptabel.
Drittens ist in Art. 20 des Landwirtschaftsteils des GATT-Vertrages eine weitere Liberalisierung der Agrarmärkte gefordert. Man muß wirklich kein Prophet sein, um vorauszusehen, daß in der anstehenden WTO-Runde für die europäische Landwirtschaft sicherlich nicht gewünschte, aber weitere voraussichtlich schmerzhafte Anpassungen abverlangt werden.
Die F.D.P.-Bundestagsfraktion ist entschieden gegen den Versuch der EU-Kommission, die im Rahmen der 1992 verabschiedeten Agrarreform vereinbarten Preisausgleichszahlungen heute schon zu kürzen. Hier muß die Agrarpolitik die versprochene Verläßlichkeit unter Beweis stellen, zumal die Preisausgleichszahlungen durch Art. 13 des WTO-Agrarabkommens bis ins Jahr 2003 durch eine sogenannte Friedensklausel gesichert ist. Herr Minister Borchert hat auf diesen Punkt abgehoben. Ich unterstütze ihn hier nachdrücklich.
Die knappen Mittel, die vor allem durch BSE und Schweinepest hervorgerufen wurden, können für die Streichungen sicherlich keine Erklärung sein. Deshalb sollte man hier nicht von einem vorauseilenden Gehorsam ausgehen, im Vorfeld Positionen der Landwirtschaft aufgeben und sie so zusätzlich belasten, zumal die deutschen Landwirte durch die große Steuerreform sehr stark in die Pflicht genommen werden und BSE und Schweinepest bereits zu großen Einkommensverlusten geführt haben.
Meine Damen und Herren, das Fazit ist: Unsere Landwirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen, die sie nur bestehen kann, wenn sie ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter ausbaut. Eine noch stärkere marktwirtschaftliche und unternehmerische Ausrichtung ist unausweichlich, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Da die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte innerhalb der EU zudem am unteren Ende rangiert - auch das muß man einmal sagen -, müssen gerade auch die nationalen Wettbewerbshemmnisse noch konsequenter beseitigt werden. Parallel dazu müssen die europäischen Wettbewerbsverzerrungen abgebaut und muß der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten eine größere Bedeutung beigemessen werden.
Dazu gehört für uns - ich wiederhole es - ein stabiler Euro. Die Investitionsförderung muß intensiviert werden. Die Agrarpolitik muß die Entwicklungschancen unserer zukunftsfähigen landwirtschaftlichen Betriebe durch marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen tatkräftiger unterstützen. Dazu gehören unter anderem landwirtschaftliche Dienstleistungen, nachwachsende Rohstoffe und auch die Erschließung und Bedienung neuer Märkte.
Wenn sich heimische Produzenten ohne staatliche Erstattungen auf dem Weltmarkt behaupten können, darf dies nicht durch Preisdruckpolitik, wie es zum Beispiel die EU-Kommission mit der Getreideexportsteuer betrieb, erschwert und unmöglich gemacht werden. Das konterkariert die Forderungen sowohl von uns als auch von Brüssel, daß wir mehr Marktwirtschaft haben wollen.
Meine Damen und Herren, ich meine, mit der 1992 begonnenen EU-Agrarreform sind wir auf dem richtigen Weg, den wir durch mehr Mut zu marktwirtschaftlichen Schritten weiterentwickeln müssen.
Das heißt, WTO und Osterweiterung bieten keinen Anlaß, heute erneut eine Agrarreform zu fordern, nachdem wir 1992 eine grundlegende Reform durchgeführt haben. Da wir erst Ende dieses Jahrtausends, 1999/2000, in die Verhandlungen eintreten, wäre es töricht und schädlich für die deutsche und die europäische Landwirtschaft, wenn wir jetzt schon so täten, als wüßten wir, was als Ergebnis herauskommt.
Frau Kollegin Höfken, Sie haben eben im Zusammenhang mit den Umweltstandards deutlich gezeigt, in welche Richtung Sie tendieren.
Ulrich Heinrich
In dem Moment, da Sie deutsche Umweltstandards für eine WTO-Vereinbarung zur Grundlage und Bedingung machen, stehen Sie wirklich jenseits von Gut und Böse,
und Sie schaden dadurch den Ländern, denen Sie helfen wollen.