Rede von
Ulrike
Höfken-Deipenbrock
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Borchert! Ich finde die Antwort, die Sie an die SPD gerichtet haben, geradezu aus dem Rahmen fallend, weil die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage wirklich eine Nullantwort ist.
Es ist immer das gleiche: Auf die berechtigte Anforderung des Parlaments, ein Konzept für die Zukunft in diesem Politikbereich zu erfahren, erhalten wir immer nur die Antwort, daß es doch nicht nötig sei, bereits jetzt von irgendwelchen diffusen Positionen abzugehen, die noch nicht einmal genannt werden.
Ich denke, wenn Sie die Unterstützung für eine Politik brauchen, die zukunftsfähig ist, dann muß diese erst einmal im eigenen Parlament durchgesetzt und diskutiert werden. Man kann eine solche Antwort nur geben, wenn man der Auffassung ist - so steht es auch in der Antwort auf die Große Anfrage-, daß die Bundesregierung keinen Bedarf für eine grundlegende Änderung der gemeinsamen Agrarpolitik sieht.
Das muß allerdings schon deswegen erstaunen, weil diese Agrarpolitik in der eigenen Bevölkerung wohl keine Mehrheit mehr hat. Angesichts der Lebensmittelskandale, wie beispielsweise des BSE- Skandals, ist das durchaus verständlich. Aber es gibt noch einen anderen wichtigen Gesichtspunkt, nämlich die Arbeitsmarktpolitik.
Wir haben den Verlust einer Viertelmillion Arbeitsplätze EU-weit in der Landwirtschaft zu verzeichnen. Vor einem solchen Hintergrund, angesichts der jetzigen Arbeitsmarktsituation kann doch wohl keiner ernsthaft behaupten, es gäbe keinen Bedarf für irgendwelche Änderungen,
und das auch noch in einer Antwort auf eine Große Anfrage, zu der der Bundesregierung ausreichend Zeit gegeben wird.
Das zweite: Die Ausrichtung auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft wird als Zielvorstellung genannt. Wenn sie eine Zielvorstellung ist, dann fehlt auf jeden Fall das Einbeziehen dessen, was sich nun an neuen Anforderungen im internationalen Bereich stellt. Wir müssen dann auch die Wettbewerbsfähigkeit neu definieren; denn sie ist ein dynamischer und kein statischer Begriff. Die Wettbewerbsfähigkeit muß den neuen Bedingungen angepaßt werden. Die Antwort darauf ist die Bundesregierung ebenfalls schuldig geblieben.
Gleichzeitig beginnt die EU jetzt schon, Preisausgleichszahlungen zu diskutieren, die auf die deutsche Landwirtschaft zukommen werden. Auch hier ist es mindestens geboten, auf die von der EU-Kommission vorgelegte und lange vorangetriebene Diskussion entsprechend Stellung zu nehmen und die Landwirtschaft in Deutschland nicht in der Auffassung zu belassen, daß für sie nichts weiter passiere.
Zu dem nächsten Punkt: Ich habe das Gefühl, daß auch die Koalitionsfraktionen das Defizit in der Antwort der Bundesregierung festgestellt haben. Sie bemühen sich nun in dem Entschließungsantrag, ein Konzept zumindest zu umreißen. Aber es läuft hier ähnlich wie bei dem Thema Milchmarkt: Sie haben uns doch tatsächlich in der Tischvorlage für die Aus-
Ulrike Höfken
schußsitzung ein Konzept für die Milchmarktordnung vorgelegt, nachdem die Bundesregierung es jahrelang versäumt hat, ein vernünftiges Konzept auf den Tisch zu legen und dieses Konzept als eine Tischvorlage der Koalitionsfraktionen für eine Ausschußsitzung zu verwenden.
Hier ist wiederum zu bemerken: Auf der einen Seite gibt es eine Weiterführung der Quotenregelung und eine Weiterführung des Mengenbegrenzungssystems; auf der anderen Seite fehlt aber hier ein sehr wichtiger Aspekt, nämlich die regionale Bindung der Milcherzeugung. Ich denke, was Sie mit einem solchen Konzept - wenn es denn eines sein soll - erzeugen, ist die Konzentration der Milcherzeugung in den Gebieten um die großen Seehäfen und jedenfalls nicht dort, wo die Grünlandflächen sind, die es zu bewirtschaften gilt, wie beispielsweise in Bayern.
In dem Entschließungsantrag haben Sie einige Kriterien genannt, nicht aber Zielvorstellungen. Genau das sollte aber in die EU- und auch in die WTO-Verhandlungen eingebracht werden. Sie werfen vielmehr im Prinzip Fragen auf, die auch noch widersprüchlich sind. Sie sagen zum Beispiel, es soll in Brüssel ein Konzept vorgelegt werden, das einerseits den Agrarstandort optimal nutzen soll und andererseits den schwierigen strukturellen Bedingungen der Landwirtschaft ausreichend Rechnung trägt. Zumindest stellt sich dabei wie auch bei den anderen Punkten, die sich daran anschließen, die Frage, wie denn das gemeint ist.
Es gibt einen gemeinsamen Punkt. Der gemeinsame Punkt liegt tatsächlich - Herr Sielaff hat ihn bereits einmal angesprochen - im Bereich der internationalen Standards. Ich denke, das ist schon ein wichtiger Punkt. Ich glaube, Herr Heinrich, da haben Sie bei der Anhörung vielleicht etwas falsch verstanden:
Auch die Sachverständigen, die von seiten der Koalition eingeladen worden sind, haben erklärt, daß es durchaus notwendig ist, internationale Standards auf den WTO-Verhandlungen festzulegen. Dafür gibt es entsprechende Ausschüsse, die allerdings den Befürchtungen der Entwicklungsländer Rechnung tragen müssen, daß dies nicht ein Protektionismus ist, den die EU oder einzelne Mitgliedstaaten der EU nutzen wollen, um ihr Forderungen und Politik durchzusetzen. Es soll sich vielmehr um internationale Vereinbarungen handeln, die Standards im Bereich Ökologie und im Bereich der sozialen Rahmenbedingungen festlegen.
Herr Borchert, wir haben ja durchaus schon eine weitergehende Diskussion, wie solche Standards aussehen könnten. Man muß doch nicht darauf warten, daß sie irgendwann einmal erarbeitet werden. Hier sind doch die eigenen Vorstellungen von Standards gefordert, die den ökologischen und sozialen Anforderungen in der Bundesrepublik und in der EU entsprechen und die dann entsprechend auf die Welthandelsebene übertragen werden.
- Dann sind die nicht kaputt. Das soll im Konsens mit den Entwicklungsländern geregelt werden, wie ich es bereits gesagt habe.
- Die Standards sind bereits genannt worden und in unserem Entschließungsantrag enthalten. Wir haben in unserem Entschließungsantrag eine Reihe von Forderungen aufgestellt, die jetzt in die Überweisung gehen.
Als letztes möchte ich noch eines zur künftigen EU-Agrarpolitik und zur Osterweiterung sagen. Ich halte es für unumgänglich, daß in den Ländern Osteuropas vermehrt Priorität darauf gelegt wird, daß die Arbeitsplätze im ländlichen Raum erhalten bleiben und daß alle Förderungsmaßnahmen der EU darauf ausgerichtet werden, daß nicht die gleiche Situation wie in den neuen Bundesländern herbeigeführt wird, nämlich eine Zerschlagung des Arbeitsmarktes im ländlichen Raum und ein ungehemmtes Eindringen der westlichen Verarbeitungs-, Vermarktungs-
und Handelskonzerne, die sich letztendlich als Nachteil für die Landwirtschaft in Europa erweisen.
Vielen Dank.