Rede von
Horst
Sielaff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die nächsten fünf Jahre werden für die EU-Agrarpolitik und für unsere landwirtschaftlichen Betriebe in besonderem Maße wegweisend sein. Nicht nur die Entscheidung auf dem Milchmarkt steht an; auch der neue Finanzrahmenplan der Europäischen Union verheißt Spannung. Nicht zuletzt wird die EU im Jahr 1999 in neue internationale Verhandlungen über den Agrarhandel eintreten, die zwangsläufig eine weitere Liberalisierung des Handels zur Folge haben werden, ob wir dies wollen oder nicht.
Diese Verhandlungen werden es sein, die mit darüber entscheiden, wie das Gesicht unserer Landwirtschaft, unserer ländlichen Räume und der gewachsenen Kulturlandschaften aussehen wird. Wir werden dann wissen - und dies hoffentlich nicht mit Entsetzen mit ansehen müssen -, welchen Stellenwert die Landwirtschaft für die ländlichen Räume und für die Gesellschaft insgesamt haben werden.
Wenn wir nach dem Prinzip „Schauen wir mal" alles einfach auf uns zukommen lassen, dann werden wir, so meine ich, einen furchtbaren Einbruch erleben. Man muß nicht Kassandra sein, um das voraussagen zu können.
Statt dessen ist erforderlich, vorausschauend zu planen, frühzeitig tragbare Zukunftsperspektiven zu entwickeln und dabei den Bedarf und die Bedürfnisse der Gesellschaft, der Verbraucherinnen und Verbraucher im Auge zu haben. Die Landwirtschaft selbst hat einen wichtigen Platz darin, aber Lobbypolitik allein für die Landwirtschaft, meine Damen und Herren, ist Schnee von gestern.
Entscheidend ist, daß wir die flächendeckende Landbewirtschaftung erhalten. Auch ökonomisch vermeintlich ungünstige Agrarstandorte gehören weiter in die standortgerechte Nahrungsmittelproduktion, und die Erzeugung sinnvoller nachwachsender Rohstoffe muß ebenfalls mit einbezogen werden.
Damit Landwirte dort ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften können, sprechen wir uns ausdrücklich für die Zahlung produktionsunabhängiger, nach ökologisch bzw. sozial sinnvollen Kriterien gestalteten Finanzhilfen aus. Direkte Ausgleichszahlungen an die Landwirtschaft bleiben daher auch in Zukunft, nach der Entkoppelung der Preis- und Einkommenspolitik durch die Agrarreform, ein notwendiger Bestandteil der gemeinsamen Agrarpolitik. Sie sind außerdem ein allgemeiner Ausgleich für die Umweltauflagen für die Landwirtschaft und ein gesellschaftlich erwünschter Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft.
Zur dauerhaften und verläßlichen Absicherung dieser Ausgleichszahlungen durch die WTO muß die EU einen für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Katalog entsprechender Leistungen vereinbaren.
Die noch vorhandenen Preisausgleichszahlungen, die für die Erlösrückgänge nach der Agrarreform eingeführt wurden, müssen zwar schrittweise, aber bald von der Produktion gelöst werden. Sie müssen unserer Meinung nach in eine ganz neue, einheitliche Form gebracht werden. Die Höhe sollte nicht nur von der Flächenausstattung, sondern auch von einer sinnvollen Arbeitskapazität abhängen, die ein Betrieb auf einer bestimmten Fläche benötigt. So würden die der Landwirtschaft zugedachten Finanzmittel auch zum Erhalt von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum beitragen.
Horst Sielaff
In Betrieben mit Veredelung oder mit wenig Chemieeinsatz könnten besonders arbeitsintensive Produktionsverfahren unterstützt werden.
Dazu braucht es natürlich Mut und Veränderungswillen, meine Damen und Herren.
Was die Politik der Bundesregierung angeht, Herr Heinrich: Fehlanzeige! Herr Borchert wartet auf Vorgaben aus Brüssel, um dann zu reagieren, anstatt selber aktiv zu sein. Eigene Gestaltungsvorschläge: Fehlanzeige! Wie wollen wir und Sie, Herr Borchert, in Brüssel bestehen, wie wollen Sie unsere Landwirtschaft angemessen unterstützen, wenn Sie dort nichts vorzubringen haben und so tun, als wäre bereits alles in Ordnung?
Wir haben heute mit unserer Großen Anfrage diese Debatte erzwungen. Ob wir die Bundesregierung damit wirklich aufwecken können, ist fraglich; denn ihre Antwort ist bisher zurückhaltend und weiterhin inhaltslos.
- Konstruktive Vorschläge sind in den letzten Jahren, lieber Herr von Hammerstein, eigentlich von allen Seiten gekommen. Verbände, Wissenschaftler und andere Institutionen haben stapelweise Vorschläge zu den Themen vorgelegt, die wir heute diskutieren. Ich erinnere zum Beispiel an die weitreichenden Vorschläge der Sachverständigen im Beirat für Umweltfragen. Ich erinnere an die weitreichenden Vorschläge der Sachverständigen im BML. Die Bundesregierung hat sicherlich alles ordnungsgemäß abgelegt. Ob aber irgendwie damit gearbeitet worden ist, ist für die Öffentlichkeit leider nicht zu erkennen.
Konstruktive Vorschläge hat im übrigen auch Herr Fischler vorgelegt. Auch er legt ebenfalls großen Wert darauf, daß im Agrarhandel weltweit neue, anspruchsvolle ökologische Standards vereinbart werden.
Selbst wenn sich die Australier und einige Entwicklungsländer bis jetzt verweigern, muß das Engagement verstärkt werden, meine Damen und Herren.
Forderungen, die die wirtschaftlichen oder sozialen Interessen der europäischen Landwirte und der ländlichen Umwelt unterminieren, werde die EU nicht akzeptieren können - so, Herr Heinrich, Herr Fischler.
Ich meine, wir sollten die Kommission in dieser Frage massiv unterstützen, anstatt ständig negativ zu reagieren, wie es durch Ihre Zwischenfragen hier auch wieder deutlich wird.