Was dazu genügt, um jemanden bösgläubig zu machen, das will ich überhaupt nicht entscheiden. Da kann ich mir alle möglichen Dinge vorstellen. Aber wenn er denn bösgläubig ist und trotz Kenntnis davon weiter transportiert, dann ist er auch verantwortlich. Das ist das Prinzip, das in der gesamten Rechtsordnung besteht.
Ob Sie wirklich bösgläubig werden, schlicht und ergreifend dadurch, daß Sie eine Meldung in der Zeitung lesen, Ihnen jemand einen freundlichen Brief schreibt oder ähnliches, das will ich gar nicht entscheiden. An dem Prinzip wird sich jedenfalls nichts ändern.
Also: Strafbar sind die Absender. Das gilt im Internet wie beim Briefverkehr, auch wenn der mitunter ziemlich lange dauert.
Um dies in vollem Umfang zu gewährleisten, präzisiert das vorliegende Gesetz den Schriftenbegriff im Strafgesetzbuch, im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und auch im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Es wird mit Hilfe dieser Passage des neuen Gesetzes sichergestellt, daß auch solche kriminellen Inhalte verfolgt werden, die nur flüchtig im Datenspeicher zugänglich sind.
Das ist nach unserem geltenden Strafrecht auch dann der Fall, wenn zum Beispiel kinderpornographische Darstellungen vom Ausland aus in Deutschland verbreitet werden. Ich lege Wert auf die Feststellung, die schon von einigen heute von diesem Platze aus getroffen worden ist, daß nicht ein rechtsfreier Raum besteht, nur weil das Kommunikationsmedium neu ist. Es gelten die allgemeinen Prinzipien auch für das Internet.
- Völlig richtig. Aber es ist wichtig, das zu unterstreichen, weil es da, wie im übrigen in anderen Richtungen auch, mangels technischer Kenntnisse manche Mißverständnisse gibt.
Das Problem ist, daß die Strafverfolgungsbehörden - schlagwortartig gesprochen: die Polizei - naturgemäß an Grenzen stoßen. Das Internet und, wenn ich die Zeichen der CeBIT richtig gedeutet habe, in absehbarer Zukunft auch das Cyberspace können nicht dazu dienen, das Aktionsfeld nationaler Polizeien auf die ganze Welt auszudehnen. Daß ein Staatsanwalt alles, auch wenn es von den Fidschiinseln kommt, auf dem Bildschirm kontrolliert, das ist selbstverständlich. Aber ob dann konkrete Ermittlungsmaßnahmen getroffen werden können, ist schon rein technisch eine zweite Frage.
Hier müssen wir neue Wege der Zusammenarbeit insgesamt und nicht speziell für die Kommunikationsnetze finden. Das im Aufbau begriffene europäische Polizeiamt Europol weist in die richtige Richtung.
Internet, internationaler Drogenhandel oder die weltumspannende Verschiebung von Waffen zeigen deutlich: Wir werden bei der Strafverfolgung in absehbarer Zeit über die nationale und kontinentale Ebene hinaus verläßliche Instrumente für eine globale Zusammenarbeit benötigen. Ich stimme ausdrücklich zu, daß wir in diesem speziellen Bereich - ich bleibe der Anschaulichkeit halber beim Internet - noch vieles mit den „Netiketten", mit freiwilligen Übereinkünften, machen können. Aber bei harter Strafverfolgung wird es dabei nicht sein Bewenden haben können.
Meine Damen und Herren, die klare Regelung der Verantwortlichkeit für straf- und zivilrechtliche Inhalte schafft Vertrauen in den Informationsstandort Deutschland. Zum Vertrauen in die neuen Kommunikationsnetze gehört aber auch, daß der einzelne Bürger weiß, mit welchem Anbieter er es eigentlich zu tun hat. Das Gesetz sorgt für die nötige Angebots- und Preistransparenz.
Ein weiterer wichtiger Mosaikstein zur Förderung des Vertrauens in die neuen Dienste ist der Schutz der Daten und der Privatsphäre in den Netzen. Auch hier sage ich deutlich, weil ich, anders als Sie, Herr Kollege Thierse, keine Angst davor habe, daß wir noch nichts Abschließendes vorlegen können, da wir uns massiv in dieser galoppierenden Entwicklung befinden, daß das Stichwort Datensicherheit - an-
Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
ders als das nun sattsam und seit vielen Jahren diskutierte und auch weiter zu diskutierende Stichwort Datenschutz - eine neue Herausforderung bezeichnet, die wir sicherlich nicht schon heute, im ersten Viertel des Jahres 1997, definitiv für die Zukunft festlegen können, bei der wir aber jedenfalls Problematisierung, Sensibilität und Problembewußtsein schaffen können.
Vertrauen in den Schutz ihres geistigen Eigentums brauchen auch die Urheber der im Internet verfügbaren Werke. Durch Art. 7 des Gesetzes verstärken wir deshalb den rechtlichen Schutz von Datenbanken ganz wesentlich. Neben den klassischen urheberrechtlichen Schutz tritt ein neuartiges Leistungsschutzrecht für das investive Engagement, das der Anbieter bei der Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der in die Datenbanken eingestellten Elemente erbringt.
Dieser durch die Datenbankenrichtlinie der Europäischen Union vorgegebene rechtliche Schutz der Datenbanken ist international gesehen eine beispiellose Innovation. Ohnehin drängt es mich, noch einmal darauf hinzuweisen, daß wir mit diesem Gesetz eine erste Bresche in den Wildwuchs oder in die Ungeregeltheit der dort bisher stattgehabten Entwicklung schlagen und mit dieser Bresche - das kann man in aller Ruhe feststellen - in der Tat in der Reihe der Staaten führend sind, die sich überhaupt schon damit beschäftigen.
Zum Thema Vertrauen in die neuen Technologien gehört auch, daß man sich auf die Vertraulichkeit einer Nachricht verlassen können muß. Lieber Herr Laermann, das Kryptogramm, also die Verschlüsselung von Nachrichten, bietet im Idealfall die Gewähr, daß nur Absender und Empfänger die Nachricht verstehen.
In der Diskussion ist nach wie vor die Forderung nach einem - nach der „Bösgläubigmachung" durch Sie, lieber Herr Laermann - Kryptographieverbot bzw. nach Hinterlegung aller Schlüssel bei einer zentralen Behörde. Diese Forderung hat die Bundesregierung mit dem vorliegenden Entwurf zu Recht nicht aufgegriffen.
Warum darf eine Nachricht im Internet nicht ausschließlich für den Empfänger lesbar sein? Briefe darf man doch auch in Geheimschrift verfassen und zukleben. Da man Nachrichten im Internet nicht zukleben kann, hilft hier nur die Verschlüsselung. Sie schafft die technische Voraussetzung dafür, daß die Idee des Postgeheimnisses in die Zukunft übertragen werden kann. Das soll hier in aller Deutlichkeit gesagt werden.
Ich möchte mit wenigen persönlichen Gedanken schließen. Die Zukunft gehört den neuen Kommunikationstechnologien; darüber sind wir uns alle einig. Bald wird sich kein Staat der Welt mehr aus dem Internet ausklinken können, ohne den Anschluß zu verlieren. Weltumspannende Netze garantieren im übrigen auch die Informationsfreiheit. Die Informationsfreiheit war schon immer eine Schutzimpfung gegen die Diktatur.
Nicht umsonst - ich will es so drastisch sagen, damit wir die Wichtigkeit dieser Dimension voll im Blick haben - hatte schon Goebbels das Hören von Feindsendern unter Strafe gestellt. Wieviel machtloser sind Diktaturen, wenn man und seit man per Mausklick alle Nachrichten, alle Informationen weltweit empfangen kann?
Lassen Sie uns gemeinsam dieses Mehr an Informations- und Meinungsfreiheit auch als Ausbau der Bürgerrechte schützen.
Danke sehr.