Rede von
Michael
Jung
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vorhin, zu Beginn der Debatte ist gesagt worden, das Risiko sei geringer geworden, erfreulicherweise. Ich will dies durch drei Zahlen noch einmal deutlich unterstreichen.
Bezogen auf die alten Bundesländer sank die Zahl der Verkehrstoten von 11 449 im Jahr 1953 auf 6561 im Jahr 1995, und das bei einer Verzehnfachung der Fahrleistung und bei einer Erhöhung des Fahrzeugbestandes in diesen Jahrzehnten von 4,3 auf 51,6 Millionen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, was Herr Staatssekretär Carstens ansprach, nämlich daß wir eine europäische Drehscheibe, ein großes Transitland sind.
Aber jeder Tote und jeder Verletzte ist noch zu viel. Wir müssen, auch in Kenntnis dessen, daß dies nicht auf Null zurückzuführen ist, wie wir es uns gern vornähmen, dennoch alles tun, was notwendig ist.
Vorhin sind zwei Risikogruppen genannt worden, zum einen die Kinder und zum anderen die Fahranfänger.
Ein besonders großes Problem besteht insbesondere bei der Gruppe der Kinder von 5 bis 12 Jahren. Die sachgerechte Sicherung für diese Altersgruppe fehlt. Nur 25 Prozent sind auf Strecken innerorts und 17 Prozent auf Strecken außerorts sachgerecht gesichert. Das ist ein Problem, dessen wir uns annehmen müssen, und wir haben dabei auch eine besondere Verantwortung der Eltern zu konstatieren.
Es ist richtig, daß wir in diesem Bereich bisher nur ein Verwarnungs-, kein Bußgeld haben. Wir müssen abwarten, wie die besonderen Elemente der Verkehrssicherheitsaktionen wirken. Danach müssen wir uns auch darüber verständigen, was möglicherweise die notwendige Konsequenz aus diesen Ergebnissen ist. Nur, Frau Kollegin Ferner, das Entscheidende in diesem wie auch in anderen Bereichen - ich komme gleich noch einmal darauf zurück - ist die Kontrolle.
Die Kontrollen sind einfach unzureichend, und deswegen werden heute in diesem Bereich auch wenig Verwarnungsgelder verhängt. Deswegen wäre es sowohl unter spezial- wie generalpräventiven Gesichtspunkten notwendig, diese Kontrollen deutlicher und umfangreicher durchzuführen.
Eine zweite Bemerkung zum Bereich der Fahranfänger. Wir müssen überlegen, was wir im Bereich der Ausbildung tun können. Wir haben uns ja gerade heute morgen im Kreise der Berichterstatter über die Umsetzung der Zweiten EU-Führerscheinrichtlinie unterhalten und werden sehen müssen, was hierzu an zusätzlicher Ausbildung unter Umständen noch aufgenommen werden muß, weil die notwendige Beherrschung des Fahrzeugs oft fehlt.
Wir werden uns über die Sanktionierung der Fahranfänger, wenn sie besonders auffällig werden, zu verständigen haben, was wir im übrigen aber auch in anderen Bereichen getan haben.
Michael Jung
Wir haben vor einiger Zeit die Unfallursachen analysiert und daraufhin deutliche Strafverschärfungen bei nicht angepaßter, zu hoher Geschwindigkeit, bei zu geringem Abstand, bei Überfahren roter Ampeln mit dem Ergebnis eingeführt, daß dadurch wesentlich mehr Strafen als früher verhängt werden, um über Sanktionen zu einem besseren Verhalten im Straßenverkehr beizutragen.
Unrichtig ist, wie die Kollegin Mattischeck formulierte, daß aus purer Ideologie einige wesentliche Elemente doch nicht umgesetzt würden. Dazu will ich noch einige Anmerkungen machen.
Sie hat zunächst das Thema Tempolimit genannt. Meine Damen und Herren, über 97 Prozent aller deutschen Straßen haben ein Tempolimit.
Ein großer Teil der Autobahnen und alle anderen Straßen sind tempolimitiert, innerorts wie außerorts, und das Ergebnis ist, daß - auf die Fahrleistung bezogen - der Anteil der Unfälle auf den Autobahnen niedriger ist als der von Unfällen auf anderen Straßen innerorts wie außerorts.
Das sind die Fakten, die Sie auch nicht wegdiskutieren können, so daß die pure Ideologie bei der Verfolgung dieser These eher bei Ihnen als bei der Regierungskoalition liegt.
Das zweite ist das Thema Alkohol im Straßenverkehr. Kollege Friedrich hat schon darauf hingewiesen. Wir sollten uns die richtige Terminologie angewöhnen. Nach der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist bereits ab 0,3 Promille, wenn andere Faktoren der Auffälligkeit dazukommen, die Fahruntüchtigkeit gegeben und der Führerschein kann entzogen werden. Wir sollten nicht - noch weniger von diesem Pult aus - die Illusion nähren, daß der §24 a StVG die einzige Grenze mit 0,8 Promille setze. Das ist eindeutig falsch.
Auch hier ist der entscheidende Gesichtspunkt, wer erwischt wird und wer nicht. Wenn Sie sich Untersuchungen ansehen, die auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar und woanders diskutiert werden, dann kommen - die Zahlen schwanken - auf eine entdeckte Fahrt 300 bis 600 unentdeckte Fahrten.
Und warum, Frau Kollegin? Weil nicht kontrolliert wird. Das ist das Problem. Die Zahl der Kontrollen muß eindeutig erhöht werden, damit die Abschrekkung größer ist und damit zeitnahe Verurteilungen erfolgen können. Nur, das ist Aufgabe der Länder. Die Schwäche der Polizeien in den einzelnen Bundesländern führt leider zu dem Ergebnis, daß die Kontrollen absolut unzureichend sind. Auch dies muß geändert werden.
Weitere Anmerkung: Tempo 30 in den Ortschaften. Hier hat der Herr Staatssekretär bereits darauf hingewiesen, daß nach allen Untersuchungen, die wir haben, eine solche Begrenzung nur sinnvoll ist, wenn sie mit baulichen Maßnahmen einhergeht.
Wir haben deswegen bei der Straßenverkehrsordnung damals nicht die Regelung gewählt, generell von oben herab zu diktieren: überall Tempo 30. Vielmehr haben wir die Möglichkeit gelassen, daß vor Ort entschieden wird, ob Tempo 30 eingeführt wird. Das ist eine sachgerechte Lösung, die ich auch für die Zukunft nur empfehlen kann.
Eine Anmerkung noch zu dem, was zur Steigerung der Verkehrsleistungen von einem Kollegen vorhin gesagt worden ist. Er muß sich darüber im klaren sein, daß die Verkehrsleistungssteigerung sehr damit zusammenhängt, daß ein großer Teil der zurückgelegten Kilometer nicht aus beruflichen oder geschäftlichen, sondern aus Freizeit- und Privatinteressen zurückgelegt wird. Das ist eine gewisse Kehrseite der Mobilität, die wir auf der anderen Seite unseren Bürgern zumuten.
Deswegen ist es unsere gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, daß wir im Bereich der Verkehrssicherheit wie bisher trotz mancher unterschiedlicher Detailpositionen zu gemeinsamen Ergebnissen und damit zu mehr Verkehrssicherheit für unsere Bürger kommen.
Vielen Dank.