Rede von
Cornelia
Schmalz-Jacobsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Was hat sich nun eigentlich verändert seit dem letzten Mal, seit wir vor etwa sieben Monaten hier über dieses Thema diskutiert haben?
An der Lage in Bosnien-Herzegowina hat sich leider wenig verändert. Die Lage dort ist nach wie vor labil, die Aufnahmestrukturen sind mangelhaft, die Wohnraumversorgung ebenfalls; Verdienstmöglichkeiten sind kaum vorhanden, und die dortige Regierung hätte allemal noch sehr, sehr viel zu tun. Man muß ihr auf die Füße treten. Hier muß mehr geschehen.
Was sich allerdings leider gegenüber dem vergangenen September auch noch nicht verändert hat, ist, daß die Länder die Zahlen über die Flüchtlinge und die Orte, aus denen diese kommen, noch nicht vorgelegt haben. Das halte ich für einen ganz großen Mangel, und auch das hätte ich gerne von der Bundesratsbank hier heute erfahren.
Denn die Freigabe der Gelder - so haben wir immer
wieder vernommen - hängt davon ab, daß man weiß,
Cornelia Schmalz-Jacobsen
wer woher kommt. Hier ist leider weitgehend Fehlanzeige zu vermelden.
Die Lageberichte des Auswärtigen Amtes sprechen eine deutliche Sprache, und ebenso hat der Verteidigungsminister, Herr Rühe, sich hier sehr deutlich über das geäußert, was in Bosnien-Herzegowina zur Zeit vorgeht.
Etwas anderes hat sich verändert, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das ist das Klima in unserem Land gegenüber den Flüchtlingen. Es ist nämlich ein sehr polarisiertes Klima, und das ist nie gut. Geändert haben sich vielfach die Tonart und der Umgang.
Es hat ja manchmal den Anschein, daß man als Beweis dafür, kein Spinner oder Romantiker zu sein, als erstes das Bekenntnis ablegen muß, der Flüchtlingsstatus sei ein vorübergehender; ich will das auch gerne hier tun. Ich glaube, das wird auch ernsthaft von niemandem bestritten.
Unbestritten ist auch, daß es, je länger Menschen ihrer Heimat fern sind und je länger diese Flüchtlinge hier sind, für sie um so schwieriger wird, sich dort wieder einzugliedern.
Ich spreche nicht von Kriminellen, ich spreche auch nicht von den Flüchtlingen, die keine so guten Menschen sind, die alles herauszuholen versuchen, was möglich ist. Darum geht es mir nicht. Es geht auch nicht darum, Rückkehr zu verhindern, sondern es geht schlicht und einfach darum, gewisse Standards von Menschenrechten und Menschenwürde einzuhalten.
Wir wollen doch alle einen humanen Umgang mit Menschen, die wir hier aufgenommen haben. Auf diesem Gebiet liegt nun tatsächlich vieles im argen. Wir haben alle die gleichen Berichte von den gleichen Institutionen erhalten. Ich erwarte, daß man in den Ländern tatsächlich den einzelnen Vorwürfen auch einzeln nachgeht.
Nun mag es ja sein, daß manches übertrieben ist. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber wenn jemand nachts herausgeholt wird, dann ist es mir ziemlich egal, ob es nachts um zwölf, um ein oder um drei Uhr ist. Nachts ist nachts und ist nicht mittags um zwölf.
Wenn jemand seine eigene Wohnung gekündigt hat, dann ist das eben kein Zeichen dafür, daß er hierbleiben will. Es ist vielmehr ein Zeichen für die vernünftige Vorbereitung einer Ausreise.
Wer sich selber umsieht, der braucht eigentlich keine Berichte von Organisationen; denn es reicht, was man direkt hört. Ich glaube, das geht denen, die sich kümmern, ebenso wie mir. Man hört nämlich von Menschen, die plötzlich keinerlei Lebensgrundlage mehr haben. Man hört von Kranken, aber Kranke sind nicht ausreisepflichtig. Man hört von jungen Leuten in der Ausbildung. Auch sie sind nach dem Beschluß der Innenministerkonferenz unter bestimmten Umständen nicht ausreisepflichtig. Aber die Praxis sieht anders aus, liebe Freunde. Einzelne Behörden scheinen mir manchmal einen Wettlauf in Sachen Rigorosität zu veranstalten, der nicht im Sinne des IMK-Beschlusses ist.
Ich denke an den Fall eines jungen Metzgers aus Bayern, der zum 1. April 1997 ausreisen soll, aber seine Prüfung im Juni zu absolvieren hat. Dazu hat mir der bayerische Innenminister geschrieben, daß nur dann eine Verlängerung des Aufenthalts bis Ende 1997 genehmigt werden kann, wenn sich der Auszubildende zum Stichtag 26. Januar 1996 im letzten oder vorletzten Jahr der Ausbildung befand. Das ist hier der Fall, in anderen Fällen ist das ebenso. Aber es wird eben genau so nicht gehandhabt. Das muß man monieren, und ich moniere es hier.
Herr Beckstein hat mir übrigens in seinem Brief auch geschrieben, daß ein längerfristiger Aufenthalt ehemaliger bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge auf Kosten der Allgemeinheit nicht vertretbar sei. Das bringt mich zu einer anderen Frage: Wie sieht es mit den Leuten aus, die Arbeit haben? Das sind gar nicht so wenige. Wenn sie ihren Ausreisebescheid bekommen, der noch längst nicht gleichbedeutend mit Abschiebung ist, dann verlieren sie ihre Arbeit. Die Kommunen sind mit Recht außerordentlich ungehalten darüber, daß diese Leute, die gestern noch Steuern und Sozialabgaben gezahlt haben, heute plötzlich in die Gruppe der Sozialhilfeempfänger fallen. Wir haben in meiner Fraktion eine Initiative gestartet. Ich bitte darum, daß die Bundesregierung hier Auskunft gibt; denn es war verabredet, daß dies abgestellt wird.
Wir sind - das wissen wir - das Land, das die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen hat - in absoluten Zahlen, meine Damen und Herren. Aber es ist nicht so, daß andere Länder nicht etwa eine vergleichbare Anzahl Flüchtlinge aufgenommen hätten. Denn das richtet sich nach der Zahl der Einwohner. Nur, es ist leider so, daß kein anderes Land einen vergleichbaren Druck in bezug auf die Rückreise ausübt, wie wir das tun. In anderen Ländern wird noch sehr viel mehr auf Freiwilligkeit gesetzt.
Das sagen auch die Innenminister immer wieder, aber ich habe einfach den Eindruck, daß hier ein großer Unterschied zwischen Reden und Handeln besteht.
Jetzt muß ich einmal den Satz zitieren: Man kann nicht zwei Herren gleichzeitig dienen.
Cornelia Schmalz-Jacobsen
Man kann nicht einerseits den Versuch unternehmen, den Stammtischen - ich will sie in diesem Fall nicht diskreditieren will, aber Sie wissen alle, was ich meine - gerecht zu werden und gleichzeitig, indem man sagt: „Wir setzen ja auf Freiwilligkeit", den Helferorganisationen gerecht zu werden.
Per Druck geht wenig. Es muß eine gezielte Rückkehrvorbereitung sein. Ich weiß, das findet an vielen Stellen statt, aber es muß verstärkt werden. Indem man Leute zur Rückkehr zwingt, erreicht man wenig.
Bärbel Bohley, die vor Ort arbeitet, hat gesagt -ich zitiere sie -: Das Netz, in dem Flüchtlinge aufgefangen werden können, ist sehr dünn. Sie sagte auch: Wir werden die Rückkehr nicht ganz schnell lösen können. - Das gehört zur Ehrlichkeit. Das muß man betonen.
Meine Damen und Herren, wir müssen aufpassen, daß wir nicht eines Tages mitverantwortlich für eine Destabilisierung in Bosnien-Herzegowina gemacht werden können.
Das ist doch die Sorge des Außenministers, des Verteidungsministers und der Außenpolitiker. Ich muß allerdings sagen: Das Klima in Deutschland ist mir genauso wichtig. Wir müssen doch unser Versprechen, das wir gegeben haben, nämlich die Flüchtlinge in Würde und in humaner Weise zurückzuführen, halten.
Ganz einfach ausgedrückt will ich es einmal so sagen: Ich möchte nicht in die Situation kommen - weder nach außen noch nach innen -, mich für mein Land schämen zu müssen.