Rede von
Antje
Hermenau
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, sprechen wir doch einmal über die Details, zum Beispiel über diejenigen, die am Montag in Dresden nicht gelöst wurden, weil sich die Bundesregierung und die Länderregierungen nicht einig werden konnten. Sie haben sich also ergebnislos auf die nächste Woche vertagt.
Es handelt sich auch um eine diffuse Gemengelage, nicht wahr? Der Vorstand der LMBV stellt sich hin und sagt: Man braucht für den Jahreszeitraum 1998 bis 2002 Mittel nicht in Höhe von 7,5 Milliarden DM, sondern in Höhe von 6 Milliarden DM. Theo Waigel atmet tief durch, weil nicht er es sagen mußte, sondern der Vorstand der LMBV ihm das abgenommen hat. Es ändert aber nichts daran, daß durch dieses Katzbuckeln vor der Finanzmisere immerhin etwas in die Welt gesetzt worden ist, was nicht funktioniert, nämlich eine 20prozentige Kürzung eines sehr detailliert ausgerechneten Finanzierungsplanes.
Das hat nichts damit zu tun, daß man die Mittel ein bißchen effizienter einsetzen könnte. Denn diese Pufferzone liegt bei Unternehmen erfahrungsgemäß höchstens bei 10 Prozent. Da ist offensichtlich noch etwas anderes im Spiel.
Man sollte bedenken, daß der Bund nur die Hälfte der zur Verfügung gestellten Mittel trägt. Es heißt, er trägt pro Jahr Mittel in Höhe von nicht einmal 1 Milliarde DM. Im Vergleich dazu muß man sich vor Augen halten, wie bei der Diskussion um die westdeutsche Steinkohle davon geredet worden ist, die Subvention müsse unbedingt über viele Jahre aufrechterhalten werden.
Dabei geht es dort um die Subventionierung der Aufrechterhaltung der Produktion, während es im Osten
nur darum geht, daß die öffentliche Hand den Struk-
Antje Hermenau
turwandel finanziert. Das wäre doch auch für NRW sinngerecht gewesen, nicht wahr? Die öffentlichen Mittel sollen hier also zur Rekultivierung der Landschaft eingesetzt werden und nicht zur Aufrechterhaltung einer Produktion, die man inzwischen als umweltgefährdend und veraltet erkannt hat. Ich denke, das müßte man viel mehr unterstützen und nicht versuchen, noch ein paar Mark zu streichen.
Überlegen wir doch einmal welche Arbeiten es sind, die Sie durch diese merkwürdige Einsparungsvorgabe aufschieben müßten und was dann passieren würde! Es wären vor allen Dingen Abrißarbeiten betroffen, die in den nächsten zwei, drei Jahren anstehen. Natürlich können Sie die Industrieruinen stehen lassen. Dann haben Sie die Lausitzer Seenplatte mit ein paar Ruinen. Das sind aber keine Klöster; das sind zum Beispiel Ziegeleien und Brikettfabriken. Natürlich kann man versuchen, auch daraus ein Disneyland zu machen. Die Region setzt, glaube ich, allerdings eher auf eine andere Form von Tourismus.
Diese kleinen Abrißarbeiten kosten nicht viel, bringen also auch an Einsparungen wenig, sind aber ausgesprochen arbeitsintensiv. Durch eine kleine Einsparung, die Sie durch den Stopp der Abrißarbeiten erreichen wollen, weil Sie bei der Bilanz für 1997 wieder frisieren müssen, schaffen Sie also einen Arbeitsplatzabbau, der nicht logisch und nicht vernünftig ist. Denn in ein paar Jahren müssen Sie die Ziegeleien doch sowieso abreißen. Dann werden wahrscheinlich andere Arbeitskräfte zu anderen Löhnen eingestellt. Das nützt aber nicht der Region, weil dort 34 Prozent der Arbeitnehmer über 50 Jahre alt sind. Die könnten doch mit den langsam auslaufenden Arbeiten in ihren Ruhestand übergehen. Das wäre eine sehr logische und vernünftige Vorgehensweise. Das Geld hingegen zu kürzen und genau diese Arbeiten damit zu treffen ist deshalb absolut unsinnig.
Es gibt noch einen zweiten Aspekt. Alle Regionen in Europa - egal wie strukturschwach oder strukturstark sie sind - stehen in den Startlöchern und scharren mit den Füßen. Die Region, die es vor 2000 nicht geschafft hat, in die Startlöcher zu kommen, wird sehr lange ein abhängiges Subventions- und Abwanderungsgebiet bleiben. Das ist genau das Schicksal, das der Lausitz im Moment beschieden wird. Die Notsanierung - bezüglich Bodenverdichtung und Wasserführung -, die wegen der Gefährdung der Menschen nicht vermeidbar ist, wird durchgeführt, aber es wird nichts dafür getan, daß der Strukturwandel beschleunigt und mit einer Kraftanstrengung durchgezogen wird, damit diese Region zeit- und fristgemäß eine wirkliche Chance hat, in einem Europa der Regionen standzuhalten. Ich halte das für unzumutbar.
Schauen wir uns an, was für Folgekosten entstehen, weil man sich auf diese Kürzungsvorschläge einlassen will, die, wie ich meine, ganz schlecht zu rechtfertigen sind. Vor zwei Wochen habe ich mir selbst vom Vorstand der LMBV erklären lassen, wie er gedenkt, die 20 Prozent Einsparungen beizubringen. Mindestens 10 Prozent beruhen auf unsicheren Daten und Überlegungen. Es gibt Planungsgrößen, die nicht realistisch sind. Das ist keine saubere Buchführung bzw. Rechnungslegung, sondern schlicht und einfach der Versuch, über etwas hinwegzutäuschen. Mit einem so unsauberen Ergebnis lassen sich die Länder nicht abspeisen. Deswegen sind die Verhandlungen am Montag ergebnislos verlaufen.
Welchen volkswirtschaftlichen Nutzen hat es denn, in den nächsten ein oder zwei Jahren ab und zu 0,3 Milliarden DM einzusparen, in den Folgekosten aber weit über eine Milliarde DM hinauszugehen? Das ist doch nicht logisch. Sie werden Zusatzkosten zum Beispiel bei den Entwässerungsarbeiten, bei Neuplanungen, bei Vertragsnachbesserungen und bei Regreßforderungen der Firmen haben.
Ein weiteres Beispiel sind die Sanierungsgesellschaften. Sie wurden 1994 ausgegründet und privatisiert, haben jetzt zwei Jahre lang davon profitieren können, produktive Lohnkostenzuschüsse zu haben, um ihre Arbeit aufzunehmen, und machen jetzt ihre Bedarfsplanung. Dafür brauchen sie natürlich eine mehrjährige Planungssicherheit, denn sonst können sie die nicht machen. Die Arbeitsplätze, die vom zweiten in den ersten Arbeitsmarkt überführt werden könnten, haben jetzt aber keine Perspektive, weil den Sanierungsgesellschaften das Planungskonzept entzogen wird. Ich halte das nicht für sehr vernünftig.
Danke.