Rede von
Jürgen W.
Möllemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Dr. Zöpel hat mich persönlich angesprochen, in einer zwar relativierenden Art, aber nach dem Motto: „Ich habe die Erklärung zwar nicht genau zur Kenntnis genommen, aber wenn er das gesagt haben sollte, dann möchte ich das rügen."
- Ja. Sie haben gesagt, Sie hätten nicht gehört, was ich wörtlich gesagt habe, aber für den Fall, daß es so sei, wollten Sie vorsorglich schon einmal rügen, daß ich erklärt hätte, Menschenrechte hätten hinter wirtschaftlichen Interessen zurückzustehen.
Ich weise das zurück. Es geht darum, daß wir in dem Fall, über den wir heute reden, wie in vielen Fällen abzuwägen haben, wie wir die verschiedenen Interessen, die unsere Außenpolitik bestimmen, gewichten.
105 Staaten dieser Welt - so der letzte Jahresbericht von Amnesty International - verletzen regelmäßig und systematisch die Menschenrechte. Nicht wenige darunter beauftragen ihre Geheimdienste, Oppositionelle auch mit Mord aus dem Weg zu räumen. Wir haben stets abzuwägen, wie wir mit diesen 105 Staaten dieser Welt umgehen.
Ich bin jetzt 25 Jahre in diesem Haus und habe zu denen gehört, die sich dafür eingesetzt haben, mit der Sowjetunion weiter politische und wirtschaftliche Beziehungen aufrechtzuerhalten, auch zu Zeiten, als jeder wußte, daß diese Oppositionelle ermorden läßt, auch auf deutschem Boden, daß diese die Verantwortung dafür hat, daß Deutsche, die Deutschland verlassen wollten und in den anderen Teil Deutschlands wollten, an der Grenze erschossen wurden, daß diese die Verantwortung dafür hatte, daß ein Angriffskrieg
Jürgen W. Möllemann
gegen Afghanistan geführt wurde. Wir haben abgewogen: Was ist zweckmäßiger?
Sie gehören zu denen, verehrte Kolleginnen und Kollegen in der SPD, die diese Abwägung geteilt haben. Deswegen steht es Ihnen nicht zu, solchen, die heute im Blick auf ein anderes Land eine ähnliche Abwägung treffen, mit moralischer Entrüstung entgegenzutreten.
Hermes-Bürgschaften gewähren wir auch einer ganzen Reihe von Ländern, in denen die Menschenrechte regelmäßig und systematisch verletzt werden. Hermes-Bürgschaften gewähren wir auch Ländern, bei denen wir bedauerlicherweise unterstellen müssen, daß sie ihre Opposition auch gewaltsam bekämpfen, wobei die Ermordung von Menschen keine andere Qualität dadurch bekommt, daß sie auf einem anderen Territorium erfolgt. Entscheidend ist die politische Entscheidung einer Regierung, Menschenrechtsverletzungen durchzuführen.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß wir die deutschen Interessen dadurch am überzeugendsten wahrnehmen, daß wir uns von Jahr zu Jahr ein Land auf dieser Welt herauspicken, das dann eine Zeitlang im Mittelpunkt steht, daß dann das nächste kommt, sich aber nichts ändert. Ich glaube, wir sind vernünftig beraten, nüchtern abzuwägen, wie wir unsere Interessen in einem gestaffelten Prozeß am besten wahrnehmen.
Ich bin es leid, auch als Abgeordneter in diesem Hause, von amerikanischen Kollegen Vorhaltungen gemacht zu bekommen im Blick auf unsere Politik gegenüber dem Iran, von der ich meine, sie muß im Wege eines intensiven Dialogs fortgesetzt werden. Der Dialog ist nötig, wenn man Probleme hat, und nicht überflüssig. Ich bin es leid, Vorhaltungen von einem Land gemacht zu bekommen, das, um Öl aus Kasachstan ans Meer zu transportieren, mit den Taliban paktiert, die ganz gewiß keine menschenrechtsfreundlichen Beziehungen zu dem Thema haben, das wir heute diskutieren.