Rede von
Karsten D.
Voigt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesaußenminister, ich bedaure, daß Sie Ihre Rede vor dem Plenum des Deutschen Bundestages nicht genutzt haben, um einen früheren Fehler zuzugeben und gleichzeitig zu korrigieren. Ich meine Ihren Fehler, daß Sie damals wegen der Ausladung des iranischen Außenministers durch den Bundestag die Islam-Konferenz abgesagt haben. Im nachhinein ist wohl klar, daß Welajati nicht den Islam repräsentiert und daß eine solche Konferenz dringend erforderlich ist. Ich fordere Sie auf, diese Konferenz endlich durchzuführen, und zwar ohne Welajati einzuladen.
Das zeigt symbolisch, daß die Fehler der Bundesregierung bei einem gewichtigen Punkt weiter zurückreichen, als sie es in dieser Debatte nach dem Urteil in Berlin zugibt.
Ich möchte bewußt den Ton übernehmen, den mein Kollege Zöpel heute angeschlagen hat. Er hat nämlich jenseits aller parteitaktischen und innenpolitischen Erwägungen versucht, festzustellen, welche Prinzipien wir haben, welche Schlußfolgerungen für die Außenpolitik wir daraus ziehen und welche Schwierigkeiten es gibt, diese Prinzipien in praktisches Handeln umzusetzen.
Dabei hilft es nicht allein, daß wir hier gemeinsam der Auffassung sind, daß unsere Außenpolitik auch den Menschenrechten, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, dem Völkerrecht und vor allen Dingen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dienen soll. Diese Auffassung haben wir alle schon immer geteilt. Diese Auffassung teilen wir auch mit den Amerikanern. Trotzdem kann man zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen kommen.
Ich möchte an den Satz anknüpfen, daß nicht nur unsere Iran-Politik gescheitert ist - mit „unsere" meine ich die der Bundesregierung -, sondern auch die der USA. Ich möchte darauf hinweisen, daß Hoagland in einem Artikel der heutigen Ausgabe der „International Herald Tribune" sagt: Die Iran-Politik ist gescheitert. - Er spricht dann ein paar spezifisch die Amerikaner betreffende Punkte an und zieht die Schlußfolgerung - auch unter Berufung auf Diskussionen in der amerikanischen Administration -, daß man die Seeblockade gegenüber dem Irak jetzt auf den Iran ausdehnen müsse und daß man eventuell genauso wie gegen den Irak gezielte militärische Schläge auch gegen den Iran vornehmen müsse. - Meine Vermutung ist, daß der Kollege Joschka Fischer diesen Schlußfolgerungen der Amerikaner aus dem Scheitern der Iran-Politik nicht unmittelbar zustimmen würde. Ich zumindest würde es nicht tun.
Es reicht nicht, Ziele und Werte zu beschreiben, Prinzipien zu definieren und das Scheitern der bisherigen Iran-Politik festzustellen. Gleichzeitig muß man offen die Schwierigkeiten zugeben, die mit einer anderen Iran-Politik verbunden sind.
Ich glaube, wir müssen gegenüber dem Iran deutlich machen, daß die deutsch-iranische Freundschaft, die es meiner Meinung nach gibt und auf die Sie Bezug genommen haben, nicht jenseits von Menschenrechten, Demokratie und Völkerrecht steht und erst recht nicht mit internationalem Terrorismus zu vereinbaren ist.
Die iranische Vorstellung war, daß die deutsch-iranische Freundschaft über Kaiser Wilhelm, die Weimarer Republik und Adolf Hitler bis hin zur Bundesrepublik reicht. So geht das nicht! Das kann man zwischen Völkern als Sympathie empfinden. Aber die Deutschen haben in dieser Frage heute eine Werteorientierung, auch in der Außenpolitik. Daran mißt sich der Inhalt unserer Beziehungen und die Möglichkeit zur Entfaltung der Beziehungen und nicht an der abstrakten Berufung auf die deutsch-iranische Freundschaft per se.
Das ist also eine Fehleinschätzung, die der Iran gemacht hat und die er auch heute offensichtlich macht. Er meint nämlich - so die Stellungnahme von Khamenei -, wir hätten, weil wir das Gerichtsurteil und die Richter verteidigen, etwas gegen das iranische Volk. Das haben wir natürlich nicht.
Zweitens gibt es einen Punkt, der heute nicht angesprochen wurde, der für uns aber ganz zentral ist. Christoph Zöpel hat das im Zusammenhang mit der Nahostpolitik erwähnt. Ich habe in meinen Gesprächen mit den Iranern immer festgestellt, daß sie glauben, wir setzten uns für den Nahost-Friedensprozeß, für die israelische Staatssicherheit, für die Garantie Israels, in gesicherten Grenzen zu existieren, aus irgendeinem Schuldgefühl heraus ein. Das ist eine Fehleinschätzung. Wir empfinden, nicht ohne dabei zugleich auch Sympathien für die Palästinenser zu haben, heute eine tiefe Sympathie für die Israelis. Unsere Politik ist in dieser Frage nicht nur von Schuldgefühlen, sondern auch von Sympathie geleitet - sowohl für die Israelis wie auch für die Palästinenser. Jeder Versuch der Iraner, uns durch ihre Politik von dieser Haltung abzubringen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Drittens. Wie Herr Kinkel gesagt hat und wie zumindest einige im Raum schon wußten, haben die Iraner eine Konferenz, eine Besprechung mit oberster Führung abgehalten, auf der sie Bilanz gezogen haben zu den Punkten, in denen auch sie sich geirrt
Karsten D. Voigt
haben. Sie glaubten nämlich, sie könnten Deutschland und Europa sozusagen als Hebel benutzen, um die amerikanische Politik zu attackieren. Auch das wird nicht klappen.
Wir sind in der Frage der Iran-Politik der USA anderer Meinung. Aber natürlich haben die deutschamerikanischen Beziehungen für uns einen höheren Rang als die deutsch-iranischen Beziehungen. Das war so und das bleibt so, auch im Rahmen dieser Handlungsbereiche. Nicht etwa weil die Iraner die Handlungsmöglichkeiten Deutschlands falsch eingeschätzt hätten, sondern weil wir andere Prioritäten haben, werden sie auch in diesem Punkt weiter auf Granit beißen, sind das Fehleinschätzungen, wenn sie ihre Politik daran orientieren wollen.
Nun zu dem, was möglich ist. Christoph Zöpel hat dazu etliches gesagt. Aber man muß gleichzeitig sehen, daß die Politik genereller Sanktionen, die die Amerikaner und auch einige hier im Raum befürworten, schon allein aus dem Grunde nicht zieht, weil wichtige Nachbarn des Iran eine solche Politik ökonomischer Sanktionen nicht nachvollziehen, sondern zur Zeit das Gegenteil machen.
Ich meine Rußland, in wachsendem Maße China und den - wie man so schön sagt - Bündnispartner Türkei.
Eine Politik ökonomischer Sanktionen, die ich moralisch verstehe, ist politisch nur sinnvoll, wenn sie den gewünschten Effekt hat. Wenn die angrenzenden Staaten nicht mitmachen, dann blamiert sich nicht derjenige, der mit Sanktionen bedroht wird, sondern derjenige, der sie androht. Deshalb muß man sich sehr genau überlegen, ob das bewirkt wird, was wir wirklich wollen. Es reicht nicht, zu sagen: Weil da etwas Böses ist, müssen wir etwas tun.
Ungeachtet all der bestehenden Schwierigkeiten, auch angesichts der diametral entgegengesetzten Auffassung in bezug auf Völkerrecht und Menschenrechte, in Fragen der Demokratie und des Nahostprozesses, müssen wir versuchen - anders geht es nicht, wenn man keine Möglichkeit hat, das System zu stürzen, und wenn man die Probleme nicht mit Krieg lösen will; wir wissen ja auch, daß die Probleme dadurch in Wirklichkeit nicht gelöst, sondern verschärft werden -, die Politik des Iran zu verändern: mit Druckmitteln und mit Anreizen.
Druckmittel sind dort einzusetzen, wo sich die Iraner im Sinne unserer Zielvorstellungen falsch verhalten, Anreize dort, wo sie sich korrekt verhalten. Das tun sie zum Beispiel im Kaukasus, wo sie - jenseits aller islamischen Ideologie - in dem Konflikt zwischen Afghanistan und Armenien eine sehr staatsrationale Politik betreiben. Sie tun es auch im Bereich Zentralasiens. Sie tun es zum Teil in Afghanistan, weniger in der Golfregion, leider überhaupt nicht im Nahen Osten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wollte damit nur deutlich machen, daß wir uns - jenseits der Prinzipien und der Notwendigkeit, eine neue Politik zu bestimmen - jetzt eigentlich erst am Anfang einer Diskussion über eine solche Politik befinden. Sie wird umstritten sein, nicht nur hier im Haus, sondern auch auf der Ebene der Europäischen Union und in den Beziehungen zwischen uns und den Vereinigten Staaten. Sie wird aber nur erfolgreich sein, wenn wir sie alle gemeinsam vertreten: hier in Deutschland, in Europa und zusammen mit den Vereinigten Staaten.
Vielen Dank.