Rede von
Paul K.
Friedhoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sozialdemokraten fordern in ihrem Entschließungsantrag zu der heutigen Debatte die Einrichtung eines Konkursvermeidungsfonds und die Förderung einer Wachstumsfinanzierung. Einen grauen Kapitalmarkt gibt es schon. Nun wollen offensichtlich Sozialdemokraten allen Ernstes dem noch so etwas wie einen roten Kapitalmarkt hinzufügen.
Wir brauchen keine staatlichen Programme, sondern verbesserte Ertragserwartung für Investoren am Standort Deutschland. Das ist der entscheidende Punkt.
Worauf laufen denn diese Vorschläge hinaus? Sie wollen den Einfluß staatlicher oder halböffentlicher Kreditvergabe durch Zinsverbilligung weiter ausdehnen. Wir leiden bereits heute unter der Unübersichtlichkeit, die die Vielfalt von existierenden Förderprogrammen hervorruft. Da wollen Sie nachlegen. Ich wäre sehr gespannt, wie die von Ihnen schlankweg formulierte Mißbrauchsaufsicht über die Programme und ihre Nutzung in der Praxis funktionieren sollte, ohne daß ein neuer Behördensumpf erzeugt würde und es wieder zu Manipulationen käme, wie das in all diesen Fällen ist.
Das Thema Insolvenzen in Deutschland führt direkt in die große Reformdebatte, die wir Freien Demokraten seit Jahren anmahnen. Die Mehrheit der Bürger in diesem Land ist inzwischen von der Notwendigkeit tiefgreifender Reformen überzeugt. Regelmäßig zeigen dies alle Umfragen. Diese Überzeugung ist richtig. Mit kosmetischen Korrekturen ist es nicht mehr getan, vor allen Dingen nicht mit einfacher Umfinanzierung, wie das immer wieder hier erzählt wird.
Wir haben zu viele Insolvenzen. Ohne eine konsequente liberale Reformpolitik werden wir dies nicht ändern und den Weg zu mehr Beschäftigung nicht gehen; denn das muß das Ziel der Politik in unserem Land sein: Wir brauchen mehr Arbeitsplätze. Die Arbeitslosigkeit ist kein unabwendbares Schicksal. In anderen westlichen Industrieländern, die vor den notwendigen Reformen nicht zurückgeschreckt sind, sind in den letzten Jahren Millionen neuer Arbeitsplätze entstanden. Hier sind viele Länder genannt worden. Ich möchte Großbritannien hinzufügen, wo die Arbeitslosenquote in der Zwischenzeit auf knapp
Paul K. Friedhoff
über 6 Prozent gesunken ist. In den USA nähert sie sich der 5-Prozent-Marke.
Die Erfolgsstrategie dieser Länder liegt offen zutage: Steuersenkungen, Subventionsabbau, Deregulierung des Arbeitsmarktes, drastische Senkung der Lohnnebenkosten.
Würde Arbeit in Deutschland wieder bezahlbar werden, könnte auch bei uns in Deutschland schnell und spürbar die Arbeitslosigkeit gesenkt werden. Manches Unternehmen würde dann nicht in die Insolvenz getrieben. Es könnte die Pleite vermieden werden.
Die Opposition gefällt sich immer noch darin, in abfälliger Weise über die 610-DM-Arbeitsverhältnisse herzuziehen. Ich sage Ihnen: Die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse sind eines der wenigen beweglichen Instrumente, die der deutsche Arbeitsmarkt aufweist. Würde diese Möglichkeit eingeschränkt, so fielen noch mehr Arbeitsplätze weg. Deswegen hat die F.D.P. die immer neuen Anläufe der letzten Monate auch erfolgreich abgewehrt.
Meine Damen und Herren, die Koalition hat mit ihrem Programm für Wachstum und Beschäftigung und mit ihren Vorschlägen für eine umfassende Steuerreform bereits wesentliche Reformanstrengungen unternommen. Die SPD aber behindert und blockiert den Bundesrat, wo sie nur kann. Dabei wäre ein rascher Abschluß der parteiübergreifenden Gespräche zur Steuerreform ein bedeutendes Signal an die Unternehmen und an die Investoren, daß Deutschland in der Lage ist, seine Standortprobleme „inside" zu lösen.
Die Kapitalrenditen unserer deutschen Betriebe liegen im Durchschnitt erheblich unter den Werten in anderen Industrieländern. Deshalb wird dort investiert und bei uns nicht. Warum verstehen Sie nicht, daß Unternehmen nur an den Standorten bleiben können, an denen die Steuer- und Abgabenlast nicht ins Uferlose steigt? Denn wenn Produkte zu teuer werden, dann werden diese Produkte nicht mehr gekauft.
Die Insolvenzen werden zu einem erheblichen Teil durch schlechtere Wettbewerbsbedingungen als in den Konkurrenzländern verursacht. Da müssen wir ansetzen. Das Problem kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Aufnahme von Risikokapital ist ja nicht, daß zuwenig Kapital am Markt vorhanden wäre. In Deutschland besteht das Problem des Ausgangs, des Exit, im Klartext: Wie kann ein Unternehmen in einer überschaubaren Zeit das Kapital, das es zur Wachstumsfinanzierung aufgenommen hat, wieder ablösen? Bislang nehmen wir in diesem Land den Unternehmen noch zuviel von ihren Gewinnen ab, so daß zuwenig übrigbleibt, um die Ablösung des Risikokapitals zu gewährleisten. Diese Unternehmensbesteuerung ist im internationalen Vergleich einmalig. Auch der Risikokapitalmarkt, der nicht in Gang kommt, ist von dieser Tatsache beschwert.
Stimmen Sie deshalb den Petersberger Beschlüssen zu, machen Sie den Weg frei für eine Steuerreform, für mehr Wachstum und für mehr Beschäftigung.
Dann kommen wir auf einem geraden Weg zum Erfolg und müssen keine Bypässe in Form von Konkursvermeidungsfonds oder anderen staatlichen Einrichtungen legen, die stets weniger Probleme lösen, als sie uns neue aufbürden. Dann schaffen wir durch ertragsstärkere Unternehmen ein geeignetes Gegengewicht auch zur Kreditvergabemacht der Banken und anderer Kapitalgeber.
Nun fordert die IG Metall zu allem Überfluß auch noch die 32-Stunden-Woche. Diese Diskussion löst außerhalb unserer Landesgrenzen nur Kopfschütteln aus. Schon die 35-Stunden-Woche war ein Irrweg. Ihr verdanken wir die niedrigsten Arbeitszeiten der westlichen Welt und die höchsten Arbeitskosten.
Die 32-Stunden-Woche würde eine neue Kostenlawine lostreten. Sie würde unseren Betrieben die Luft zum Atmen nehmen. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, auf die wir angewiesen sind, wenn wir mehr Beschäftigung wollen, würden darunter am meisten leiden. Der Kurs, den Herr Zwickel hier einschlagen will, ist zerstörerisch. Und die Sozialdemokraten klatschen begeistert Beifall.
Wir Freien Demokraten wissen, daß ökonomische Wahrheiten nicht bequem sind. Wir wissen, daß diejenigen, die den Mut haben, den Bürgern zu sagen, was alles getan werden muß, auch weiterhin von rückwärtsgewandten Populisten verhöhnt werden. Aber wir müssen die Herausforderung der globalisierten Märkte annehmen. Im Standortwettbewerb wird jeder Versuch, sich den Kräften des Marktes zu entziehen, Arbeitsplätze vernichten. Nur wenn wir den Wandel annehmen, werden wir ihn gestalten und unseren Wohlstand bewahren können. Nur dann werden wir auch in Zukunft die Mittel haben, um denen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können. Ohne produktive Arbeitsplätze in Deutschland können wir unser soziales Netz nicht bewahren.
Unsere Botschaft lautet: Wir können den Standortwettbewerb um mehr Arbeitsplätze gewinnen. Wir haben nach wie vor die besten Trümpfe in der Hand: exzellent ausgebildete Menschen und auch innovationsfreudige Unternehmer. In dieser Hinsicht haben wir gute Standortbedingungen.
Paul K. Friedhoff
Wir müssen nur endlich die Rahmenbedingungen so gestalten, daß wieder mehr Arbeitsplätze entstehen können. Dafür tragen wir im Bundestag, aber auch im Bundesrat gemeinsam die Verantwortung. Dieser Tatsache verschließen Sie sich. Man kann aber die Realität nicht dadurch verändern, daß man den Kopf in den Sand steckt. Die kommenden Jahre werden diese Position bestätigen. Sie werden es sehen.
Manch ein Sozialdemokrat hat dies heute schon erkannt. Während einer Rede anläßlich der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises am vergangenen Sonntag in Stuttgart hat Klaus von Dohnanyi in einer Laudatio darauf hingewiesen. Ich darf zitieren:
Allerdings könnte dies - diese Reform -
nur sein, wenn wir die institutionellen Reformen zu mehr Eigenverantwortung akzeptieren und durchsetzen. Diesen Gedanken tragen heute, jedenfalls in Deutschland, in erster Linie die Liberalen voran. Vielleicht sind es wieder die Liberalen, die so den Weg zur Erneuerung bahnen. „Liberale waren die ersten Sozialreformer unter den demokratischen Parteien." schreiben Sie über das 19. Jahrhundert wohl zu Recht in Ihrer Portraitskizze von Theodor Heuss.
Er fügt hinzu:
Die Geschichte könnte sich ja wiederholen.
Ich möchte diesem Satz eines Sozialdemokraten nichts hinzufügen.
Ich bedanke mich.