Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In letzter Zeit haben wir alle viele Briefe bekommen:
Briefe von „a" wie Ablehnung von Greenpeace vor wenigen Tagen über „n" wie nachdenklich von den Kommunen bis „z" wie Zustimmung von den Verbundgruppen. Damit das gleich 'eindeutig klar ist: Ich stehe für ein eindeutiges Ja,
für ein Ja zur wettbewerblichen Neuordnung des
Energiewirtschaftsrechts, weil es keinen Grund gibt,
Ernst Hinsken
weiter an der monopolistischen Organisation des Strom- und Gasmarktes festzuhalten.
Herr Kollege Schutz, ich möchte aufgreifen, was Sie soeben gesagt haben. Sie haben den Kollegen Uldall darauf aufmerksam gemacht, daß die günstigsten Strompreise in Dänemark zu verzeichnen sind. Das ist nicht zu bestreiten. Ich möchte hier aber bemerken, daß das darauf zurückzuführen ist, daß der Strom in Dänemark natürlich überwiegend aus Importkohle hergestellt wird, die nur schwer entschwefelbar ist.
Das wollen wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Darauf lege ich größten Wert.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie von der SPD haben eine ganze Reihe von Kritikpunkten zu zentralen Regelungen des Gesetzentwurfes formuliert, die ich nur teilweise verstehe. Zähle ich die Forderungen nach - Wettbewerbsausnahmen für die Kommunen und ihre Werke, Wettbewerbsausnahmen für die Kraft-Wärme-Kopplung, Wettbewerbsausnahmen für die erneuerbaren Energien, Wettbewerbsausnahmen für heimische Energieträger usw. -, so stelle ich fest, daß das Ziel eines fairen und chancengleichen Wettbewerbs bei Strom und Gas, den wir im Interesse von Wirtschaft und Verbrauchern so dringend brauchen, konterkariert wird.
Obwohl Sie genau wissen, daß wir für die Wirtschaft bessere Rahmenbedingungen brauchen, wollen Sie wie bei der Senkung von Wirtschaftssteuern bremsen, sich querlegen, sich verweigern, den Wirtschaftsstandort Deutschland für die Zukunft attraktiver zu gestalten und somit auch mehr Arbeitsplätze zu schaffen.
Kollege Uldall hat dazu bereits einige Beispiele gebracht.
Verehrter Herr Kollege Jung, es liegt in der Natur der Sache, daß es bei einzelnen Punkten verschiedene Meinungen gibt. Aber was Sie von der Opposition wollen, ist, den Gesetzentwurf vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Sie haben die Philosophie des Liberalisierungsziels scheinbar noch nicht erkannt, wonach das Vertrauen in die Überlegenheit wettbewerblich organisierter Marktprozesse und die ordnungspolitisch gebotene Zurückhaltung des Staates bei gleichzeitiger Verbesserung der Angebotsbedingungen und Handlungsspielräume für die Wirtschaft zum politischen Grenzstein auch bei der Reform des Energiewirtschaftsrechtes werden.
Mit diesem Gesetz soll doch erreicht werden, daß wir in Deutschland im internationalen Vergleich wettbewerbsfähigere Strom- und Gaspreise bekommen. Konkurrenz belebt das Geschäft. Wettbewerb ist das beste Preisregulativ. Noch so effiziente staatliche Aufsicht kann ihn nie ersetzen. Energiepreise zählen seit jeher zu den wichtigsten Wettbewerbsfaktoren. Dem Rechnung zu tragen ist Ziel dieser Novelle.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es darf nicht übersehen werden, daß die industriellen Strompreise in Deutschland zu den höchsten in der Europäischen Union zählen. Auch im weltweiten Preisvergleich liegt die Bundesrepublik ganz oben.
Auch hierauf hat Kollege Uldall bereits verwiesen.
Im Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gilt es zu berücksichtigen, daß die Stromkosten zirka zwei Drittel der gesamten industriellen Energiekosten ausmachen. Wir, die Politik, sind in der Pflicht, für eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen einzutreten.
Auf keinen Fall dürfen neue Faktoren die Strompreise belasten.
Mit dem Wegfall des Kohlepfennigs und der Umstellung der Verstromungshilfen auf Finanzplafonds ist ein erster wichtiger Schritt zum Abbau politischer Lasten im Strompreis getan. Jetzt geht es um den nächsten Schritt, um die Liberalisierung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist schon interessant festzustellen, daß jetzt schon zahlreiche Unternehmen Kostensenkungsprogramme ankündigen, die klar zeigen, daß bei Gas und vor allem bei Strom mittelfristig noch erhebliche Kosten- und Preissenkungspotentiale bestehen. Es sollte deshalb für alle klar sein: Die Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes ist, auch völlig unabhängig von europarechtlichen Vorgaben, aus standortpolitischer Sicht ein absolutes Muß.
Es muß aber auch darauf geachtet werden, daß der neue Ordnungsrahmen wirklich die Voraussetzungen für echten Wettbewerb schafft und die Vorteile des Wettbewerbs möglichst allen Kunden und Verbrauchergruppen zugute kommen. Es müssen auch die Voraussetzungen geschaffen werden, daß alle heute tätigen Versorgungsunternehmen künftig faire Chancen haben, sich im Markt zu behaupten. Dies muß selbstverständlich auch für die kommunalen Unternehmen gelten; sie haben Anspruch auf vergleichbare Ausgangsbedingungen.
Unsere Sorge um faire Wettbewerbsbedingungen gilt auch den zahlreichen mittelständischen Energieversorgern, die bisher einen hervorragenden Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland geleistet haben. Wir wollen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, daß dies auch künftig so bleibt - was
Ernst Hinsken
allerdings keine Bestandsgarantie für jedes bestehende Versorgungsunternehmen bedeuten kann.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, für die Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Koppelung muß dies genauso gelten wie für die aus erneuerbaren Energien. Allerdings sollte uns klar sein, daß eine besondere Berücksichtigung dieser Anliegen das Wettbewerbsziel keinesfalls in Frage stellen darf.
Für die CSU möchte ich feststellen, daß wir aus diesen Gründen einen Durchleitungstatbestand für Strom für erforderlich halten, damit die Durchleitung als Wettbewerbsinstrument hinreichend wirksam werden kann und das notwendige Maß an Rechtssicherheit für alle Beteiligten besteht.
Wir sind die Meinung, daß die Politik im Kernelement der Reform eine Grundentscheidung fällen und die nähere Ausgestaltung nicht den Gerichten überlassen werden sollte. Ich meine, daß wir als Gesetzgeber unseren Aufgaben nachkommen müssen, nämlich Prioritäten zu setzen und bei Interessenkollisionen zu entscheiden. So könnte ein spezieller Durchleitungstatbestand die Beachtung schutzwürdiger Interessen zum Beispiel für Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen oder Stromerzeugung aus regenerativen Energien gesetzlich normieren.
Den Formulierungsvorschlag der Bayerischen Staatsregierung für einen Durchleitungstatbestand, der mir vorliegt, halte ich für eine hervorragende Diskussionsgrundlage.
Der Vorzug dieses Vorschlags liegt zum Beispiel auch darin, daß einwandfrei geregelt werden könnte, daß derjenige, der die Durchleitung verweigert, nachweisen muß, daß ein Grund für die Durchleitungsverweigerung vorliegt. Wir brauchen eine klare Beweislastregelung, und zwar in diesem Sinne. Ich habe Zweifel, ob der Gesetzentwurf diesen Anforderungen genügt.
Es kann nämlich nicht sein, daß der Netzinhaber künftig Gerichtsprozesse nahezu beliebig in die Länge zieht, bis den kleinen und mittleren Stromproduzenten die Luft ausgeht.
Es erscheint mir auch besonders wichtig, darauf hinzuweisen, daß die vom Bundeswirtschaftsministerium vorgesehene Alternativlösung des Baus von Direktleitungen in einem dichtbesiedelten Land wie der Bundesrepublik weder ökologisch noch ökonomisch relevant sein dürfte.
Sie sehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wir sind momentan im Entscheidungsprozeß. Heute ist die erste Lesung. Wir wollen vor allen Dingen auch anstreben, daß die Diskussion ergänzt wird durch ein Hearing, das sicherlich aufschlußreich sein kann.
Wenn Sie bereit sind, sich ein bißchen zu bewegen,
damit diese Energierechtsnovelle umgesetzt werden kann, dann sind Sie auf dem richtigen Weg.
Ich möchte Sie darum herzlich bitten.
Von dem Erfordernis eines Durchleitungstatbestandes könnte allenfalls dann abgesehen werden, wenn es der Energiewirtschaft gelingt, klare, allgemein verbindliche und einklagbare Regelungen zu vereinbaren.
Wie bereits gesagt wurde, sind wir der Meinung, daß Preisvorteile aus dem Wettbewerb allen Kunden zugute kommen müssen. Es darf keinen Wettbewerb in der Form geben, daß die Vorzugskonditionen bei lukrativen Kunden durch Preisanhebungen bei uninteressanten Abnehmern subventioniert werden.
Deshalb sollte in die Gesetzesbegründung aufgenommen werden, daß die im Wettbewerb gebildeten Preise auch als Maßstab für die Preisbildung bei den Sonderabnehmern heranzuziehen sind, die nach wie vor von einem Monopol versorgt werden, und daß im Monopolbereich in der Regel nur solche Preis- und Konditionsdifferenzierungen sachlich gerechtfertigt sind, die den energiewirtschaftlichen Abnahmeeigenschaften der belieferten Unternehmen entsprechen.
Wir werden auch darum besorgt sein, daß bei der Versorgung der Tarifkunden durch eine Anpassung der Bundestarifordnung Strom sichergestellt wird, daß Kosten-Preis-Verschiebungen zu Lasten der Tarifkunden rechtlich ausgeschlossen sind. Lassen Sie mich abschließend feststellen, daß ich mit dem bayerischen Wirtschaftsminister Dr. Wiesheu einig bin, daß verhindert werden soll, daß zum Beispiel Erfolge guter Regionalstruktur- bzw. Mittelstandspolitik, wie wir sie in Bayern verzeichnen können, durch die Liberalisierung des Strommarktes konterkariert werden, indem etwa die Fläche gegenüber Ballungsgebieten oder mittelständische Betriebe gegenüber Großabnehmern benachteiligt werden.
Für uns, die Unionsparteien, insbesondere die CSU, gilt auch, daß diese Novelle nicht gegen die
Ernst Hinsken
Kommunen, sondern nur mit ihnen durchgeführt werden soll. Darauf legen wir größten Wert.
Auf Drängen der CSU wurden durch die rechtliche Absicherung der Konzessionsabgabe Verbesserungen erreicht. Es kann aber keinen Zweifel daran geben, daß die Belange der Kommunen bei den Gesetzesberatungen noch eine bedeutende Rolle spielen werden. Ich habe bereits gesagt, daß ich auf die Anhörung setze. Sie dürfen sicher sein, daß deren Ergebnisse für uns bei der weiteren Entscheidungsfindung von großer Bedeutung sind.
Ich meine, daß wir gerade bei der Frage, welches öffentliche Interesse oder welche Gruppe besonders schutzwürdig ist, aus wirtschaftlicher Sicht das eigentliche Ziel, die wettbewerbliche Öffnung der Strom- und Gasmärkte, zu keiner Zeit aus dem Auge verlieren dürfen. Darauf bitte ich besonderen Wert zu legen. Wir brauchen die Liberalisierung, weil sie sinnvoll und zweckmäßig ist und wir dadurch auch in Deutschland international wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise erreichen.
Wenn uns daran gelegen ist, bis zum Jahre 1999 die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, dann bitte ich Sie, sich nicht weiter zu verweigern, sondern konstruktiv mitzuarbeiten und verschiedene Probleme mit uns gemeinsam zu lösen, damit wir dieses dringend erforderliche Gesetz möglichst bald unter Dach und Fach bringen.
Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit herzlich bedanken.