Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Merkel, ich stimme Ihrem Satz zu: Wettbewerb und Umweltschutz dürfen kein Gegensatz sein. - Das ist eine klare Position, die wir teilen.
Wir sind der Meinung, daß die Zielsetzung eines Energiewirtschaftsgesetzes auch Wettbewerbsbestimmungen beinhalten darf, aber nicht nur. Ein Energiewirtschaftsgesetz muß gleichzeitig ökologische Reformen mit Instrumenten auf dem Stromsektor einleiten, um die Belastungen durch den Verbrauch von Energie nicht nur zur Ressourcenschonung, sondern auch zum Schutz der Umwelt zu begrenzen. Diese Instrumente aber sind im Gesetz überhaupt nicht vorhanden. Sie erheben in Ihrem Gesetzentwurf zwar die Forderung, daß Strom umweltgerecht produziert werden muß. Aber kein einziges Instrument dafür ist im Energiewirtschaftsgesetz enthalten. Wir alle wissen: Für die Durchsetzung der CO2-Reduktionsziele ist das Energiewirtschaftsgesetz für Strom - und später auch für Gas - ein Schlüsselgesetz.
Dietmar Schütz
Das muß stimmen. Wenn das nicht stimmt, können wir vieles nicht erreichen.
Auf dänische und niederländische Initiative, aber auch mit Unterstützung der Briten und der Nordeuropäer insgesamt gewährt die europäische Richtlinie an verschiedenen Stellen einen Vorrang für regenerative Energien und Kraft-Wärme-Kopplungen in den Netzen. Weder bei der Formulierung der EG- Richtlinie selbst noch jetzt, bei der Umsetzung der Richtlinie, hat diese Bundesregierung den Willen gezeigt, zu einer umweltverträglichen Energieversorgung in diesem Gesetz beizutragen. Dies zeigt wieder einmal: Die Bundesregierung ist in keiner Weise Vorreiter einer umweltverträglichen Energieversorgung.
Sie ist eher Nachzügler, und was die Instrumente der EG-Richtlinie selbst angeht, ist sie an vielen Stellen sogar Verweigerer einer nach vorne weisenden ökologisch verantwortbaren Energieversorgung.
Wir haben bei dem Thema „Ausbau der regenerativen Energien" in diesem Hause zwischen allen Fraktionen immer wieder einen engen Schulterschluß gehalten und versucht, dieses wichtige Anliegen gemeinsam zu sichern und zu fördern. Mit der Vorlage dieses Regierungsentwurfes, der kein einziges Instrument beinhaltet, das diesem Thema Rechnung trägt, gibt die Bundesregierung diese gemeinsame Position meines Erachtens auf.
Uns liegt ein reines Deregulierungsgesetz vor, das, wie gesagt, auf keinen Fall Umweltschutzgesichtspunkten dient, obwohl doch die Erfahrungen aus den Niederlanden, aber vor allen Dingen aus Dänemark und Großbritannien zeigen, daß wirksamer Wettbewerb und Umweltschutz in der Energiewirtschaft im Rahmen eines EU-konformen Energierechts miteinander vereinbar sind. Herr Uldall, Dänemark zeigt, daß normierter Wettbewerb und normierter Umweltschutz in einem Gesetz zu den niedrigsten Strompreisen in der EU führen. Das zeigt Ihnen doch, daß auch Sie das ins Gesetz hineinschreiben sollten, wenn Sie die Bedingungen des Wettbewerbs mittragen.
Das Beispiel Frankreich, das Sie gebracht haben, ist völlig abwegig, weil Frankreich subventionierte Strommärkte hat. Sie hätten besser Dänemark mit den niedrigsten Strompreisen der EU als Beispiel anführen sollen. Das wäre richtig gewesen.
Das bisherige Stromeinspeisungsgesetz, so wie Sie, Frau Merkel - sie ist im Augenblick nicht zu sehen -
es hier erneut dargelegt haben, reicht nicht aus, um den Absatz für den regulierten Strom auf den deregulierten Märkten zu sichern. Wir brauchen eine stringente Vorrangeinräumung für regenerative Energien im Energiewirtschaftsgesetz selbst. Wenn dies nicht geschieht, wird der entfesselte Markt die regenerativen Energien vom Markt fegen. Dies geschieht dann auf Grund der Marktgesetze und wegen der mangelnden rechtlichen Sicherheit, für die diese Bundesregierung dann die politische Verantwortung trägt.
Wenn das Stromeinspeisungsgesetz parallel und unverbunden zum Energiewirtschaftsgesetz in novellierter Fassung erhalten bleibt, müßte sich die Regierungskoalition mindestens bei zwei Komplexen Gedanken machen, wie das miteinander zu verbinden ist.
Zum ersten Komplex müssen sie sich fragen lassen: Wieso nehmen Sie die Vorrangsregelung nicht mit in das Gesetz hinein, obwohl doch die EU-Richtlinie sie expressis verbis mit an die Hand gibt?
Was - so müssen Sie sich fragen lassen - bedeutet diese Unterlassung im Hinblick auf den Bestand des späteren Stromeinspeisungsgesetzes? Wie interpretiert das ein Richter? Wieso, meine Damen und Herren von der Koalition, gibt es im Energiewirtschaftsgesetz im Hinblick auf das Stromeinspeisungsgesetz keine Einpaß- oder Kollisionsnorm? Wieso wird bei der Normierung zur Deregulierung an keiner Stelle erwähnt, daß eine Stromerzeugung in regulierten Märkten, wie es im Stromeinspeisungsgesetz bei den regenerativen Energien geschieht, weiterhin Bestand haben soll? All diese Fragen müssen Sie sich stellen und in dem Gesetz beantworten. Diese Fragen können Sie nicht einfach außen vor lassen.
Zum zweiten Komplex: Ein entscheidender Strukturfehler des geltenden Stromeinspeisungsgesetzes ist die ungleichmäßige und fast willkürliche Belastung der einzelnen Energieversorgungsunternehmen mit den Kosten der Einspeisung. Wenn auch die Höhe der Zusatzbelastung rechtlich streitig ist, so ist doch klar, daß die EVU in den Starkwindgebieten und in den Alpengebieten Sonderbelastungen haben. Es kann doch nicht angehen, daß wir diese Sonderbelastung ohne jeglichen Kostenausgleich bestehen lassen und in das Gesetz keine einzige Norm dahin gehend hineinschreiben, wie wir damit umgehen wollen oder wie wir zum Beispiel auf der Netzebene einen Kostenausgleich schaffen wollen. Das haben wir vor. So etwas müssen Sie in dieses Gesetz hineinschreiben; es gibt keinen anderen Platz für solche Regelungen. Deswegen ist der Gesetzentwurf
Dietmar Schütz
auch an dieser Stelle falsch, und die Regelungen dort sind unvollständig.
Wenn ich die Positionen von Frau Merkel, die im Vorfeld dieser Debatte durch die Presse gegangen sind, Revue passieren lasse, dann kann ich nur feststellen, daß sie mit ihrem Widerstand gegen ein Gesetz, das allein Wettbewerbsaspekte berücksichtigt, gescheitert ist. In Richtung Koalition und auch in Richtung meiner Kollegen, mit denen ich gemeinsam gestritten habe, sage ich: Wir müssen, wenn wir regenerative Energien überhaupt weiter sichern wollen, das gemeinsam an dieser Stelle, in diesem Gesetz tun. Ich hoffe, daß Sie gemeinsam mit Frau Merkel wieder dieses Terrain betreten und Entsprechendes im Gesetz vorsehen.
Bevor ich zu unserem Gesetzentwurf komme, lassen Sie mich noch etwas zu den Mehrkosten der Stromeinspeisung selbst sagen. Bei den Windkraftanlagen rechnen wir im Augenblick mit Mehrkosten von etwa 200 Millionen DM; hinzu kommen nach unseren Berechnungen etwa 150 Millionen DM, die sich aus der Vorrangeinräumung für die KraftWärme-Koppelung ergeben. Das wären jetzt etwa 350 Millionen DM. Wenn ich das auf das Jahr 2005 hochrechne, dann ergibt sich, daß wir bei rund 500 Millionen DM Zusatzkosten anlangen werden. Bei einem Gesamtumsatz auf dem Strommarkt von 120 Milliarden DM macht das einen Kostenanteil der regenerativen Energien von 0,5 Prozent aus. Das kann man doch weiß Gott aushalten, wenn wir diese Summe auf alle Energieversorgungsunternehmen verteilen. Man kann dann nicht von Wettbewerbsverzerrung oder von Zusatzkosten reden: Das muß der Strommarkt aushalten können. Das müßten wir schleunigst durchsetzen.
Meine Damen und Herren, in unserer Gesetzesvorlage normieren wir in Abstimmung mit den sozialdemokratisch regierten Ländern, aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden aus Gründen des Umweltschutzes die Vorrangeinspeisung für Elektrizität aus erneuerbaren Energien oder aus KraftWärme-Koppelung. Wir sagen: Wer ein überörtliches oder ein örtliches Netz betreibt, soll verpflichtet werden, diese Elektrizität abzunehmen. Der Netzbetreiber zahlt eine festgelegte Mindestvergütung, deren Struktur sich an diejenige des jetzigen Stromeinspeisungsgesetzes anlehnt. Neben der durch die EG- Richtlinie angeregten Vorrangeinräumung wollen wir einen Mehrkostenausgleich zwischen den Netzbetreibern schaffen. Die aufnehmenden Netzbetreiber sollen auf der Netzebene einen Kostenausgleich durchführen. Wie dies im einzelnen gestaltet werden soll, wollen wir in einer Rechtsverordnung, die wir auch noch mit Ihnen besprechen wollen, regeln. Dies ist meines Erachtens im Kontext mit der Vorrangeinräumung der einzige, verfassungsrechtlich gangbare Weg, um eine Kostenverteilungsstruktur herzustellen. Die früher diskutierte Fondslösung, die wir im Rahmen des Stromeinspeisungsgesetzes diskutiert haben, ist wegen des Urteils zum Kohlepfennig verfassungsrechtlich nicht unbedenklich. Ich glaube, Sie sollten sich unseren Strukturvorstellungen anschließen, damit wir auch dieses durchsetzen können.
Ich will Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, weil Sie nicht unrecht haben, was die Wettbewerbssituation angeht, sagen: Wir haben durchaus auch Quotenmodelle diskutiert. Aber die Quotenmodelle, wie sie jetzt zum Beispiel in den USA Anwendung finden, sind so weit von unseren jetzigen Regelungen entfernt, daß es sehr schwer wird, sie bei uns umzusetzen. Deswegen glauben wir, daß wir mit dem Netzmodell einen praktikableren Weg gehen. Ich hoffe, daß Sie uns da folgen.
Ich will abschließend betonen, daß wir in unserem Entwurf endlich einmal eine Minimalkostenregelung normieren - auf gut deutsch: Least-Cost Planning -, um Effizienz- und Produktivitätsteigerungen, aber auch den Gedanken der Planung und der Dienstleistung in die Energieversorgungsunternehmen hineinzutragen. Das passiert ja im Augenblick noch gar nicht. Es werden nur Profite gemacht, damit man in die Telekommunikation einsteigen kann. Aber daß man auch den Bürger im Auge behalten muß, findet sich in dem Gesetz nicht. Auch das, Herr Rexrodt, sollten wir in das Gesetz hineinschreiben: Die Energieversorgungsunternehmen müssen Dienstleister werden.
Nur mit allen diesen von mir genannten Schritten werden wir die Ressourcen schonen und regenerative Energien langfristig sichern. Ich hoffe, Sie folgen uns auf diesem Weg. Wir sollten in den nächsten Beratungsrunden zusammenarbeiten, um endlich etwas Vernünftiges auf den Weg zu bringen.
Ich danke Ihnen.