Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bündnisgrünen sagen eindeutig ja zum Wettbewerb, zur Liberalisierung der Energiemärkte. Aus unserer Sicht ist die Monopolwirtschaft wenig effizient, sie hat uns sehr viele Überkapazitäten beschert, die die Bürger und die Wirtschaft bezahlen müssen. Die Monopole blockieren die Innovation und die ökologische Energiewende und nehmen überhöhte Gewinne. Durch diese Finanzmacht erarbeiten sie sich wirtschaftliche Macht, indem sie Schritt für Schritt die gesamte Infrastruktur in diesem Lande aufkaufen. Sie erlangen damit auch politische Macht und werden zu einem Problem für die Demokratie.
- Überhaupt nicht aber.
Ich möchte ein Beispiel für die überholten Monopolgewinne nennen. In Dänemark nimmt die NESA - sie ist mit der Schleswag vergleichbar - einen Nettostrompreis von 8,77 Pfennig, während die Schleswag 21 Pfennig nimmt. In Dänemark werden noch verschiedene Ökosteuern aufgeschlagen. Dort kommt man auf knapp 27 Pfennig Stromendpreis. Auch in Deutschland kommen wir ohne Ökosteuern, also ohne Möglichkeiten zur Senkung der Lohnnebenkosten, auf 27 Pfennig Endpreis. Die Differenz im Nettoenergiepreis liegt bei 12 Pfennig. Das fließt in die Taschen der Monopolkonzerne. Damit bauen sie an ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht.
Michaele Hustedt
Wir sagen ja zur Einführung von Wettbewerb. Es ist längst überfällig, das alte Energiewirtschaftsgesetz zu novellieren, das noch aus dem Jahre 1935 stammt und in dem der Reichsenergieminister noch als Verantwortlicher genannt wird. Wir waren deshalb auch die erste Bundestagsfraktion, die zur Einführung von Wettbewerb im Energiemarkt einen Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode auf den Tisch gelegt hat.
Aus unserer Sicht ist, wenn tatsächlich Wettbewerb zustande kommt, die entscheidende Frage, ob es einen gleichberechtigten Zugang zum Netz gibt. Denn das Netz ist - das sagt auch die Monopolkommission - ein natürliches Monopol. Die Besitzer des Netzes können über verschiedene Tricks, durch überhöhte Preise oder dadurch, daß sie sagen: „Das Netz ist ausgelastet, wir können nicht durchleiten", Mitkonkurrenten vom Markt fernhalten.
In unserem Entwurf haben wir die konsequenteste Lösung daraus gezogen. Wir schreiben vor, daß es eine eigentumsrechtliche Trennung von Netz, Stromerzeugung und Verteilung gibt
und daß der Zugang zum Netz durch einen Strompool gewährleistet wird und damit für kleine und große Stromanbieter wettbewerbsneutral ist.
Das ist, um das deutlich zu machen, keine Verstaatlichung des Netzes - das versteht Herr Rexrodt immer wieder falsch -, sondern nur eine kartellrechtliche Vorschrift, daß Netz und Stromerzeugung bzw. -verteilung nicht in einer Hand sein darf.
Dieses Modell wird auch in Ländern, die für ihre Wettbewerbsfreudigkeit durchaus bekannt sind, angewandt und hat sich dort bewährt. Sie haben genau dieses Modell gewählt, weil sie der Argumentation, die ich soeben vorgetragen habe, folgen. Das sind Länder wie zum Beispiel Großbritannien, Kalifornien und Norwegen.
Das Wirtschaftsministerium mußte in der Begründung zum eigenen Gesetzentwurf feststellen:
Andererseits kann ein Modell der Trennung von Erzeugung/Beschaffung und Netz zu besonders hoher Wettbewerbsintensität führen.
Rexrodts Entwurf wird aus unserer Sicht die acht großen Stromkonzerne in diesem Land stärken. Herr Jung hat schon einige Ausführungen dazu gemacht. Der gerade wachsende Mittelstand im Energieversorgungsbereich, die dezentrale Energieversorgung, die umweltfreundliche Energieversorgung, die Stadtwerke, das sind alles die Bereiche, die bei dieser Art von Wettbewerb, wie Sie ihn vorschlagen, auf der Strecke bleiben. Sie waren gezwungen, wenigstens die Muß-Vorschrift des EU-Rechts in Ihre Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates aufzunehmen, so daß zumindest eine buchhalterische Trennung vorgenommen wird.
Die Frage ist aber, ob das ausreicht, um die Netzbesitzer daran zu hindern, Mitkonkurrenten, die kein
Netz besitzen, vom Markt fernzuhalten. Deswegen fordern wir zusammen mit der SPD im Bundesrat und auch hier einen Durchleitungstatbestand, der genau festschreibt, wie Preise gebildet werden, unter welchen Bedingungen der Netzbesitzer die Durchleitung ablehnen darf und - das ist am weitestgehenden - daß die Beweislast umgekehrt wird. Das heißt, derjenige muß klagen, der die Durchleitung ablehnt, und nicht derjenige, der durchleiten will.
In der Begründung zum Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium wird dies eindeutig positiv gesehen.. Aber es ist weder im Gesetzentwurf noch in der Gegenäußerung enthalten. Warum? Ganz klar: Im Gegensatz zum buchhalterischen Unbundling haben die Stromkonzerne dazu nicht ihr Ja gegeben. Dagegen wehren sie sich in der Tat mit Händen und Füßen. Das Wirtschaftsministerium kuscht und ist nicht bereit, gegen die großen Strommonopole tatsächlich Wettbewerb einzuführen. Das stärkt aus unserer Sicht den Gerichtsstandort Deutschland und wird den Wirtschaftsstandort schwächen.
Zusammenfassend zum Liberalisierer Rexrodt: Ich finde, dieser Gesetzentwurf ist mehr Schein als Sein. Damit wird nicht ein tatsächlich fairer Wettbewerb stattfinden, sondern es wird in diesem Bereich zu Konzentrationsprozessen kommen. Wer Monopolstrukturen abschafft, hat damit eben noch lange nicht die Monopole abgeschafft.
Ich möchte zum zweiten Punkt kommen. Wir sind für die Marktwirtschaft und für Wettbewerb. Aber eins muß man immer wieder bedenken: Der Markt hat keine Richtung, und er ist auch niemandem Rechenschaft schuldig. Das heißt, er kann eine positive Dynamik für die Volksgemeinschaft auslösen oder eine negative Dynamik. Deswegen muß aus unserer Sicht der Staat Rahmenbedingungen so setzen - insbesondere für den Schutz der Lebensgrundlagen-, daß derjenige, der Gewinn auf dem Markt machen will, auch dem Gemeinwohlinteresse dient.
Mit dem Energiewirtschaftsgesetz werden die Weichen auch dafür gestellt, ob wir das CO2-Ziel erreichen können oder nicht, ob wir eine umweltverträgliche Energieversorgung haben werden oder ob wir weiter immer mehr CO2 produzieren.
Wenn man sich über Energie unterhält, geht es eben nicht nur darum, die Kosten zu senken. Es geht auch um andere Interessen. Herr Rexrodt ist in seiner großen Unfähigkeit zu differenzieren anscheinend auch unfähig, den Umweltschutz zu beachten.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die Vorrangregelung für umweltfreundliche Energieerzeugung, die Vorrangregelung für Sonne, Wind, Biogas und Wasser und auch die Vorrangregelung für KraftWärme-Koppelung und eine kostendeckende Vergütung für diese umweltfreundliche Energieerzeugung,
Michaele Hustedt
weil dieses im Gemeinwohlinteresse „Erhaltung der Lebensgrundlagen" ist.
Herr Uldall hat in seiner Rede nicht einmal das Wort Umweltschutz in den Mund genommen. Das ist ein Zeichen dafür, wie die Union und auch die F.D.P. an dieses Gesetzvorhaben herangehen.
Herr Rexrodt hat sich für den Umweltschutz noch nie interessiert.
Er will jetzt sogar die Chance nutzen, durch Einführung des Wettbewerbs das Stromeinspeisungsgesetz
unwirksam zu machen und vom Tisch zu bekommen.
- Ich weiß sehr wohl, daß es wahr ist.
Frau Merkel hätte hier eine große Aufgabe gehabt. Sie hätte für den Umweltschutz und für eine umweltverträgliche Energieversorgung kämpfen müssen. Am Anfang war das Umweltministerium für das grüne Poolmodell. Es gab mehrere positive Gutachten - diese wiesen in unsere Richtung -, die das grüne Poolmodell als gelungene Verknüpfung zwischen Wettbewerb und Umweltschutz sahen.
Im September 1995 hat Frau Merkel noch gefordert: freier Zugang Dritter zum Netz - Forderung des Bundesrates. Hat sie es durchgesetzt? - Nein! Dann hat sie einen echten Durchleitungstatbestand gefordert - Forderung des Bundesrates. Hat sie sich durchgesetzt? - Nein! Dann hat sie eine Aufnahme des Vorrangs regenerativer Energien und Kraft-WärmeKopplung gefordert - Forderung des Bundesrates. Hat sie sich durchgesetzt? - Nein! Sie hat sich lediglich mit einem „bitte, bitte, bitte" an die großen Stromkonzerne durchgesetzt, etwas mehr für die regenerativen Energien zu tun. Was wir davon halten, das können Sie sich denken.
Ich kann nur sagen: Blüm, der Minister im Sozialbereich, kämpft wenigstens für seine Sache.
- Herr Blüm, Entschuldigung, Minister Blüm. - Mit Frau Merkel haben wir dagegen eine Umweltministerin „light" . Ich kann nur mit Adenauers Worten sagen: „Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen. "
Die Konsequenz wird sein, daß das CO2-Ziel nicht erreicht werden kann. Früher hat man durch den tiefen Griff in die Haushaltskasse verfehlte Strukturen ausgeglichen. Sie wissen alle, das wird nicht mehr gehen. Das heißt, man muß sich schon dafür entscheiden, in die Rahmenbedingungen auch den Umweltschutz mit einzuarbeiten. Andernfalls wird er nicht stattfinden.
Moderne Umweltpolitik heißt: die Verbindung von Innovation, Schaffung von Arbeitsplätzen und Umweltschutz. Moderne Wirtschaftspolitik aus meiner Sicht, Herr Uldall, ist eben nicht nur auf die Kostensenkung beschränkt, sondern umfaßt die Frage, wie der Innovationsstandort Deutschland durch Zukunftstechnologien gefördert werden kann. In Ihrer Politik ist falsche Umweltpolitik mit falscher Wirtschaftspolitik gemixt. Das heißt: eine falsche Bundesregierung.
In der Gegenäußerung - man sollte das kaum glauben - wird es sogar noch schlimmer. Anstatt ernsthafte Kompromisse in den Bereichen echter Wettbewerb und Umweltschutz zu schließen, wird versucht, insbesondere die Ostbundesländer Sachsen und Brandenburg durch einen Ausnahmetatbestand - genannt: Braunkohle - schlicht und einfach zu kaufen. Aber real ist es ein Ausnahmetatbestand für die VEAG.
Auch ist es nicht ein Bestandsschutz, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach wollen die Stromkonzerne jetzt das, was sie nach der ostdeutschen Vereinigung den Stadtwerken nicht abringen konnten, in einer zweiten Flurbereinigungswelle erreichen.
Die VEAG hat in fünf Jahren bei 31,5 Milliarden DM Umsatz 6,5 Milliarden DM Profit gemacht. Das sind Profitraten, nach denen sich jedes Unternehmen der Großindustrie die Finger schlecken würde, natürlich auf Grund der Monopolwirtschaft und der Erhebung überhöhter Preise: 2 Pfennig mehr im Osten als im Westen.
Die VEAG macht mit diesem Geld in der Weise Politik, daß sie eine Kampfkasse auf dem 70-ProzentMarkt finanziert, mit der sie umweltfreundliche Energieerzeugung, zum Beispiel durch die Stadtwerke, aber auch durch Betriebe, systematisch mit Dumpingangeboten auf dem 30-Prozent-Markt unterbietet. Das heißt, sie fördert mit dieser Kampfkasse auf dem 30-Prozent-Markt auch eine Energiestruktur in Ostdeutschland, die rückwärts gewandt ist und die auch, wenn es so weitergeht, zum Standortnachteil für die ostdeutschen Bundesländer wird.
Wir sagen: Wenn man für die ostdeutsche heimische Braunkohle eine Ausnahme machen will, dann kann man das - Herr Jung hat das dargestellt - über andere Wege erreichen, zum Beispiel über eine bestimmte Quotenregelung, aber nicht über eine Ausnahme gerade von VEAG vom Wettbewerb. Bevor man überhaupt die VEAG herausnehmen will, ist aus unserer Sicht völlig klar, daß die Gewinnsituation und die Profitlage von VEAG auf den Tisch und überprüft werden muß; denn wir alle wissen, daß die Länderaufsichten in dieser Frage nicht funktionieren.
Wir werden deshalb prüfen, ob es möglich ist, 25 Prozent der Stimmen in diesem Bundestag zusammenzubekommen, um einen Untersuchungsausschuß für die Preispolitik der VEAG einsetzen zu können.
Ich sage nur eines: Daß Herr Rexrodt diesen Weg gegangen ist, zeigt wieder einmal deutlich, daß Sie
Michaele Hustedt
der Monopolwolf im neoliberalen Schafspelz sind und daß Sie nicht einen tatsächlich fairen und echten Wettbewerb wollen.
Vorrang für die Braunkohle und für die VEAG, aber keinen Vorrang für umweltverträgliche Energieerzeugung. - Es wird von uns, obwohl wir ein eindeutiges Ja zum Wettbewerb sagen, zu diesem Entwurf im Bundestag und im Bundesrat keine Zustimmung geben. Wenn Sie jetzt wieder mit dem alten Vorwurf der Blockadepolitik kommen, dann sage ich: Wir haben unsere Vorstellungen und die SPD hat ihre Vorstellungen vorgelegt. Wir haben über den Bundesrat Kompromißvorschläge auf den Tisch gelegt.
Wenn es in dieser Legislaturperiode zu keiner Beschlußfassung mehr kommen sollte, hängt das an der Kompromißunfähigkeit des Wirtschaftsministers, weil er eben nicht einen Interessenausgleich zwischen den Monopolisten, den großen Stromkonzernen, und den kleinen Unternehmen und der Umwelt herstellen kann. Außerdem ist er politikunfähig und anscheinend nicht in der Lage, zu differenzieren.
Nur die Stromkonzerninteressen zu vertreten und nur auf Kostensenkung zu setzen reicht aus unserer Sicht nicht, wenn man eine zukunftsfähige Energieversorgung haben will. Wir wollen Innovation. Wir wollen auch Mittelstand im Energieversorgungsbereich. Wir wollen vor allen Dingen auch den Umweltschutz und die Sicherung von Lebensgrundlagen.
Wenn es in dieser Legislaturperiode deswegen nicht zu einer Beschlußfassung kommen sollte, ist es nicht unsere Schuld, sondern dann hat das mit dem sturen Festhalten - Herr Jung sagte das schon - von Herrn Rexrodt zu tun. Dann muß man eben 1998 mit einer neuen Mehrheit ein tatsächlich zukunftsfähiges Energiegesetz machen.