Rede von
Manfred
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich laufe heute Gefahr, mich in eine schiefe Schlachtordnung zu begeben; denn es ist bekannt, welche Skepsis wir gegenüber der zu frühen Einführung einer einheitlichen europäischen Währung haben. Eigentlich müßten wir uns über eine Äußerung, wie sie Finanzminister Waigel gemacht hat, freuen; denn sie trägt unseren Bedenken Rechnung.
Ich möchte einmal aus dem „Handelsblatt" von heute zitieren, das aufzeigt, daß wir nicht die einzigen in Deutschland sind, die der Entwicklung sehr skeptisch gegenüberstehen. Da steht:
Die Frage, ob die Europäische Währungsunion verschoben werden soll oder nicht, spaltet die Nation in zwei Lager. Selbst die Banken sind geteilter Meinung, wenn es um den Starttermin geht.
Weiter heißt es im „Handelsblatt":
Kommt die notwendige kritische Masse für die Währungsunion bei einer engen Auslegung der Konvergenzkriterien nicht zustande, wäre die dann erforderliche Aufschiebung unter der Voraussetzung eines glaubwürdigen Festhaltens am Euro-Projekt keine Katastrophe. Sie böte sogar mehr Zeit, um bessere strukturelle Voraussetzungen für eine funktionsfähige Währungsunion zu schaffen. Diese Ansicht vertritt die BHF-Bank in ihrem jüngsten Wirtschaftsdienst.
Bei mangelnder Konvergenz - so heißt es weiter -
Manfred Müller
laufe die Entscheidung über die Währungsunion im Kern auf einen Konflikt zwischen ökonomischer Vernunft und politischer Notwendigkeit hinaus. Eine Währungsunion, die auf einer sorgfältigen Auswahl der Teilnehmerländer beruhe, habe zwar gute ökonomische Erfolgsaussichten, sie könnte aber zu einer politisch problematischen Ausgrenzung einiger Nationen und damit zu einer Spaltung Europas führen.
Am Mittwoch dieser Woche war Kommissar Silguy im Europaausschuß. Ich habe ihn noch einmal ausdrücklich gefragt, ob es bezüglich der Konvergenzkriterien Prioritäten gebe, ob etwa die Frage des Zeitpunktes vor der strikten Einhaltung der Konvergenzkriterien stehe.
Des weiteren habe ich - weil es Andeutungen in dieser Richtung gibt - gefragt, ob es möglich ist, daß ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, welches nach dem derzeitigen Stand die Kriterien nicht erfüllt, diese Kriterien auch im Frühjahr des kommenden Jahres nicht erfüllen wird, aber Zahlen vorlegen kann, die auf eine Einhaltung der Konvergenzkriterien, also der Höhe der Gesamtverschuldung und der Neuverschuldung, zu einem späteren Zeitpunkt hinweisen, in den Klub der ersten aufgenommen wird. Er hat klar gesagt: Nein. Die Entwicklung in den Jahren 1998/99 kann nicht die Nichteinhaltung der Kriterien im Jahre 1997 ersetzen. Es stellt sich die Frage, ob es bei dem derzeitigen Stand und den Perspektiven noch erreichbar ist, bis zum Jahresende 1997 die Neuverschuldung auf unter 2,9 Prozent und die Gesamtverschuldung auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts zu senken. Hier hat Finanzminister Waigel schon deutlich gemacht, daß auch er die Schwierigkeiten sieht. Die sogenannte kreative Buchführung, für die zuvor Frankreich und Italien kritisiert worden sind, hat er selbst vorgeschlagen, indem er die Kosten der deutschen Vereinigung abziehen wollte. Das heißt: Nur mit kreativer Buchführung - ich will einmal diesen Begriff übernehmen - ist auch nach Ansicht der Bundesregierung die Einhaltung dieser Kriterien möglich. Eine Diskussion darüber sollte erfolgen, bevor die Ereignisse eintreten, wie sie sich nach einer Äußerung in dieser Woche ergeben haben, daß nämlich die Finanzmärkte skeptisch reagieren.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir sind nicht der Auffassung, daß wir uns mit unserer Skepsis im Deutschen Bundestag durchsetzen können. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß endlich einmal das deutsche Volk gefragt werden soll, ob es bereit ist, dieses Experiment einzugehen.
Wir würden uns gerne nach einer entsprechenden Umfrage davon überzeugen lassen, daß wir im Unrecht sind.
Deshalb hat unsere Bundestagsgruppe inzwischen einen Antrag beschlossen, der in den nächsten Tagen eingebracht werden wird und in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen zur Durchführung einer
Volksabstimmung über das Ergebnis der MaastrichtII-Verhandlungen und über die Einführung des Euro zu schaffen. Ich bin gespannt, wie sich die Bundesregierung auf die demokratische Willensbildung im deutschen Volk einstellen wird.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.