Rede von
Prof. Dr.
Helmut
Haussmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie bei allen großen europäischen Projekten gibt es zwei Arten von Politikern: Die einen mühen sich, die Vorteile von internationalen Lösungen den Menschen zu erklären,
die anderen schließen sich dem Wettlauf der Populisten an, die die Ängste schüren.
Diese sind leider in beiden großen Parteien auf Landesebene verteilt. Insofern wäre diese Aktuelle Stunde besser im Niedersächsischen Landtag oder im Bayerischen Landtag angebracht. Ich will das einmal ganz deutlich auch an unsere verehrten Partner sagen.
Ein immerhin aus Bonn stammender Finanzstaatssekretär, der heutige Europabeauftrage der Bayerischen Regierung, wird in der „Süddeutschen Zeitung" mit dem Satz zitiert: „Keine Chance für die Währungsunion 1999". So darf man internationale Verträge nicht behandeln. Die Währungsunion ist ein Testfall für die globale Verantwortung und für die internationale Zuverlässigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Man muß die Leute aufklären und darf nicht die Ängste schüren.
Wer am Vertrag mitgearbeitet hat und wer den Vertrag kennt, weiß, daß es zu Recht nicht um eine Über- oder Unterordnung von Konvergenzkriterien und Zeitplan geht. Wir wollen statt dessen jetzt Stabilität und nicht vier oder fünf Jahre später. Insofern bringt eine vermeintliche Diskussion über die Verschiebung überhaupt nichts. Im Gegenteil: Eine Verschiebung wird von den Märkten negativ aufgenommen,
führt zu Aufwertungsdruck für die DM und zu einem
Abwertungswettlauf, bringt höhere Zinsen in ande-
Dr. Helmut Haussmann
ren europäischen Ländern und entfernt uns damit von den 3 Prozent auf alle Ewigkeit.
Jeder, der von Verschiebung redet, muß wissen: Die Verschiebung beinhaltet die große Gefahr des endgültigen Scheiterns in sich. Herr Camdessus hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die vorübergehenden Wachstumsverluste durch weitere Sparmaßnahmen in keinem Verhältnis zu den wirklichen Wachstums- und damit auch Beschäftigungsverlusten bei einer Verschiebung und dem dadurch bedingten Scheitern stehen.
Insofern ist die Debatte richtig. Ich kann nur sagen - da will ich Herrn Merz folgen -, es ist irgendwo volkswirtschaftlich pervers, daß wir in Europa das Hauptkriterium jeder Währungspolitik - niedrige Inflation - übererfüllen. Das Versprechen, die D-Mark ist mindestens ebenso stabil wie der Euro, ist derzeit eingelöst. Der Inflationsdurchschnitt der Kandidaten für die Währungsunion liegt exakt bei 1,8 Prozent; er ist damit identisch mit dem der D-Mark. Wir, die Bundesregierung und die Fraktionen, haben Wort gehalten.
Insofern stellt es eine Schieflage der Diskussion dar, ausschließlich Kriterien zu fokussieren, die später eingeführt wurden. Natürlich haben diese Kriterien in Deutschland aus psychologischen Gründen Wert. Deshalb werden sie auch strikt vertragskonform eingehalten - ich betone: strikt vertragskonform.
Wir wollen weder die Kriterien noch den Zeitplan aufweichen.
Nur das ergibt Sinn: Nicht Entschuldung im nächsten Jahrhundert, sondern Entschuldung jetzt, in den Jahren 1997 und 1998.
Ich kann aber den Vorsitzenden des Europaausschusses, einen von mir hochgeschätzten Sozialdemokraten, vor einer sogenannten frühen Prüfung nur warnen. Es kann nicht sein, daß im Frühsommer 1997 nach erst für fünf Monaten vorliegenden vorläufigen Haushaltszahlen und nach einer Zwischensteuerschätzung die Wirtschafts- und Währungsunion beerdigt wird. So läuft es nicht in Europa. Es wäre dann auch eklatant - das sage ich jetzt einmal aus hessischer Sicht -, wenn die Währungsunion, bevor der angesehene Präsident Duisenberg am 1. Juli 1997 in Frankfurt seinen Dienst antreten darf, unter Führung der Sozialdemokraten beerdigt wäre. Auch so läuft es nicht; das muß man in aller Freundschaft sagen.
In Wirklichkeit liegt der Schlüssel für dieses Projekt derzeit bei den Sozialdemokraten. Sie blockieren 11 Milliarden DM Einsparvolumen im Bundesrat.
Sie blockieren die Steuerreform. Erbringen Sie das Einsparvolumen von 11 Milliarden DM und verhandeln Sie weiter über die Steuerpolitik, dann wird der Euro pünktlich eingeführt werden!
Abschließend möchte ich gerade heute, am 70. Geburtstag eines großen Europäers, Hans-Dietrich Genschers, sagen: Genauso, wie die Freien Demokraten gegen ideologischen Widerstand in Deutschland die soziale Marktwirtschaft durchgesetzt haben, genauso wie die Liberalen die Westintegration, aber auch die Ostpolitik gegen den Widerstand von links und rechts durchgesetzt haben,
werden die Freien Demokraten die Währungsunion fristgerecht durchsetzen. Darauf können sich unsere europäischen Partner verlassen.