Rede von
Ingrid
Matthäus-Maier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag hat mit breiter Mehrheit für die Europäische Währungsunion gestimmt, und auch der Bundesrat hat einstimmig zugestimmt. Denn die Europäische Währungsunion 1999 ist aus ökonomischen und politischen Gründen ein Gewinn für Europa und auch für Deutschland.
Gerade als exportorientiertes Land haben wir ein großes Interesse daran, daß in Zukunft Währungsturbulenzen unterbleiben. Wir meinen auch, daß die schwierige Aufgabe der Schaffung einer Ankerwährung besser auf mehrere Schultern verteilt wird als auf eine. Das ist zum Beispiel der Grund, warum der Oberspekulant dieser Welt, George Soros, auf die Frage, wie man Spekulationen am besten vermeiden könne, geantwortet hat: indem man möglichst bald eine einheitliche europäische Währung herstellt.
Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, sollten daher endlich aktiver über die Chancen und Vorteile der Europäischen Währungsunion aufklären, ohne die Risiken zu verschweigen. Das tun Sie aber nicht. Statt dessen tragen Sie zu einer ganz erheblichen Verunsicherung bei.
Verunsicherung Nummer eins: Sie lassen eine Verschiebungsdiskussion zu, Herr Finanzminister, oder betreiben sie sogar. Sie hat zu einer enormen Verunsicherung der Finanzmärkte geführt, obwohl erst im Frühjahr 1998 die Entscheidung über die beteiligten Länder fällt.
Allein die Verschiebungsdiskussion hat dazu geführt, daß binnen eines halben Tages die D-Mark um zwei Pfennig anstieg mit der Folge, daß wir größte Probleme beim Export haben. Man stelle sich einmal vor, was mit unserem Export passiert, wenn die Währungsunion im nächsten Jahr wirklich verschoben wird. Das wäre ein Riesenproblem für die deutsche Wirtschaft.
Verunsicherung Nummer zwei: Die Bundesregierung läßt den Eindruck zu, sie müsse wegen Maastricht den Menschen dauernd ins Portemonnaie pakken. Das schürt natürlich Europaverdrossenheit. Dabei ist es doch nicht auf Grund von Maastricht, son-
Ingrid Matthäus-Maier
dern allein auf Grund Ihrer maßlosen Schuldenpolitik so, daß Deutschland heute in Schwierigkeiten ist.
Verunsicherung Nummer drei: Unter dem Stichwort „Standort Deutschland" betreiben Sie eine einseitige Entlastung hoher und höchster Einkommen und Vermögen
durch Abschaffung der Vermögensteuer und Senkung des privaten Spitzensteuersatzes, was natürlich die Schulden kräftig anhebt. Wenn aber die Bürger zunehmend den Eindruck gewinnen, Europa sei ein Europa der Unternehmer und nicht der Arbeitnehmer, dann dürfen wir uns nicht wundern, daß die Menschen immer skeptischer werden.
Verunsicherung Nummer vier: Finanzminister Waigel überbetont die Fiskalkriterien einseitig und verschweigt, daß der Maastricht-Vertrag einen gewissen, wenn auch kleinen, Interpretationsspielraum ausdrücklich zuläßt. Er macht das wohl, weil ihm die Eurogegner Stoiber und Gauweiler im Nacken sitzen.
Aber ich sage Ihnen: Daß ein deutscher Finanzminister aus CSU-internen Gründen Irritationen in Deutschland und in benachbarten Ländern wie Frankreich hervorruft, können wir uns nicht leisten.
Verunsicherung Nummer fünf: Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als ginge es ihr ausschließlich oder doch in erster Linie, um eine gemeinsame Geld- und Währungspolitik, aber nicht um eine gemeinsame europäische Politik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das ist ein schwerer Fehler. Geldpolitik sei alles, europäische Beschäftigungspolitik aber nichts - dann haben doch die Menschen den Eindruck, als wären den Europäern die Beschäftigungssituation und die Arbeitslosigkeit egal.
Nein, wir brauchen nicht nur eine Europäische Währungsunion; wir brauchen einen europäischen Beschäftigungspakt; wir brauchen eine europäische Steuerunion. Deswegen fordern wir Sie auf: Beenden Sie diese Verunsicherung! Bekämpfen Sie endlich aktiv die Arbeitslosigkeit! Dann erreichen Sie die Konvergenzkriterien; dann bekommen wir 1999 einen stabilen Euro. Das ist für die deutsche Wirtschaft und für die Europäer aus politischen und ökonomischen Gründen gut.