Rede von
Prof. Dr.
Edzard
Schmidt-Jortzig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben zu diesem Tagesordnungspunkt jetzt lange und intensiv diskutiert. Es zeichnet unsere Debatte zu diesem wichtigen Thema aus, daß wir uns nicht nur weitgehend, sondern voll auf das verständigen können, was der überfraktionelle Antrag formuliert. Deswegen will ich nicht noch im einzelnen auf die Dinge eingehen, sondern ganz wenige Punkte, die angesprochen wurden, schlicht und ergreifend aus der Sicht der - wenn Sie so wollen - regierungsamtlichen Rechtspolitik bestätigen.
Erstens. „Die Würde des Menschen ist unantastbar." Aus diesem Programmsatz, aus diesem Grundansatz unserer Verfassung ergibt sich völlig eindeutig, daß das Klonen von Menschen - selbst wenn wir das Embryonenschutzgesetz überhaupt nicht hätten - in einer Rechtsordnung unter unserem Grundgesetz nicht möglich, nicht zulässig sein kann. Das ist - Frau Kollegin Löwisch, Sie haben völlig recht - mit der Objektformel von Günter Dürig besonders eindrucksvoll zu unterstreichen; denn wer einen Menschen klont, macht ihn eben zum Objekt und raubt ihm seine individuelle Identität, seine Einmaligkeit, seine Persönlichkeit.
Es gibt also überhaupt kein Vertun, daß eine Gesellschaft, in der sich Menschen andere Menschen nach ihren Wünschen schaffen, nicht mehr auf dem Fundament unserer humanistischen Zivilisation, erst recht nicht mehr auf dem Fundament des christlichabendländischen Konsenses und schon gar nicht mehr auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht. Das als erstes zu unterstreichen ist mir wichtig.
Zweitens. Es kann und darf nach dieser Diskussion - insbesondere nach den juristischen Ausführungen, die wir dazu gehört haben - nicht ein Hauch von Zweifel bestehen, daß das Embryonenschutzgesetz das Klonen eines Menschen nach der bei dem Schaf „Dolly" angewandten Methode verbieten, unter Strafe stellen würde. Der Humangenetiker, der so etwas machte, wäre nach § 6 in Verbindung mit § 8 Embryonenschutzgesetz strafbar. Da gibt es überhaupt kein Vertun. Ich habe das schon verschiedentlich geäußert, zum Beispiel letzte Woche im Bundesrat. Die Formulierung in dem 1990 beschlossenen und 1991 in Kraft getretenen Gesetz ist in dem Punkt
Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
sehr vorausschauend gewesen. Sie spricht ausdrücklich von „gleich" statt „identisch", von „gleich" statt „demselben". Sie faßt die Definition von Embryo so formelhaft weit, daß auch eine Vorgehensweise wie in dem Verfahren beim Schaf „Dolly", auf den Mensch angewendet, darunter fallen würde.
Drittens. Es ist die selbstverständliche Amtsaufgabe des Justizministers, alle vorhandenen Gesetze - namentlich zu einem so in der Entwicklung befindlichen Gebiet wie dem der Reproduktionsmedizin, der Gentechnik - ständig darauf zu überprüfen, ob sie denn den Anforderungen noch gerecht werden, ob sie möglicherweise Zweifel aufkommen lassen. Auch das wäre in diesem empfindlichen Feld schon Anlaß genug, tätig zu werden.
Die Aufforderung, die dazu im interfraktionellen Antrag formuliert wird, ist ohnehin unsere Aufgabe. Deswegen wird natürlich zugesagt, daß das geschieht. Das wird auch interdisziplinär geschehen, das wird auch interressortmäßig geschehen. Natürlich werden sich die beteiligten Ressorts zusammen darum bemühen, also die Ressorts von Herrn Rüttgers, von Herrn Seehofer und von mir.
Viertens. Daß wir an dieses Thema international herangehen müssen ist mir völlig klar. Es tut mir leid, daß bei diesem Punkt Herr Catenhusen nicht mehr da ist; denn seine Attacke gegen das Verhalten der Bundesregierung in Sachen Bioethik-Konvention - oder, wie es jetzt heißt: Biomedizin-Konvention - des Europarates geht an der Sache vorbei.
Ich will nicht für frühere Bundesregierungen sprechen, am allerwenigsten für die, die im Jahre 1980 im Amt war, an der die Kritik von Herrn Catenhusen ja einsetzte.
- Ich weiß, daß damals ein Kanzler die Verantwortung trug, der Ihnen nicht so fern stand. -
Ich will dazu nur sagen, daß wir uns seit Beginn unserer Bemühungen, die Bioethik- oder BiomedizinKonvention des Europarates voranzubringen und diesen Punkt zu fokussieren, immer in dem Dilemma befunden haben, wie weit denn die Möglichkeiten der deutschen Politik gehen, um andere auf unsere - nie strittige - Linie einzuschwören, oder ob wir dabei nicht die Einflußmöglichkeit auf andere, die andere Vorstellungen haben als wir - immerhin sind wir ja am Schluß unterlegen -, verlieren. Sollten wir in dieser Frage also einen Maximalstandard einfordern und mit einem Maximalziel antreten, aber dann, wenn wir feststellen, daß wir uns damit nicht durchsetzen können, davon wieder Abstand nehmen und mit moralisch zwar sauberen, aber politisch leeren Händen nach Hause zurückkehren?
Es ist keine Frage, daß die Verhandlungen über die Biomedizin-Konvention nicht zuletzt auch deshalb länger dauerten, als zu erwarten war, weil der
Deutsche Bundestag Mindeststandards formuliert und erwartet hat, daß sich die Regierung für diese einsetzt. Die deutschen Verhandler haben diese Dinge dort weitgehend abgearbeitet. Es ist bekannt, daß die Bundesregierung dieser Konvention weder zugestimmt noch sie gezeichnet hat. Sie hat noch nicht einmal hinsichtlich der Entscheidung über die Auflegung zur Zeichnung grünes Licht gegeben, sondern immer wieder versucht, die Dinge in unsere Richtung zu bewegen, also moralisch zu sensibilisieren. Dabei gibt es aber Grenzen.
Dann ist die Frage, ob wir uns nicht wirklich damit zufriedengeben müssen, daß wir bei den anderen Mitgliedern des Europarates einen Standard erreichen, wie er bisher jedenfalls noch nicht existiert, und im übrigen fest im Blick haben, daß diese Konvention des Europarates - nur, aber immerhin - Mindeststandards festlegt. Damit sind wir überhaupt nicht gehindert, unsere viel weitergehenden und viel sensibleren deutschen Maßstäbe - wen wird das angesichts unserer Vergangenheit wundern? - fortzuschreiben, sie in unserer nationalen Rechtsordnung aufrechtzuerhalten.
Ich will zum Schluß - gewissermaßen außerhalb des „Amtlichen" - noch eine kurze Bemerkung anfügen: Für mich persönlich - das sind Wertungen, die jeder für sich persönlich vornehmen muß - ist auch das Klonen von Tieren nicht zulässig.
Vielen Dank.