Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich wende mich - wie auch Sie, Herr Catenhusen - nun besonders der ethischen Seite zu.
„Die Menschenwürde ist getroffen", sagte der kürzlich verstorbene bekannte Tübinger Staatsrechtler Günter Dürig in seiner schon 1958 erschienenen Kommentierung von Art. 1 des Grundgesetzes. Er sagte - das ist wieder ganz aktuell -:
Die Würde des Menschen ist getroffen, wenn der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird.
Das sei offenkundig der Fall, wenn Menschen wie Tiere gezüchtet würden.
Günter Dürig hat bei diesen 1958 geschriebenen Sätzen Menschenzuchteinrichtungen, wie zum Beispiel den „Lebensborn" der Nazis, vor Augen gehabt. Das Klonen von Menschen ist genauso schlimm, ist noch gefährlicher. Menschen zu klonen macht sie zu austauschbaren, ja vervielfachbaren Größen. Die Individualität, die Einzigartigkeit jedes Menschen, die wir so sehr hervorheben, wird zerstört.
Ich freue mich, daß wir hierin einer Meinung sind. Es hat bisher keine anderen Stimmen gegeben als die, daß wir dem Klonen von Menschen unmißverständlich Einhalt gebieten müssen. Deshalb ist es absolut notwendig und auch richtig, daß der Deutsche Bundestag heute feststellt, daß das Klonen beim Menschen in besonders schwerwiegender Weise gegen die Menschenwürde verstößt.
In unserem Antrag geht es darum, noch einmal ganz scharf zu überprüfen - die Juristen haben das angesprochen -, ob die neuen Entwicklungen und auch die, die wir jetzt noch gar nicht kennen - wir müssen sozusagen um die Ecke schauen; wir müssen versuchen, das zu sehen, was es eigentlich noch gar nicht gibt -, durch das Embryonenschutzgesetz bereits abgeckt sind. Falls dies nicht der Fall sein sollte - ich will das noch einmal sagen -, müssen wir die erforderlichen rechtlichen Konsequenzen ziehen. Da sind wir uns einig.
Dolly hat uns gezeigt - Herr Catenhusen, Sie haben das gesagt -, wie rasend schnell Einschätzungen über technische Machbarkeit überholt sein können. Noch schrecken wir davor zurück, uns wirklich auszumalen, was durch das Klonen von Menschen schlimmstenfalls entstehen könnte. Wir haben einfach Angst davor, uns das genau auszumalen. Aber wir müssen uns das Schlimmste vor Augen führen, um die ethischen Grenzen unseres Handelns bestimmen zu können, um eine Grenzziehung - Grenzziehungen sind immer schwierig - wirklich vornehmen zu können.
Von vielen Naturwissenschaftlern wird zwar gesagt - wir wissen es eigentlich auch -, daß es zur Zeit noch nicht oder nur schwer möglich sei, menschliche Klone tatsächlich zu schaffen. Aber wir wissen auch, wie schnell die Wissenschaft diese Hürde überwinden könnte und zwar so, daß die Methoden des Klonens in breiterem Umfang praktikabel würden. Deshalb müssen wir uns die Folgen ausmalen.
Was würde passieren, wenn Menschen einzeln oder auch in großer Zahl geklont würden? Ich will das Szenario ansprechen. Wir würden Menschen bewußt eine eigene Identität vorenthalten. Was bedeutet das? Das müssen wir uns ausmalen. Man könnte den Menschen von der Stange schaffen; man könnte ihn in Serie produzieren, als Abbild eines Prototyps. Jedem Mißbrauch wäre Tür und Tor geöffnet. Man geriete in Abhängigkeit zu Machern, mit ihren vielleicht völlig unakzeptablen, sogar schrecklichen Zielen - eine Horrorvision!
Es könnte eine neue Klasse von Menschen geschaffen werden: hier die Originale, daneben die Kopien - ein Alptraum! Wer würde darüber entscheiden, wer bestimmte, wer was klonen dürfte? Was geschähe mit den geklonten Menschen, wenn sie nicht den Vorstellungen der Produzenten entsprächen?
Solche Gedankengänge treiben, so glaube ich, uns allen wirklich den Schweiß auf die Stirn. Wir müssen sie ernst nehmen; es ist nicht Sciencefiction. Die wenigen Beispiele zeigen auch, daß es - wir haben es heute schon mehrmals gehört - ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist, Menschen zum Produkt der Technik zu machen.
Sigrun Löwisch
Herr Catenhusen, wie hat der Präsident der deutschen UNESCO-Kommission, Canisius, mit dem wir vor kurzem zusammensaßen, gesagt - und er hat Recht -: „Es geht darum, zu ermöglichen, was geschehen muß, und zu verhindern, was nicht geschehen darf." Beim Klonen ist diese Gratwanderung der Gentechnik nicht nötig. Wir wissen, daß das Klonen unter keinen Umständen geschehen darf.
Auch die realen Interessen, die mit dem Klonen vielleicht verbunden sein könnten - Frau DäublerGmelin hat es angesprochen -, müssen von vornherein zurückgewiesen werden.
Herr Minister Rüttgers hat das Beispiel mit dem Kind vorgetragen. Auch ich habe mir darüber Gedanken gemacht. Man stelle sich einmal vor, Eltern verlören ihr Kind. Läge es dann nicht doch nahe, dieses Kind durch Klonen den Eltern zurückzugeben? Könnte man so argumentieren? Nein, man könnte so nicht argumentieren. Auch dies könnte niemals eine Rechtfertigung sein. Wir dürfen nicht nach einem möglichen Zweck des Klonens fragen. Es muß ohne Wenn und Aber verboten sein, ohne Rücksicht auf etwaige Motive, auch wenn sie menschlich verständlich oder nachvollziehbar wären. Also: keine Ausnahmen!
Aber könnte nicht gefragt werden: Macht uns die Natur nicht schon die Mehrlingsbildung vor? Es gibt ja von Natur aus genetisch identische Menschen, nämlich eineiige Zwillinge und Drillinge. Warum also sollten wir nicht von Menschenhand nachvollziehen dürfen, was uns schon die Natur vormacht? Natürliche eineiige Zwillinge sind zwar genetisch identisch bzw. fast identisch, aber sie sind keine Kopie des anderen Zwillings. Das ist der große Unterschied. Sie sind beide ein Original, nur durch eine Laune der Natur zeitgleich mit identischen Erbinformationen ausgestattet. Von den psychologischen Problemen, die Menschen haben könnten, die geklont sind, möchte ich gar nicht sprechen. Auch dies ist bei eineiigen Zwillingen nicht der Fall. Das Ebenbild bei künstlichen Mehrlingen könnte viel später, vielleicht erst nach Jahrzehnten, auf die Welt kommen. Auch das würde große Probleme aufwerfen.
Wir sollten uns also hüten, es der Natur gleichtun zu wollen. Die Natur handelt unvorhersehbar - für manche zufällig, für manche vorherbestimmt. Bisher hat, Gott sei Dank, kein Mensch seine Eltern vernünftigerweise fragen können: Warum habt ihr mich so gewollt und gemacht, wie ich jetzt bin? Diese Frage, die dann Sinn machte, könnte zu einer Form von Verantwortung führen, deren Dimension wir gar nicht überschauen könnten.
Auch ich möchte dafür danken, daß wir uns interfraktionell zusammengefunden haben. Diese Zusammenarbeit sollte kein Ende mit diesem Antrag haben. Wir müssen sie vielmehr fortführen.
Aber wir müssen uns natürlich über eines im klaren sein - es wurde zum Glück schon oft gesagt -: Ich habe eigentlich keine großen Ängste, daß wir das Klonen hier in Deutschland nicht wirklich verbieten
könnten und darauf achten könnten, daß dieses Verbot eingehalten wird. Denn die Gesellschaft würde diejenigen, die das möglicherweise tun wollten, so ächten, daß sie am Rande der Gesellschaft stünden. Aber was ist international? Wir müssen unsere Blicke für die Situation weltweit schaffen. Deshalb müssen wir gemeinsam - nicht mit erhobenem Zeigefinger; das machen wir sehr gerne - darauf achten, daß weltweit ein Verbot des Klonens erfolgt.
Vielen Dank.