Rede von
Jörg
van
Essen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe eine Rede für diese Debatte vorbereitet, die ich aber so nicht halten werde. Viele der Gedanken, die ich Ihnen vortragen wollte, sind von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon genannt worden. Es ist ein Wert an sich, daß wir uns bei diesem Thema im Bundestag einig sind, und dieser Wert wird nicht unterstrichen, wenn gleiche Argumente nun noch einmal vorgetragen werden.
Ich möchte trotzdem auf einige Debattenpunkte eingehen, um unsere Position hier erneut deutlich zu machen. Die Kollegin Däubler-Gmelin hat darauf hingewiesen, daß wir als Deutscher Bundestag beim strafrechtlichen Klonierungsverbot im Jahr 1990 ja vorangegangen sind - wir sind das erste Parlament, das ein solches strafbewehrtes Klonierungsverbot verabschiedet hat - und die Latte bewußt hoch gelegt haben. Wir haben uns nicht dafür entschieden, nur die Techniken zu erfassen, die damals bekannt waren. Jetzt hat es sich sehr bewährt, daß wir die Vorschrift seinerzeit so gefaßt haben, wie sie heute im Embryonenschutzgesetz steht; denn ich teile die Auffassung sowohl von Herrn Götzer als auch von Frau Däubler-Gmelin, daß die Techniken, die wir jetzt kennen, von diesem Klonierungsverbot im Embryonenschutzgesetz erfaßt sind.
Ihr Vorschlag, ein solches Klonierungsverbot in das Grundgesetz aufzunehmen, ist selbstverständlich nachdenkenswert. Ich persönlich würde aber davon abraten. „Die Menschenwürde ist unantastbar", sagt das Grundgesetz. Sobald wir eine Einschränkung oder einen Zusatz bringen, bedeutet das eine Gefahr, weil andere Teile der Menschenwürde damit in ihrer Bedeutung herabgesetzt werden könnten. Das kann nicht unser Ziel sein. Das Gebot des Grundgesetzes „Die Menschenwürde ist unantastbar" erfaßt aus meiner Sicht ganz selbstverständlich auch das Klonierungsverbot.
Die Diskussion, die wir heute wieder führen, macht deutlich, daß der Bundestag bei diesem Thema sensibel ist. Ich finde es gut, daß wir weiter vorangehen. Wir können nämlich mit nationalen Gesetzen die Standards vorgeben. So richtig es ist - mehrere Vorrednerinnen und Vorredner haben ja darauf hingewiesen -, daß wir zu internationalen Vereinbarungen kommen müssen, so richtig ist es, jedenfalls in unserem eigenen Lande dafür zu sorgen, daß wir mit unseren Standards vorbildlich sind.
Aber ich lege auch auf internationale Vereinbarungen Wert; denn es zeigt sich, daß dann, wenn irgendwo eine Front bricht, Entwicklungen natürlich auch wieder zu uns herüberschwappen können. Des-
Jörg van Essen
halb müssen wir mit großem Nachdruck darauf hinarbeiten, daß es zu hohen internationalen Standards kommt. Die Diskussionen, die wir in Europa in dieser Frage haben, machen deutlich, daß die Standards eben nicht in allen Ländern gleich hoch gesehen werden. Wir sollten hier weiterhin eine Vorbildfunktion haben.
Die letzte Bemerkung, die ich machen möchte, ist kritisch gegenüber den Grünen. Sie verweisen wie bei allen technischen Entwicklungen immer wieder auf die Gefahren. Sie sehen in Entwicklungen nur die Gefahren. Ich weise darauf hin, daß man in technischen Entwicklungen natürlich auch die Chancen sehen muß.
Diejenigen, die von diesen technischen Entwicklungen, die wir hier besprechen, Vorteile haben - etwa weil sie an bestimmten Krankheiten leiden, bei denen ihnen besser geholfen werden kann -, hoffen natürlich darauf, daß sie dadurch möglicherweise ein menschenwürdigeres Leben führen können. Ich habe ganz bewußt gesagt: ein menschwürdigeres Leben, weil auch das von Art. 1 des Grundgesetzes mit erfaßt ist.
Wir sind erst am Anfang der Diskussion. Es zeigt sich ganz deutlich, daß es enorme technische Entwicklungen gibt. Der Bundestag ist gut beraten, wenn er ständig an diesen Entwicklungen teilhat, wenn er regelmäßig Debatten zu diesem Thema führt und immer wieder prüft, inwieweit die Würde des Menschen der Maßstab unseres Handelns ist. Die heutige Debatte trägt sicherlich dazu bei. Ich bin sehr froh, daß es so ist.