Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt in diesem Haus relativ selten vor, daß wir über einen Antrag beraten, der von den verschiedenen Fraktionen in solcher Gemeinsamkeit eingebracht wird. Das deutet in der Tat darauf hin, daß zumindest in der Grundabsicht des Antrags vollständige Einigkeit besteht: Klonen von Menschen wollen wir nicht; Klonen von Menschen darf auch in Zukunft nicht möglich werden. Ich glaube, darüber braucht man nicht zu reden, das sehen alle so.
Der Grund für diese sehr breite Einigkeit ist völlig klar. Sie gründet in unserem gemeinsamen Selbstverständnis vom Menschen, der ein unverwechselbares Individuum ist, und zwar - wenn man es naturwissenschaftlich ausdrückt - in seinem spezifischen, individuellen lebenden Organismus, so wie er geschaffen wurde. Er ist nicht - auch nicht in Teilen - austauschbar; er ist auch nicht mit industriellen Methoden reproduzierbar.
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Wir wollen das Klonen nicht, auch dann nicht, wenn technisch solche Möglichkeiten gegeben sein sollten. Das Klonen würde nicht zu unserem Selbstverständnis vom Menschen passen, eben wegen des Unterschieds zwischen einem Geschöpf und einem Produkt.
Dieser Unterschied ist, glaube ich, uns allen bewußt. Ich möchte kurz sagen, wo das niedergelegt ist. Unsere Rechtsordnung, unsere Verfassungsordnung, unsere Grundrechtsordnung baut auf diesem Unterschied und auf diesem Menschenbild auf. Ein anderes Menschenbild ist in unserer Rechtsordnung und nach unserem Verständnis nicht möglich. Wandlungen an diesem Menschenbild kann es durch Veränderungen der Technik - welcher auch immer - nicht geben.
Problematisch wird die Situation aus einem ganz anderen Grund. Als wir Klonen früher relativ lässig, pauschal und unscharf als Begriff verwendet und bestenfalls über Science-fiction-Romane oder Witze, die mit Klonen zusammenhingen, gelächelt haben, wurde keine Notwendigkeit gesehen, über den Grundsatz, daß wir das Klonen des Menschen als eines Geschöpfes nicht wollen, hinauszugehen.
Ein erster Anlaß, über die Fortpflanzungsmedizin und deren ethische Vertretbarkeit nachzudenken und die entsprechenden brennenden Fragen zu diskutieren, hat sich im Zusammenhang mit der Diskussion - Kollege Götzer, Sie haben das schon erwähnt - um das Embryonenschutzgesetz gegeben. Dabei hat sich dann sehr deutlich gezeigt, daß Mißverständnisse entstehen können und welche Möglichkeiten des schnellen und des wenig vorsichtigen bzw. des vorsichtigen Vorgehens bestehen.
Ich darf Sie daran erinnern, daß wir damals heftig miteinander gerungen haben. Es hat Leute gegeben, die gesagt haben: Seid vorsichtig! Laßt immer nur das zulässig sein und setzt die Schranke immer da, wo ihr die Auswirkungen dessen, was ihr erlaubt - nicht dessen, was technisch möglich ist -, noch übersehen könnt! Man hat das nicht so gemacht. Man ist eher ein Stück weitergegangen. Die Argumente sind völlig klar: Auf der einen Seite standen die Überschaubarkeit und die Klarheit der, Werte, auf der anderen Seite die Möglichkeiten, die insbesondere die Grundlagenforschung und in Teilen auch die Anwendungsforschung bieten.
Lassen Sie mich noch eines festhalten: Der Grundsatz, das Klonen zu verbieten, stand auch in der Diskussion um das Embryonenschutzgesetz überhaupt nicht in Frage. Wenn ich mich recht erinnere, was uns bei der Formulierung der §§ 6 und 8 des Embryonenschutzgesetzes bewegt hat, so wollten wir damals schon alle bekannten Methoden des Klonens berücksichtigen. Wir haben uns damals darüber informiert, welche Methoden denkbar sind. Daß es dann - wie jetzt mühsam zurückverfolgt werden kam - zu dieser Restriktion kam, lag auch daran, daß die Technik beim Klonen und auch die Fortpflanzungsmedizin damals noch nicht den Stand erreicht hatten, den sie heute haben.
Das Problem, vor dem wir heute stehen, ist, daß wir - auch dann, wenn wir versuchen, die weltweite wissenschaftliche Diskussion zu verfolgen - nicht mehr sagen können, ob es nicht ganz neue Methoden beim Klonen geben wird. Außerdem ist Anlaß dafür gegeben, Herr Götzer, den Begriff des Klonens sehr viel sorgfältiger zu überprüfen.
Was ist denn nun eigentlich Klonen? Wird die Grenze da gezogen, wo ein menschlicher Organismus in seiner Unwiederholbarkeit manipuliert und beeinflußt wird? Oder gibt es hier, weil es sich um einen Prozeß handelt, keine Grenze, die eindeutig bestimmt werden kann? Wo müssen wir dann mit einer ethischen und mit einer rechtlichen Grenze ansetzen?
Diese Fragen drängen sich auf, auch wenn man wie ich - ich teile die Meinung des Kollegen Götzer - der Auffassung ist, daß die Dolly-Methode des Klonens, wenn sie auf den Menschen angewandt worden wäre, von den strafrechtlichen Bestimmungen erfaßt gewesen wäre. Aber ist das, was jetzt mit Dolly gemacht wurde und was wir nicht vorhergesehen haben, als das Gesetz gemacht wurde, die letzte Möglichkeit, die Gene zu manipulieren?
Bei dieser Manipulation kommt man - ich weiß nicht, ob das spezifisch genug ausgedrückt ist - um die Befruchtung herum. Möglicherweise kommt man auch um die Keimzellen herum. Vielleicht gibt es auch Kombinationsmethoden, die ein Drittes zulassen. Alle diese Methoden, die zum Klonen führen könnten, zur Manipulation dessen, was menschliches Leben als solches unverwechselbar definiert, fallen unter unseren sehr einvernehmlich gefaßten Beschluß, an dem wir festhalten: daß wir das Klonen, das Kopieren von menschlichem Leben, nicht wollen.
Die Aufgabe, die der Bundesregierung mit dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen gestellt wird, ist völlig klar: Wir brauchen eine komplette, interdisziplinäre Übersicht über das, was denkbar ist, nicht allein über das, was jetzt gemacht wird. Wir brauchen auch eine erste Überlegung, wo die Bundesregierung die Grenzen des Vertretbaren im Detail ansetzt und wo die rechtlichen Instrumente greifen sollen. Darüber müssen wir dann hier diskutieren.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf folgendes lenken. Im Embryonenschutzgesetz sprechen wir noch von „gleicher Erbinformation". Der Antrag enthält in Nr. II Ziffer 1 schon die Worte „im wesentlichen gleich" . Das deutet darauf hin, daß wir es auch hier mit einer Auflösung in einem Prozeß zu tun haben und daß wir uns mit der Grenzziehung ganz besonders zu befassen haben.
Ich will nicht wiederholen, was der Kollege Götzer dazu gesagt hat, daß wir das nicht nur national regeln können - gerade das nicht -, sondern daß wir das natürlich europäisch und global machen müssen.
Ich bitte Sie, noch einen anderen Aspekt zu erwägen. Ich habe schon gesagt: Unser Grundgesetz, unsere gesamte Rechtsordnung mit dem obersten Be-
Dr. Herta Däubler-Gmelin
griff der Menschenwürde, geht davon aus, daß Klonen verboten ist. Wir sollten uns überlegen, ob wir das durch eine ausdrückliche Erwähnung im Grundgesetz verstärken. Das ist ein Punkt, über den wir uns sicherlich noch sorgfältig unterhalten müssen. Ich denke, es spricht manches dafür.
Meine letzte Bitte richtet sich an die Bunderegierung. Es wäre sehr gut, wenn die Prüfung sorgfältig wäre, uns aber auch die Möglichkeit gäbe, sie noch im Laufe dieser Legislaturperiode ordentlich umzusetzen, wenn es erforderlich wäre. Wenn es machbar wäre, wäre eine Vorlage des Ergebnisses bis zur Sommerpause sehr schön; länger als bis zum Herbst sollte die Prüfung nicht dauern.
Herzlichen Dank.